Zeitschrift Aufsätze

Ingo Heidbrink

Gerichtliche und außergerichtliche Konfliktlösung im Kontext internationaler Fischereikonflikte Anmerkungen zur Rechts- und Fischereigeschichte sowie zur Entwicklung von Mechanismen zur Beilegung bi-, multi- und internationaler Fischereikonflikte des 19. und 20. Jahrhunderts

1Nahezu jede Untersuchung, die sich mit potentiellen internationalen Konflikten der Zukunft befasst, benennt zumindest einen Konflikt, der sich dem weiteren Kontext der Fischerei bzw. der Nutzung maritimer Ressourcen zuordnen lässt. Die Liste der möglichen Konflikte ist lang und reicht von der Arktis über die South China Sea bis hin zu den Falkland Inseln oder den antarktischen Gewässern.1 All diesen potentiellen Konflikten ist gemein, dass es sich um Konflikte bezüglich des Zuganges zu bzw. der exklusiven Nutzung von maritimen Ressourcen handelt und dass es in der Regel Nationalstaaten sind, die als Hauptakteure dieser potentiellen Konflikte angesehen werden.

2Grundsätzlich unterscheiden sich diese künftigen Konflikte nur unerheblich von ihren Vorgängern, die im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder zu erheblichen zwischenstaatlichen Konflikten und manchmal kriegsähnlichen Situationen geführt haben, jedoch ebenso zumeist früher oder später durch informelle oder institutionalisierte Mechanismen der Beilegung internationaler Konflikte gelöst werden konnten.

3Der vorliegende Beitrag versucht anhand der Analyse ausgewählter historischer Fischereikonflikte und ihrer jeweiligen Lösungen, die Mechanismen zu identifizieren, die dafür verantwortlich waren, ob informelle oder institutionalisierte Mechanismen der Konfliktlösung zum Einsatz kamen und welche Rolle neu entwickelte Konfliktlösungsmechanismen für jeweils zukünftige Konflikte spielten.

4Bei dieser Fragestellung handelt es sich um weitgehend unerschlossenes Neuland für die rechtshistorische Forschung. Zwar gibt es eine große Vielzahl von Untersuchungen zur Entwicklung des Seerechts, diese können allerdings nur in den seltensten Fällen als historische Analysen angesprochen werden, sondern sind dem jeweils zeitgenössischen juristischen Schrifttum zuzurechnen.

5Wenn renommierte rechtshistorische Werke wie z.B. das Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte im Beitrag „Jagd- und Fischereirechte“ bezüglich der Fischereirechte feststellen, dass diese niemals eine gesellschaftliche Relevanz erlangten, da sie u.a. nicht zur Raumbeherrschung geeignet waren,2 trifft dies zwar für die Fischereirechte der deutschen Binnengewässer eindeutig zu, aber keinesfalls für die hier diskutierten internationalen Fischereirechte, die sowohl für einzelne Nationen von erheblicher gesamtgesellschaftlicher Relevanz waren und vor allem direkt als Mittel der Raumbeherrschung im Rahmen einer Nationalisierung der Fanggründe der internationalen Hochseefischerei genutzt wurden. Wenn der Artikel „Freiheit der Meere“ im selben Handwörterbuch die gesamte Entwicklung der mit der Nutzung maritimer Ressourcen verbundenen Rechtssysteme damit zusammenfasst, dass sie ein Bestandteil des Seerechts waren,3 aber nahezu keine weitergehenden inhaltlichen Details bietet, zeigt dies nur, dass es sich bei der Frage der historischen Genese von Konfliktlösungs-mechanismen im Kontext der internationalen Hochseefischerei derzeit eindeutig um eine Desideratum handelt.

Freiheit der Meere

6Das bis heute gerade in der populären Literatur und Kultur noch stets enthaltene Konzept der Freiheit der Meere, d.h. der Ozeane als einem Raum, der sich nahezu jeder Regelung entzieht und dem Individuum unbegrenzte und unkontrollierte Möglichkeiten bietet, ist mit Sicherheit seit je her eher dem Bereich der Beschreibung von gesellschaftlichen und/oder individuellen Utopien zuzurechnen, als einer jeweiligen konkreten historischen Realität.

7Dennoch gilt es zunächst festzustellen, dass sich die internationale Hochseefischerei und damit auch die aus ihr resultierenden Fischereikonflikte über Jahrhunderte in einem nahezu rechtsfreien Raum ereigneten. Spätestens seit der Frühen Neuzeit wurde die Hohe See als ein Raum außerhalb nationaler Jurisdiktion betrachtet und das Prinzip Mare Liberum, zurückgehend auf Hugo Grotius gleichnamige Publikation aus dem Jahre 16094, als bestimmendes Prinzip von den allermeisten seefahrenden Nationen anerkannt.

8Basierend auf der Idee, dass es sich bei den Fischbeständen der Weltmeere um eine unerschöpfliche Ressource handeln würde, argumentierte Grotius, dass der Zugang zu dieser Ressource keinerlei Regelung bedürfen würde, da ihr Gebrauch niemandem Schaden zufügen würde, eben da die Ressource endlos sei. Aus moderner Sicht mag diese Interpretation zwar fragwürdig erscheinen, da es spätestens seit der ersten Hälfte des 20. Jh. offensichtlich geworden ist, dass es sich bei den Fischbeständen der Weltmeere keinesfalls um eine unerschöpfliche Ressource handelt, vom Standpunkt des 17. Jh. hingegen kann sie durchaus als korrekt angesehen werden, da weder die Fischereitechnologie noch die Absatzmöglichkeiten für Fisch eine globale Überfischung ermöglichten.

9Dieses bedeutete jedoch keinesfalls, dass Fischereikonflikte nicht existierten, sondern vielmehr nur, dass sie sich auf die Nutzung einzelner Küstenabschnitte bzw. Konflikte zwischen Fischern unterschiedlicher Nationen auf einzelnen Fangplätzen konzentrierten.

10Während die Konflikte bezüglich der Nutzung einzelner Küstenabschnitte bzw. auch der Nutzung von Häfen grundsätzlich als landgebundene Konflikte verstanden werden müssen und somit nicht zum hier betrachteten Untersuchungsgegenstand gehören, zeigen die Konflikte auf den Fangplätzen bereits seit der Frühen Neuzeit genau diejenigen Strukturen, die auch später für sie bestimmend bleiben sollten.

11Das wichtigste Charakteristikum ist hierbei mit Sicherheit das Fehlen eines allgemein akzeptierten Regelwerkes und vielleicht noch wichtiger, das Fehlen einer ultimativen Autorität.5

12Hierbei ist zunächst festzustellen, dass es bei den Konflikten auf den Fangplätzen in der Regel nicht um den Zugang zur Nutzung der Ressource ging, sondern um alltägliche Fragen, die sich unmittelbar aus dem betrieblichen Ablauf der Fischerei ergaben.

13D.h. wenn z.B. zwei Fischereifahrzeuge unterschiedlicher Nationen dadurch in einen Konflikt gerieten, dass ihre jeweiligen Schleppkurse sich kreuzten und sich somit gegenseitig an der Ausübung der Fischerei hinderten bzw. sich selbst und die genutzten Fanggeschirre gefährdeten, blieb es zunächst ausschließlich den beteiligten Schiffsführungen überlassen, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Sollte dies nicht möglich sein, war es in der Regel Realität, dass eines der beteiligten Schiffe früher oder später notgedrungen seinen ursprünglichen Kurs aufgeben musste, um eine Kollision der Schiffe oder der ausgesetzten Fischereigeräte zu verhindern.

14Eine wie auch immer geartete organisierte Form der Konfliktlösung bestand nicht. Es muss jedoch beachtet werden, dass zunächst beide beteiligten Parteien ein Interesse an der Lösung eines solchen Konfliktes hatten. Zum einen ermöglichte nur die schnelle Beilegung eines solchen Konfliktes, dass jede der beiden Parteien die Fischerei ausüben konnte und zum anderen sollte nicht vergessen werden, dass die Fischerei auf der Hohen See, d.h. in einer prinzipiell für den Menschen lebensfeindlichen Umgebung stattfand und die jeweils andere Konfliktpartei in der Regel die einzige Chance auf Hilfeleistung im Havariefall darstellte.6

15Aufgrund der im Vergleich zur Größe der genutzten Fangplätze über lange Zeit nur äußerst geringen Anzahl dort arbeitender Fischereifahrzeuge blieb es bis zum Ende des 19. Jh. weitgehend dabei, dass Konflikte zwischen Fischern unterschiedlicher Nationen zwar unstrittig existierten, aber keine größere Relevanz erlangten und demzufolge auch nur ein geringer Bedarf bestand, Mechanismen zur Vermeidung oder Lösung solcher Konflikte zu etablieren.

Nordseevertrag 1882 und Spitzbergenvertrag 1920

16Diese Situation änderte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. insofern grundlegend, als in einzelnen Seegebieten und zwar insbesondere im Bereich der Nordsee eine solche Dichte an Fischereifahrzeugen erreicht wurde, dass eine Regelung der Alltagskonflikte auf See für die an der Fischerei beteiligten Nationen unausweichlich erschien. Die Gründe für die deutliche Zunahme an Fischereifahrzeugen waren einerseits eine erhebliche Modernisierung der Fischereifahrzeuge und Fanggeschirre7 und der Vertriebsmechanismen für Frischfisch und zwar vor allem durch die Einführung der Eisenbahn als Transportmittel zwischen Fischereihäfen und den Zentren des Verbrauchs und andererseits die stetige Zunahme der Bevölkerung in den industriellen Ballungsgebieten rund um die Nordsee, die in einer erheblichen Nachfragesteigerung für Nahrungsmittel aller Art aber insbesondere Seefisch als kostengünstiger Eiweißquelle resultierte.8

17Eine Regelung für den Umgang mit den Alltagskonflikten der Fischerei fand sich schließlich erstmalig mit dem „Internationalen Vertrag betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer” vom 6. Mai 1882. 9

18Der von nahezu sämtlichen Nordseeanrainerstaaten gezeichnete und nur wenig später ratifizierte Vertrag stellte zunächst fest, dass die Fanggebiete bis zu einer Entfernung von 3sm von der Küste der jeweiligen nationalen Fischerei vorbehalten waren (Art. 2) und damit indirekt auch nationaler Jurisdiktion unterlagen. D.h. sofern innerhalb dieses Gebietes Konflikte zwischen Fischereifahrzeugen entstanden waren diese Gegenstand nationaler Jurisdiktion und Rechtsprechung.

19Für die Fischerei außerhalb der 3sm Zonen legte der Vertrag zunächst eine eindeutige Kennzeichnungspflicht für Fischereifahrzeuge und ihre Fanggeräte fest sowie die Verpflichtung zum Nachweis der Nationalität und der Registerzugehörigkeit des jeweiligen Fahrzeuges (Art. 5-12). Auch wenn diese Bestimmung aus heutiger Sicht nicht besonders innovativ wirken mag, ist sie insofern als entscheidend im Kontext von Konflikten und ihrer Lösungen anzusehen, als dank der Kennzeichnung die Identität der Konfliktparteien eindeutig festgestellt werden konnte und es nicht mehr länger möglich war, sich quasi als Geisterschiff an einem Konflikt zu beteiligen und sich später der Verantwortung durch die simple Behauptung zu entziehen, dass man nicht an diesem Konflikt beteiligt gewesen wäre, sondern ein anderes optisch ähnliches Fischereifahrzeug. Darüber hinaus resultierte die Registerpflicht in der Möglichkeit die Verantwortlichen für den Betrieb eines Fischereifahrzeuges auch im Nachgang eines Konfliktes zu identifizieren, was angesichts der Vielzahl von Fischereihäfen und Fischereifahrzeugen bis dato oftmals nicht möglich gewesen war.

20Die im Kontext dieser Untersuchung wichtigsten Regelungen finden sich schließlich in den folgenden Artikeln des Vertrages. Hier wurden zunächst verbindliche Regelungen für den Fall der Anwesenheit mehrerer Fischereifahrzeuge auf ein und demselben Fangplatz festgeschrieben, die u.a. die gegenseitige Behinderung von Fischereifahrzeugen bei der Ausübung der Fischerei betreffen (Art. 14-19), das Verhalten im Falle Verwickelns der Fanggeschirre verschiedener Fischereifahrzeuge (Art. 20-23) und schließlich Regelungen für die Überwachung und Einhaltung der Bestimmungen dieses Vertragswerkes (Art. 26 ff.).

21Diese Überwachung wurde ausdrücklich in die Verantwortung der jeweiligen Marinen10 der vertragschließenden Staaten gelegt und zwar weitgehend unabhängig davon, ob es sich bei dem jeweiligen Marinefahrzeug um ein solches handelt, das die Flagge des selben Staates wie das betroffene Fischereifahrzeug führt oder nicht (Art. 28).

22Bei dieser Regelung handelt es sich insofern um ein absolutes Novum, als die vertragschließenden Nationen hier quasi im Interesse einer unmittelbaren Konfliktlösung einen bedingten Souveränitätsverzicht akzeptierten, bzw. willens waren, polizeilich hoheitliche Aufgaben gleichsam in wechselseitiger Amtshilfe wahrzunehmen. Der „Internationale Vertrag betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer. vom 6. Mai 1882” machte damit die Fischereikreuzer der vertragschließenden Nationen gleichsam zu einer multinationalen Fischereipolizei und überkam somit eines der bis dato größten Hindernisse für eine erfolgreiche Lösung von Alltagskonflikten der Fischerei in der Nordsee, nämlich dem bisherigen Fehlen einer Exekutive bzw. einer ultimativen Autorität auf den Fangplätzen außerhalb der jeweiligen nationalen Hoheitsgewässer.

23Zugleich nimmt er damit quasi die Idee einer Internationalen Polizei vorweg, wie sie gerade nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wiederholt diskutiert werden sollte.11

24Auch wenn in Art. 33 des Vertrages festgelegt ist, dass die Kommandanten der Fischereikreuzer unter bestimmten Bedingungen den jeweiligen Konflikt bereits auf See im Rahmen eines Vergleiches beenden konnten, legte bereits Art. 30 fest, dass die letztendliche Zuständigkeit bei den Behörden und Gerichten des Flaggenstaates der betroffenen Fischereifahrzeuge lag.

25Auch wenn der „Internationale Vertrag betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer. vom 6. Mai 1882” in vielerlei Hinsicht als richtungsweisend für die Beilegung von Fischereikonflikten anzusehen ist, ließ er jedoch eine Vielzahl entscheidender Punkte weiterhin ungeregelt und zwar vor allem diejenigen, die bis in die Gegenwart als Hauptursache für die meisten internationalen Fischereikonflikte angesehen werden müssen.

26Zum einen war der Geltungsbereich des Vertrages auf die Nordsee beschränkt und darüber hinaus war er als multinationaler Vertrag nur für die Nationen bindend, die den Vertrag gezeichnet und ratifiziert hatten. Zum anderen setzte der Vertrag voraus, dass seitens der beteiligten Nationen ein Einverständnis darüber herrschte, die Regelungen des Vertrages auch anzuwenden. D.h. hätte ein Staat, der den Vertrag gezeichnet und ratifiziert hat, später beschlossen, dessen Regelungen zur Lösung von alltäglichen Fischereikonflikten zu ignorieren, hätte das Vertragswerk keine Sanktionen gegen diesen Staat gekannt und es hätte keine Möglichkeit bestanden, diesen Staat zur Umsetzung der Regelungen des Vertragswerkes zu zwingen.

27Die vielleicht bedeutendste Schwachstelle des Vertrages war jedoch ein ganz andere: Während der Vertrag ein vergleichsweise komplexes Instrumentarium für die Beilegung von Alltagskonflikten der Fischerei in der Nordsee bot, ließ er die Frage nach dem Zugang zur Fischerei in der Nordsee gänzlich offen, bzw. ging einfach davon aus, dass die Fischerei außerhalb der mit dem Vertrag anerkannten nationalen Hoheitsgewässer gemeinfrei für Angehörige aller Staaten war.

28Abgesehen von der relativ unstrittigen Regelung, dass die Fischerei bis zu einem Abstand von 3sm von der Küste den Fischereifahrzeugen des jeweiligen Küstenstaates vorbehalten blieb und der jeweiligen nationalen Jurisdiktion unterlag, beinhaltete der Vertrag von 1882 keinerlei Regelungen bezüglich der Nutzung der Fischbestände bzw. des Ausschlusses bestimmter Nationen von deren Nutzung oder anderer Maßnahmen, die dem weiteren Kontext des modernen Begriffes eines Fischereimanagements zuzuordnen wären. Selbst bei der 3sm Regelung handelte es sich letztendlich nur um eine vertragliche Kodifizierung bereits akzeptierten Völkergewohnheitsrechtes zurückgehend auf die Überlegungen von Cornelius van Bynkershoek12 und das weitgehend von ihm entwickelte Konzept der Kanonenschussweite. 13

29In der Summe muss der „Internationale Vertrag betreffend die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer. vom 6. Mai 1882” allerdings als insofern richtungsweisen angesehen werden, als die Vertragsstaaten bereit waren, hoheitliche und insbesondere polizeiliche Aufgaben im Interesse einer Lösung von Konflikten auf See bis zu einem gewissen Grade aufzugeben, bzw. sich wechselseitig zu übertragen.

30Ein in der einschlägigen Literatur zu Fischereikonflikten und deren Lösung leider bislang relativ oft übersehenes internationales Vertragswerk ist der sogenannte Spitzbergenvertrag von 1920.14 Wie auch die übrigen Pariser Vorortverträge diente er zunächst dazu, aus dem Ende des Ersten Weltkrieges resultierende Souveränitätsfragen zu regeln. Anders als z.B. der bekannteste dieser Verträge, der Vertrag von Versailles, beschränkte sich der Spitzbergenvertrag nicht auf die simple Feststellung der Staatshoheit Norwegens über das Gebiet der subarktischen Inselgruppe, sondern räumte den weiteren Vertragsnationen gleiche Rechte hinsichtlich der Nutzung der Ressourcen der Inseln bzw. der sie umgebenden Gewässer ein (Art. 2 u. 3). Prinzipiell glich die Situation damit zunächst bis zu einem gewissen Grad derjenigen der Hohen See, d.h. einem System mit offenem Ressourcenzugang und damit einem hohen Potential für Konflikte. Doch beinhaltete die Hoheitsübertragung an Norwegen ebenfalls die Verpflichtung Norwegens „geeignete Maßnahmen zur Erhaltung und nötigenfalls zur Wiederherstellung des Tier- und Pflanzenlebens innerhalb der genannten Gebiete und ihrer Hoheitsgewässer beizubehalten, zu treffen oder anzuordnen” und “diese Maßregeln jederzeit ohne irgendwelche mittelbaren oder unmittelbaren Ausnahmen, Vorrechte und Begünstigungen zum Vorteil eines der hohen vertragschließenden Teile den Staatsangehörigen aller Teile gegenüber in gleichem Masse” anzuwenden (Art. 2).

31Während mit dieser Regelung zwar keine konkreten Mechanismen zur Vermeidung oder Lösung von Konflikten zwischen den an der Fischerei in den Gewässern um Spitzbergen beteiligten Nationen etabliert wurden, erfolgte jedoch eine Übertragung der Verantwortung für die Regelung der Fischerei an Norwegen. D.h. Norwegen wurde de facto zum Verwalter und Treuhänder jeglicher Fischerei in den entsprechenden Gewässern und damit das norwegische Rechts- und Gerichtssystem zur verbindlich zuständigen Autorität im Kontext von möglichen Fischereikonflikten innerhalb des Vertragsgebietes.

32Ob die insgesamt relativ vagen Formulierungen des Spitzbergenvertrages tatsächlich zur Lösung von alltäglichen Konflikten innerhalb der Fischerei beitragen konnten, muss aufgrund der unzureichenden Quellenlage als unbeantwortete Frage im Raum stehen bleiben.

33Wie gerade jüngste Auseinandersetzungen zwischen Norwegen und anderen Fischereinationen und zwar insbesondere Russland erneut gezeigt haben, konnte der Vertrag jedoch keinesfalls auch nur in Ansätzen dauerhaft die Konflikte der Spitzbergenfischerei verhindern oder zumindest lösen.15

34Dennoch ist der Spitzbergenvertrag von 1920 gerade im Zusammenhang der Frage von Lösungsmechanismen für internationale Fischereikonflikte insofern von herausragender Bedeutung, als wie bereits im Fall des Nordseevertrages eine zumindest für die Vertragsstaaten bindende Übertragung hoheitlicher Rechte zumindest indirekt stattfand. Norwegen erhielt die Hoheit über die Inselgruppe aber verbunden mit der Auflage, dass die Ressourcen weiterhin durch sämtliche Vertragsstaaten genutzt werden konnten. D.h. aus der Sicht der übrigen Vertragsstaaten galt quasi weiterhin ein begrenztes open-access Regime jetzt jedoch verbunden mit der Übertragung der hoheitlichen und polizeilichen Rechte an Norwegen.

35Während es sich bei den bislang diskutierten Bereichen weitgehend um Konflikte innerhalb einer bestimmten Fischerei handelte, sind zwei entscheidende Konfliktfelder aus dem Kontext internationaler Fischereikonflikte bislang nahezu nicht erwähnt worden und zwar obwohl es sich bei diesen Konfliktfeldern eindeutig um diejenigen mit dem größten Konfliktpotential handelt, als auch um diejenigen, die bis in die Gegenwart hinein als zumindest bis zu einem gewissen Grade als ungelöst angesehen werden müssen:

36die Konflikte um die Frage des Zuganges zu einer bestimmten Fischerei, bzw. des Ausschlusses von derselben und die Konflikte zwischen Meeresschutz und wirtschaftlicher Nutzung der maritimen Ressourcen, d.h. Fangmengenregulierung und/oder -begrenzung oder in moderner Terminologie Fischereimanagement.

37Sowohl der Vertrag von 1882 wie auch der Spitzbergenvertrag gingen für das jeweilige Vertragsgebiet zunächst von einem freien Zugang zur Fischerei zumindest für die jeweiligen Vertragsnationen aus. Ausgenommen von diesem open-access Regime wurden im Nordseevertrag nur die Gewässer in weniger als 3sm Entfernung von der Küste, die als Territorialgewässer der exklusiven Jurisdiktion und Nutzung durch den Uferstaat unterlagen. Genau an dieser Stelle lag aber auch das eigentliche Problem, d.h. einerseits warum ausgerechnet 3sm und nicht wie von anderen Nationen gefordert z.B. 4sm und andererseits die Frage der Grundlinien, oder einfacher gesagt, ab wo sollten die 3sm gemessen werden, bzw. im Kontext des Spitzbergenvertrages wo endete die Kompetenz der norwegischen Treuhänderschaft ?

Völkerbund

38Der Erste Weltkrieg hatte für die beteiligten Fischereinationen zunächst in einer erheblichen Reduktion ihrer Fangflotten durch direkte Kriegsverluste resultiert. Hinzu kam, dass die vorübergehende Einschränkung der Fischereiaktivitäten während der Kriegsjahre zu einer gewissen Erholung der Fischbestände von einer beginnenden Überfischung geführt hatte16 und somit das Potential für Fischereikonflikte jeglicher Art nach dem Ende des Ersten Weltkrieges insgesamt im Vergleich Vorkriegssituation zumindest vorübergehend etwas reduziert war.

39Während somit die Frage der Fischereikonflikte und der Mechanismen zu ihrer Lösung als ein Problem verstanden werden können, das nach dem Ersten Weltkrieg vorübergehend nur mindere Relevanz hatte, galt für den internationalen Walfang nahezu das genaue Gegenteil.

40Im Verlauf der 1920er Jahre erreichte der der internationale Walfang ein solches Niveau erreicht, dass die Ausrottung einzelner Walarten nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien.17 Mit Harpunenkanonen ausgestattete dampfgetriebene Fangboote ermöglichten eine hocheffiziente Jagd und mit der Entwicklung der aus Fangbooten und schwimmenden Fabriken bestehenden Walfangflottillen wurde diese auch zunehmend auf entferntest gelegene Fanggründe wie die antarktischen Gewässer ausgedehnt.18

41Die Überfischung und die real existierende Bedrohung, die größten Tiere der Erde möglicherweise in nur wenigen Jahren auszurotten, wurde bereits 1925 durch den Völkerbund wahrgenommen und Verhandlungen über ein internationales Walfangabkommen initiiert, das schließlich 1931 von 22 Staaten gezeichnet wurde.19

42Mehr oder minder zeitgleich zu den Verhandlungen über das internationale Walfangabkommen fanden auch die Vorbereitung und schließlich Durchführung der sogenannten Haager Kodifikationskonferenz statt, deren Ziel es war, wichtige Bereiche des Völkerrechts als verbindliches Völkerrecht durch den Völkerbund zu kodifizieren, darunter u.a. die Frage der Abgrenzung der Hohen See von der Territorialgewässern der Staaten.20

43De facto befasste sich der Völkerbund jetzt also nahezu zeitgleich mit zwei der wichtigsten Fragen im Kontext von Konflikten in der internationalen Fischerei: der Abgrenzung der Territorialgewässer von der Hohen See und der Frage von quantitativen Begrenzungen für bestimmte Fischereien aufgrund des Meeresschutzes, bzw. zumindest dem Versuch ein Ausrotten einzelner Arten zu vermeiden.

44Zu erhoffen, dass beide Problembereiche innerhalb kürzerer Zeit hätten vollständig gelöst werden können, wäre bis zu einem gewissen Grad naiv gewesen. Dass es jedoch in der Frage der Abgrenzung von Territorialgewässern und Hoher See zu überhaupt keinem Übereinkommen kam und im Bereich des Walfanges zwar ein Abkommen erzielt werden konnte, dieses jedoch von mindestens zwei wichtigen Walfangnationen (Deutschland und Japan) nicht anerkannt wurde, war auch nicht vorherzusehen.

45In der Summe kann nur das Scheitern beider Konferenzen des Völkerbundes festgestellt werden.

46Für die Fischerei und den Walfang bedeutete dies, dass bezüglich der Lösung von Konflikten aller Art sich nur wenig oder gar nichts verändert hatte. Kleinere Alltagskonflikte wurden zumindest im Bereich der Nordsee nach den inzwischen rund 50 Jahre alten Bestimmungen des Vertrages von 1882 behandelt, Konflikte, die sich aus der Überschreitung nationaler Fischereigrenzen oder besser gesagt deren Missachtung ergaben wurden in der Regel nicht gelöst, sondern im vergleichsweise seltenen Fall einer Aufbringung gemäß den nationalem Recht des jeweiligen Uferstaates abgeurteilt und Konflikte zwischen Meeresschutz und Fischerei bzw. Walfang waren bestenfalls dann Gegenstand einer wie auch immer gearteten Konfliktlösung oder juristischen Behandlung wenn der Flaggenstaat des betreffenden Schiffes über diesbezügliche nationale Regelungen verfügte.

47Universell gültige bzw. internationale Mechanismen zur Konfliktlösung oder –vermeidung auf gerichtlicher oder außergerichtlicher Basis waren im Kontext der Nutzung maritimer Ressourcen weiterhin so weit entfernt wie je zuvor.

Zweiter Weltkrieg

48Dass sich diese Situation auch in den kommenden Jahren nicht verändern sollte war aufgrund des Zweiten Weltkrieges mehr oder minder unvermeidlich. Aufgrund des Krieges konnte es nicht zu einer Weiterentwicklung oder besser gesagt der Entwicklung von internationalen Mechanismen zur Konfliktlösung im Fischereibereich kommen.

49Dafür brachte der Zweite Weltkrieg eine entscheidende Modernisierung der Fischerei mit sich und zwar insbesondere da die Seefrostung der Fänge und die Idee des kombinierten Fang-Fabrikschiffes bis hin zu einer zumindest theoretischen Einsatzreife entwickelt wurden.

50Aufgrund der Kriegshandlungen kam es zwar, abgesehen von einigen kürzeren Fangreisen in der Ostsee, nicht mehr zu einem Einsatz dieser primär auf deutscher Seite entwickelten Schiffe, jedoch stand die Technologie der Fang-Fabrikschiffe nach dem Kriegsende prinzipiell sowohl der deutschen als auch der britischen Hochseefischerei zur Verfügung.21 Darüber hinaus hatte sich die politische Landkarte der Nordatlantikregion insofern erheblich verschoben, als Island bereits 1944 die vollständige Souveränität erlangt hatte22 und Neufundland 1948 der kanadischen Föderation beitrat.23 Damit war es aus dem Kreis der Uferstaaten der Hauptfanggebiete des Nordatlantiks nur noch Grönland, das weiterhin in kolonialer Abhängigkeit zu einer europäischen Nation stand. Diese politische Veränderung war insofern von erheblicher Relevanz für die Frage der Lösung von Fischereikonflikten, als Island und Neufundland ab sofort auf die Fischerei als eine der Haupteinnahmequellen für den Aufbau ihrer Wirtschaftssysteme angewiesen waren und bezüglich der Frage der Fischereigrenzen eine deutlich stringentere Position einnahmen. Diese musste nahezu zwangsläufig in Konflikten zwischen den an der Fernfischerei beteiligten Nationen und den jetzt souveränen, bzw. zumindest von den ehemaligen Kolonialmächten unabhängigen Uferregionen der wichtigsten Fanggebiete des Nordatlantik einmünden.

51Verschärfend kam hinzu, dass die USA mit der sogenannten Truman-Proclamation bereits im September 1945 erklärt hatten, dass die USA den gesamten Kontinentalschelf samt seiner Ressourcen für sich beanspruchen, bzw. als Gegenstand US-amerikanischer Jurisdiktion betrachten würden.24 Auch wenn die Truman-Proclamation zunächst international nur relativ wenig Beachtung fand, bildete sie für Island die unmittelbare Vorlage, um 1948 das Gesetz zum wissenschaftlichen Schutz der Fischerei im Bereich des Kontinentalschelfs (No. 44/1948) zu verabschieden.25 Dieses sah zwar zunächst keine unmittelbare Erweiterung der von Island beanspruchten Fischereizone vor, schuf aber die gesetzliche Grundlage eine solche jederzeit beschließen zu können und damit nahezu zwangsläufig Konflikte mit den bei Island fischenden Nationen heraufzubeschwören.

Die Kabeljaukriege

52Die erste Erweiterung der isländischen Fischereizone von 3sm auf 4sm wurde schließlich von Island im Jahre 1952 verkündet. Dieser unilaterale Akt, der unmittelbar auf dem Gesetz aus dem Jahr 1948 basierte, resultierte nicht unerwartet umgehend in einem relativ erheblichen zwischenstaatlichen Konflikt zwischen Island und Großbritannien, der erst nach vier Jahren beigelegt werden konnte.26 Interessanterweise rief keine der beiden Parteien den Internationalen Gerichtshof im Kontext dieses Konfliktes an, sondern beide Seiten versuchten den Konflikt zunächst quasi gewaltsam zu ihren Gunsten zu entscheiden, d.h. anstatt dem Versuch einer wie auch immer gearteten Konfliktlösung kam es erst einmal zu einer deutlichen Eskalation. Island brachte britische Trawler auf, die im umstrittenen Seegebiet fischten und Großbritannien boykottierte im Gegenzug die Einfuhr isländischer Fischereiprodukte, was nicht nur zu einem erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden für Island führte, sondern auch dazu, dass Island begann, im verstärkten Umfang Fisch und Fischprodukte in die Sowjetunion zu exportieren. Die hiermit verbundene Annäherung Islands an die Sowjetunion rief wiederum die USA und die NATO auf den Plan, für die Island insofern von herausragender Bedeutung war, als die US Air Base in Keflavik in dieser Zeit ein zentrales Element der westlichen Verteidigungsstrategie war. Im Endeffekt blieb Großbritannien keine andere Wahl, als die neue isländische Fischereigrenze zu akzeptieren.

53Einer der wesentlichen Gründe für die letztendliche Bereitschaft Großbritanniens die isländische Position zu akzeptieren, war der wenige Jahre zuvor ergangene Spruch des Internationalen Gerichtshofes (IGH) im britisch-norwegischen Fischereikonflikt. Der IGH hatte am 18.12.1951 verkündet, dass eine norwegische Fischereizone von 4sm Breite rechtens wäre27 und somit den Präzedenzfall für das jetzige isländische Vorgehen geschaffen, bzw. bestätigt, dass eine unilaterale Erweiterung einer nationalen Fischereizone unter bestimmten Rahmenbedingungen als mit internationalem Recht vereinbar bewertet werden konnte. D.h. an dieser Stelle ist weniger die Frage zu stellen, warum Großbritannien schließlich die isländische Position akzeptierte, sondern warum es sich überhaupt erst auf den Konflikt eingelassen hatte, da bereits ein Urteil des IGH in einem vergleichbaren Fall unter Beteiligung Großbritanniens vorlag. Eine definitive Antwort auf diese Frage ist nur schwierig zu geben, jedoch ist davon auszugehen, dass aus britischer Sicht ein einzelnes Urteil des IGH in einem zwar ähnlichen aber doch nicht direkt vergleichbaren Fall nicht ausreichend war, um quasi freiwillig auf einige der wichtigsten Fanggründe der Hochseefischerei zu verzichten.

54Der nächste Konflikt sollte nicht lange auf sich warten lassen. Bereits 1958 beschloss Island nach erheblichen innenpolitischen Diskussionen eine weitere unilaterale Erweiterung seiner Fischereizone auf jetzt 12sm. Wie nicht anders zu erwarten, führte dies unmittelbar zu einem erneuten Konflikt mit Großbritannien. Aus britischer Sicht war eine isländische 12sm Fischereizone vor allem deshalb völlig unakzeptabel, da jetzt einige der wichtigsten Fanggründe britischer Trawler in die neue Fischereizone fielen. Darüber hinaus, war es natürlich schlicht unverständlich, dass nur rund zwei Jahre nach Abschluss des vorherigen Konfliktes eine erneute Erweiterung der Fischereizone durch Island verkündet wurde.

55Die Positionen innerhalb des Konflikts waren prinzipiell dieselben, wie bereits wenige Jahre zuvor. Island beanspruchte exklusive Fischereirechte in den Gewässern um die Insel, die von Großbritannien wiederum als Hohe See und damit gemeinfrei angesehen wurden.

56Was den Konflikt jedoch veränderte, war die zeitgleiche Erste Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS I). Zwar sollte diese, ebenso wenig wie die Haager Kodifikationskonferenz zwei Jahrzehnte zuvor, nicht zu einer wirklichen Veränderung des internationalen Seerechts führen, doch hatte die Konferenz immerhin gezeigt, dass ein gewisser Trend hinsichtlich der Akzeptanz von Vergrößerungen von Territorialgewässern nicht mehr zu übersehen war und eine immer größere Zahl an Staaten Erweiterungen ihrer Fischereizonen bzw. Territorialgewässer forderte, wenngleich auch nicht mit der selben Stringenz wie Island.28

57Die zumeist nur als ‚Genfer Seerechtskonventionen’ bezeichneten vier multinationalen Verträge, die letztlich das Ergebnis der Konferenz bildeten, sowie das im Zusammenhang dieses Beitrages besonders relevant zugehörige ‚Fakultative Unterzeichnungsprotokoll für die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten’ vom 29. April 1958, sahen immerhin erstmalig verbindliche Richtlinien für die Beilegung von internationalen Konflikten vor.29 Grundgedanke des Protokolls über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten war die Zuständigkeit des IGH für sämtliche aus den Genfer Seerechtskonventionen resultierenden Streitigkeiten. D.h. prinzipiell hätte die formalisierte gerichtliche Konfliktbeilegung nach dem Willen der Konferenzteilnehmer zur Regelform der Lösung möglicher seerechtlicher Konflikte werden sollen. Allerdings zeigt bereits ein erster Blick in Art. 2 des Protokolls, dass zumindest bestimmte Fischereikonflikte von vorneherein aus dieser Form der gerichtlichen Konfliktlösung herausgelöst wurden, und zwar diejenigen, die sich aus den Artikeln 4, 5, 6, 7 und 8 des ebenfalls zu den Genfer Seerechtskonventionen gehörenden ‚Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See’ vom 29. April 1958 ergaben.30 Für die hier angesprochenen Konfliktfelder, d.h. nahezu sämtlichen denkbaren bi- und multilateralen Fischereikonflikte bezüglich des Zuganges zu bestimmten Fanggründen, des Schutzes einzelner Fischbestände oder Seegebiete oder auch Konflikte zwischen einzelnen Fischereinationen im Bereich der Hohen See, wird in den Artikeln 9 bis 12 des ‚Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See’ ein nicht nur eigenständiges, sondern deutlich von den Bestimmungen des ‚Fakultativen Unterzeichnungsprotokolls für die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten’ abweichendes Verfahren der Konfliktlösung vorgesehen. Im Unterschied zum Primat des IGH, wie es im Protokoll festgeschrieben wurde, setzt das Übereinkommen zunächst auf bilaterale Verhandlungen zur Konfliktbeilegung, und ggf. auf eine Einsetzung einer Sonderkommission der Vereinten Nationen (Art. 9.1.). Sollte die Besetzung der Sonderkommission, deren Mitglieder gemäß Art. 9.2. im Einvernehmen mit den beteiligten Parteien eingesetzt werden sollen, nicht im Einvernehmen zwischen der Parteien möglich sein, erfolgt die Auswahl der Kommission als Expertenkommission durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen in Konsultation mit dem Präsidenten des IGH und dem Generaldirektor der FAO. Gemäß Art. 11 des Übereinkommens sind die Entscheidungen der Sonderkommission für die Parteien bindend und zugleich Gegenstand der Regelungen gemäß Art. 94 Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen, d.h. der Möglichkeit der Verweisung an den Sicherheitsrat um die Entscheidung ggf. mittels Sanktionen durchzusetzen.

58Vereinfacht gesagt muss damit festgestellt werden, dass bezüglich der Lösung möglicher Konflikte das ‚Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See’ abweichend von den Regelungen des ‚Fakultative Unterzeichnungsprotokoll für die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten’ auf eine außergerichtliche Konfliktlösung ausgerichtet war, die in vielerlei Hinsicht als Schlichtung angesehen werden sollte und zwar vor allem, da den Parteien explizit die Möglichkeit geboten wurde, die Besetzung der Sonderkommission selber zu bestimmen und erst wenn dieses Verfahren scheiterte eine Expertenkommission berufen werden sollte.

59Auch wenn weder Island noch die anderen an dem jetzigen Konflikt, d.h. der Erweiterung der isländischen Fischereizone auf 12 sm im Jahre 1958, beteiligten Nationen die Genfer Seerechtskonventionen zu diesem Zeitpunkt bereits ratifiziert hatte, waren die Konfliktparteien des tatsächlichen Fischereikonfliktes doch allesamt an den Verhandlungen in Genf beteiligt gewesen und somit hätte sowohl das Verfahren gemäß dem Protokoll wie auch das Verfahren gemäß dem Übereinkommen als Blaupause für die Beilegung des Streites um die unilaterale Erweiterung der isländischen Fischereizone auf 12 sm dienen können.

60Tatsächlich spielten aber die bei den Genfer Verhandlungen erzielten Ergebnisse nahezu keine Rolle für die Auseinandersetzungen um die jetzt von Island beanspruchte neue Fischereigrenze und vor allem kam es weder zu dem Versuch einer gerichtlichen noch einer außergerichtlichen Konfliktlösung, sondern zunächst zu einer deutlichen Verschärfung des Konfliktes weit über das Niveau der vorhergegangenen 4sm Konfliktes zwischen denselben Parteien hinaus.

61Jetzt verblieb es nicht bei einem weitgehend diplomatischen Konflikt, sondern beide Seiten setzten bewaffnete Schiffe ein und betrieben damit zunächst eindeutig eine Eskalation des Konfliktes statt der Suche nach Möglichkeiten für seine Lösung. Auf isländischer Seite kamen die vergleichsweise kleinen und nur schwach bewaffneten Schiffe der Isländischen Küstenwache zum Einsatz während es auf britischer Seite die erheblich größeren und besser bewaffneten Schiffe der Fishery Protection Squadron der Royal Navy waren. Trotz der erheblichen Unterschiede zwischen den Schiffen bedienten sich damit beide Seiten prinzipiell desselben Mittels, d.h. eines Einsatzes der jeweils für die Ausübung des Fischereischutzes zuständigen Schiffe.

62Da es sich bei den britischen Schiffen im Unterschied zu den isländischen Küstenwachbooten um reguläre Fregatten handelte, wurden sie allerdings sowohl auf Island wie auch im internationalen Raum primär als Kriegsschiffe wahrgenommen und nicht als Fahrzeuge des Fischereischutzes, was insofern auch nicht verwundern konnte, da die britischen Schiffe um ein vielfaches größer und besser bewaffnet waren als ihre isländischen Gegenspieler und insgesamt bis zu 53 britische Kriegsschiffe direkt oder indirekt an der Aktion beteiligt waren.31

63Der Verlauf der Auseinandersetzungen auf den Fangplätzen ist bereits vielfach beschrieben worden und für die Fragestellungen dieser Analyse nur von sekundärer Bedeutung.32 Von primärer Bedeutung erscheint allerdings, dass es zunächst von beiden Seiten nur vergleichsweise geringe Bemühungen gab, eine Eskalation des Konfliktes zu verhindern, bzw. eine wie auch immer geartete Lösung des Konfliktes herbeizuführen. Hinzu kam, dass einzelne Personen, wie z.B. Andrew Gilchrist, der britische Botschafter in Reykjavik, offensichtlich versuchten, zunächst an einer Position der britischen Stärke als Seemacht festzuhalten.33

64Der entscheidende Schritt zu einer Lösung dieses inzwischen als Cod War34 bezeichneten Konfliktes ging schließlich auch nicht von einer der beteiligten Regierungen aus, sondern von der betroffenen Industrie. Aufgrund der Verhandlungen im Kontext der inzwischen begonnenen Zweiten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen beschlossen die britischen Reedereien im Februar 1960, zumindest für die Dauer der Verhandlungen dieser Zweiten Seerechtskonferenz nicht weiter in den umstrittenen Gebieten zu fischen. Die isländische Seite honorierte dies insofern, als sie dazu parallel die Vollstreckung von Strafbescheiden gegen diejenigen britischen Trawler aussetzte, die seit 1958 in diesen Gewässern gefischt hatten.

65Als es schließlich zu einer Einigung zwischen den beiden Konfliktparteien kam und zwar nicht zuletzt aufgrund der bereits erwähnten Deeskalationsstrategie der britischen Reedereien, erfolgte diese Einigung ausschließlich auf dem Weg bilateraler Verhandlungen und damit nicht nur außerhalb eines wie auch immer gearteten institutionalisierten Konfliktlösungsmechanismus, sondern vor allem auch vollständig losgelöst von den in den Genfer Seerechtskonventionen festgeschriebenen Mechanismen und zwar sowohl der gerichtlichen wie auch der außergerichtlichen.

66Interessant im Kontext des Verhältnisses von außergerichtlicher und gerichtlicher Lösung von internationalen Konflikten ist neben der Entkopplung des konkreten Konfliktes von den zeitgleichen internationalen Verhandlungen zur Schaffung eines neuen und universell verbindlichen Seerechtes vor allem das Verhältnis von außergerichtlichen und gerichtlichen Strukturen im zwischen den Parteien erzielten Ergebnis.

67Während die Lösung des Konfliktes um die Erweiterung der isländischen Fischereigrenze auf 12 sm nicht nur rein außergerichtlich stattgefunden hatte, sondern auch die parallelen Verhandlungen zu einer Neugestaltung des Seerechts negiert hatte, sah das Ergebnis der Verhandlungen schließlich vor, dass im Falle eines erneuten Konfliktes der IGH angerufen werden sollte.

68D.h. die außergerichtliche Lösung beinhaltete zumindest indirekt die Feststellung, dass eine gerichtliche Konfliktlösung auf der Ebene des IGH die geeignetste Form für künftige vergleichbare internationale Konflikte darstellen würde. Mit dieser Festlegung in der britisch-isländischen Vereinbarung griffen die beiden Nationen dann jetzt auch einen der beiden im Rahmen der Genfer Seerechtskonventionen festgeschriebenen Konfliktlösungsmechanismen auf, allerdings interessanter weise nicht denjenigen des ‚Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See’, der die Einsetzung einer Sonderkommission der Vereinten Nationen gewesen wäre, sondern denjenigen des allgemeineren ‚Fakultativen Unterzeichnungsprotokolls für die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten’. Nicht übersehen werden darf allerdings in diesem Zusammenhang der Fakt, dass Island beide Regelwerke nicht ratifiziert hat und sie somit innerhalb dieses Konfliktes nicht bindend waren oder werden konnten.

69Im Kontext der Frage von juristischer und außerjuristischer Konfliktlösung zumindest ebenso interessant wie der eigentliche britisch-isländische Konflikt ist die bislang in dieser Darstellung nicht betrachtete Rolle der Bundesrepublik im Kontext der Konflikte um die unilateral erklärte Erweiterung der isländischen Fischereizone auf 12sm. Die Bundesrepublik hatte zunächst eine sehr ähnliche Interessenlage wie Großbritannien. D.h. die Erweiterung der isländischen Fischereizone auf 12sm war für die noch immer im Wiederaufbau befindliche westdeutsche Hochseefischerei nicht akzeptabel. Anders als Großbritannien befand sich die noch junge Bundesrepublik jedoch keinesfalls in der Lage, sich auf einen wie auch immer gearteten internationalen Konflikt einzulassen und zwar insbesondere nicht mit Island, für das die USA seit dem Erlangen der Souveränität gleichsam eine Art Garantiemacht waren.35 Der Bundesrepublik blieb damit zunächst kaum eine andere Möglichkeit, als die Erweiterung der isländischen Fischereigrenze umgehend nach ihrer unilateralen Verkündigung zu akzeptieren. Angesichts der noch immer vergleichsweise kleinen westdeutschen Hochseefischereiflotte bedeutete dies zudem auch kein wirkliches Problem, da die Schiffe vergleichsweise einfach auf andere Fangplätze ausweichen konnten.36 Als es dann 1961 zu einer Einigung zwischen Island und Großbritannien gekommen war und diese durch den Austausch gleichlautender diplomatischer Noten fixiert wurde , argumentierte die inzwischen politisch anerkanntere Bundesrepublik gegenüber Island, dass ihr aus der sofortigen Anerkennung der isländischen Forderungen jetzt insofern kein Schaden entstehen solle, als sie schlechter als Großbritannien gestellt sein würde, es sei denn, es käme zu einer deutsch-isländischen Einigung, die der westdeutschen Hochseefischerei quasi die gleichen Konditionen wie der britischen einräumen würde.37

70Dieser Argumentation konnte sich Island nur schwer verschließen, zumal die isländische Hauptforderung, d.h. die grundsätzlichen Anerkennung einer 12sm Fischereizone, bereits akzeptiert worden war. Folgerichtig wurde nur kurze Zeit nach dem britisch-isländischen Notenaustausch im Jahre 1961 erneut auf dem Weg des diplomatischen Notenaustausches ein paralleles Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Island abgeschlossen, das ebenfalls den IGH als von beiden Seiten akzeptiertes Gericht für künftige Konflikte vorsah.38

71In Bezug auf die Frage der Lösung von internationalen Fischereikonflikten erscheint dieses Vorgehen insofern interessant, als die Bundesrepublik durch schlichtes Wohlverhalten, bzw. Nichtbeteiligung an einem Konflikt letztendlich dieselben Bedingungen für seine Fangflotte erreichen konnte wie Großbritannien. Dabei dürfte der Grund für diese Nichtbeteiligung allerdings keinesfalls darin zu sehen sein, dass die Bundesrepublik die Strategie verfolgte, eine andere Nation den Konflikt für sich austragen zu lassen, sondern vielmehr aus naheliegenden politischen Gründen sich tatsächlich noch nicht in der Lage sah, sich in einem internationalen Konflikt zu positionieren und zwar insbesondere in einem Konflikt, an dem die USA indirekt als Schutzmacht einer Partei beteiligt waren.

72Mit der Festlegung, dass der IGH im Falle künftiger Konflikte an deren Lösung beteiligt sein sollte, war zumindest theoretisch jetzt auch im konkreten Fall der Konflikte zwischen Island und den europäischen Fischereinationen das Primat einer gerichtlichen Konfliktlösung gesetzt worden und damit der Schwebezustand, in dem sich entsprechende völkerrechtliche Konfliktlösungen oftmals bis dato befunden hatten, zumindest theoretisch beendet. Dass es hierzu jedoch eines erheblichen bilateralen Konfliktes bedurfte und zwar obwohl nur wenig vorher mit den Genfer Seerechtskonventionen bereits ein vergleichbarer multinationaler bzw. internationaler Konfliktlösungsmechanismus auf der Ebene der Vereinten Nationen etabliert worden war, zeigt eindeutig die Hauptproblematik jeglicher Mechanismen zur Lösung von Konflikten im Kontext der internationalen Nutzung maritimer Ressourcen. Solange die beteiligten Parteien nicht an einer Lösung eines Konfliktes interessiert sind, ist es zumindest für den alltäglichen Konflikt auf See oft mehr oder minder völlig belanglos, ob eine entsprechende internationale Regelung existiert oder nicht. Die eindeutigen Vorbehalte der im konkreten Fall der Erweiterung der isländischen Fischereigrenze auf 12sm beteiligten Konfliktparteien gegenüber universellen und allgemein bindenden Regelungen auf der Ebene des Völkerrechtes bzw. des Internationalen Seerechts, zeigte sich insofern selbst noch in der letztendlichen Lösung des Konfliktes um die Erweiterung der isländischen Fischereizone auf 12sm, als die zur Konfliktbeilegung ausgetauschten diplomatischen Noten nicht etwa einfach auf die Bestimmungen der Genfer Seerechtskonventionen verweisen, sondern die Kompetenz des IGH für mögliche künftige Konflikte aus dem bilateralen Notenaustausch selbst ableiten.

73Damit wurde zwar noch keinesfalls ein eigenständiges, allgemeingültiges und robustes Instrumentarium zur Lösung von internationalen Fischereikonflikten geschaffen, aber zumindest zeigte sich zunehmende Zustimmung für einen Verfahrensweg zur Beilegung künftiger Fischereikonflikte unter Beteiligung des IGH.

74Bis zu einem gewissen Grad hätte also davon ausgegangen werden müssen, dass zwar Fischereikonflikte nicht zwangsläufig der Vergangenheit angehören würden, jedoch zumindest mit dem IGH, bzw. ggf. einer Sonderkommission der Vereinten Nationen ein allgemein verpflichtender Weg zu ihrer Lösung anerkannt worden sei.

75Der weitere Verlauf der Kabeljaukriege zwischen Island und den europäischen Hochseefischereinationen sollte allerdings leider eindeutig zeigen, dass dies keineswegs der Fall war. Immerhin sollte es diesmal mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis der noch immer latente Konflikt erneut aufbrach.

76In diesem Jahrzehnt, d.h. dem Zeitraum zwischen 1961 und 1972, modernisierten sowohl Großbritannien wie auch die Bundesrepublik ihre Fangflotten der Hochseefischerei erheblich und Fang-Fabrikschiffe wurden zum Rückgrat der jeweiligen Flotten. Neben einer Verbesserung der Effektivität der Fangschiffe sowie ihrer möglichen Reisedauern, war es vor allem die Ausstattung der Schiffe mit mechanischen Filetier- und Frostanlagen, die sie von den bisher eingesetzten Fischdampfern unterschieden.39 Zusätzlich ausgerüstet mit modernster Navigations- und Fischortungstechnologie besaßen die Fang-Fabrikschiffe einen erheblichen technologischen Vorsprung gegenüber den isländischen Fischereifahrzeugen und boten somit einen erneuten Anlass für Konflikte um die Fischereigrenzen. Zudem war es zwar noch immer nicht zu einer endgültigen Neuordnung des internationalen Seerechts gekommen, doch zeigte sich zusehends, dass nach den beiden ersten Seerechtskonferenzen der Vereinten Nationen nicht nur weiterhin dringender Regelungsbedarf auf der internationalen Ebene bestand, sondern auch ein erheblicher Umdenkprozess begonnen hatte.

77Arvid Pardo, der maltesische Botschafter bei den Vereinten Nationen, hatte mit seiner Rede vom 1. November 1967 vor der Vollversammlung den vielleicht wichtigsten Denkanstoß geliefert. Er stellte das Konzept vor, die Meere als das „gemeinsame Erbe der Menschheit“ zu betrachten.40

78Grundsätzlich konnte auch eine solche Betrachtung nicht dazu führen, Konflikte zu vermeiden, aber führte insofern zu einer erheblichen Veränderung, als es jetzt nicht mehr nur um die Frage des Zuganges zu den maritimen Ressourcen ging, sondern um eine gemeinsame Verantwortung für den langfristigen Erhalt eben dieser Ressourcen. An die Stelle der bisherigen reinen Verteilungskonflikte war die Diskussion um eine bestmögliche Treuhänderschaft getreten, deren ultimative Zielsetzung der langfristige Erhalt der Ressource war und zwar eines Erhalts für die gesamte Menschheit und nicht mehr nur für die ökonomischen Partikularinteressen einzelner Nationen.

79Im konkreten Fall der isländisch – europäischen Konflikte blieb Pardos Vision allerdings bis zu einem gewissen Grad bedeutungslos, als Island 1972 eine erneute unilaterale Erweiterung seiner Fischereizone jetzt auf das Gebiet bis zu 50sm Entfernung von der Küste verkündete.41

80Gemäß den aus dem vorhergegangenen 12sm Konflikt resultierenden Regelungen, wäre es jetzt zunächst der IGH gewesen, der für die Lösung des Konfliktes zuständig gewesen wäre. Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland riefen konsequenterweise den IGH zur Vermittlung in diesem erneuten Fischereikonflikt an, während Island entgegen den Bestimmungen des vorhergehenden Notenaustausches zwischen diesen Nationen die Zuständigkeit des IGH schlicht negierte. 42

81Die Gründe hierfür waren vielfältig und trugen letztendlich natürlich nicht dazu bei, eine einvernehmliche friedliche Regelung herbeizuführen. Statt einer gerichtlichen Konfliktlösung kam es erneut zu einer Aggravation des Konfliktes und es standen sich erneut bewaffnete Schiffe auf den umstrittenen Fangplätzen gegenüber.

82Das Primat einer strukturierten Lösung des Konfliktes hatte erneut versagt und zwar diesmal obwohl sich beide Seiten zuvor auf ein genau solches Vorgehen festgelegt hatten. Der Hauptgrund für dieses Scheitern ist mit großer Sicherheit in der Struktur der vorgesehenen Konfliktbeilegung zu suchen und zwar insbesondere darin, dass es sich bei dem IGH insofern um einen unvollständigen Mechanismus der gerichtlichen Konfliktlösung handelte, als auch das es dem IGH an Zwangsmitteln fehlte, die Parteien an diesen Mechanismus der Konfliktlösung zu binden und ggf. eine mögliche Entscheidung durchzusetzen.

83Obwohl der IGH formal den Namen eines Gerichts führte, war er bei näherer Betrachtung bis zu einem gewissen Grade aufgrund des Fehlens eines exekutiven Elementes eher eine Schlichtungseinrichtung als ein klassisches Gericht und somit zunächst auf das Wohlwollen der beteiligten Parteien angewiesen war. Sofern die Bereitschaft zur Schlichtung auf einer der beiden Seiten des Konfliktes fehlte, war der IGH damit zunächst nahezu zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.43

84Interessanterweise sollte der IGH trotz der isländischen Verweigerung seine Kompetenz anzuerkennen, dennoch eine Rolle in der Lösung des Konfliktes spielen. Sowohl Großbritannien wie auch die Bundesrepublik haben nach der einseitigen Verkündung der neuen isländischen Fischereizone den IGH bezugnehmend auf den vorhergegangenen Notenaustausch angerufen und beantragt festzustellen, dass das isländische Vorgehen nicht in Übereinstimmung mit geltendem Völkerrecht bzw. den bisherigen bilateralen Vereinbarungen stehen würde. Der IGH hat darauf mit Beschluss vom 2.2.1973 zunächst seine Zuständigkeit festgestellt und am 25.7.1974 seinen sächlichen Beschluss verkündet, der weitgehend die Position Großbritanniens und der Bundesrepublik bestätigte.44 Für die Lösung des tatsächlichen Konfliktes blieb der Beschluss des IGH jedoch insofern weitgehend bedeutungslos, als Island den Beschluss ebenso wenig anerkannte, wie es vorher bereits die Zuständigkeit des IGH nicht anerkannt hatte. D.h. die Situation kann auch derart interpretiert werden, dass der IGH als Instrument der institutionalisierten, bzw. gerichtlichen Lösung eines seerechtlichen Konfliktes versagt hatte.

85Die Auseinandersetzung zwischen Island und Großbritannien verschärfte sich durch den erneuten Einsatz britischer Kriegsschiffe zusehends, kam jedoch auch nach einer relativ kurzen Zeit erneut zu einer Lösung durch ein bilaterales Abkommen. Der Konflikt zwischen der Bundesrepublik und Island dauerte jedoch weiter an.

86Entscheidend für die Analyse dieses Konfliktes ist die Frage des Levels der Aggravation, d.h. der von beiden Seiten im Verlauf des Konfliktes eingesetzten Mittel. Auf isländischer Seite waren es weiterhin die Schiffe der Küstenwache, die die Aufgabe hatten, fremde Fischerei in den von Island beanspruchten Seegebieten zu unterbinden, und hierfür zunehmend trawl-wire-cutter45 einsetzten. Auf bundesdeutscher Seite waren es wie auch im Falle Großbritanniens die Schiffe des Fischereischutzes, die damit beauftragt waren, Behinderungen der Fischerei durch die isländische Küstenwache zu verhindern.

87Bedingt durch die Sondersituation des bundesdeutschen Fischereischutzes nach 1945 handelte es sich bei diesen Schiffen allerdings nicht mehr um Marinefahrzeuge, sondern zivile und unbewaffnete Behördenschiffe des Landwirtschaftsministeriums, die zugleich als Hospitalschiffe fungierten. Dieser rein historisch bedingte Unterschied zwischen britischen und deutschen Fischereischutzbooten war insofern für den jetzigen Fischereikonflikt von entscheidender Bedeutung, als er zu einem entscheidenden Unterschied hinsichtlich der Wahrnehmung des Konfliktes in der internationalen Öffentlichkeit führte. Während im Fall des britisch-isländischen Konfliktes die Rolle des Aggressors überwiegend auf der britischen Seite gesehen wurde, d.h. einer traditionellen Seemacht, die mit überlegenen militärischen Mitteln gegenüber einer jungen und kleinen Nation agierte, war es im deutsch- isländischen Konflikt Island, das als Aggressor wahrgenommen wurde, da es mit bewaffneten Schiffen gegen zivile und offiziell als Hospitalschiffe klassifizierte Fahrzeuge vorging.46

88Das vermeintlich friedlichere Agieren der Bundesrepublik war es aber auch, das paradoxerweise einer Lösung des Konfliktes entgegenstand. Zum einen griff die Bundesrepublik zum Mittel des Import- und Anlandungsverbotes für isländische Fänge und zum anderen nutzte sie kontinuierliche Verhandlungen mit Island über eine Beilegung des Konfliktes als Mittel, um zeitgleich im umstrittenen Gebiet weiterhin fischen zu können. Hierbei galt es aus deutscher Sicht, mittels der Verhandlungen eine Intensivierung des Konfliktes zu vermeiden und somit unter Hinnahme des Verlustes einiger Fanggeschirre die Fischerei auf einem Niveau fortzuführen, das weit oberhalb des Niveaus lag, dass bei einem fiktiven Abkommen auf der Basis der britisch-isländischen Verhandlungsergebnisse hätte erzielt werden können.47 Ob soweit gegangen werden sollte zu unterstellen, dass die bundesdeutsche Fischerei unter diesen Bedingungen letztendlich kein wirkliches Interesse an einer Konfliktlösung hatte, möge dahingestellt bleiben. Der schwebende Status quo ermöglichte allerdings zunächst die Fortführung der Fischerei auf einem Niveau, wie es nach einer Einigung zwischen den Konfliktparteien keinesfalls hätte gegeben sein können.

89Aus isländischer Perspektive war ein solches Vorgehen nicht hinnehmbar und gerade das Import- und Anlandungsverbot wurde als eine erhebliche Störung der isländischen Wirtschaft, bzw. als gegen das Land gerichteter Handelskrieg verstanden. Jetzt war es Island, das versuchte eine Lösung des Konfliktes durch Hinzuziehung eines internationalen Schlichtungsmechanismus herbeizuführen. Island brachte den Fall vor das GATT und zwar mit dem Ziel festzustellen, dass das deutsche Import- und Anlandungsverbot nicht mit geltendem internationalen Recht vereinbar wäre.48 Auch dieser Mechanismus der Konfliktlösung scheiterte und zwar diesmal weil die Bundesrepublik die Zuständigkeit des GATT verneinte und sich weigerte an den Verhandlungen teilzunehmen. D.h. eine Lösung des Konfliktes kam ebenso wenig zustande wie im Fall der Beteiligung des IGH wenige Jahre zuvor und der zentrale Grund war erneut, dass eine der Konfliktparteien die Zuständigkeit bzw. Anwendbarkeit eines Mechanismus zur Lösung des Konfliktes verneinte, ohne dass die andere Seite die Möglichkeit hatte, die Nutzung eines solchen Mechanismus zu erzwingen.

90Zu einer tatsächlichen Lösung des Fischereikonfliktes zwischen Island und der Bundesrepublik kam es daher auch erst als eine dritte Partei zumindest indirekt in den Konflikt eingriff und zwar jetzt eine Partei, die von beiden Seiten als eine Autorität angesehen wurde und deren Zuständigkeit sich nicht negieren ließ.49 Konkret waren es die USA und die NATO, die vor dem Hintergrund des Kalten Krieges nicht akzeptieren konnten, dass zwei ihrer Bündnispartner einen solchen Konflikt austrugen - vor allem da Island erneut damit drohte, das westliche Verteidigungsbündnis zu verlassen.

91Wie die konkrete Einflussnahme der USA letztendlich vonstatten ging ist bis heute nicht vollständig rekonstruierbar. Fest steht jedoch, dass es nach einem Treffen am Rande eines NATO Gipfels vergleichsweise schnell zu einer Einigung kam und zwar zu einer Einigung, die prinzipiell die isländische Position bestätigte.

92Gerichtliche und außergerichtliche Wege der Konfliktlösung hatten somit im Fall der Konflikte um die Größe der isländischen Fischereizone gleichermaßen versagt und erst die Intervention von dritter Seite konnte den Konflikt beenden. Ob diese Beendigung als wirkliche Lösung des Konfliktes angesehen werden sollte, kann durchaus hinterfragt werden, da die Bundesrepublik ihre Position primär im Interesse eines höheren Gutes, d.h. des Verbleibs Islands in der NATO, und mit großer Sicherheit erst aufgrund einer äußeren Intervention aufgegeben hatte. 50

93Nahezu zeitgleich mit dem Ende des deutsch-isländischen Konfliktes erweiterte Island seine Fischereizone im Vorgriff auf die Bestimmungen der 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS III) auf 200sm. Dieses führte zu einem nochmaligen Konflikt mit Großbritannien, der allerdings nur von kurzer Dauer war und mit der Anerkennung der neuen isländischen Fischereizone endete.51

94200sm Fischereizonen, bzw. Ausschließliche Wirtschaftszonen (AWZ), standen auch im Mittelpunkt der mit UNCLOS III erfolgten vollständigen Neuordnung des Seerechts und wurden innerhalb weniger Jahre zu einem weltweit akzeptierten und angewandten Standard.

95Wenngleich es auch nach dem Inkrafttreten von UNCLOS III nicht mehr zu Fischereikonflikten des Ausmaßes der früheren Konflikte zwischen Island und den europäischen Fernfischereinationen kommen sollte, bedeutete UNCLOS III keinesfalls das Ende aller seerechtlichen Konflikte, und damit steht die Frage im Raum, ob und was die internationale Gemeinschaft aus diesen Konflikten bezüglich der Lösung solcher Konflikte gelernt hat, bzw. ob sich aus den bislang dargestellten seerechtlichen Konflikten und Lösungsmechanismen eine zumindest bis zu einem gewissen Grade allgemeingültige Aussage bezüglich des Verhältnisses von gerichtlicher und außergerichtlicher bzw. strukturierter und individueller Konfliktlösung im Kontext der internationalen Nutzung von maritimen Ressourcen treffen lässt.

96Die Antwort auf diese Frage ist naturgemäß unvollständig und bestenfalls eine Annäherung an die tatsächliche Situation. Zunächst gilt es festzustellen, dass sämtliche betrachteten Mechanismen der Konfliktlösung und zwar unabhängig ob gerichtlich oder außergerichtlich zunächst prinzipiell versagt hatten, bzw. nicht fähig waren, die Konflikte zu lösen, bzw. das Aufflammen neuer Konflikte zu verhindern.

97Der entscheidende Grund für diese negative Bewertung jeglicher strukturierter Mechanismen zur Lösung seerechtlicher Konflikte ist mit Sicherheit vor allem die simple Tatsache, dass sämtliche vorhandenen Mechanismen nicht als bindend angesehen wurden, sondern die beteiligten Nationen die Zuständigkeit der mit der Lösung des Konfliktes befassten Institutionen negieren konnten, ohne hieraus direkte negative Konsequenzen erwarten zu müssen.

98Darüber hinaus ist anzumerken, dass es in einigen der betrachteten Fälle nicht einen zuständigen Mechanismus für die Konfliktlösung gab, sondern entweder wie im Fall der Genfer Seerechtskonventionen mehrere strukturell andersartige Wege zur Konfliktlösung existierten, oder wie im Fall des 50sm Konfliktes zwischen Island und den europäischen Fischereinationen die Parteien jeweils diejenige Institution (IGH, GATT) zur Lösung des Konfliktes anriefen, von der sie sich eine Lösung in ihrem Sinne versprachen.

99Grundsätzlich ist diese Situation als typisch für die Konfliktlösung im Bereich des internationalen Seerechts zu betrachten und selbst die Gründung des Internationalen Seegerichtshofes sollte dieses Problem insofern nicht verhindern können, als es dabei blieb, dass ein Verfahren vor diesem neuen internationalen Gericht die Zustimmung der am konkreten Konflikt beteiligten Parteien voraussetzt, um ein Verfahren zu eröffnen zu können, bzw. das Verfahren vor dem Seegerichtshof in Konkurrenz zu weiteren Streitbeilegungsverfahren des Völkerrechtes steht.52

100Heißt dies nun, dass die historische Analyse von Konflikten und der mit ihnen verbundenen Lösungsmechanismen unabhängig davon ob diese als gerichtlich oder außergerichtlich klassifiziert werden können, zu dem einfachen Schluss kommen muss, dass eine institutionalisierte Konfliktlösung im Bereich seerechtlicher, bzw. insbesondere fischereilicher Konflikte schlicht und ergreifend bis in die Gegenwart nicht wirklich existiert hat, bzw. aufgrund der Art der Konflikte nicht existieren konnte?

101Bis zu einem gewissen Grad mag diese vergleichsweise negative Interpretation durchaus zutreffen, aber dennoch greift sie an entscheidender Stelle zu kurz. Zwar trifft es zu, dass die konkreten Mechanismen einer institutionalisierten Konfliktlösung im Vergleich zu anderen Konfliktfeldern relativ oft unbedeutend für die tatsächliche Lösung der Konflikte geblieben sind und selbst explizit für die Lösung internationaler Konflikte geschaffene Institutionen vergleichsweise häufig nach ihrer Etablierung keine wirkliche Relevanz entwickeln konnten, doch darf keinesfalls übersehen werden, dass diese Institutionen zumindest indirekt einen Anteil an der Lösung der im vorhergehenden diskutierten Konflikte hatten.

102Die klassische Lösung eines see- oder fischereirechtlichen Konfliktes beruhte zumeist schlicht auf dem Recht des Stärkeren, d.h. in der Regel einer Beendigung eines Konfliktes durch den Einsatz der Marinen der beteiligten Nationen. Zwar waren an den hier diskutierten Konflikten wiederholt Marinen beteiligt, aber eben nicht in ihrer primären Funktion, sondern nur aufgrund der Tatsache, dass diese Schiffe zugleich die Aufgaben des Fischereischutzes wahrnahmen.

103Die Konflikte wurden nicht mittels der Marinen gelöst, sondern letztendlich immer wieder an bilateralen Verhandlungstischen. Letztendlich war diese Form der Konfliktlösung auch die einzig mögliche, da trotz aller im Laufe der Zeit entwickelten Strukturen für eine formalisierte gerichtliche oder außergerichtliche Konfliktlösung all diesen das Element einer international wirksamen Exekutiven fehlte und somit formalisierte Strukturen ebenso wie informelle Verhandlungsstrukturen auf ein prinzipielles Wohlwollen der Parteien, bzw. der beteiligten Nationen zwingend angewiesen waren.

104Letztendlich müssen selbst Einrichtungen wie der 1996 gegründete Internationale Seegerichtshof in Hamburg in diesem Kontext betrachtet werden. Zwar handelt es sich beim Seegerichtshof formal gesehen zunächst eindeutig um ein internationales Gericht, das auf der Grundlage der III. Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS III) eingerichtet worden ist, doch fehlt dem Gericht einerseits weitgehend jegliches effektive Zwangsmittel zur Durchsetzung seiner Beschlüsse und andererseits setzt bereits die Aufnahme eines Verfahrens in der Regel die Zustimmung beider Parteien voraus.

105In der Summe handelt es sich beim Internationalen Seegerichtshof damit prinzipiell eher um eine der Schlichtung verpflichtete Einrichtung als ein Gericht im landläufigen Sinne. Die Liste der vor dem Internationalen Seegerichtshof seit seiner Gründung behandelten Fälle zeigt eindeutig, dass es eine Notwendigkeit für eine solche Einrichtung im Bereich der Lösung von internationalen maritimen Ressourcenkonflikten gibt und diese erfolgreich an der Lösung maritimer Konflikte beteiligt sein kann bzw. die Lösungen unmittelbar herbeiführen kann, aber ebenso deutlich, dass einige der wirklich großen Konfliktfelder nicht vor dem Seegerichtshof verhandelt werden, bzw. eine Verhandlung an diesem Ort nur dann erfolgen kann, wenn grundsaetzlich ein Einigungswille der beteiligten Parteien vorhanden ist.

106Während z.B. der lang andauernde Seegrenzkonflikt zwischen Chile und Peru im Januar 2014 durch einen Spruch des Seegerichtshofs beendet werden konnte, der allerdings nicht die genauen Koordinaten der neuen Seegrenze festlegte und somit durchaus weiterhin Potential für eine Fortführung des Konflikts bietet,53 entwickelte sich im Kontext des ebenso lang andauernde Konflikt zwischen Russland und Norwegen eine bilaterale Kultur der Kompromissfindung54 so dass keine wirkliche Notwendigkeit für eine Beteiligung des Seegerichtshofs bestand, doch in Fragen der Hoheit über das Südchinesische Meer55 oder die Gewässer um die Falkland-Inseln sind die Fronten so verhärtet, dass eine Beteiligung des Internationalen Gerichtshofs nahezu außer Frage steht, da die Parteien dieser zustimmen müssten.

107Eine pessimistische Schlussbetrachtung könnte zu dem Schluss kommen, dass die Konfliktlösung im Bereich der internationalen Fischereikonflikte prinzipiell noch immer auf dem Recht des Stärkeren basiert und nur wenn beide Parteien sich darüber einig sind, ein internationales Gericht in der Funktion eines Schlichters am Konflikt beteiligt wird, dessen Spruch weitgehend als Empfehlung zu verstehen ist, da das Gericht über keine unmittelbaren Zwangsmittel zur Durchsetzung seines Spruches verfügt. Ob es sich dabei um den Internationalen Seegerichtshof handeln würde, oder einer sonstigen von den Parteien gewählten Autorität die Schlichtung des jeweiligen Konflikts übertragen wird, wäre im Kontext einer solchen Betrachtung bis zu einem gewissen Grade belanglos.

108Eine derartige Schlussbetrachtung erscheint aber nicht nur pessimistisch, sondern auch stark simplifizierend, bzw. vor allem die Tatsache zu übersehen, dass mit den verschiedenen bi- und multinationalen Abkommen zu Fragen des See- und Fischereirechtes und letztendlich mit den aus den Seerechts-konferenzen der Vereinten Nationen resultierendem Seerechtsübereinkommen (UNCLOS III) ein komplexes völkerrechtliches Regelwerk entstanden ist, das grundsätzlich von der allergrößten Mehrheit der Staaten als verbindlich akzeptiert ist. Dem Internationalen Seegerichtshof mag zwar de facto nur begrenzt die Funktion eines traditionellen Gerichtes im Sinne einer gerichtlichen Konfliktlösung oder Streitbeilegung durch gerichtlichen Beschluss zukommen, aber er ist auf jeden Fall als ultimative Institution im Kontext der juristischen Deutung des Seerechtsübereinkommens zu bewerten und nimmt damit eine zentrale Rolle im Kontext der Beilegung von Konflikten wahr, auch wenn diese nicht immer direkt durch ihn erfolgt.

109Es mag zutreffen, dass die meisten Fischereikonflikte nicht durch formalisierte gerichtliche oder außergerichtliche Verfahren gelöst worden sind, sondern durch bi- oder multinationale Verhandlungen und Übereinkommen. Es mag ebenso zutreffen, dass die im Kontext von konkreten Konflikten entstandenen Institutionen der Konfliktlösung in folgenden Konflikten oftmals nur eine geringe oder keine unmittelbare Rolle spielten. Es trifft aber keinesfalls zu, dass diese bedeutungslos für die historische Genese des Seerechts waren. Vielmehr haben sie das internationale Völkergewohnheitsrecht geprägt und definiert und somit dafür gesorgt, dass die bi- und multilateralen Verhandlungen, die letztendlich zur Lösung der jeweiligen konkreten Konflikte führten durch den jeweiligen Geist der Zeit bestimmt wurden und nicht nur durch eine unbegrenzte Anwendung des Rechts des Stärkeren.

Danksagung

110Die Erarbeitung dieser Studie wurde durch ein dreimonatiges Stipendium des LOEWE Schwerpunktes "Außergerichtliche und Gerichtliche Konfliktlösung“ an der Goethe Universität, Frankfurt a.M. ermöglicht. Der Dank des Verfassers gilt den Organisatoren und Mitarbeitern dieses LOEWE Schwerpunkts.

Kontakt

111Prof. Dr. Ingo Heidbrink
-Old Dominion University-
Norfolk, VA (USA)
e-mail: iheidbri@odu.edu
skype: ingo.heidbrink

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Aufsatz vom 24. November 2016
© 2016 fhi
ISSN: 1860-5605
Erstveröffentlichung
24. November 2016

  • Zitiervorschlag Ingo Heidbrink, Gerichtliche und außergerichtliche Konfliktlösung im Kontext internationaler Fischereikonflikte (24. November 2016), in forum historiae iuris, https://forhistiur.net2016-11-heidbrink