Alexander Proelß
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Nationalsozialistische Baupläne für das europäische
Haus?
John Laughland's "The Tainted Source" vor dem Hintergrund der Großraumtheorie
Carl Schmitts
Zusammenfassung
Im Jahre 1939 konstatierte Carl Schmitt mit der Großraumtheorie den Anbruch einer neuen, vom überkommenen Völkerrecht abweichenden Weltordnung. So seien mehrere Großräume entstanden, in denen jeweils ein Reich als politisch führende Macht agiere. In der Hierarchie der Völkerrechtssubjekte stehe das Reich über den Staaten und habe sich damit zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt des Völkerrechts entwickelt. Nach dem Vorbild der amerikanischen Monroe-Doktrin bestehe im Einflussbereich eines jeden Reiches ein Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Die Ursachen für die Entstehung von Großräumen liegen Schmitt zufolge vor allem in den technisch-industriellen und wirtschaftlich-organisatorischen Bereichen. Um den von diesen Bereichen herrührenden Herausforderungen effektiv begegnen zu können, bedürfe es überstaatlicher Strukturen; die Wahrnehmung der einschlägigen Maßnahmen könne angesichts ihres grenzüberschreitenden Charakters nicht mehr von den Staaten gewährleistet werden.
Vor diesem Hintergrund ist in jüngerer Zeit die These aufgestellt worden, der Staatenverbund "Europäische Union" sei in seiner Entstehung ein Produkt nationalsozialistischer Ideologie und im Begriff, sich zu einem Großraum im Schmitt'schen Sinne zu entwickeln. Besonders pointiert wurde dies von dem britischen Autor John Laughland in seinem Buch "The Tainted Source" formuliert. Deutschland und Frankreich strebten unter dem Deckmantel der europäischen Integration die Ausbildung eines mitteleuropäischen Großraums an, in welchem sie die Vormachtstellung innehätten. Der Prozess der europäischen Integration selbst erinnere nicht nur mit Blick auf die Ursachen und Hintergründe für seine Entstehung, sondern auch in der Art und Weise seiner realen Umsetzung an Europaideen, wie sie in der Zeit des Dritten Reiches entwickelt worden seien. Vorliegende Untersuchung setzt sich vor dem Hintergrund der Großraumtheorie mit Laughlands Argumentation auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass das heutige europäische Gebäude - trotz verschiedener Parallelen mit den im Dritten Reich entwickelten Europaplänen - weder auf der Grundlage der Großraumtheorie Schmitts noch allgemein auf der der totalitären NS-Ideologie errichtet wurde.
Abstract
According to the Großraumtheorie (theory of greater space) developed by the German legal scholar Carl Schmitt in 1939, international law has been subject to dramatic changes since the end of World War I. Schmitt argues that greater spaces have evolved on the international plane, all of which being dominated by the leading political role of a Reich. Although not losing its legal personality, the State has been displaced by the Reich as the decisive subject of international law. Additionally, Schmitt draws a comparison to the well-known Monroe-doctrine by saying that every Reich is under an obligation to refrain from intervening in the greater space of another Reich. Pursuant to Schmitt, the reason for the formation of greater spaces is to be seen in the incipient transboundary character of distant power supplies and inter-state economy. Technical improvements in those fields have made it inevitable for supranational structures to take over States' functions.
Against this background a legal view has emerged in modern times that the European Union is in its origins a product of national socialist ideology and that it is about to develop into a greater space. Amongst others this view has strongly been advocated by the British author John Laughland in his book "The Tainted Source". According to Laughland, Germany and France use the process of European integration as a pretext to build up a central-European greater space in which the two nations will hold supremacy. Laughland argues that European integration does not only tie in with European ideas developed in the Third Reich but also implements these ideas on today's association of sovereign States. The present essay deals with Laughland's reasoning against the background of the Großraumtheorie. It comes to the conclusion that albeit remarkable parallels with national socialist thinking on Europe, the European house does neither rest on the Großraumtheorie in particular nor on totalitarian ideology in general.