Carsten Fischer



Die Täufer in Münster (1534/35)

- Recht und Verfassung einer chiliastischen Theokratie -


- Zusammenfassung -

1534/35 gelang es in Münster mit den Täufern einem radikalen Zweig der Reformation, die etablierten religiösen Kräfte, auch diejenigen der gemäßigteren Reformationsflügel, von der Stadtherrschaft auszuschließen. Im Verlaufe ihrer 16-monatigen Herrschaft versuchten sie ihren theologischen Ansätzen in nahezu allen Lebensbereichen Geltung zu verleihen, und gestalteten zu diesem Zweck auch das städtische Recht neu.
Die zeitlich und räumlich begrenzte Herrschaft der Täufer in Münster gestattet es, das Zusammenspiel von Recht und Religion während der Reformation anhand eines religiös und gesellschaftlich radikalisierten Mikrokosmos zu untersuchen. Der Beitrag soll dabei einen Überblick über das Recht Münsters während der Jahre 1534/35 geben, und es vor seinem theologischen und ereignisgeschichtlichen Hintergrund erläutern. Darüber hinaus wird versucht, einige der Täuferherrschaft zu Grunde liegende Strukturen herauszuarbeiten, wie sie sich im Recht der münsterischen Gemeinde widerspiegeln. Hierbei fällt insbes. eine doppelte Kontinuität auf: Trotz zunehmender Theokratisierung und aller rechtlichen Änderungen behalten die vor-täuferischen städtischen Machteliten einen sich vor allem in der Ämter(neu)verteilung spiegelnden Einfluss auf das städtische Geschehen. Daneben steht eine Kontinuität der Kommunikationsformen von Herrschaft, die sich der bekannten Symbolik ihrer Zeit bedient.

 

The Anabaptists in Muenster (1534/35)

- Law and Constitution of a chiliastic theocracy -

 

- English Summary -

In 1534/5 a radical branch of the Reformation, the Anabaptists, succeeded in claiming rule over the city of Muenster and to keep the established religious factions, including the more moderate wings of the Reformation, away from power. In the course of their 16-months rule they tried to implant their theological approaches into nearly every aspect of live. To this end they, among other means, created a new communal law.
The temporal and spatial restrictions of the Anabaptists´ rule allow for a closer look on the interdependence of law and religion in a radicalised microcosm. The article is intended to grant an overview of the law of Muenster from 1534 to 1535, and to set it before its theological and historical backdrop. Further, it shall be attempted to reveal some of the structures underlying Anabaptist rule, as they are reflected by the laws of the Muensterite community. By doing this, a twofold continuity begins to take shape: Despite an increasing theocratization and in spite of the legal changes, the pre-anabaptist communal elites retain a great influence on communal events, which is especially reflected in the distribution of the different city offices and their holders. Besides that, a continuity in the forms of communicating power is detectable, which employ the well-known symbols of power of its time.