Artikel vom 20. Oktober 2005
© 2005 fhi
ISSN 1860-5605
Erstveröffentlichung
Zitiervorschlag / Citation:

http://www.forhistiur.de/zitat/0510ernst.htm

 

Ulrich Ernst*:

Eheauflösung im multikonfessionellen Staat der frühen Neuzeit

Kapitel 5 Artikel 20 des Dritten Statuts des Großfürstentums Litauen von 1588

 

I. Die drei Statute des Großfürstentums Litauen 
II. Sprachfassungen des Quellentextes, Struktur und Verfahrensgang
III. Eheauflösung zwischen Staat und religiösen Bekenntnissen
IV. Güterrechtliche Gesichtspunkte
V. Gegenwartsbezug
Anhang: Quellentext und Übersetzung
Schrifttum

 

I. Die drei Statute des Großfürstentums Litauen

A. Das Großfürstentum als Staat religiöser und ethnischer Vielfalt

Das Großfürstentum Litauen – GFL –1 reichte zum Beginn der Neuzeit von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Die Führungsschicht der Litauer, des letzten heidnischen Volkes Europas, hatte ab dem 13. Jahrhundert unter weitgehender Achtung der in den verschiedenen Territorien vorhandenen Sozialstrukturen2 die Herrschaft über den größten Teil der Gebiete des heutigen Weißrussland und der Ukraine erlangt.3 Diese waren im 10. und 11. Jahrhundert die Kerngebiete der Kiewer Rus gewesen; ihre ostslawische (ruthenische) Bevölkerung bekannte sich zum orthodoxen Christentum. Großfürst Jagiello (lit. Jogailas) entschied sich schließlich im Jahre 1386 für das katholische Bekenntnis und heiratete die polnische Herrscherin Hedwig, um König Polens zu werden. Die Annahme des Katholizismus durch die Litauer, angefangen bei der Oberschicht, den Bojaren, sollte nicht nur den Bestand ihres Staates unter seinen christlichen Nachbarn sichern – insbesondere gegenüber dem Ordensstaat im Westen – sondern auch ihr Aufgehen in der zahlreicheren und kulturell bis dahin dominierenden ruthenischen Bevölkerung verhindern.4

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Das GFL charakterisierte sich durch seine ethnische und religiöse Vielfalt. Neben den Litauern und den zahlenmäßig bei weitem überwiegenden Ruthenen (nach heutiger Ausdrucksweise Weißrussen und Ukrainern) gab es eine insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert stark zunehmende jüdische Bevölkerung. Dazu kamen die Karaimen, welche von den Chasaren abstammen, dem – von Israel abgesehen – einzigen Volk, welches das Judentum angenommen hatte.5 Zudem waren muslimische Tartaren in den Dienst der Großfürsten eingetreten und hatten sich insbesondere um die Hauptstadt Wilna, im heutigen Weißrussland und in Podlachien (jetzt im Nordosten Polens) angesiedelt. Vor allem in den Städten lebten Deutsche sowie Armenier, mit der Zeit kam es in den westlichen Grenzgebieten zudem zu einer verstärkten polnischen Ansiedlung. Das religiöse Mosaik erhielt eine weitere Facette mit der Reformation, die vor allem im 16. Jahrhundert viele Anhänger unter den litauischen Adelsfamilien fand, welche sie auch unter den Bewohnern ihrer Ländereien förderten.6

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Da sich die litauische Herrschaft auf eine Einbindung der ruthenischen Mehrheitsbevölkerung stützte, bildete sich bald nach der Einführung des Katholizismus auch eine Form der Koexistenz mit der Orthodoxie heraus. Die orthodoxe Kirche wurde mit der katholischen gleichberechtigt; der Rolle einer Staatskirche stand das andere Bekenntnis der weltlichen Führungsschicht im Lande entgegen, was die Stellung der Orthodoxie im GFL von der im Moskauer Reich unterschied. Die verschiedene Entwicklung wurde durch die organisatorische Trennung in eine Kiewer Metropole für die Territorien des GFL und der polnischen Krone sowie eine Moskauer im Jahre 1458 gefördert.7 Auch hinsichtlich der Rechte der adeligen und der nichtadeligen Bevölkerung wurde im Großfürstentum bald grundsätzlich nicht mehr zwischen den Anhängern der beiden Bekenntnisse unterschieden. Nur einige hohe Staatsämter – so die für die Regierung der Gebiete um Wilna – blieben Katholiken vorbehalten, worin eine Möglichkeit zur Reservierung dieser Ämter für den Adel litauischer Herkunft gesehen werden kann.8 Der zwischen den beiden dominierenden Bekenntnissen herrschende Ausgleich wurde später auch auf die Anhänger im Zuge der Reformation entstandener christlicher Kirchen und Sekten erstreckt.9 Daneben trat eine weitgehende Toleranz gegenüber den Anhängern der anderen Religionen. Die Tartaren wurden als Mitglieder des Adelsstandes angesehen und waren mit dessen christlichen Mitgliedern weitgehend gleichberechtigt. Den Juden wurde in ihren Gemeinden Selbstverwaltung gewährt, zudem hatten sie landesweite Vertretungsorgane.10

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Regiert wurde der Staat vom Großfürsten, der seit dem 15. Jahrhundert vor seinen Entscheidungen verstärkt den "Rat der Herren" konsultieren musste. In diesem kleinen Gremium waren die katholischen Bischöfe sowie die Träger der höchsten Staatsämter vertreten, welche regelmäßig mit Angehörigen einiger weniger Adelsfamilien besetzt wurden, vor allem solche litauischer Herkunft, und der Herrschergeschlechter der früheren ruthenischen Teilfürstentümer. Erst in der Zeit der weiteren Annäherung an Polen setzte der übrige Adel, dem – anders als in den meisten westeuropäischen Staaten – etwa 10% der Bevölkerung angehörten, seine Mitregierung im Staate durch. Nicht an der Regierung beteiligt waren die übrigen freien und leibeignen Bewohner des GFL. Allerdings hatten nach der Hauptstadt Wilna im Jahre 1387 auch andere Städte die Selbstverwaltung in Form des Magdeburger Rechts erhalten.11

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Zu einer festen Verbindung mit Polen kam es erst im Jahre 1569 mit der Union von Lublin. Anlass war die existenzielle Bedrohung des GFL in einem Krieg mit dem Moskauer Staat, welcher seit Ende des 15. Jahrhunderts mit dem GFL um die Herrschaft über die früher zur Kiewer Rus gehörenden Gebiete konkurrierte. Die polnische Seite setzte in der Union die Abtretung eines erheblichen Teils der Gebiete des GFL durch, welches fortan nur noch die weißrussischen und ethnisch litauischen Gebiete umfasste. Die Union schuf einen Bundesstaat mit gemeinsamem Herrscher und Reichstag12; im übrigen sollten die polnische Krone und das Großfürstentum innerhalb der so geschaffenen "Republik beider Nationen" (poln.: Rzeczpospolita obojga narodów) als eigenständige Glieder bestehen bleiben.13

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Die politische und kulturelle Symbiose weckte – v.a. auch bei der politischen Führung des GFL und seines orthodoxen Klerus – das Bestreben, die Bekenntnisspaltung zu überwinden. Kompromissformel sollte eine mehr oder weniger strikte Unterstellung unter den Papst bei Wahrung des orthodoxen Ritus sein. 1439 sah dies die unter dem Eindruck der Bedrohung Konstantinopels durch die Türken eingegangene Florentiner Kirchenunion vor.14 Erst mit der Brester Union von 1596 nahm die griechisch-katholische Kirche feste Formen an, ohne jedoch in der Orthodoxie über die kirchliche Hierarchie hinaus durchgehend akzeptiert zu werden. Nach erheblichen Auseinandersetzungen wurde die orthodoxe Kirche in Litauen-Polen – neben der griechisch-katholischen – 1620 wieder vollständig legalisiert, so dass sich im Ergebnis die religiöse Vielfalt weiter vergrößerte.15

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Durch die Besetzung durch den Moskauer Staat in den Jahren 1654-1661 erlitt das GFL nicht nur große Verluste an materiellen Gütern durch Zerstörungen und Abtransport nach Osten; v.a. wurden hunderttausende seiner Bewohner, Adelige, Handwerker, Kaufleute und Bauern ins Innere des Zarenreiches deportiert. Insbesondere die Städte sollten sich von diesem Schlag nicht mehr erholen. Zur Besatzungspolitik gehörte die Durchsetzung der Vorherrschaft der orthodoxen Kirche – die als Abspaltung aufgefasste "griechisch-katholische" unierte Kirche wurde verboten, die römischen Katholiken durften ihren Glauben nur in Privathäusern ausüben.16 Nach dem Ende der Besatzung gab es keine Rückkehr mehr zur vormaligen weitgehenden Gleichberechtigung der christlichen Bekenntnisse. Der Adel war nun zum allergrößten Teil römisch-katholisch (und integrierte sich immer stärker in den polnischen), die nichtadelige Bevölkerung folgte dem griechisch-katholischen Ritus. Nur in einem östlichen Randgebiet blieb die orthodoxe Kirche bestehen, die durch die Unterstellung der Kiewer Metropole unter das Moskauer Patriarchat im Jahre 1686 in dessen direkte Abhängigkeit geriet; ihre Anhänger verloren ihre politischen Rechte. Gleichfalls gehörten am Ende des 17. Jahrhunderts keine Protestanten mehr dem Reichstag an.17

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Die durch Kriege und die Unfähigkeit ihrer "politischen Klasse" zur Stärkung und Modernisierung geschwächte Rzeczpospolita geriet gegenüber ihren zunehmend zentralistisch regierten Nachbarn immer mehr in die Defensive. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeleiteten Reformen konnten ihren Untergang nicht mehr verhindern. So bedeutete die dritte "polnische" Teilung von 1795 auch das Ende des GFL.

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B. Die Statute, ihre Quellen und Verfasser

1. Chronologie, frühere Rechtsquellen und das Erste Statut von 1529

Im 16. Jahrhundert kam es im GFL zu einer bemerkenswerten gesetzgeberischen Dynamik.18 Mit dem Ersten Statut (1529) wurde das Recht weitgehend kodifiziert; die Statute von 1566 und 1588 stellten jeweils erhebliche Weiterentwicklungen im Vergleich zu ihren Vorgängern dar.

Schon das Erste Statut regelte sowohl das Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere die Rechte und Pflichten der verschiedenen Stände, wie auch das Privat- und Straf-, einschließlich des dazugehörigen Prozessrechts. Vor Erlass des Ersten Statutes fehlte es an einem einheitlichen Gesetzesakt. Außer dem Gewohnheitsrecht waren Rechtsquellen einzelne Erlasse der Großfürsten und ältere das Staats  und Kirchenrecht der Kiewer Rus und der aus ihr hervorgegangenen ruthenischen Fürstentümer, angefangen bei der Руська Правда [Ruska Prawda] aus dem 11. Jahrhundert, die sich ihrerseits auf byzantinische Vorbilder gestützt hatten. Mit der römischen Kirche nahm auch ihr Recht Einzug in Litauen, welches seinerseits vielfach vom weltlichen römischen Recht geprägt war. Neben dem Magdeburger Recht in den Städten wurde das Lehens- und Landrecht des Sachsenspiegels von Gerichten des Großfürstentums zur Entscheidungsfindung herangezogen.19 Aus diesen Quellen konnten die Verfasser des Ersten Statuts schöpfen, die damit das einer ethnischen oder kulturellen Einheitlichkeit entbehrende Staatswesen festigten.20 Die Urheberschaft des Werks ist umstritten; vermutet wird, dass der damalige litauische Kanzler Olbracht Gasztold sowie die in der Staatskanzlei tätigen Doktoren beider Rechte Jerzy Taliat aus Ejszyszki und Wacław Czyrka Anteil daran hatten.21 Das Statut wurde auf dem Wilnaer Reichstag von 1528/29 angenommen.22

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2. Das Zweite Statut von 1566 und die Rolle des römischen Rechts

Anlass für die Überarbeitung des Statuts war die sich abzeichnende Union mit dem Königreich Polen. Zunächst ging es darum, das litauische Rechtssystem an das polnische anzugleichen. Dies entsprach insbesondere den Wünschen des nicht zur engeren Führungsschicht gehörenden Adels, der sich weitergehende Mitbestimmungsrechte und größere Freiheiten nach polnischem Vorbild erhoffte. Gleichzeitig lag aber auch ihm, wie den im Herrenrat vereinigten Magnaten daran, autonom über die Ausgestaltung des Staats- und Rechtssystems zu entscheiden. und keinen Vorwand für den Ersatz des litauischen Rechtssystems durch eines für die gesamte Union nach polnischem Vorbild zu bieten.23

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Mit der Neufassung des Statuts wurde 1551 eine zehnköpfige Kommission betraut, die sich zu gleicher Zahl aus Katholiken und Nichtkatholiken (Orthodoxe sowie ein Protestant) zusammensetzte.24 Eine solche paritätische Besetzung, die zu jener Zeit zugleich die Beteiligung sowohl von ethnischen Litauern wie Ruthenen gewährleistete, galt im GFL auch für die Magistrate einiger sich nach Magdeburger Recht verwaltender Städte.25 Die Mitglieder der Gesetzgebungskommission brachten ihre Erfahrung als Politiker, Geistliche, Richter, Anwälte und Hochschullehrer ein.26 Nachhaltige Spuren hinterließ die Beteiligung von mit den Rechtsentwicklungen im westlichen Europa vertrauten Gelehrten.27 Besonders hervorzuheben sind August Rotundus und ab 1563 Pedro Ruiz de Moroz, im latinisierenden Polnisch genannt Rojzjusz. Beide hatten Kenntnisse des deutschen und römischen Rechts und fochten insbesondere für die verstärkte Durchsetzung des letzteren. Der Pole Rotundus hatte in Wittenberg, Padua und Ferrara studiert und war Vogt von Wilna sowie Sekretär des Großfürsten. Der Spanier Rojzjusz, der nach dem Studium im Lerida, Padua, Rom und Bologna als Rechtslehrer an die Krakauer Akademie gegangen war, zog 1551 nach Wilna, wo er staatliche kirchliche Ämter ausübte und in der Jesuitenschule juristische Vorlesungen hielt.28 Die Propagierung des römischen Rechts stieß in Polen auf die Ablehnung des Adels, der darin ein Instrument zur Stärkung der Zentralgewalt des Königs sah und eine allgemeine Rezeption verhinderte.29 Anders war die Situation in Litauen, wo u.a. die Ideologie der Adelsfreiheit noch nicht so stark verankert war wie in Polen.30 Die privatrechtlichen Neuerungen, die das im Jahre 1566, drei Jahre vor der Lubliner Union erlassene Zweite Statut enthielt, sind daher zum großen Teil römisch-rechtlich geprägt. Angesichts des Reformwerks verwies der litauische Politiker Mikołaj Radziwiłł darauf, dass das Großfürstentum als res publica bene ordinata in die Union mit Polen eintrete.31

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3. Das Dritte Statut von 1588, seine Struktur und Stellung in der kontinentalen Rechtsentwicklung

Trotz der Leistung, die das Zweite Statut darstellte, wurde von polnischer Seite eine weitere Überarbeitung des litauischen Rechts mit dem Ziel einer Anpassung an das polnische erwartet. Die zu diesem Zweck einberufene Kommission, die wie die vorherige die Bekenntnisvielfalt widerspiegelte, in die jedoch zudem jede Woiwodschaft einen Adelsvertreter entsandte, hielt sich nicht an diese Vorgaben.32 Das unter Beteiligung des Reichstags sowie des Großfürsten (und Königs) Stephan Batory ausgearbeitete Statut betonte vielmehr in seinen staatsrechtlichen Vorschriften die Eigenständigkeit des GFL gegenüber der polnischen Krone.33 Die erheblich ausgebauten und modernisierten Vorschriften (auch in den Abschnitten zum Privat- und Prozessrecht) stärkten zusätzlich den Bestand des litauischen Rechtssystems. Das Dritte Statut wurde im Jahre 1588 von König Sigismund Wasa bestätigt, der sich dazu anlässlich seiner Wahl zum Großfürsten verpflichtet hatte.34 Es blieb damit bei einer separaten litauischen Gesetzgebung. 35 In der Vorrede zur Edition des Statuts verwies Staatskanzler Lew Sapieha darauf, dass alle Bürger Sklaven des Rechts seien, aber auch der Landesherr nur soviel Hoheit über sie ausüben dürfe, wie ihm das Recht erlaube. Mit seiner klaren Sprache und seiner durchdachten Systematik36 knüpfte das Dritte Statut an seine Vorgänger an, übertraf sie aber und setzte (nicht nur) unter den in Polen und Litauen geltenden Rechtsakten noch über das Ende des 18. Jahrhunderts hinaus Maßstäbe. Das Dritte Statut hatte insgesamt 488 Artikel, die in 14 Kapiteln enthalten waren.37

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Stilistische Ähnlichkeiten weisen die Statute mit den in der Zeit des Humanismus in deutschen Territorien anzutreffenden Landesordnungen auf, die ebenfalls eine Synthese des örtlichen Rechts mit dem rezipierten römischen Recht anstrebten.38 In ihrem inhaltlichen Anspruch als Gesamtkodifikationen für einen großen Territorialstaat mit Regelung sowohl des Staats- wie Prozess- als auch materiellen Rechts haben sie aber zu ihrer Zeit in Europa kaum ein Gegenstück.39 In deutschen Landen wurde ein dem Regelungsbereich und allgemeinen Geltungsanspruch vergleichbares Gesetz mit dem preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) von 1794 geschaffen, zu einer Zeit, als sich bereits abzeichnete, das die modernen Kodifikationen nur noch Teilgebiete des Rechtes regeln würden.40

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4. Personelle, räumliche und zeitliche Geltung der Statute

Die Statute beanspruchten allgemeine Geltung im Staat. Somit waren ihre Bestimmungen sowohl für den adeligen und den geistlichen Stand, die (Stadt)Bürger und die Unfreien verbindlich.41 In Kraft blieben aber bestimmten Städten und ihren Bürgern gewährte Selbstverwaltungsrechte.42 Außer den Bestimmungen für die "christlichen Menschen" enthalten die Statute einige Sondervorschriften für Juden und Tartaren, u.a. über ihre Position als Parteien und Zeugen in Gerichtsverfahren, an denen auch Christen teilnahmen. Diesen Bevölkerungsgruppen verliehen nach wie vor großfürstliche Privilegien eine Sonderstellung und das Recht auf Selbstverwaltung. Als außerhalb der Bevölkerung des Großfürstentums stehend wurden Zigeuner angesehen, denen die Einreise ins Großfürstentum verboten war.43

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Zeitlich ersetzte jeweils die Neufassung das bisher geltende ältere Statut.44 In den 1569 vom GFL an die polnische Krone abgetretenen ukrainischen Woiwodschaften Wolhynien, Kiew und Braclaw trat das Dritte Statut nicht förmlich in Kraft, insbesondere die materiellen privat- und strafrechtlichen Vorschriften des Zweiten Statuts galten dort weiter. Später wandten auch dort die Gerichte das modernere Dritte Statut an, subsidiär ebenso im übrigen Königreich Polen, wo es an einer Kodifikation fehlte.45 Nach der ersten polnischen Teilung von 1772 wurde im österreichischen Teilungsgebiet zunächst in Erbsachen die subsidiäre Anwendung des Dritten Statuts angeordnet.46 Nach der Dritten Teilung von 1795 und dem Ende des GFL blieb das Dritte Statut in seinem zum Zarenreich gehörenden Geltungsbereich die Grundlage des materiellen und prozessualen Privatrechts und für Kodifikationsprojekte.47 Außer Kraft gesetzt wurden die Statute in den "westlichen Gubernatorien" des Russischen Reichs im Jahre 1840; für die ostukrainischen Gebiete von Tschernihiw und Poltawa, die politischer Autonomiebestrebungen weniger verdächtig waren, wurden allerdings in den gesamtrussischen "Свод Законов" [Swod Sakonow] Sondervorschriften aufgenommen, die eine Wiedergabe privatrechtlicher Bestimmungen des Dritten Statuts nebst Fundstellenangaben waren. Sie galten bis zur Einführung sowjetischen Rechts in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts weiter.48

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C. Amtliche Fassungen in der Kanzleisprache des Großfürstentums, Übersetzungen und Texteditionen

Alle drei Statute sind in der ruthenischen sog. Kanzleisprache des GFL verfasst. Diese wird heute oft als "Alt-Weißrussisch" bezeichnet; anderseits wird darauf hingewiesen, dass sich in ihr Elemente ukrainischer Dialekte finden. Wenn auch umstritten ist, ob sie in dieser Form irgendwo gesprochen wurde, so war sie doch im gesamten Staatsgebiet verständlich.49 Die Sprache wurde für offizielle Akte des Großfürstentums schon zum Zeitpunkt der Christianisierung seiner Herrscherschicht Ende des 14. Jahrhunderts für amtliche Akte verwendet50 Es finden sich auch zeitgenössische lateinische Fassungen. So entstand bereits der Entwurf des Zweiten Statuts zweisprachig, wie sich aus einer brieflichen Äußerung des Rotundus' ergibt.51

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Mit der zunehmenden Polonisierung, aber auch der Einrichtung von Akademien, in denen Altkirchenslawisch gelehrt wurde, sank im 16. Jahrhundert das Prestige der ruthenischen Dialekte, sie wurden in der Folge lange "nur" als Sprache des "einfachen" Volkes angesehen.52 Dementsprechend wurde das Ruthenische im GFL durch Beschlüsse des Reichstags von 1696/97 als amtliche Gerichtssprache vom Polnischen abgelöst.53 Rechtlich maßgebend blieb jedoch weiterhin die Originalfassung des Dritten Statuts. Die Differenz zwischen der ruthenischen Kanzleisprache und den polnischen Übersetzungen ist ohnehin gering; der Großteil des Vokabulars ist gleich, so dass die Übersetzung im wesentlichen nur die Umschreibung in lateinische Lettern sowie Änderungen von Wortendungen und Satzstrukturen erforderte.54 Für den Amtsgebrauch wurde das Zweite Statut im 18. Jahrhundert ins Ukrainische55 und das Dritte im 19. Jahrhundert ins Russische56 übersetzt. Nachgewiesen sind auch aus Livland stammende deutsche Übersetzungen aus dem 17. Jahrhundert.57

Nur das Dritte Statut wurde gleich nach seinem Erlass im Druck herausgegeben, während seine Vorgänger nur in Handschriften vorlagen. Editionen der Statute in den verschiedenen Sprachfassungen zu historiographischen Zwecken erscheinen ab dem 19. Jahrhundert.

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II. Sprachfassungen des Quellentextes, Struktur und Verfahrensgang

Kapitel 5 Art. 20 des Dritten Statuts stellt eine Weiterentwicklung von Kapitel 5 Art. 18 des Zweiten Statuts aus dem Jahre 1566 dar (das Erste Statut von 1529 kennt keine Entsprechung). Für die Untersuchung standen neben dem amtlichen ruthenischen Text des Dritten Statuts die lateinische Fassung des Zweiten Statuts zur Verfügung (vgl. die Wiedergabe im Anhang) sowie zeitgenössische polnische Übersetzungen dieser beiden Statute. Kap. 5 Art. 20 des Dritten Statuts auf Ruthenisch und Polnisch sowie Kap. 5 Art. 18 des Zweiten Statuts auf Polnisch sind hinsichtlich der jeweils in S. 2-4 enthaltenen vermögensrechtlichen Bestimmungen wortgleich.58 Daraus ist zu schließen, dass auch die amtliche ruthenische Fassung59 von Art. 18 S. 2-4 des Zweiten Statuts mit der von Art. 20 S. 2-4 des Dritten Statuts übereinstimmt. Die Einbeziehung des lateinischen Texts von Art. 18 des Zweiten Statuts erscheint umso sinnvoller, weil – wie dargelegt – das Zweite Statut zugleich auf Lateinisch und Ruthenisch verfasst wurde.60 Nicht miteinander identisch, aber ähnlich, sind die Vorschriften in den beiden Statuten hinsichtlich des S. 1. Die S. 5 und 6 sind dagegen erst im Dritten Statut hinzugekommen.

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Die untersuchte Vorschrift trifft zum einen prozessuale Bestimmungen: Zuerst sollen die geistlichen Gerichte über die Eheauflösung befinden (S. 1). Anschließend haben sie die Entscheidungsgründe aufzuzeichnen und das Dokument darüber an das zuständige weltliche Gericht zu übersenden (S. 5). Dieses hat dann die güterrechtliche Entscheidung zu treffen, die schließlich zu vollstrecken ist (S. 6).61 Neben den genannten Verfahrensregelungen findet sich in S. 1 eine Verweisung auf das anwendbare geistliche Recht. S. 2-4 enthalten materiellrechtliche Aussagen über die güterrechtliche Auseinandersetzung der "Geschiedenen".

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III. Eheauflösung zwischen Staat und religiösen Bekenntnissen

A. Entscheidung über das Eheband im Sinne des Statuts

1. Verweisung an Gerichte und Recht der Kirchen

Satz 1 stellt klar, dass für die Auflösung des Ehebandes die kirchliche Gerichtsbarkeit und nicht die weltliche zuständig sein soll. Damit übereinstimmend fehlt es im Statut an Bestimmungen zur Eheschließung; auch dies ist nicht Sache staatlicher Behörden (allein an den Verstoß gegen Eheverbote wegen Verwandtschaft werden – straf- und vermögensrechtliche – Sanktionen geknüpft, Kap. 5 Art. 22).

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Die Bestimmung in S. 1 enthält noch eine Differenzierung: Anhängig gemacht werden soll ein Streit nicht einfach "vor den geistlichen Gerichten" (передъ судомъ духовънымъ [pered sudom duchownym]), sondern unter diesen wird die Zuständigkeit jeweils vom набоженьство [naboschenstwo] der Ehegatten abhängig gemacht. Im heutigen Polnisch bedeutet nabożeństwo "Gottesdienst". Offenbar in diesem Sinne verstand im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts bereits der deutsche Übersetzer der zeitgenössischen Darstellung des polnischen und litauischen Zivilrechts des polnischen Gelehrten Ostrowski den Ausdruck In der für preußische Beamte nach der Einverleibung von Gebieten der Rzeczpospolita angefertigten Übersetzung lautet die Passage zu Art. 20 S. 1 62: „Das lithauische Statut schreibt zwar vor, dass in Ehescheidungssachen das geistliche Gericht an dem Orte, wo sich die Ehegatten zur Kirche halten, die Cognition haben soll, es schweigt aber davon, vor welches Gericht eine Sache gehöret, wenn der Mann und die Frau verschiedener Religion sind."63 Hier entsteht der Eindruck, dass es sich um eine bloße Regelung der örtlichen Zuständigkeit handelt. Aus dem Kontext des Dritten Statuts ergibt sich jedoch, dass mit набоженьство das religiöse Bekenntnis gemeint ist: Der Ausdruck findet sich noch dreimal, zweimal im bereits erwähnten Kap. 3 Art. 3 über die religiöse Toleranz sowie in Kap. 11 Art. 27, der "geistlichen Personen jeglichen christlichen Bekenntnisses sowie ihren Frauen und Kindern"64 eine strafrechtliche Sanktion für eine Körperverletzung androht. In Litauen genügte also nicht die bloße Verweisung allgemein auf die geistlichen Gerichte, sondern es war in Anknüpfung an das Bekenntnis der Eheleute65 die Entscheidungskompetenz der verschiedenen – gleichermaßen anerkannten – Bekenntnisse anzuordnen. Nach Art. 20 S. 1 sollten dabei die Gerichte der verschiedenen Konfessionen ihr jeweiliges Kirchenrecht anwenden.

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Hingewiesen sei noch auf die Vorgängervorschrift im Zweiten Statut (Art. 18 S.1), die eingangs in der lateinischen Fassung wiedergegeben ist. Diese spricht von der Zuständigkeit des iudicium ecclesiasticum utriusque et Romani et Graeci ritus. Der Verzicht auf die Nennung bestimmter Konfessionen und der bloße Verweis auf die "geistlichen Gerichte" ist aber keine Neuerung des Dritten Statuts. Diese Formulierung verwendet schon das Zweite Statut in der polnischen Übersetzung und somit sicher auch in seiner amtlichen ruthenischen Fassung. Die Abweichung erhellt eine weitere Bemerkung im bereits zitierten Brief des Rotundus', wonach die an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligten "Häretiker" dort, "wo in den alten Konstitutionen und Privilegien den Bewohnern des Großfürstentums Litauen des römischen und griechischen Ritus Freiheiten, Benefizien und Rechte zuerkannt sind, [...] das eine und das andere durch 'christlichen Glauben' ersetzen wollten."66 Mit der Entscheidung für die ruthenische als die einzig amtliche Fassung setzte sich die neutrale, auch protestantische Kirchen einschließende, Formulierung durch.

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2. Begriff der Eheauflösung angesichts der konfessionellen Standpunkte

Regelungsgegenstand von Art. 20 ist der розводъ малъженьский [roswod malschenski], in der lateinischen Übersetzung das divortium. Während małżeński noch im heutigen Polnisch wie einst in der Kanzleisprache "ehelich" bedeutet, bezeichnet rozwód im jetzigen polnischen Recht die nachträgliche Auflösung einer wirksam eingegangenen Ehe.67 Es entspricht damit dem deutschen Begriff "Scheidung" und hat auch eine entsprechende Herleitung: Roz-wieść/roz-wodzić, (jemanden) "scheiden", rührt von "auseinander-führen" her.68 Welche Tatbestände nach dem Verständnis des Statuts darunter zu fassen waren, lässt sich gemäß dem Verweis in S. 1 auf das jeweilige christliche Recht nur in Kenntnis der Standpunkte der verschiedenen Bekenntnisse zum Wesen der Ehe (малъженьство [malschenstwo]) und ihrer Auflösung begreifen.

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Die restriktivste Haltung zur Möglichkeit der Eheauflösung nahm (und nimmt noch heute) die katholische Kirche ein. Gemäß den Beschlüssen des Tridentiner Konzils (1561-1563), welche im Jahre 1577 im GFL verkündet wurden,69 war die wirksam eingegangene und vollzogene Ehe ein Sakrament. Eine Möglichkeit der "Scheidung" im engeren Verständnis bestand nicht. Sahen sich die Ehegatten außer Stande, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, kam für sie nur die Trennung von Tisch und Bett in Frage. Zwar waren sie damit nicht mehr zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensgemeinschaft verpflichtet; andere Partner heiraten – der zweite Aspekt einer Scheidung – durften sie jedoch nicht.70 Vorgesehen war dagegen die förmliche Nichtigerklärung durch kirchliche Behörden, wegen Unwirksamkeit der Ehe von Anfang an. Die Nichtigkeitsgründe71, von denen die kirchlichen Behörden zum Teil Dispense erteilten, sollten der Wahrung von Freiheit der Willensbildung und Form der Eheschließung dienen, sowie die Verbindung von in einer anderen Ehe (Bigamie) oder durch Angehörigkeit zur Kirche als Priester, Nonnen oder Mönche gebundenen sowie zwischen Verwandten ausschließen. Unter letzteren waren zum einen Blutsverwandte in direkter Linie zu verstehen, weiter solche in der Seitenlinie bis zum vierten Grad, ein Ehehindernis war aber auch die Schwägerschaft und die sog. geistliche Verwandtschaft (zwischen Täufling und Taufendem, Firmling und Firmenden und deren Eltern sowie zu den Paten).72 Grundsätzlich verboten waren Ehen mit Nichtkatholiken; sofern der Ehepartner aber einem anderen christlichen Bekenntnis angehörte, war die Glaubensverschiedenheit kein Nichtigkeitsgrund.73

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Auch im Gebiet der Kiewer Kirche als Teil der Ostkirche war die einvernehmliche Eheauflösung nicht gestattet. Zulässig war jedoch aus bestimmten Gründen, z.B. wegen Ehebruchs, die Scheidung einer Ehe. Aus ähnlichen Gründen wie in der katholischen Kirche konnten Ehen zudem als unwirksam aufgehoben werden; ein wesentlicher Unterschied war die Zulässigkeit der Verheiratung von Priestern. Diese Fragen regelte der "Свиток Ярославль" [Switok Jaroslawl], ein vermutlich aus dem 11.-12. Jahrhundert stammender staatlicher Rechtsakt, den der litauische Großfürst Alexander 1502 bestätigte und der die Entscheidung über den Bestand der Ehe der kirchlichen Gerichtsbarkeit zuwies.74 Für den in der Brester Union Rom unterstellten Teil der Ostkirche galt das katholische Eherecht, freilich mit Ausnahme des für die Priester der griechisch-katholischen Kirche nicht verbindlichen Zölibats.75

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Angefochten wurde der Hoheitsanspruch der angestammten Kirchen über die Ehe durch die Lehren der Reformation. Luther sah in der Ehe kein Sakrament sondern "ein weltlich Ding". Wenn er auch die Scheidung ablehnte, so war sie ihm zu Folge doch theologisch zulässig.76

Unter розводъ малъженьский [roswod malschenski] im Sinne von Art. 20 fällt nicht nur die nachträgliche Auflösung einer wirksamen Ehe sondern auch die Annullierung.77 Dies ergibt sich bereits daraus, dass in S. 4 ausdrücklich die Vermögensaufteilung für einen Fall des розвод [roswod] wegen "Verwandtschaft" der Eheleute geregelt ist, also einem Tatbestand für die Nichtigerklärung. Insofern erscheint es bei einer Übertragung der Vorschrift in heutiges Deutsch angemessen, den weiter verstandenen Ausdruck "Eheauflösung" zu verwenden. Allerdings verzichtete ebenso der damalige deutsche Sprachgebrauch auf die Unterscheidung zwischen den beiden Tatbeständen der Eheauflösung und sprach von "Scheidung" auch im Falle einer Nichtigerklärung.78 Ob Art. 20 auch die separatio, also die Trennung von Tisch und Bett betrifft, ergibt sich aus dem Wortlaut nicht. Dies ist jedoch jedenfalls für den Fall anzunehmen, dass die Trennung der Ehegatten eine endgültige sein sollte und sich auch auf das Vermögen bezog.79

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Anders als die christlichen Konfessionen kennen weder das Judentum noch der Islam das Verbot der Scheidung.80 Art. 20 S. 1 bezieht sich zwar nicht auf deren Anhänger, sondern ausdrücklich nur auf die "christlichen Menschen". Aus dem Fehlen von Regelungen über die Scheidung der muslimischen Tartaren81 sowie angesichts der den Juden gewährten Selbstverwaltungsrechten ergibt sich aber, dass auch bei diesen Bevölkerungsgruppen die Eheschließung und die Auflösung des Ehebandes zunächst nicht Sache der staatlichen Behörden war.

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B. Praktische Fragen

1. Erringung der Kirchenherrschaft über die Ehe und ihre Folgen

Die Gerichtspraxis unter den litauischen Statuten ist durch Originalakten sowie Editionen zu Forschungszwecken seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts recht umfangreich dokumentiert.82 Der polnische Rechtshistoriker Bardach hat daran gezeigt, dass sich die kirchliche Entscheidungsbefugnis über die Ehe erst mit der Zeit vollständig durchsetzen ließ.83 Länger als unter den zum katholischen Christentum bekehrten ethnischen Litauern finden sich Abweichungen von den staatlichen Normen unter der ruthenischen Bevölkerung. Ältere Vorstellungen von der Lösbarkeit von Ehen waren bis zum Ende des 17. Jahrhundert noch nicht verdrängt. Weiterhin kam es zum Abschluss gesellschaftlich akzeptierter Ehen ohne kirchliche Beteiligung; mitunter traf man dazu auch die üblichen vermögensrechtlichen Vereinbarungen, welche jedoch zumeist im Streitfall gerichtlich nicht durchsetzbar waren. Im ukrainischen Landkreis Bar mussten Bauern dem Starosten Gebühren zahlen, wenn sie ohne kirchliche Beteiligung mit einer Frau eine Lebensgemeinschaft begründen wollten. Vielfach wurden Ehen, auch nach kirchlicher Trauung, ohne kirchliches Eingreifen aufgelöst – so bei Konsens der Ehegatten vor einer weltlichen Amtsperson oder unter "einfachen Leuten" auch durch einseitige Erklärung. Sogar kirchliche Trauungen von bereits – kirchlich oder nicht – geschiedenen sind nachgewiesen. Mit Bardach kann man daher von einer Überlagerung des kirchlichen Eherechts durch Gewohnheitsrecht sprechen.

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Als im 18. Jahrhundert die kirchliche Ehehoheit vollständig durchgesetzt war, bekannte sich nur noch ein geringer Teil der Bevölkerung des GFL zum orthodoxen Glauben. Der förmliche Sieg der katholischen Lehre bedeutete jedoch weder ihre Akzeptanz in der Gesellschaft noch ihre inhaltliche Durchsetzung. So heißt es bei Daniłowicz in einer Gegenüberstellung des weltlichen Eherechts des Code Civil, welcher 1810 im Herzogtum Warschau eingeführt worden war, mit der bisherigen Praxis in Polen und Litauen:84 "Die vierzehn Nichtigkeitsgründe haben die kanonistischen Juristen so geschickt auszudehnen gelernt, dass jede Ehe, wenn es sich gut rechnet, unfehlbar die Auseinanderreißung erhält; und nur eine Auflösung unter etwa fünfzehn jährlich wurde aus einem wirklich [vorliegenden] Grund gewährt, da der Rest, unter Bezahlung der Zeugen, der Anwälte und des Sekretärs das Gericht betrog. Beweis dafür mag sein, dass in Litauen keine Auflösung erteilt wurde, die nicht wenigstens 100, und manchmal 1000 Dukaten gekostet hätte, wo sie doch von Rechts wegen, nach der Lehre des Heilands und unserer Gesetze, umsonst erteilt werden sollte. [...] Dieser wesentliche Unterschied zwischen den französischen und unseren Gesetzen besteht also, dass dort ein Reicher und ein Armer, ein Jude, Lutheraner oder Katholik, der nicht in der Ehe zu leben vermag, die Auflösung erhält, während bei uns diese Wohltat den Reichen vorbehalten bleibt."

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Die Praxis der Eheauflösung kritisierte damals auch Czacki,85 der genauere Daten über die "Scheidungs"häufigkeit in Litauen und Polen gesammelt hatte. Nachdem ihre Zahl unter den römisch-katholischen Einwohnern lange Zeit sehr gering gewesen sei, habe "die Lässigkeit der Umgangsformen unter August III. [von Sachsen, 1733-1763] die Eheauflösungen zu einer verbreiteteren Angelegenheit" werden lassen. Unter dem letzten Herrscher habe in den Jahren 1775-1793 das Warschauer Konsistorium 178 Auflösungen ausgesprochen, während ganz Polen 451 solcher Entscheidungen gesehen hätte und zusammen mit den in Rom ergangenen 500 – dies bei einem Verhältnis zwischen der Einwohnerzahl der Hauptstadt und der der gesamten Rzeczpospolita von 80.000 zu über fünf Millionen. Verhältnismäßig häufiger seien Ehescheidungen bei Protestanten vorgekommen, hier aber auch eher bei Stadtbewohnern. Diese Erkenntnisse bestärkten Czacki in seiner Auffassung, dass "Eheauflösungen ein Bedürfnis der Städte, aber nicht des [ganzen] Landes" seien. Äußerst gering sei deren Zahl in der griechisch-katholischen Kirche gewesen; so habe es unter dem Metropoliten Smogorzewski von 1733-1768 insgesamt nur elf solcher Entscheidungen gegeben. Da im wesentlichen die Ehen Wohlhabenderer aufgelöst worden seien, äußerte Czacki ebenfalls einen Verdacht, dass dies mit deren finanziellen Möglichkeiten im Zusammenhang gestanden hätte. Dabei verwies er aber nicht wie Daniłowicz auf Manipulationen der Parteien, ihrer Prozessvertreter und der Zeugen, sondern beklagte die mangelnde Aufsicht des Staates über die Tätigkeit der Konsistorien.86

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2. Gemischtkonfessionelle Ehen

Für die Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts haben neuere Untersuchungen Jakоwenkos87 gezeigt, dass in den ruthenischen Gebieten der Rzeczpospolita, in deren größtem Teil das Recht der Statute galt, die verschiedenen Bekenntnisse nicht bloß nebeneinander existierten. Zwischen ihnen bestanden oft keine so scharfen Trennlinien, wie es sich in den zeitgenössischen Zeugnissen der für die Durchsetzung ihres Glaubens streitender Organisationen, wie dem Jesuitenorden, und aus späteren Epochen verschärfter religiöser Antagonismen ausmacht. So waren im Adel, für den sich dies nachweisen lässt, Ehen zwischen Anhängern der verschiedenen christlichen Bekenntnisse Normalität.

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Das kanonische Recht nahm, wie schon erwähnt, Ehen von Katholiken mit Angehörigen anderer christlicher Bekenntnisse als wirksam hin, was gemäß Beschluss des Trienter Konzils auch solche mit "Häretikern" einschloss. Orthodoxen hatte bereits der Свиток Ярославль [Switok Jaroslawl] Ehen mit Katholiken erlaubt, nicht jedoch mit Heiden oder "Abtrünnigen" von der Kirche.88 Auch diese Einschränkung wurde jedoch in jener Zeit gegenüber Protestanten nicht beachtet. Bei einer Mischehe stellte sich die Frage nach dem Bekenntnis der aus ihr hervorgehenden Kinder. Oftmals wurden darüber Abmachungen im Ehevertrag zwischen dem Vater der Braut und dem Bräutigam geschlossen.89 Häufig gewählt wurde die Lösung, dass die Töchter das Bekenntnis der Mutter, die Söhne das des Vaters erhalten sollten. Eine andere Möglichkeit war, die Kinder abwechselnd nach der Reihenfolge ihrer Geburt im Ritus des einen und des anderen Elternteils zu taufen.90 Für die Auflösung von Mischehen traf die Verweisungsnorm in Art. 20 S. 1 keine Entscheidung. Offenbar griff der Gesetzgeber erst sehr spät regelnd ein, zu einer Zeit, als die Gleichstellung der Konfessionen nicht mehr üblich war. Bei Ostrowski heißt es:91 Das Litauische Statut "schweigt [...] davon, vor welches Gericht eine [...] Sache gehöret, wenn der Mann und die Frau verschiedener Religion sind. Erst der Tractat von 1775 hat der herrschenden Landesreligion das Vorrecht gewähret und verordnet, dass alle Ehescheidungssachen, sobald auch nur ein Teil catholisch ist, vor das catholische Consistorium gehören sollen."

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Anders als gemischtkonfessionelle Ehen unter Christen waren die zwischen Christen und Andersgläubigen nicht offiziell gebilligt. Schon 1548 hatte ein staatlicher Rechtsakt Ehen und sonstige Lebensgemeinschaften von Christen mit "Juden, Türken und Tartaren" verboten. Jedenfalls bis dahin waren also auch sie vorgekommen.92

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C. Einordnung in den gesamteuropäischen Kontext

Aus der Perspektive Westeuropas übernahm das GFL mit der Trennung von staatlicher und kirchlicher Zuständigkeit in Ehesachen die dort seit dem Mittelalter bestehende Regelung. Das klassische römische Recht hatte die Ehe als eine eher sittlich denn religiös geprägte Institution betrachtet, welche die Ehegatten übereinstimmend, aber auch einseitig beenden konnten. Das christliche Recht des späten Kaiserreichs und der christianisierten Barbarenstaaten schränkte unter dem Einfluss der kirchlichen Lehre die Freiheit der Eheauflösung ein, indem sie sie nur aus bestimmten Gründen billigte; fehlten diese wurden jedoch auch einseitige Scheidungen weiter als wirksam angesehen.93 In der Folge setzte die Westkirche ihren Herrschaftsanspruch verbunden mit der restriktiven Haltung zur Eheauflösung weiter durch.94 Im Ergebnis setzten Rechtsbücher wie der Sachsenspiegel95 und staatliche Gesetze die Zuständigkeit des kanonischen Rechts für Eheschließung  und -scheidung voraus, während sie sich auf die vermögensrechtliche Fragen beschränkten.96 Zudem wurde missbilligtes Verhalten im Zusammenhang mit einer Ehe mit Strafsanktionen bedroht (so wie in auch in den Litauischen Statuten)97. Die Ablösung der bisherigen gesellschaftlichen Gebräuche in der Praxis dürfte in den meisten katholischen Territorien im 13.Jahrhundert abgeschlossen gewesen sein.98 Nach Überwindung sozialer Widerstände meldete sich jedoch theologischer Widerspruch seitens der Reformation im 16. Jahrhundert. Die Beschlüsse des Trienter Konzils, welche die Haltung der katholischen Kirche zum Wesen der Ehe und zu ihrer Auflösbarkeit konsolidierten, stellten eine Reaktion auf die Infragestellung der katholischen Lehre dar. Zu diesem Zeitpunkt hatte die römische Kirche ihre universelle Herrschaft auch im Westen verloren, insbesondere nordeuropäische Territorien hatten sich der Reformation angeschlossen.

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Als die Kirchenhoheit über die Ehe im Zweiten und Dritten litauischen Statut verzeichnet wurde, lag für die ethnisch litauische Bevölkerung der Prozess der Christianisierung weniger als 200 Jahre zurück, so dass das Christentum noch verhältnismäßig wenig gefestigt war. Die erwähnte schnellere Akzeptanz des Kirchenmonopols unter der ethnisch litauischen Bevölkerung dürfte damit zu erklären sein, dass sie ohnehin einen Großteil ihrer Sitten und Gebräuche mit der Annahme des für sie neuen Christentums nach 1386 wandeln musste, worunter das neue Eheverständnis als ein Aspekt unter vielen weniger ins Gewicht fiel. Bei der orthodoxen Mehrheitsbevölkerung dagegen mag die Durchsetzung des Kirchenmonopols deshalb länger gedauert haben, weil sie schon "von jeher" christlich war, ohne dass bisher in der Praxis die Eheauflösung ausschließlich der kirchlichen Jurisdiktion unterstand. Eine weitere Ursache dürfte in der von der Forschung hervorgehobenen organisatorischen Schwäche der orthodoxen Kirche im GFL gelegen haben, die sich nicht auf eine so mächtige supranationale Institution wie die römische Kurie stützen konnte, der im GFL aber auch ein solcher staatlicher Rückhalt fehlte, wie ihn die Orthodoxie im Moskauer Reich hatte.99

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Die Zuweisung der Ehebandsentscheidung an die geistlichen Gerichte, welche im Westen deren Einfluss auf die Gläubigen gestärkt hatte, bewirkte im multikonfessionellen GFL, dass nur ein Teil der Bevölkerung den katholischen Vorstellungen unterworfen wurde. Die Regelung über die Eheauflösung erwies sich unter diesen Bedingungen für andere Bekenntnisse als offen und ließ sich auch gegenüber den Anhängern der im 16. Jahrhundert entstehenden protestantischen Kirchen anwenden.

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In vielen Staaten des christlichen Europas blieb es auch in der Folgezeit bei der Vorherrschaft oder gar Ausschließlichkeit des Bekenntnisses des Landesherrn; andere christliche Konfessionen wurden allenfalls toleriert.100 Ab dem 16. Jahrhundert begannen, nicht nur in den protestantischen Territorien,101 allerdings die staatlichen Gesetzgeber die Zuständigkeit über die Eheauflösung (wieder) für sich zu beanspruchen, wobei deren Regelungen sich zumeist an den Lehren der jeweils "herrschenden Religion" orientierte.102

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Einen Vorgriff auf diese Entwicklung stellt womöglich bereits die untersuchte Vorschrift dar. Die Zuweisung der Zuständigkeit an die geistlichen Gerichte der verschiedenen Bekenntnisse und ihr jeweiliges Recht (Art. 20 S. 1) kann als eine den Kirchenrechten übergeordnete staatliche Norm angesehen werden. Ob der Gesetzgeber eine solche erlassen wollte oder nur deklaratorisch die Beschränkung der Jurisdiktionen der verschiedenen Kirchen auf ihre Gläubigen wiedergeben wollte, ist nicht klar. Offenbar konnte aber im multikonfessionellen Gemeinwesen der Staat nicht einfach zur Zuständigkeit über die Ehebandsauflösung schweigen, wie es in rein katholischen Territorien üblich war, sondern musste als Schiedsrichter zwischen den Bekenntnissen eingreifen.

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IV. Güterrechtliche Gesichtspunkte

A. Die Regelung des Statuts

1. Zuweisung in Abhängigkeit von der Schuld an der Eheauflösung

Mit der Entscheidung über die Eheauflösung ist der Rechtsstreit noch nicht beendet, sondern gemäß Art. 20 S. 5 – aufgrund der vom geistlichen Gericht übersandten Akten – vor den weltlichen Gerichten über das Vermögen der Eheleute fortzusetzen. Deren örtliche Zuständigkeit wird in Abhängigkeit von der Belegenheit des Vermögens bestimmt, über dessen Verteilung zu entscheiden ist.

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Für die Eheauflösungen wird zwischen drei verschiedenen Tatbeständen unterschieden, von denen in materieller Hinsicht die Entscheidung über das Vermögen abhängt: 1. Nach dem geistlichen Recht ist der Ehemann als schuldig (виненъ [winen]) anzusehen – bzw. – in der lateinischen Formulierung – hat er den Auflösungsgrund (caussam divortii) "geliefert" (S. 2), 2. als schuldig ist die Ehefrau befunden worden (S. 3), 3. Auflösungsgrund ist die Verwandtschaft der Eheleute, die ihnen bei der Eheschließung nicht bekannt war – oder andere Gründe (S. 4) – als solche "Gründe" sind, analog zu dem genannten Fall und in Abgrenzung von den ersten beiden Varianten solche zu anzusehen, bei denen keiner der Eheleute als schuldig zu erachten ist (vgl. die lateinische Fassung "caussa divortii eiusmodi fuerit, quae excusari potest"). Keine Bestimmung enthält Art. 20 für den Fall, dass beide Ehegatten als schuldig anzusehen sind, zum Beispiel, weil beide schon bei der Eheschließung von ihrer Verwandtschaft wussten. Da nach S. 2 und 3 jeweils ein Ehegatte zu Gunsten des anderen "bestraft" wird und nur nach S. 4 das Vermögen in "neutraler" Form zugewiesen wird – erscheint die Bestimmung für den Fall der beidseitigen "Unschuld" auch am geeignetsten für die Verteilung im Falle beiderseitiger "Schuld".

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Der Begriff des "Schuldig-Seins" wird auch in den strafrechtlichen Vorschriften des Statuts verwendet.103 Im Sinne der untersuchten Vorschrift ist er jedoch vor dem Hintergrund der verschiedenen Eheauflösungsgründe nach religiösem Recht auszulegen. Problemlos ist der Begriff nach orthodoxem Recht auf den Ehebrecher zu beziehen, auf Grund dessen Handlung die Ehe anschließend geschieden wird. Hier ist Schuld als bewusstes und gewolltes Herbeiführen des Scheidungsgrundes zu verstehen. Bei einer Eheauflösung unter Orthodoxen oder Katholiken wegen Unwirksamkeit von Anfang an muss sich die Schuld auf den jeweiligen Nichtigkeitsgrund beziehen. Wie sie hier aufzufassen ist, dafür findet sich ein Anhaltspunkt in S. 4. Dort wird im Falle einer Eheauflösung wegen Verwandtschaft auf eine Sanktion zu Lasten eines der Ehegatten verzichtet, wenn der Nichtigkeitsgrund keinem von ihnen bekannt war. Verallgemeinernd kann daher in Fällen der Eheauflösung wegen Nichtigkeit die "Schuld" in der Eingehung der Ehe in Kenntnis des Vorliegens eines Nichtigkeitsgrundes gesehen werden. In Fällen, in denen die Ehe allerdings unter Zwangsausübung auf die freie Willensbildung eines Ehegatten abgeschlossen wurde, kann dieser trotz Kenntnis nicht als schuldig angesehen werden.

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2. Vermögen der Eheleute

Die Aufteilung des Vermögens ist im Hinblick auf verschiedene Vermögensbestandteile der Eheleute geregelt, die im Zusammenhang mit der Eheschließung gebildet werden. Dazu finden sich in Art. 20 folgende Begriffe: оправа [oprawa] (S. 2 u. 3), внесенье [wnesenje] (S. 3 u. 4) sowie привенокъ [priwenok] (S. 4), außerdem bezieht sich die Zuständigkeitsnorm des S. 5 auf die Belegenheit des именье веновъное [imenje wenownoe]. Die lateinische Übersetzung ist damit nicht kongruent. Sie spricht von dos (S. 2 u. 3) und donatio propter nuptias (S. 2, 3 u. 4) sowie dotalitium und parapherna (S. 4).

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Definiert bzw. beschrieben werden die verschiedenen güterrechtlichen Institute in den umfangreichen weiteren Bestimmungen von Kap. 5. Hier können nur einige für das Verständnis der Regelung des Art. 20 erforderliche Grundlagen kurz skizziert werden. Ausgangspunkt ist das Vermögen, welches der Vater der Braut in die Ehe mitgibt, wie es in Kap. 5 Art. 1 beschrieben ist. Als Begriffe werden dort in S. 1 посагъ [posag] und выправа [wyprawa] verwendet. Die polnischen Entsprechungen posag und wyprawa werden noch heute mit "Mitgift", "Aussteuer", "Heiratsgut" und "Brautschatz" wiedergegeben; wyprawa wird hier wie in rechtsgeschichtlichen Abhandlungen als Äquivalent des deutschrechtlichen Begriffs "Gerade" bezeichnet,104 mit dem er auch sprachlich verwandt ist. Die lateinischen Gegenstücke in der Übersetzung von Art. 1 S. 1 sind dos und parapherna. Als mögliche Bestandteile des посагъ [posag] nennt Art. 1 S. 1 "Bargeld, Gold, Silber, Perlen und Edelsteine", so dass der in der deutschen Übersetzung des Werks von Ostrowski verwendete Begriff "Brautschatz" für die deutsche Übersetzung angemessen erscheint.105 Im Kontext der выправа [wyprawa] werden dagegen "Kleider, Tücher, Pferde und andere bewegliche Sachen" aufgeführt. Wie auch in Art. 20 S. 4 gesehen, wird für die beiden der Braut von ihrer Familie mitgegebenen Gegenstände in der Originalfassung als Oberbegriff "Einbringung" (внесенье [wnesenje]) verwendet.106

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Übersicht: Güterrechtliche Institute

(unter Hervorhebung der in Art. 20 genannten)

Von der Ehefrau stammendes Vermögen:

Lateinische Fassung

Ruthenisches Original (und polnische Fassung)

Deutsche Übersetzung

des Verfassers

-


внесенье [wnesenje]

(wniesienie):


Einbringung:

dos et parapherna

посагъ и выправа [posag i wyprawa]

(posag i wyprawa)

Brautschatz und Gerade

Vom Ehemann stammendes Vermögen:

Lateinische Fassung

(Begriffe werden nicht kongruent mit den ruthenischen verwendet)

Ruthenisches Original

(und polnische Fassung)

Deutsche Übersetzung

des Verfassers


dotalitium /dotalicium

(quam contradotem vulgo

vocant)


вено [weno]

(wiano)


Gegenverschreibung



оправа [oprawa]

(oprawa)

Reformationssumme

donatio propter nuptias

привенокъ [priwenok]

(przywianek)

Ehegabe


auctuarium




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Nach Art. 1 S. 1 hat der Brautvater die Höhe der Einbringung zwar "nach gutem Willen" (водлугъ доброе воли [wodlug dobroe woli]) zu bestimmen; der lateinische Titel der Vorschrift, "De pactis dotalibus",107 deutet jedoch bereits darauf hin, dass die Höhe der Einbringung für gewöhnlich in einer Vereinbarung mit dem künftigen Schwiegersohn bestimmt wird. Sofern nichts anderes abgemacht wird, hat der Bräutigam im Gegenzug den doppelten Wert des Brautschatzes zuzüglich dem Wert der Geraden in einer Urkunde zu bezeichnen (Art. 1 S. 1 und näher Art. 2). Diese Vermögensmasse wird (z.B.) in Art. 1 S. 2 als вено [weno] bzw. dotalicium, quam contradotem vulgo vocant, bezeichnet, welches das gleiche Wort wie dotalitium in Art. 20 sein dürfte; angemessen erscheint dafür die deutsche Übersetzung "Gegenverschreibung".108

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Von der Belegenheit des Vermögens, welches Gegenstand des вено [weno] ist, (именье веновъное [imenje wenownoe]) hängt gemäß Art. 20 S. 5 die örtliche Zuständigkeit des weltlichen Gerichts ab. In Höhe des Betrages der Gegenverschreibung hat der Bräutigam durch Eintragung ins Grundbuch eine Sicherung an einem gleichwertigen Teil seines Grundstücksvermögens einzutragen, mindestens an dessen dritten Teil (Art. 1 S. 1).109

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Neben вено [weno] finden sich im ruthenischen Original für anlässlich der Eheschließung im Vermögen des Ehegatten gebildete Sondermassen noch die Bezeichnungen оправа [oprawa] und привенокъ [priwenok]. Die drei Begriffe sind jedoch im Statut funktional nicht völlig voneinander abgegrenzt.110 Ein Beispiel dafür ist Art. 20, bei dem im Original in S. 2 und 3 dem внесенье [wnesenje] der Frau von Seiten des Mannes die оправа [oprawa] gegenübersteht, in S. 4 dagegen der привенокъ [priwenok], während in der lateinischen Fassung stets von donatio propter nuptias die Rede ist und in S. 4 daneben von dotalicium. Оправа [oprawa] wird – in Entsprechung der Wortwahl von Czacki und der deutschen Übersetzung Ostrowskis –111 mit Reformationssumme wiedergegeben. Im Sinne der angesprochenen Regelungen beziehen sich also "Gegenverschreibung" und "Reformationssumme" auf dasselbe: auf Güter aus dem Vermögen des Bräutigams im doppelten Werte des Brautschatzes. Der Ausdruck привенокъ [priwenok] taucht außer in Art. 20 auch in Art. 2 auf, in dessen lateinischer Fassung auctuarium verwendet wird. Dort bezieht er sich auf die Vermehrung auf den doppelten Betrag, die der Bräutigam bei der Schätzung des Brautschatzes für die zu sichernde Gegenverschreibung vornimmt.112 Im polnischen rechtsgeschichtlichen Schrifttum wird das entsprechende przywianek ohne besondere Bezugnahme auf die Statute mit dem deutschen Begriff der Morgengabe gleichgesetzt. Da jedoch bereits der im Ausdruck "Morgengabe" enthaltene Zeitpunkt der Zuwendung nicht für den привенокъ [priwenok] zutrifft, wird hier als Übersetzung das allgemeinere Wort "Ehegabe" vorgeschlagen.

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Die Einbringung der Frau und die Entgegnung des Mannes dienen insbesondere der Sicherstellung der Versorgung der Ehefrau, wozu sowohl das Vermögen ihrer Familie als auch das des Gatten einen Beitrag leisten sollen. Während der Dauer der Ehe bleibt es zwar bei einer formellen Trennung der Vermögensmassen der Eheleute; der Mann hat aber am Vermögen der Frau ein Verfügungsrecht. Über das der Sicherung der Reformationssumme dienende Gut kann er jedoch nicht ohne eine vor dem Amt erteilte Zustimmung seiner Frau verfügen (Art. 17). Ausdrückliche Anordnungen über eine eheliche Gütergemeinschaft sind nicht ersichtlich.

48

Im Normalfall der Beendigung einer Ehe, durch Tod eines der Eheleute, bleibt der Frau, wenn sie überlebt, ihre Einbringung, deren Erhaltung während der Dauer der Ehe durch die dingliche Sicherung gewährleistet wird.113 Über die Einbringung kann die Frau frei von Todes wegen verfügen, unterlässt sie dies, steht sie ihren Nachkommen zu, mangels derer "dem Haus, aus dem sie stammt" (Art. 2, 19). Die Ehegabe fällt dagegen an die gemeinsamen Kinder, sonst an die Familie des Mannes. An dem zur Sicherung der Gegenverschreibung eingesetzten Gut des Mannes gegenüber dessen Erben hat die Witwe ein Nutzungsrecht (Art. 1 u. 2). Keine Erbansprüche hat die Frau nach ihrer Heirat dagegen mehr im Falle des Todes ihrer Eltern.

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Wenn die Angehörigen der Braut keine Sicherung des Ehevermögens vom Bräutigam erwirkt haben, verliert die Frau mit dem Tod ihres Mannes die Einbringung (Art. 1). Allerdings hat sie auch unabhängig von der förmlichen Abgabe einer Gegenverschreibung ein Nutzungsrecht am von ihrem Gatten stammenden Vermögen – zu gleichem Teil wie jeder der Erben. Gemäß Art. 3 stehen nach dem Tod des Vaters mangels dessen testamentarischer Verfügungen unverheirateten Schwestern einer verheirateten Braut aus dem Vermögen des erbenden Bruders Werte in gleicher Höhe zu, wie sie diese zur Einbringung erhalten hat. Falls das Vermögen des Bruders dafür nicht ausreicht, so hat er jedenfalls dessen vierten Teil dafür aufzuwenden. Das Statut enthält in Art. 21 eine vereinfachte Vorschrift über die Eheschließung "armer Leute", bei der ein Ausgangsvermögen fehlt. Wenn während der Ehe Vermögen erworben wird und der Mann keine Verfügung von Todes wegen trifft, fällt der Frau neben den Kindern ein Drittel des Vermögens zu.

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3. Auslegung der S. 2-4 und Konsequenzen der Regelung

Wenn keiner der Eheleute an der Scheidung schuld ist, erhält die Frau von den besprochenen Gegenständen ihr Eingebrachtes zurück, nichts weiter (S. 4). Ist die Frau schuldig, steht ihr nichts zu, auch ihre Einbringung büßt sie ein (S. 3). Hat der Mann allein die Eheauflösung verschuldet, verliert er nach S. 2 die gesamte Reformationssumme, also mangels anderer Vereinbarung einen Betrag in doppelter Höhe des Brautschatzes. Fraglich ist, ob er noch einmal zusätzlich den Brautschatzbetrag zurückzahlen muss (also z.B. bei einem Brautschatz in Höhe von 1.000 Dukaten und einer Gegenverschreibung von 2.000 insgesamt 3.000) oder dieser bereits mit der Reformationssumme abgegolten ist. Ein Indiz gibt S. 4: Obwohl der Ehemann bei einer unverschuldeten Scheidung die von ihm stammenden Güter behalten soll, wird nur davon gesprochen, dass ihm die Ehegabe bleibt, nicht wie in S. 2 die gesamte Reformationssumme. Der Differenzbetrag, der bei der Ehevertragsschließung für mit dem Brautschatz gleichwertig erachtet wurde, wird also als Quelle für die Rückzahlung des Brautschatzes aufgefasst. Daraus ist zu schließen, dass auch mit der nach S. 2 der Frau zufallenden Reformationssumme bereits der Brautschatz abgegolten ist; insgesamt würde die Frau im Beispiel nur 2.000 Dukaten erhalten. Die gleichen Rechtsfolgen drückt die lateinische Fassung dadurch aus, dass sie für alle drei Fälle nur von der donatio propter nuptias spricht, die zusätzliche Erwähnung von dotalitium in S. 4 bezieht sich dann auf die Gegenverschreibung abzüglich des zurückzuzahlenden Brautschatzes, also den Betrag der donatio.

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Konsequenz der güterrechtlichen Regelung ist, dass der an der Eheauflösung nicht schuldige Teil sein Recht auf die von ihm stammenden Gegenstände behält, der schuldige es dagegen an den anderen verliert. Im Falle eines einseitigen Verschuldens trägt die Regelung damit den Charakter einer Strafvorschrift. Der schuldige Ehegatte muss dem unschuldigen eine Art "Schmerzensgeld" leisten. Die Lösung von S. 2 und 3 scheint insoweit ausgewogen zu sein. Zweifel daran sind jedoch angebracht, wenn man annimmt, dass die Einbringung regelmäßig das gesamte Vermögen der Frau darstellen dürfte, während das Reformationsgut des Mannes nur einen Teil seiner Habe ausmacht. Dem schuldigen Mann bleibt nach der Auflösung noch ein Teil seines Vermögens; die schuldige Frau steht dagegen mit leeren Händen da. Ob sie, selbst wenn sie nicht bestraft wird, wieder in ihr Elternhaus aufgenommen wird, erscheint fraglich.

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B. Zeitgenössische Beobachtungen

Hinsichtlich der Ausstattung der Eheleute spielten die vor der Hochzeit zwischen dem Vater der Braut und dem Bräutigam abgeschlossenen Eheverträge eine entscheidende Rolle, so wie es das Statut zuließ.114 In ihnen wurden auch die Befugnisse zur Verwaltung des Ehevermögens geregelt. Regelmäßig wurde der Frau die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen nicht entzogen, von ihr abgeschlossene Verträge und ihre Verfügungen von Todes wegen waren ohne Zutun des Mannes wirksam.115 Anders als in Polen konnte eine – vermögende – Frau also "Wohltäterin gegenüber dem eigenen Ehemann und Stifterin sein, auch Sklaven aus den Händen der Heiden" freizukaufen war ihr möglich. Als Grund für die bessere Stellung der Frau nach litauischem als nach polnischem Recht sah Czacki den nördlichen Charakter Litauens sowie das länger währende Heidentum der Litauer, was das Vordringen römischer und christlicher Vorstellungen verzögert habe.116

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Der gleiche Autor verweist darauf, dass mit der größeren Verbreitung von Scheidungen im 18. Jahrhundert in Eheverträgen vermehrt auch Abmachungen über die Vermögensverteilung im Fall der Eheauflösungen getroffen wurden. Solche seien jedoch als nichtig anzusehen. Aus der Zeit häufigerer Eheauflösungen stammt auch Ostrowskis Kommentar zur Praxis des Art. 20: "Die Erfahrung der letzten Zeiten lehrt, dass bey Ehescheidungen immer der Mann Schaden leidet."117 Da damit wohl nicht gemeint war, dass regelmäßig der Ehemann von den geistlichen Gerichten als schuldig angesehen wurde, kann sich die Äußerung nur auf die Praxis der weltlichen Gerichte bei der Auseinandersetzung des Ehegutes bezogen haben.

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C. Vergleich mit römischen und germanisch-deutschen Lösungen

Das eheliche Güterrecht in Europa zur Zeit der litauischen Statute zeichnet sich durch eine große Vielfalt aus.118 Die in Art. 20 S. 2-4 getroffenen Anordnungen, wonach im der allein schuldige Ehegatte seinen Anteil verlieren soll und insofern auch eine vermögensrechtliche Sanktion erleidet, sind in sehr ähnlicher Form bereits im römischen Recht anzutreffen.119

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Hinsichtlich der Güterrechtsordnung bleibt jedoch zu überprüfen, welcher der vermuteten Inspirationsquellen für das litauische Recht funktional und begrifflich maßgeblich gewesen sein kann.120 Im römischen Recht war schon zu klassischer Zeit zentrales güterrechtliches Institut die dos, die das von Seiten der Familie der Braut in die Ehe eingebrachte Vermögen bezeichnet, mit Ausnahme von persönlichen Ausstattungsstücken der Frau, den parapherna. Die dos sollte der gemeinsamen Lebensführung der Eheleute dienen, später wurde immer stärker das Moment der Versorgungssicherung der Frau nach Ehebeendigung herausgestellt. Gemäß nachklassischem Recht musste der Mann die dos bei einer nicht von der Frau verschuldeten Scheidung erstatten, wenn nichts Anderes ehevertraglich vereinbart war. Zur Sicherung ihres Anspruchs hatte die Frau am Mannesgut eine Generalhypothek. Der Bräutigam war im nachklassischem Recht wie die Brautfamilie verpflichtet, einen Teil seines Vermögens für die Versorgung der Frau nach der Ehe zu bezeichnen, die sog. donatio ante / propter nuptias. Auch an dieser bestand die Generalhypothek zu Gunsten der Frau.121

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Nach den germanisch-deutschen Rechten des Mittelalters122 brachte die Frau neben ihrer persönlichen Habe, z. T. als Gerade bezeichnet, zur Eheversorgung weitere von ihrer Familie stammende Werte ein, die Aussteuer. Deren Gegenstück von Seiten des Mannes war das Wittum (lat.: dos). Nach bestimmten Stammesrechten hatte es eine bestimmte Quote des Mannesvermögens darzustellen (ein Drittel nach der lex salica). Dazu kam noch die nach der Eheschließung zugewandte Morgengabe. Zur Sicherung des Rückerhalts der Mitgift nach Beendigung der Ehe wurde am Mannesgut eine sog. Widerlegung (lat. contrados) an bestimmten Vermögensgegenständen bestellt, die seine Verfügungsmacht beschränkte. Im Zuge der Rezeption des römischen Rechts erhielt die Frau manchmal eine Generalhypothek am Mannesvermögen. Auch im germanischen-deutschen Recht war der Inhalt der Beiträge der Ehegatten zum Ehevermögen Gegenstand vorheriger vertraglicher Abmachungen.

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Gemeinsam sind dem römischen, dem altdeutschen und dem litauischen Recht die Bedeutung der Eheverträge sowie, dass die Einbringung der Frau aus ihrem persönlichen Gut und dem der ehelichen und ihrer nachehelichen Versorgung dienendem Brautschatz besteht, welche ihr regelmäßig auch nach einer nicht von ihr verschuldeten Auflösung der Ehe zu Lebzeiten zukommen. Hinsichtlich des Beitrages des Mannes entsprechen die donationes des römischen Rechts bzw. Wittum und Morgengabe des germanisch-deutschen der Gegenverschreibung, wobei das litauische Recht nicht nach dem Zeitpunkt der Zuwendung unterscheidet. Die im Statut als Grundsatz angeordnete Höhe der Gegenverschreibung (ein Drittel der Liegenschaften des Mannes) stellt eine Parallele zum germanischen Recht dar. Die dingliche Sicherung der Rechtsstellung der Frau an den Werten des Ehevermögens durch eine Verfügungsbeschränkung des Mannes kannte schon das römische Recht, ebenso ist sie aber auch in der deutschrechtlichen Widerlegung anzutreffen, die dem litauischen Recht mit der Beschränkung auf bestimmte Gegenstände mehr entspricht, als die römischrechtliche Generalhypothek.123

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Die Beschränkung auf einen Teil des Vermögens hat den Vorteil, dass der Mann den Rest für die Besicherung von Krediten verwenden kann, ohne dass die Gläubiger das Risiko eingehen, sich vorrangigen Ansprüchen der Frau am Gesamtgut ausgesetzt zu sehen. Die Frau hat trotzdem die Gewissheit, ihre Ansprüche bei Beendigung der Ehe verwirklichen zu können, da ihre Rechte aus der Gegenverschreibung durch den Grundbucheintrag zu beweisen sind. Funktional stellt das Güterrecht des GFL also eine eigenständige Fortschreibung dar, die aus beiden Rechtstraditionen schöpft. Dieser Befund gilt auch für die Terminologie der lateinischen Fassung: So verwenden die Verfasser des Statutes den Begriff der contrados in der aus dem deutschen Recht bekannten Form, andererseits hat bei ihnen die dos als Gabe der Frau und nicht des Mannes den römischrechtlichen Sinn.124

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V. Fortwirkung

Im heutigen Europa ist die Herrschaft des Staates über die Eheauflösung nahezu vollständig durchgesetzt. Sofern in Mittel- und Osteuropa Regelungen über die Jurisdiktionsteilung noch im 20. Jahrhundert bestanden – wie im ehemaligen russischen Teilungsgebiet Polens bis 1946 –125, wurden sie unter kommunistischer Herrschaft durch das weltliche Familienrecht abgeschafft und auch nach deren Ende nicht wieder eingeführt. In Westeuropa hielten sich religiöse Vorstellungen über die Unscheidbarkeit der Ehe dagegen längere Zeit im Recht katholisch geprägter Staaten.126 (Multi-)konfessionelles Scheidungsrecht in einem Europa benachbarten demokratischen Land besteht weiter in Israel.127 In der staatlichen Scheidungsgesetzgebung geht die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hin zu einer Erleichterung der Eheauflösung.128 Seit langem schon ist die Ehe zudem nicht mehr die einzige legale und sozial akzeptierte Form partnerschaftlichen Zusammenlebens. Leitlinien für die aktuelle Rechtsentwicklung finden sich daher in Art. 20 nicht. In historischer Rückschau stellt seine Regelung der Wahrung religiösen Pluralismus einen Schritt in Richtung Glaubensfreiheit und friedlichem Nebeneinander verschiedener Religionen in einer Gesellschaft da.

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Über den Erkenntnisgewinn hinausgehende Bedeutung kommt der Erforschung der Litauischen Statute zu, wenn historische Argumente in politischen Auseinandersetzungen verwendet werden. So wird in der Debatte darüber, welche Staaten als Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Frage kommen,129 auf althergebrachte gemeinsame Werte verwiesen. Als Kriterien werden dabei unter anderem die Trennung von Staat und Kirche sowie die historische Geltung römischen oder von ihm geprägten Rechts betrachtet.130 Ersteres steht im Gegensatz zu cäsaropapistischen Systemen, bei denen die Herrschaft über die religiösen Strukturen und den Staat in einer Hand lagen. Der in der alten Rzeczpospolita bestehende Bekenntnispluralismus verhinderte von vornherein die Herrschaft des gleichen Machtzentrums im weltlichen und im geistlichen Bereich. Als dessen jedenfalls mittelbare Fortsetzung kann die Situation in der heutigen Ukraine angesehen werden, in der das Spektrum der größeren Kirchen von der Moskauer russisch-orthodoxen über ukrainisch-ortodoxe Kirchen, die griechisch-katholische (auch ukrainisch-byzantinisch genannte) unierte bis hin zur römisch-katholischen Kirche reicht. Bei der Bezugnahme auf die römische Rechtstradition geht es vor allem um Herrschaftsausübung und Streitbeilegung nach abstrakt geltenden Regeln und nicht nach herrscherlicher Willkür, im engeren Sinne ist dabei aber auch die Übereinstimmung von Grundbegriffen und Steuerungsmechanismen des sozialen Lebens in der römisch-rechtlichen Tradition gemeint, wie sie auch für das GFL galten. Im Sinne der europäischen Werte ist es also zu begrüßen, wenn in den letzten Jahren das wissenschaftliche Interesse an den Litauischen Statuten nicht nur in den neuen EU-Mitgliedsstaaten Litauen und Polen groß ist bzw. wächst, sondern wenn man sich auch in den beiden anderen Nachfolgestaaten des GFL auf deren Traditionen zurückbesinnt: der Ukraine und Weißrussland.131

Abbildung: Wappen des Großfürstentums Litauen unter der großfürstlichen Krone von der Titelseite der ersten Ausgabe des Dritten Litauischen Statuts von 1588 aus der Wilnaer Druckerei der Gebrüder Mamonides.

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Anhang: Quellentext und Übersetzung

A. Статут Великого Князства Литовского (1588). Роздель 5. Артыкулъ 20.

О розводехъ малъженьскихъ передъ судомъ духовнымъ. [1] Тежъ уставуемъ, ижъ розводъ малъженьский, кому бы до того спору и розницы приходило, маеть быти водлугъ права хрестияньского кождымъ особамъ нигде инде, одно передъ судомъ духовънымъ ихъ набоженьства. [2] И естли мужъ зостанеть виненъ з розсудку права духовного, тогды жона зостанеть на оправе, отъ него описаной, яко вышей о томъ естъ постановлено; [3] a пакъ ли бы жона винъна найдена, тогды внесенье и оправу свою тратить. [4] А ведъже естли бы былъ розводъ за слушнымъ доводомъ для кревности, ижъ се малъженьство въ неведомости кревности стало, албо для инъшыхъ причынъ, которые бы ся передъ правомъ духовнымъ показали, ижъ бы слушный розводъ мелъ быти, тогды пры розводе привенокъ при мужу, а внесенье при жоне зостати маеть. [5] Але на росправу судовную межы такими розведеными около вена маеть судъ духовный, выписавъшы правдиве и верне причыну розводу, отослати ихъ до суду належъного светъского въ томъ повете, где тое именье веновъное лежати будеть, [6] a врядъ светъский розсудокъ свой о томъ промежку нихъ водлугъ науки сего Статуту вделати, а по томъ и отправу водлугъ права учинити будеть повиненъ.

B. Deutsche Übersetzung: Statut des Großfürstentums Litauen (1588). Kapitel 5. Artikel 20.

Eheauflösung vor geistlichen Gerichten. [1] Auch bestimmen wir, dass die Eheauflösung, wenn es zu dieser Streitigkeit und Auseinandersetzung kommt, dem christlichem Recht zu Folge für alle Personen nirgendwo sonst als allein vor dem geistlichen Gericht ihres Bekenntnisses stattfinden soll. [2] Wenn der Ehegatte nach Urteil des geistlichen Rechts schuldig ist, dann behält die Ehefrau die von ihm wie oben angeordnet beschriebene Reformationssumme. [3] Wenn aber die Ehefrau für schuldig befunden wird, dann verliert sie die Einbringung und ihre Reformationssumme. [4] Wenn jedoch die Auflösung auf begründetem Beweis der Verwandtschaft beruht, wonach die Ehe in Unkenntnis der Verwandtschaft geschlossen wurde, oder auf anderen Ursachen, die gemäß den geistlichen Rechten anzeigten, dass die Auflösung begründet war, dann sollen die Ehegabe beim Mann und die Einbringung bei der Frau bleiben. [5] Bei der Gerichtsverhandlung zwischen solchen Getrennten soll das geistliche Gericht sie unter Aufzeichnung der wahren und getreulichen Ursachen der Auflösung hinsichtlich der Gegenverschreibung an das zuständige weltliche Gericht in dem Bezirk verweisen, wo das Gegenverschreibungsvermögen belegen ist. [6] Das weltliche Amt soll sein Urteil darüber zwischen ihnen nach der Weisung dieses Statuts erteilen und anschließend auch die Vollstreckung dem Recht zu Folge durchführen.

C. Lateinische Fassung der Vorgängervorschrift: Statutum Magni Ducatus Lituaniae (1566). Distinctio quinta. Articulus XVIII.

De divortiis. [1] Cognitionem de divortiis nonnisi ad iudicium ecclesiasticum utriusque et Romani et Graeci ritus pertinere, uti more et instituto totius Christianitatis receptum est, statuimus, [2] et si maritus caussam divortii praestitisse iudicatus fuerit, dote et donatione propter nuptias uxor potietur; [3] si vero contra, et dotem et donationem propter nuptias uxor perdet, quam maritus consequetur. [4] Si tamen caussa divortii eiusmodi fuerit, quae excusari potest, qualis est error, puta si ob consanguinitatem ab utroque coniugum ante nuptias ignoratam, aut propter alias similes causas separentur, donationem propter nuptias seu dotalitium maritus, uxor dotem et parapherna recuperabit.


Schrifttum

1. Rechtstexte

a) Litauisches Recht

Erstes Litauisches Statut auf Ruthenisch, Lateinisch und in neuer ukrainischer Übersetzung: Ківалов, С. / Мусиченко, П. / Панков А.: Статути Великого Князівства Литовского у 3-Томах [Die Statute des Großfürstentums Litauen in 3 Bänden], Band 1, Одеса 2002.

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Drittes Litauisches Statut auf Ruthenisch: Lappo, Iwan: 1588 metų Lietuvos Statutas, Kaunas 1938

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Fußnoten:

* Der Autor ist Absolvent des Europäischen Graduiertenkollegs „Systemtransformation und Rechtsangleichung im zusammenwachsenden Europa“ der Universitäten Heidelberg, Krakau und Mainz.

1 Ruthenisch: Великое Князство Литовское – ВКЛ; lateinisch: Magnus Ducatus Lituaniae; litauisch: Lietuvos Didžioji Kunigaikštystė; polnisch: Wielkie Księstwo Litewskie; weißrussisch: Вялікае Кнавства Літоўскае; ukrainisch: Велике Князівство Литовське.

2 Sahanowicz, 144; Чайковський(-Трофанчук), 95.

3 Näher Jakowenko, 122ff.

4 Bardach/Leśnodorski/Pietrzak(-Bardach), 124; Kłoczowski, 324.

5 Diese bildeten freilich, aufgrund abweichender religiöser Auffassungen, eine vom übrigen – rabbinischen – Judentum abgesonderte Gruppe; – vgl. dazu, aber auch allgemein zum polnisch-litauischen jüdischen Leben vor der Shoa, die literarische Darstellung von Döblin, im Kapitel "Wilno".

6 Sahanowicz, 226ff. Die Entscheidung eines Adeligen für ein Bekenntnis war dabei nicht verbindlich für die auf seinen Ländereien lebende Bevölkerung: So funktionierten z.B. im wolhynischen Ostrog, dem Sitz des entschiedenen orthodoxen Gegners der Brester Kirchenunion Konstanty Wasyl Ostrogski, zu Anfang des 17. Jahrhunderts neben orthodoxen Kirchen eine Moschee, eine Synagoge, ein arianisches Beethaus sowie kalvinistische und katholische Kirchen – Яковенко, 52.

7 Durch den Papst – im kurzen Moment der Einheit zwischen Orthodoxie und römischem Katholizismus im Angesicht des Falls von Byzanz. Kłoczowski, 279.

8 Sahanowicz, 148.

9 Vgl. Kap. 3 Art. 3 des Dritten Statuts von 1588: О захованью в покою всихъ подданыхъ нашихъ обывателей того паньства зъ стороны розного розуменья и уживанья набоженьства хрестияньского. (Wahrung der Ruhe aller Untertanen unserer Bürger dieses Staates hinsichtlich des unterschiedlichen Verständnisses und Ausübens des christlichen Bekenntnisses) – Wiedergabe des für die gesamte Rzeczpospolita geltenden Beschlusses der Warschauer Konföderation von 1573.

10 Allgemein zum Verhältnis zwischen Katholizismus und Orthodoxie im GFL um 1500: Sahanowicz, 167ff., zur tartarischen und jüdischen Bevölkerung, 219f.; zur Reformation, 226ff.

11 Näher zur Verfassungsentwicklung: Sahanowicz, 145ff.

12 Polnisch: Sejm; ruthenisch: Сойм.

13 Ausführlich zu den Umständen und Folgen der Union: Jakowenko, 153, die darauf verweist, dass der Anschluss der ukrainischen Woiwodschaften des GFL an Polen nicht auf den Protest ihrer Vertreter stieß. S. zudem Bardach/Leśnodorski/Pietrzak(-Bardach), 184f.; Sahanowicz, 205ff. Seit dieser Zeit – bis ins 19. Jahrhundert – bezeichnete der Ausdruck "Litauer" einen Angehörigen der litauischen Adelsnation, unabhängig davon, ob er ethnisch Ruthene oder Litauer war; – Bardach/Leśnodorski/Pietrzak(-Bardach), 186; Sahanowicz, 188.

14 Jakowenko, 134f.; Sahanowicz, 168f. Vertiefter Гудзяак.

15 Zur Union von Brest, den mit ihr verbundenen Debatten und Auseinandersetzungen und ihren Folgen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts: Jakowenko, 153ff.; Sahanowicz, 236ff.; Гудзяак (dort Entwicklung bis zum Abschluss der Union 1596).

16 Sahanowicz, 272ff. u. 282f. Als Motto der Bekenntnispolitik der Besatzer wird dort zitiert: "Juden soll es in Weißrussland nicht geben und sollen dort nicht wohnen, Uniten soll es nicht geben, [nichtorthodoxe] Kirchen soll es nicht geben, die Messen in den Häusern abgehalten werden."

17 Sahanowicz, 284ff.

18 Auf Deutsch als Überblick nach wie vor instruktiv: Daniłowicz, Dorpater Jahrbücher 4-6/1834. Erwähnt werden die drei Litauischen Statute bei Coing(-Pauli) II/2, 552ff.

19 Überblicksartig zu den verschiedenen Einflüssen: Bardach, Statuty, 24ff.; Дзербіна, 80ff.

20 Bardach, Statuty, 22; Jakowenko, 138f.

21 Bardach, Statuty, 15f.; Godek, 29f. Die Namen dieser Litauer werden hier gemäß den Fundstellen in polnischer Schreibung wiedergegeben.

22 Дзербіна, 68.

23 Jakowenko 139f.; Sahanowicz, 196ff.

24 Bardach, Statuty, 39.

25 Sahanowicz, 158.

26 Bardach, Statuty, 39; Дзербіна, 63.

27 Zum Folgenden: Bardach, Statuty, 38ff.; Дзербіна, 71.

28 Godek, 42ff.

29 Bardach, Statuty, 59f.

30 Zudem hatte die Legende von der Abstammung des litauischen Adels von den Römern Anklang, mit der sich begründen ließ, dass die Litauer keine gegenüber den schon länger zum christlichen Europa gehörenden Polen minderwertiger Herkunft hatten, die aber zugleich eine positive Einstellung zum nun verstärkt gelehrten römischen Recht mit sich brachte; – Bardach, Statuty, 58; Sahanowicz, 181.

31 Bardach, Statuty, 65.

32 Bardach, Statuty, 74.

33 Дзербіна, 74.

34 Bardach, Statuty, 73.

35 Höchste Instanz für die Auslegung des litauischen Rechts war das Litauische Haupttribunal (Судъ Головный Трибуналский); – Sahanowicz, 215ff. Zur Tätigkeit und Arbeitsweise des Gerichts vgl. insbes. die deutschen Ausführungen in Raudeliūnas/Baliulis. Der Band enthält eine Auswahl von Entscheidungen im ruthenischen Original mit litauischen Zusammenfassungen aus der Zeit bis zur ersten Okkupation Wilnas durch die zaristischen Truppen im 17. Jahrhundert.

36 Дзербіна, 56.

37 1. Unsere landesherrliche Person, 2. Die Landesverteidigung, 3. Adelsfreiheiten und Mehrung des GFL, 4. Richter und Gerichte, 5. Brautschatz und Gegenverschreibung, 6. Vormundschaften, 7. Verträge und Käufe, 8. Testamente, 9. Kämmerer in den Landkreisen und Bodenrechte; Grenzen und Raine; 10. Wald, Jagd, Bienenstöcke, Seen und Heumahd; 11. Gewalttaten, Kämpfe und Kopfstrafen des Adels; 12. Kopfstrafen und Entschädigungen einfacher Leute, solche Leute und Gesinde, welches seinen Herren entläuft, sowie empfohlene Diener; 13. Diebstähle und Entschädigungen; 14. Straftaten [begangen] von jeglichem Stande.

38 Dazu Gmür/Roth, Rn. 303f.

39 So führten Kodifikationsanläufe in Böhmen und Ungarn zu Beginn des 16. Jahrhunderts nicht zu gültigen Gesetzen; – Bardach, Statuty, 11. Bei den älteren Rechtsbüchern des Mittelalters, wie z.B. dem Sachsenspiegel, handelt es sich um nicht offizielle Aufzeichnungen, die auf informelle Weise Geltung erlangten.

40 Brandenburg-Preußen war lange unmittelbarer Nachbar des GFL gewesen und erlangte in der Dritten "polnischen" Teilung für eine kurze Zeit einen Teil dessen Staatsgebietes (nach heutigen Staats- und Verwaltungsgrenzen: der Nordostteil der polnischen Woiwodschaft Podlachien, einschließlich ihrer Hauptstadt Białystok, sowie die unmittelbar im Norden anschließenden litauischen Gebiete bis zur Memel). Das "Grundgesetz der preußischen Monarchie", welches dort direkter Nachfolger des Dritten Statuts wurde, weist auch in seinen Regelungen über den Adel (freilich ohne dessen Mitbestimmung in der Staatslenkung vorzusehen) Parallelen zum Dritten Statut auf. Es unterscheidet sich durch die auf den Vorstellungen des 18. Jahrhunderts beruhende Systematik sowie seine Herkunft und Rolle: Das ALR ist Herrschaftsinstrument des aufgeklärt absoluten Herrschers in einer zentralistischen Monarchie, das Statut dagegen Produkt eines parlamentarischen Rechtsetzungsverfahrens einer Adelsrepublik.

41 Vgl. Kapitel 1, Art. 1 des Dritten Statuts.

42 Bardach, Statuty, 81ff.

43 Vgl. Kapitel 14 Art. 35 Statut von 1588.

44 Bardach, Statuty, 17f.

45 Nachdem insbesondere im 17. Jahrhundert Versuche der Reform des Dritten Statuts gescheitert waren, verteidigte es der litauische Adel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegen einheitliche Kodifikationsbestrebungen für die gesamte Rzeczpospolita, die er erst mitzutragen bereit war, als die polnische Seite als Grundlage eben das Statut akzeptierte. Auch diese Versuche wurden jedoch nicht zu Ende geführt – Godek, 56ff.; Malec, CPH 1-2/XLIV (1992), 65ff.

46 Bardach, Statuty, 93.

47 Bardach, Statuty, 86ff.; Kulisiewicz, CPH 1-2/XLIV (1992), 73, 74. Noch im Jahre 1826 erschien in Wilna das moderne Lehr- und Handbuch von Korowicki: Proces cywilny litewski. Zur Weitergeltung in der Ukraine und insbesondere zum Einfluss auf dortige Kodifikationsprojekte: Grodziski in Przemiany w Polsce, Rosji, na Ukrainie, Białorusi i Litwie, 102ff.; Чайковський(-Батрименко), 238ff. Vgl. auch Kappeler, 94. Zum Einfluss des litauischen auf das russische Recht: Bardach: Statuty, 88ff.

48 Godek, 61f.; Чайковський(-Трофанчук), 241ff.; Чехович/Усенко in: Andriulis (u.a.), 96, 104f.; Kulisiewicz, CPH 1-2/XLIV (1992), 73, 83ff. Zur Illustration der Motive für die Derogation von 1840 zitiert Kulisiewicz Äußerungen zaristischer Regierungsbeamter: Die Bewahrung des Statuts bedeute, "das Übel, welches unbemerkt wie ein Funke in einer heißen Substanz in den gegenwärtig geltenden Gesetzen in den von Polen zurückerlangten Gebieten glimmt und der beim ersten Windhauch mit der Flamme der Aufruhr ein umfangreiches Gebiet des Imperiums umfasst.", beizubehalten. Im Bezug auf die Ostukraine, in der schließlich bestimmte Elemente des litauischen Rechts am längsten gültig bleiben sollten, wurde vorgebracht: "Das Statut ist ein umso schädlicheres Überbleibsel, da es in der linksufrigen Ukraine gilt, obwohl dieses Gebiet, welches derzeit Kleinrussland genant wird, seit 1686 nicht mehr zu Polen gehört."

49 Lizisowa, 35ff.; Ківалов/Мусиченко/Панков, Band 1, 9 mit weiteren Nachweisen. Die Autoren vertreten den Standpunkt, die Statute seien in einer allgemein ostslawischen Sprache verfasst, weißrussische Regionalismen würden sich nur auf die Schreibung beziehen. Dies ist aber angesichts der Terminologie zu bezweifeln.

50 Literatur in der litauischen, also einer baltischen, Sprache setzte erst mit der Reformation ein, sie stammte nicht aus dem GFL sondern dem Herzogtum Preußen und betraf nicht den amtlichen Gebrauch.

51 Er klagte darin gegenüber dem Bischof des Ermlandes: "Während der Abfassung dieser Vorschriften hatte ich viele und strenge Auseinandersetzungen mit den Häretikern. [So,] als gefordert wurde, dass eine Spalte der Vorschriften auf Lateinisch, die andere auf Ruthenisch geschrieben werde, mir aber die lateinische Schreibung zur Aufgabe gemacht wurde. Viele, auch die mit großen Namen, riefen, dass das Latein für sie überflüssig und verderblich sei, und das alles Übel mit dieser Sprache nach Litauen gebracht worden sei. Also sage ich, auch Christus, der hier zusammen mit dem Latein hergebracht wurde, und den sicher nicht zu empfangen besser gewesen wäre, als ihn so schnell wieder zu vertreiben." Rotundus sah also in der Ablehnung des Lateins vor allem eine religiös motivierte Intrige der Protestanten. Gegen deren Widerstand konnte er sich aber letztlich nicht durchsetzen, sodass nur die ruthenische Fassung amtlich wurde; – Bardach, Statuty, 46ff.

52 Jakowenko, 207f.; Sahanowicz, 247ff.

53 Lizisowa, 41; Sahanowicz, 290.

54 Lizisowa, 41.

55 Grodziski, 102, 107.

56 In den Jahren 1811 und 1832: Kulisiewicz, CPH 1-2/XLIV (1992), 73, 80 u. 82.

57 Bardach, Statuty, 95.

58 Ausnahme: In der polnischen Fassung des Dritten Statuts Kap. 5 Art. 20 S. 4 wird "слушный розводъ" mit der Entsprechung "słuszny rozwód" wiedergegeben (in der deutschen Übersetzung ".. die Eheauflösung begründet..."). Im vorliegenden polnischen Text des Zweiten Statuts Kap. 5 Art. 18 S. 4 heißt es dagegen "słuszny dowód" (also ".. der Beweis begründet..."). Unabhängig davon, ob die Ursache für die Differenz Versehen oder Absicht war, bleibt der Sinn beider Vorschriften gleich.

59 Sie lag bei der Abfassung dieses Aufsatzes nicht vor.

60 Unterschiede zwischen der der deutschen Übersetzung zu Grunde gelegten ruthenischen und der lateinischen Fassung sind dabei dem abstrakteren Stil der letzteren geschuldet – Bardach, Statuty, 53.

61 Die Übersetzung des Begriff mit "Vollstreckung" stützt sich auf Czackis Wiedergabe der Vorschrift, in der er zur Erklärung anführte: "... odprawa, czyli wykonanie wyroku" ("odprawa, also Vollstreckung des Urteils"); – Czacki, 40f. Lizisowas Wörterverzeichnis zur Sprache des Ersten Statuts erklärt den Inhalt des entsprechenden Verbs "odprawić" dagegen unbestimmter mit "eine Rechtssache vor Gericht vollständig erledigen"; – Lizisowa, 219.

62 Polnisches Original von Ostrowki (S. 206): „Statut Litewski, nakazując, aby sprawy Rozwodowe w Sądzie Duchownym nabożeństwa Małżonków poznawane były...”

63 Ostrowski, Civilrecht der polnischen Nation aus den polnischen und lithauischen Statuten und Constitutionen zusammengetragen, 191.

64 ... духовнымъ особамъ всякого набоженьства хрестиянского и ихъ жонам и детямъ ихъ ...

65 Ostrowski weist darauf hin, dass eine Kollisionsregel für gemischtkonfessionelle Ehen im Statut fehle: "Erst der Tractat von 1775 hat der herrschenden Religion das Vorrecht gewähret und verordnet, dass alle Ehescheidungssachen, sobald auch nur ein Teil catholisch ist, vor das catholische Consistorium gehören sollen." – Ostrowski, 191.

66 Zit. nach Bardach, Statuty, 46.

67 Vgl. Art. 56ff. Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch vom 25.2.1964, Gesetzblatt Nr. 9, Pos. 59, mit Änderungen.

68 Analog dazu auch in S. 5: "межы такими розведеными", wörtlich "zwischen solchen Geschiedenen", hier übersetzt: "zwischen solchen Getrennten".

69 Дзербіна, 106.

70 Erler/Kaufmann(-Merzbacher), Stichwort "Ehe, kirchenrechtlich" (S. 835).

71 Dazu und zu den praktischen Problemen: Giesen, JZ 1984, 1049, 1050f. Aus Sicht des 19. Jahrhunderts und mit historischen Verweisen auf die litauisch-polnische Praxis während der Geltung der Statute: Czacki, 37ff. (Kommentar zu Kap. 5. Art. 20 des Dritten Statuts).

72 Plöchl, 238ff.

73 Plöchl, 294ff.

74 Дзербіна, 92, 116f. S. zum orthodoxen Eherecht im GFL auch Bardach, Studia z ustroju, 279ff. u. 297f. Letzterer nennt Anhaltspunkte für eine noch frühere Anordnung dieser Regel im GFL, S. 297.

75 Vgl. im Unionsdokument Art. 9 (abgedruckt bei Гудзяак, 332, in ukrainischer Übersetzung der neben der lateinischen amtlichen polnischen Fassung).

76 Erler/Kaufmann(-Brückner), Stichwort "Ehe" (S. 826f.); Giesen, JZ 1984, 1049, 1051ff.; Mikat, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1962, 81, 83ff.

77 Konstruktiv vergleichbar ist damit im heutigen deutschen Recht die Aufhebung der Ehe nach den §§ 1313ff. BGB.

78 Vgl. v. Martitz, 127.

79 Vgl. Ostrowski, 187f., 191. Gleiche Fragestellung zum Recht des Sachsenspiegels: v. Martitz, 128.

80 Scheftelowitz in Bergmann/Ferid, Israel.

81 "Was die tartarische Nation, und die unter ihnen vorfallenden Ehescheidungssachen, betrifft, so werden in Rücksicht dessen, dass ihre im Lande geduldete Religion die Ehe nicht so hoch achtet, als solches von der catholischen und jeder christlichen Religion geschiehet, ihre Ehen für bloße Civilkontrakte angesehen, und dergleichen Streitigkeiten unter Eheleuten durch weltliche Gerichte untersucht und entschieden werden sollen", zitiert Ostrowski, 191f. eine Anordnung des späteren "immerwährenden Rates" – "n. 103, R. d. i. R. 1785, den 31. May".

82 Vgl. die Quellenübersicht bei Дзербіна, 168f. So finden sich Darstellungen von familienrechtlichen Streitigkeiten und insbesondere Scheidungen in der Ukraine bis zum Beginn des 18. Jh. in Архив Ючо-Сападной Руси.

83 Zum Folgenden: Bardach, Studia z ustroju, 261ff. S. auch Дзербіна, 114f.

84 Daniłowicz, Kodex Napoleona, 124f.

85 Czacki, 33f.

86 In Polen ist volkstümlich überliefert, im alten Litauen hätte der Brauch bestanden, dass der Brautvater seine Tochter vor der Hochzeit ohrfeigte, damit sie sich bei Bedarf auf den Eheauflösungsgrund der Nötigung berufen konnte, – Mitteilung von Frau A. Kupś, Krakau.

87 Яковенко, Паралелъний свит, 13ff.

88 Дзербіна, 108.

89 Дзербіна, 101.

90 Яковенко, Паралелъний свит, 22. Eine solche Lösung war auch bei Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten im frühneuzeitlichen Deutschen Reich anzutreffen: Plöchl, 299f.

91 Ostrowski, 191.

92 Дзербіна, 117.

93 Zum römischen Recht: Robleda, 252ff.; Kaser/Knütel, § 58, Rn. 2 u. 46ff. Zum germanischen Recht: Erler/Kaufmann(-Brückner), Stichwort "Ehe" (S. 810ff.); Mitteis, Kap. 15, 16 u. 19.

94 Erler/Kaufmann(-Brückner), Stichwort "Ehe" (S. 826); Schwab, Grundlagen, 16ff.

95 Vgl. Landrecht III 27 und 74.

96 Schwab, Grundlagen, 28f.

97 Vgl. im Dritten Statut: Kap 5, Art. 22 sowie Kap. 14, Art. 29 u. 30.

98 Giesen, Familienrecht, Rn. 34 ff; Schwab, Grundlagen, 24ff.

99 Den Unterschied zwischen der Situation der orthodoxen Kirche im GFL im Vergleich zu cäsaropapistischen Regimen schilderte der unierte Archimandrit Leon Krewza zur Begründung der Notwendigkeit der Kirchenunion Anfang des 17. Jahrhunderts so: "In Konstantinopel herrscht der Kaiser, in Moskau der Großfürst, aber in unseren Ländern jeder Adelige, der einen Popen hat, über ihn, wie er will.", zitiert nach Bardach, Studia z ustroju, 310.

100 So z. B. in der deutschen Reichsstadt Regensburg im 16. und 17. Jahrhundert – vgl. dort zur Eheauflösung: Schwab, Beiträge zur Rechtsgeschichte, 515, 517. Innerhalb der Territorien des Deutschen Reiches war noch bis ins 18. Jahrhundert die Formel cuius regio eius religio maßgeblich, konfessioneller Pluralismus bezog sich nur auf die Reichsebene und er betraf nur den Katholizismus und den Protestantismus (ab 1526, ab 1648 auch das reformierte Bekenntnis), Gmür/Roth, Rn. 250f.

101 Zu diesen: Giesen, Familienrecht Rn. 63ff. Allgemein: Blasius, 24ff.; – in Bayern beließ es noch der Codex Maximilianus von 1756 bei der kirchlichen Zuständigkeit für die Eheauflösung,

102 Erler/Kaufmann(-Brückner), Stichwort "Ehe" (S. 822ff.). Das österreichische Ehepatent Josephs II. von 1783 unterstellte als das erste eines katholischen Staates in Deutschland wieder die Ehe dem staatlichen Recht, es sah dabei aber unterschiedliche Bestimmungen für die Angehörigen verschiedener Bekenntnisse vor, – Blasius, 26.

103 Kap. 11 Art. 7.

104 Дзербіна, 129.

105 Ostrowski, 178.

106 So auch Дзербіна, 129.

107 So zur entsprechenden Vorschrift im zweiten Statut, deren polnischer Titel dem von Art. 1 des Dritten Statuts entspricht.

108 Dies lehnt sich an den bei Ostrowski, 179, verwendeten Ausdruck "Gegenvermächtnis" an. Vergleichbares bezeichnen auch die deutschrechtlichen Begriffe „Widerlegung“ und „Widerlage“.

109 Czacki, 9.

110 Czacki, 9: "Die polnische Gesetzgebung kannte das wiano nicht, die litauische verband die oprawa mit dem wiano...".

111 In Anlehnung an die lateinische Fassung, vgl. Ostrowski, 172 u. 190. Czacki, 8, setzt den polonisierten Begriff reformacya mit oprawa gleich.

112 Adamus, 79; Дзербіна, 129f.

113 Auf diese Möglichkeit weist Дзербіна, 133f., hin.

114 Im Folgenden kommen zwei Autoren aus dem 18. u. 19. Jahrhundert zu Wort, die noch eigene Beobachtungen der Geltung der Statute wiedergeben konnten. In den letzten Jahren gibt es eine intensivierte Forschung in der Ukraine, die über die Rechtstexte hinaus vertieft Gerichtsbücher auswertet und durch Erkundung der Vertrags- und Testierpraxis ein genaueres Bild der von den sozialen Verhältnissen anstrebt; vgl. zur Lage der Witwe im 16. Jahrhundert die Arbeit von Старченко, Київська Старовина, 6(336)/2000, 58ff.; 1(337)/2001, 42ff.; 4(340)/2001, 20ff.

115 Czacki, 53f.

116 Czacki, 50ff. – dort (S. 52) auch die zitierte Äußerung, welche von Cerazinus Kirstein stammt. Nach der Einverleibung des Geltungsbereichs der Statute ins Zarenreich erkannten die neuen Gerichte bei formeller Weitergeltung litauischen Eherechts die Gegenverschreibung oft nicht an und verschlechterten dadurch die Stellung der Frauen, – Bardach, Statuty, 100.

117 Ostrowski, 190.

118 Zur Situation im deutschsprachigen Raum vom Ausgang des Mittelalters bis zu den heutigen Kodifikationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Brauneder, 121ff.

119 Vgl. insbesondere die allerdings noch nach der Schwere der Schuld unterscheidende Vorschriften im Codex Theodosianus 3.16.2: "Mulier, quae repudii a se dati oblatione discesserit, si nullas probaverit divortii sui causas, abolitis donationibus, quas sponsa perceperat, etiam dote privetur, [...] 1. Sane si divortium prior maritus obiecerit ac mulieri grave crimen intulerit, persequatur legibus accusatam impetrataque vindicta et dote potiatur, et suam recipiat largitatem et ducendi mox alteram liberum sortiatur arbitrium. Si vero morum est culpa, non criminum, donationem recipiat et dotem relinquat, aliam post biennium ducturus uxorem. Quod si matrimonium solo maluerit separare dissensu, nullisque vitiis peccatisque gravetur exclusa, et donationem vir perdat et dotem [...]". Zum Sachsenspiegel: v. Martitz, 128ff. (insbesondere S. 130 Fn. 18).

120 Dabei können im Folgenden nur einige Merkmale der vergleichsweise untersuchten Rechtssysteme vereinfacht skizziert werden. Die Fragen der Verfügungsmacht der Frau und des Güterstandes bleiben ausgeblendet.

121 Kaser/Knütel, § 59, Rn. 7ff.

122 Dazu Mitteis, Kap. 18.

123 Der litauische Gesetzgeber dürfte um die Ähnlichkeit des Verfügungsverbots im erwähnten Art. 17 mit dem des römischen Rechts gewusst haben (vgl. Codex Iustinianus 5.13.1.15).

124 Schon früher wurde von Taubenschlag darauf hingewiesen, dass die Titel von Vorschriften des Zweiten Statuts in der lateinischen Fassung oft mit denen von Vorschriften des Corpus Iuris Iustiniani übereinstimmen: vgl. dazu Bardach, Statuty, 52.

125 Zur rechtspolitischen Diskussion in den 20er und 30er Jahren: Kraft, Europa im Blick der polnischen Juristen, 216ff.

126 Zum bis in die 70er Jahre geltenden Recht in Spanien: BVerfGE 31, 58 ff; zum bis in die 90er geltenden Recht in Irland: Coester-Waltjen, IPRax 1989, 282ff.

127 Ausführlich: Scheftelowitz.

128 Zu Deutschland: Giesen, Familienrecht Rn. 34ff. Mikat, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1962, 81ff. In der EU ordnet die "Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000" gemeinschaftsweit die gegenseitige Anerkennung von Scheidungsurteilen an.

129 Vgl. Art. 49 EUV.

130 S. z.B. Kohler, FAZ vom 24.2.2004; Claudio Magris im Gespräch mit Paul Bade, Die Welt vom 26.3. 2004.

131 S. zur Ukraine die Einleitung zur neuen Odessaer Edition der Statute von Ківалов, Мусиченко und Панков. In diesem Land haben sich Historiker schon in bedeutendem Maße von sowjet-russischen Deutungen entfernt – auch dank der an nordamerikanischen Universitäten wie z.B. Harvard nach dem zweiten Weltkrieg von Emigranten eingerichteten Forschungsinstitute. Vgl. dagegen. zur Lage der Historiographie in Belarus die Vorrede von Hryckiewicz im Werk von Sahanowicz. Für eine eigenständige Nationalgeschichte sind hier die Litauischen Statute noch bedeutender, ist doch das GFL als – einziger – Ausdruck weißrussischer Staatlichkeit bis zum 20. Jahrhundert anzusehen (so gab sich das unabhängige Weißrussland als Staatswappen 1991 das auch auf den Originalausgaben der Statute zu findende Wappen des GFL und des heutigen Litauens – wiedergegeben am Ende dieses Aufsatzes –, welches 1994 unter dem jetzigen Präsidenten Lukaschenko durch eine den sowjetischen Traditionen entlehnte Symbolik ersetzt wurde). Дзербіна spricht in ihrem Werk vom GFL als "unserem Staat".




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Diese Seite ist vom 20. Oktober 2005