Clausdieter Schott:

Sachsenspiegel und Magdeburger Stadtrecht: Impuls und Fundament der Rechtsentwicklung in Europa

Abstract

 

Europa ist kein geografischer Kontinent, sondern ein historischer Erdteil, der durch verschiedene kulturelle Netzwerke als Einheit begriffen wird. Solche Netzwerke sind auch die übergreifenden Rechtssysteme wie das römische Recht, aber etwa auch das sächsisch-magdeburgische Recht. Dieses beruht auf dem um 1230 vom sächsischen Ritter Eike von Repgow verfassten, von diesem als „Spiegel der Sachsen“ bezeichneten Rechtsbuch sowie auf dem  aus Rechtsgewohnheiten, Privilegien und Spruchrecht geformten Recht der Stadt Magdeburg. Beide historisch verwandten Quellenbereiche berühren und durchdringen sich wiederholt im Spätmittelalter, so dass von einem sächsisch-magdeburgischen Recht gesprochen werden kann. In der einen oder anderen Form und in vielfältigen Be- und Verarbeitungen breitet sich das sächsisch-magddeburgische Recht nach Westen, Süden und Osten aus. Im Westen und Süden – hier vor allem in der weiter entwickelten Form des später so genannten Schwabenspiegels – erklärt sich die Rezeption aus dem Bedürfnis nach Schriftlichkeit des Rechts. Im Osten erscheint es, auch in der Bezeichnung „Ius Theutonicum, mit einer Reichweite bis über den Dnjepr hinaus als fortschrittliches Element der Siedlerbewegung und der Städtegründungen bzw. –erweiterungen und wird Bestandteil des polnischen Rechts. Die Stadt Magdeburg versteht sich als rechtlicher Brückenpfeiler zwischen dem Westen und Osten Europas und prägt durch ihren Schöffenstuhl weithin die Rechtsentwicklung. Mit einem Exkurs zum Judenrecht wird noch aufgezeigt, für welche Berührpunkte zur jüdischen Bevölkerung Regelungsbedarf bestand und wie sich der Sachsenspiegel und die im 14. Jahrhundert entstandene Glosse um emotionslose, sachliche Lösungen bemühten.