Artikel vom 31. März 2006
© 2006 fhi
ISSN 1860-5605
Erstveröffentlichung
Zitiervorschlag / Citation:

http://www.forhistiur.de/zitat/0603grothe.htm

 

Ewald Grothe*:

Carl Schmitt und die „neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte“ im Nationalsozialismus

I. Carl Schmitt, die Studienordnung von 1935 und „die neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte“
II. Die Deutung der Verfassungsgeschichte des 'Zweiten Reichs'
III. Schmitts Schriften zur Verfassungsgeschichte und sein Wirken im Nationalsozialismus

 

Carl Schmitt ist in erster Linie als Staatsrechtler und nicht als Verfassungshistoriker bekannt. Dabei galt sein Interesse schon früh der Geschichte, besonders der Geschichte der Verfassungsentwicklung. Und auch seine letzten Veröffentlichungen vermitteln den Eindruck eines profunden historischen Hintergrundwissens.

Auch wenn die Verfassungsgeschichte selbst bei Schmitt immer wieder eine Rolle spielt und sein Hauptwerk, die 1928 erschienene „Verfassungslehre“, ohne die historischen Bezüge und Anspielungen nicht zu verstehen ist – ausschließlich verfassungshistorische Publikationen im engeren Sinne finden sich bei Carl Schmitt kaum. Die Geschichte und auch die Wissenschaft von ihr galten ihm vielmehr als Lehrstücke in der Argumentation, die Historie diente ihm vor allem als Steinbruch von Belegen, welche die Analyse der aktuellen Verfassungslage zusätzlich stützten. So galt ihm ein idealisierter, romantisch ‚ausgemalter’ Parlamentarismus des frühen 19. Jahrhunderts als Kontrapunkt zum degenerierten parlamentarischen Betrieb der Weimarer Republik. Auch der propagierte Gegensatz von Liberalismus und Demokratie fand seinen Ausgangspunkt im Vormärz1.

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Zwei Veröffentlichungen aus den Jahren 1934 und 1936 zählen zu den wenigen Ausnahmen innerhalb der Schriften Schmitts, die sich explizit mit der Verfassungsgeschichte beschäftigen. Sie entstammen einer Periode, in der Schmitt als einer der führenden nationalsozialistischen Rechtsdenker auftrat und – begünstigt von Staats- und Parteistellen – wissenschaftlich und wissenschaftspolitisch Karriere machte2. Zum einen ist die Broschüre „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“ zu nennen, die sich in thesenhafter Form mit der deutschen Verfassungsentwicklung seit 1871 auseinandersetzt. Zum anderen handelt es sich um den Entwurf der „neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte“. Hierin zeichnet Carl Schmitt die Umrisse eines inhaltlich neu definierten Teilfaches in Anbetracht der seit 1933 gewandelten politischen Rahmenbedingungen.

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Nachfolgend werden beide Schriften, die in der lebhaften Diskussion über Schmitt bis vor wenigen Jahren allenfalls am Rande wahrgenommen oder ganz übersehen wurden3, zunächst inhaltlich vorgestellt (I und II) und in den wissenschaftlichen Kontext der deutschen Verfassungsgeschichtsschreibung in der Zeit des Nationalsozialismus eingeordnet (II)4. Abschließend wird die Funktion der beiden Schriften für Schmitts Wirken in der Mitte der 1930er Jahre resümierend betrachtet (III).

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I. Carl Schmitt, die Studienordnung von 1935 und „die neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte“

Die Verfassungsgeschichte stand als juristisches Teilgebiet nach 1933 vor neuen Herausforderungen. Bis dahin hatte sie deutlich im Schatten der Interpretation des geltenden Rechts gestanden und war von Staatsrechtlern und Rechtshistorikern quasi nebenbei mitbehandelt worden. Unter den neuen ideologischen Vorzeichen kam ihr aus Sicht der führenden NS-Juristen die wichtige historische Legitimation des neuen Staates und der neu zu gestaltenden Rechtsordnung zu. Dazu war es unumgänglich, die Bedeutung des Teilgebiets zu betonen und es in einer reformierten Studienordnung institutionell zu verankern. Die Bemühungen darum begannen im Laufe des Jahres 1934, hatten aber in Preußen eine Vorgeschichte, die in das Jahr 1931 zurückreichte. Denn nach langjährigen Reformdiskussionen wurde in diesem Jahr eine obligatorische Vorlesung zur „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ in die preußische Studienordnung eingefügt5. Seitdem nahmen die Juristen verfassungsgeschichtliche Themen, die schon vorher regelmäßig angeboten worden waren, verbindlich in ihr Lehrspektrum auf. Die Reformer beabsichtigten damit, „das Interesse der heutigen Jugend an historischen Vorlesungen [...] wachzuhalten“ und „die Allgemeinbildung der Studenten zu fördern“6.

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Genau auf diesem Weg schritt die Diskussion nach 1933 fort. Seit Oktober 1933 konkretisierten sich die Pläne. Auf einer Konferenz der juristischen Dekane wurde der Berliner Zivilrechtler Ernst Heymann mit der Ausarbeitung beauftragt. Man wollte sich treffen, sobald konkrete Vorschläge vorlägen. In einer Denkschrift vom Februar 1934 hieß es:

Neben der juristischen Ausbildung des Studenten findet eine eingehende geschichtliche und politische Bildung statt. [...] Die deutsche politische Geschichte muß von jedem Juristen wenigstens in den Grundzügen, die neueste Geschichte auch in Einzelheiten beherrscht werden. Ebenso müssen ihm die Einzelheiten der staats- und verfassungsgeschichtlichen Entwicklung lebendig sein.“7

Begleitend dazu wolle man in den Schulen auf eine „stärkere Ausgestaltung des Geschichtsunterrichts nach der rechts- und verfassungsgeschichtlichen Seite“ hinwirken8.

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Die zunächst auf Preußen beschränkten Planungen wurden ausgeweitet, als nach Bildung des Reichsministeriums für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung9 im Mai 1934 über eine reichsweite Reform des juristischen Studiums nachgedacht wurde. An den Vorbereitungen für eine Studienreform war neben dem Rechtshistoriker Karl August Eckhardt, der seit dem 1. Oktober 1934 als Fachreferent für Rechts- und Geschichtswissenschaft im Ministerium wirkte, vor allem Carl Schmitt beteiligt. Die unmittelbaren Vorbereitungen der Tagung begannen im November 1934. Schmitt lud als Fachgruppenleiter des „Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ am 24. November 1934 zu der Tagung über eine juristische Studienreform in Berlin ein10. Unter Beteiligung von rund 170 deutschen Hochschullehrern sprach er bei der Zusammenkunft am 20./21. Dezember 1934 ein gewichtiges Wort mit, selbst wenn Eckhardt die eindeutige Schlüsselstellung innehatte11. Am Ende stand die Verabschiedung eines neuen Studienplans.

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Am 18. Januar 1935 verkündete Reichserziehungsminister Bernhard Rust offiziell die „Richtlinien für das Studium“12. Damit wurde die Rechtswissenschaft in ihren Grundfesten politisiert und historisiert. „Vorgeschichte“, „Antike“ und „Germanische Rechtsgeschichte“, „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“, „Neueste politische Geschichte“ und „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ wurden als Grundlagenfächer in den Vorlesungskanon vornehmlich der frühen juristischen Fachsemester festgeschrieben. Dem Studienplan zufolge lag im zweiten Semester der Schwerpunkt auf dem historischen Sektor. In einer drei- bis vierstündigen Vorlesung über „Neueste Politische Geschichte“ sollte „die Entwicklung des deutschen Volkes in den letzten 100 Jahren“, besonders die „Geschichte der Parteien“ und die „Nationalsozialistische Bewegung“, behandelt werden. Zur Vorlesung „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“, die gleichfalls in das zweite Semester gelegt wurde, hieß es erläuternd:

Umfaßt die Entwicklung des sogenannten öffentlichen Rechts vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Kann auch als ‚Rechtsentwicklung der Neuzeit’ angekündigt werden, wenn die (auch als Wahlvorlesung erwünschte) Geschichte des Straf- und Prozeßrechts einbezogen wird. Rechtsvergleichende Ausblicke dringlichst zu wünschen.“13

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Ein Jahr nach dem Erlass der Studienordnung im Jahre 1935 äußerte sich Carl Schmitt in der „Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht“ „über die neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte“14. Über das Profil des neuen Teilgebiets schrieb er:

Das neue Fach ist nicht als eine aus Teilstücken, zum Beispiel aus der früheren Rechtsgeschichte, der politischen Geschichte, allgemeinen Staatslehre usw. zusammengesetzte, bloße Materienkombination, sondern als wissenschaftliche Einheit gedacht.“

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Vordringlich sei es, die bisher übliche „Trennung einer ‚rein juristischen’ von einer ‚rein geschichtlichen’ Betrachtungsweise“ überwinden. Es werde ein „zusammenfassendes Geschichtsbild entstehen, das die Rechtsentwicklung als eine Schöpfung deutschen Lebens in ihrer volklichen Einheit erkennen läßt.“ Bei einer „wirklichen ‚Verfassungsgeschichte der Neuzeit’“ dürfe man sich nicht auf „die Geschichte der typischen Normenkodifikationen“ beschränken. Auch könne man nicht nur „die Geschichte der vordergründigen Streitfragen“, Ministerverantwortlichkeit, parlamentarische Regierung oder Schwurgerichte, schreiben, sondern müsse insbesondere die Geschichte einzelner Rechtsgebiete wie Straf- und Prozessrecht betreiben. Der Begriff der „Konstitution“ sei durch die Freimaurer im 18. Jahrhundert erfunden worden, die dann den „Mythos der Menschenrechte [und] der Gewaltenteilung“ geschaffen hätten.

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In der neuen Verfassungsgeschichte wird sich der nationalsozialistische, nicht mehr liberale, auch nicht mehr nationalliberale, und nicht mehr freimaurerisch-demokratische Verfassungsbegriff rechtswissenschaftlich bewähren müssen, indem er sich auf die Einheit und Ganzheit der Lebensordnung des deutschen Volkes richtet.“

Zudem müsse man das „rein Juristische“ mit dem „rein Historischen“ verbinden. Es stehe ein „Umdenken und Umpflügen der überlieferten Begriffe“ bevor. „Mit dem Lehrfach ‚Verfassungsgeschichte’ beginnt hoffentlich auch ein neuer Abschnitt der Geschichtswissenschaft.“

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Nach der deutlichen methodischen Abgrenzung von der bisherigen Verfassungsgeschichtsforschung fügt Schmitt im zweiten Teil einen kursorischen wissenschaftsgeschichtlichen Überblick an. Der „Positivismus des Juden Laband“ habe nach dem Vorläufer des „jüdischen Rechtslehrers Stahl-Jolson“ den Sieg eines reinen Formalismus bedeutet und alles Prinzipielle und Substantielle verdrängt. Ganz ungeschminkt kommt hier der Antisemitismus Schmitts zum Ausdruck, der gerade in den Anfangsjahren des NS-Regimes mit der Rechtslehrertagung von 1936 einen unrühmlichen Höhepunkt erreichte15. Er praktiziert hier bereits das später von ihm geforderte Prinzip, jüdische Juristen entweder nicht oder mit dem Namenszusatz „Jude“ zu zitieren16.

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Carl Schmitt brachte mit seinen knappen, aber instruktiven Ausführungen im „Jahrbuch der Akademie für deutsches Recht“ die zutiefst ideologisierten Grundgedanken der Studienordnung von 1935 mit Blick auf die Verfassungsgeschichte auf den Punkt. Es ging um die Vermittlung eines neuen, den ideologischen Vorgaben des Nationalsozialismus entsprechenden Geschichtsbildes. Schmitt forderte seine Hochschullehrerkollegen auf, in Forschung und Lehre „echte, aus den Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung gestaltete Formen der Lebensordnungen des deutschen Volkes“ herauszuarbeiten17. Mit der inhaltlichen Neuausrichtung der Verfassungsgeschichte wollte er daran mitwirken, an den Universitäten künftig ein ideologisch ‚einwandfreies’ Geschichtsbild zu vermitteln.

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II. Die Deutung der Verfassungsgeschichte des 'Zweiten Reichs'

Bei Carl Schmitts Aufsatz zur Positionierung der Verfassungsgeschichte im Rahmen der juristischen Ausbildung handelte es sich aber nicht um einen bloß auf die Studienreform zielenden Diskussionsbeitrag. Die fachpolitische Stellungnahme wurde ergänzt durch eine inhaltliche Deutung, die er bereits 1934 vorgenommen hatte. Schließlich war die Verfassungsgeschichte eine von Carl Schmitts verschiedenen Denkebenen. Deshalb schien es ihm bereits vor der formalen Änderung des juristischen Ausbildungsplans erforderlich, die konkreten Inhalte des historischen Teilgebiets möglichst genau festzulegen und den juristischen Hochschullehrern damit als Leitlinie vorzugeben.

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Bereits ein Jahr vorher hatte er sich konkreter inhaltlich auf dieses Teilgebiet eingelassen und eine in ihren Hauptthesen provokative Studie vorgelegt. Die von Schmitt 1934 publizierte, rund fünfzig Seiten umfassende Broschüre über „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“ avancierte zur umstrittensten verfassungshistorischen Veröffentlichung der NS-Zeit18. Die Entstehung gehe auf intensive Gespräche mit Johannes Popitz, den damaligen preußischen Finanzminister, zurück, gab Schmitt später zu Protokoll19. Die wichtigsten Thesen enthielt bereits ein im März in der Halbmonatsschrift „Deutsches Volkstum“ erschienener Beitrag, der Thesen aus einem Vortrag mit dem Titel „Heerwesen und staatliche Gesamtstruktur“ in der Berliner Universität vom 24. Januar 1934 aufgriff20.

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Der nur knapp fünf Seiten lange Beitrag unter dem provokanten, aber zugleich auch merkwürdig verschleiernden Titel „Die Logik der geistigen Unterwerfung“ beginnt mit einer These, die einem Paukenschlag glich: „Es war der Sinn der ‚konstitutionellen’ Monarchie des deutschen neunzehnten Jahrhunderts, einen Kompromiss und eine Überbrückung der Gegensätze von deutschem Soldatenstaat und bürgerlichem Verfassungsstaat zu versuchen.“ Dies sei nur in den kleinen und mittleren Staaten gelungen. Preußen sei dagegen 1848 in eine „selbstzerstörende Zwangslage gebracht“ worden, aus der es sich nicht mehr habe befreien können. Mit den Schritten 1866, 1914 und 1918 habe man sich zuerst innenpolitisch, danach dem „geistigen Kriegsziel des Feindes“ und schließlich dessen „Staats- und Rechtsidealen“ unterworfen. Schmitt löst das Rätsel des Titels erst im Schlussabschnitt und beendet seine Ausführungen mit einer Fundamentalkritik an Weimar: „Die Logik der geistigen Unterwerfung vollendete sich in einer wehr- und widerstandslosen politischen Knechtschaft“. Aus dieser ausweglos scheinenden Situation – so lassen sich Schmitts Ausführungen resümieren – habe dann die Wende des Jahres 1933 die Deutschen erlöst.

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Nicht weniger schwungvoll und zugleich ähnlich herausfordernd liest sich die ‚Langfassung’ von Schmitts kurzer Verfassungsgeschichte Deutschlands seit 1848 in Broschürenform. Die Kernthese findet sich gleich zu Beginn:

Regierung und Parlament, Staat und Gesellschaft, Heer und Wirtschaft, Soldat und Bürger standen in dem Gesamtgefüge des ‚konstitutionellen’ Preußen in einem Gegensatz, der sich nach der Reichsgründung auch auf das Deutsche Reich übertrug und es politisch und geistig in zwei Teile spalten mußte.“

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Diese inneren Widersprüche, die dem Soldatenstaat Preußen durch die liberale Bewegung im konstitutionellen System aufgezwungen worden seien, hätten das gesamte 19. Jahrhundert bestimmt und seien im preußischen Verfassungskonflikt der Jahre 1862-1866 offen zutage getreten. Dieser Vorgang sei zum „Brennpunkt“, zum „Zentralereignis der innerdeutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts“ geworden, weil hier der bis dahin verdeckte Zustand der Verfassung seinen wahren Kern enthüllt habe21. Der Verfassungskonflikt sei nicht entschieden, sondern vertagt worden, der grundsätzliche Gegensatz zwischen König und Bürgertum habe sich in den späteren Debatten um die Heeresvorlagen wiederholt gezeigt. Das Ende des Streits, die Indemnitätsvorlage Bismarcks von 1866, habe – noch weit schlimmer als der Scheinkompromiss der preußischen Verfassung von 1850 – keinen echten Ausgleich bedeutet, sondern die wahre Verfassungslage lediglich verschleiert. Der „Dualismus von preußischem Soldatenstaat und bürgerlichem Verfassungsstaat“ habe unüberbrückbare Gegensätze hervorgerufen22, die nur durch Bismarck notdürftig überwunden worden seien. Die liberale Verfassung von 1871 sei auf Kosten des Soldatenstaates ins Leben getreten.

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Nach 1890 habe sich die problematische Verfassungslage weiter zugespitzt. Denn nach Bismarcks Entlassung sei das Reich vollends führungs- und regierungslos gewesen, und die ursprünglich innerpreußische Auseinandersetzung habe nun endgültig auf das Reich übergegriffen. In der militärisch zugespitzten Situation nach 1914 sei der lediglich kompromisshaft überdeckte, nicht aber innerlich überwundene Konflikt zwischen Soldatenstaat und Verfassungsstaat offen ausgebrochen. Die militärische Führung habe in der Defensive gestanden, so dass die Armee „führerlos in einen Weltkrieg gezogen“ sei 23. Schließlich habe der Zusammenbruch von 1918 die „Unterwerfung unter das geistige Kriegsziel des Feindes“ vollendet24, indem man sich bereits mit der Friedenresolution von 1917 und der Reichsreform vom Oktober 1918 den Rechtsbegriffen des bürgerlichen Verfassungsstaates endgültig gebeugt und 1919 ein völlig fremdes liberales Regierungssystem eingeführt habe25.

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Die Weimarer Verfassung stellt sich aus Schmitts Sicht als eine „verspätete Auseinandersetzung mit dem nicht mehr vorhandenen preußischen Soldatenstaat“ und ein ‚posthumer’ Sieg der liberalen Demokratie dar. Sie sei nicht einmal eine „Zwischenverfassung“ gewesen, sondern nur noch ein bürgerliches Überbleibsel aus dem Staatsgefüge des zweiten Reiches26. Überhaupt, so Schmitt später, seien Konstitutionalismus und Parlamentarismus im Wesen dasselbe27. Der Dualismus von Versailles habe lediglich dem Pluralismus von Weimar Platz gemacht. Der „Preußenschlag“ des Jahres 1932 sei ein „Ruhmestag“ der deutschen Reichswehr gewesen28, weil Preußen aus dem System des Reiches herausgebrochen worden sei. Die Reichsgerichtsentscheidung habe indes als „Vollendung und Krönung des bürgerlichen Verfassungsdenkens“ das Erreichen des „Nullpunktes [...] zur politischen Führung“ bedeutet29.

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So lief die historische Entwicklung auf das ‚Erlösungsjahr’ 1933 zu. Die nationalsozialistischen Bewegung und ihr „politischer Soldat“ Adolf Hitler hätten die „Rettung Deutschlands“ bewirkt. Führer und Bewegung seien nun auf dem Weg, „das deutsche Volk von der hundertjährigen Verwirrung des bürgerlichen Konstitutionalismus zu befreien und, statt normativer Verfassungsfassaden, das ‚revolutionäre’ Werk einer deutschen Staatsordnung in Angriff zu nehmen“30. Der Führerstaat des Nationalsozialismus habe den Gegensatz von Soldatenstaat und Verfassungsstaat aufgehoben, indem die ganze staatliche Macht dem Führer übertragen worden sei. Die Überwindung des Zwiespalts von politischer und militärischer Macht sei dem Nationalsozialismus in einer neuartigen „Dreigliederung der politischen Einheit“ gelungen. Schmitts Broschüre zeigt sich als eine „im Ton [...] verschärfte [...] Vorgeschichte“ der Verfassungsanalyse des Jahres 1933 in seiner Schrift „Staat, Bewegung, Volk“31.

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Schmitts Studie stellte die bisherige deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung in mehrfacher Hinsicht in Frage. Zum einen denunzierte er ihre Begriffe als ‚artfremd’. Zum anderen erschien der Konstitutionalismus als Regierungssystem nicht mehr als die einzigartige preußisch-deutsche Regierungsform, sondern allenfalls als „Scheinkompromiß“, den nicht einmal Bismarck vollständig habe beherrschen können. Und indem der Weimarer Staat den Übergangszustand des Konstitutionalismus mit seinem parlamentarischen System zu einem Ende führte und die „logische Unterwerfung“ auch außenpolitisch akzeptierte, fungierte Weimar nicht mehr als Negativfolie des Kaiserreichs, sondern als dessen Fortsetzung, als letzte Konsequenz des Wendepunkts von 1866. Dem Nationalsozialismus kam deshalb nicht allein die Aufgabe zu, Deutschlands Macht und Größe wiederherzustellen, wie es auch andere Zeitgenossen und viele Historiker sahen. Darüber hinaus oblagen Führer und Bewegung die Aufgabe, ein ‚ehrliches’ und nicht kompromisshaftes Regierungssystem einzuführen, das jeden Dualismus vermied und jeden Partikularismus und Pluralismus entschieden zurückwies. Der Führerstaat überwand als Synthese in einer Art Hegelscher Dialektik den Gegensatz zwischen der These Soldatenstaat und der Antithese Verfassungsstaat32. In Schmitts Programm führte der Nationalsozialismus die zerrissene deutsche Vergangenheit wieder zusammen. In seiner Deutung einte er das deutsche Volk und führte es zu sich selbst.

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Schmitts provokante Thesen blieben selbstverständlich nicht ohne Widerspruch. Insgesamt aber hielten sich sowohl Juristen als auch Historiker mit wissenschaftlichen Besprechungen von Schmitts Broschüre eher zurück. Die Mehrzahl der insgesamt fast dreißig Rezensionen erschien in publizistischen, oft in weniger bekannten Organen33. Und als Rezensenten betätigten sich vorwiegend Nachwuchswissenschaftler. Zumeist handelte es sich auch um wohlwollende, zum Teil sogar überschwänglich positive Stellungnahmen. Das hatte natürlich seine Gründe. Schließlich konnten und wollten es nicht viele wagen, eine so geharnischte Kritik wie diejenige des Berliner Verfassungshistorikers Fritz Hartung zu veröffentlichen. Dessen Besprechung in der „Historischen Zeitschrift“ des Jahres 193534 erhielt indes ein gewisses öffentliches, noch mehr aber ein privat gegenüber dem Autor geäußertes Echo.

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Generell aber hielten sich die bekannteren Namen der Zunft zurück. Es ist jedenfalls bezeichnend, dass diejenigen, die sich privat gegenüber Hartung positiv äußerten35, keine Rezension der Broschüre Schmitts publizierten, obwohl einige meinten, es sei sehr wichtig, dies zu tun. Schmitts Stellungnahmen zur Verfassungsgeschichte wurden aber gleichwohl wahrgenommen und entfalteten ihre Wirksamkeit auf eine subkutane Weise.

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Diskussionsstoff erwuchs vor allem aus der Art, wie Schmitt seine Quellen auswertete und aus der Tatsache, dass er jene Belege konsequent unterschlug, die nicht seiner Auffassung entsprachen. Die Brisanz der Darstellung ergab sich aus der Deutung des deutschen Konstitutionalismus. Eine solche Bewertung hatte Schmitt zwar bereits in früheren Arbeiten, insbesondere in seiner „Verfassungslehre“ von 1928, angedeutet, aber nirgendwo so explizit und zugespitzt ausgeführt36.

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Schmitt hatte sich für die Druckfassung der Broschüre nur wenige Wochen Zeit gelassen, aber dafür noch einmal gründlich Quellenbelege aus der Literatur gesammelt und das Manuskript sehr sorgfältig sprachlich-stilistisch redigiert37. Sie erschien im Frühjahr 1934 als sechstes Heft der von ihm selbst herausgegebenen Reihe „Der deutsche Staat der Gegenwart“ mit einer Auflage von 2.000 Stück38. Die Auflagenzahl zeigt, dass der Autor nicht allein auf ein Fachpublikum zielte. Dieses wollte er auf eine kritische Sicht des deutschen Konstitutionalismus einstimmen. Einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber ging es ihm darum, eine NS-gemäße Deutung der deutschen Geschichte seit 1848 zu vermitteln. Es handelte sich dabei nicht um ein zufällig im Mai 1934 publiziertes Manuskript39. Der Inhalt hatte vielmehr ganz pragmatisch die Aufgabe, das vergleichsweise junge Regime Hitlers gegen widerstrebende Gruppen im Inneren historisch zu legitimieren und dadurch zu stabilisieren40.

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III. Schmitts Schriften zur Verfassungsgeschichte und sein Wirken im Nationalsozialismus

Die beiden Schriften Carl Schmitts zur Verfassungsgeschichte waren sehr unterschiedlich, hingen aber fachlich miteinander zusammen und erfüllten eine doppelte Funktion. In der Broschüre „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“ von 1934, die im zeitlichen Vorfeld der juristischen Studienreform angesiedelt war, ging es Schmitt darum, die jüngere deutsche Vergangenheit historisch neu zu strukturieren. Ausgangspunkt seiner Betrachtung war das Ergebnis der Revolution von 1848 in Deutschland, Zielpunkt die Machtübernahme der Nationalsozialisten achteinhalb Jahrzehnte später. Mit dem Jahr 1848 begann für Schmitt eine zwiespältige politische Entwicklung in Deutschland: der politische Gestaltungswille des Bürgertums geriet seitdem in einen prinzipiellen Gegensatz zum Geltungsanspruch des Militärs. Die Lösung des Gegensatzes führte zum Scheinkompromiss der konstitutionellen Monarchie, jene Staatsform, die schließlich erst 1918 unterging und einem für Deutschland noch weniger geeigneten Regierungssystem, der westlich geprägten liberal-parlamentarischen Demokratie, Platz machte. Dies war „die Logik der geistigen Unterwerfung“ unter eine fremde Staatsidee, schließlich eine „undeutsche“ Regierungsform. Die nationalsozialistische Revolution habe dieses Dilemma behoben, die Deutschen aus der Zwickmühle westlicher Ideen erlöst, die politisch-gesellschaftlichen Gegensätze erfolgreich überbrückt. Die Botschaft der Broschüre mündete in die Zustimmung zum neuen nationalsozialistischen Staat, der seine historische Mission erfüllt habe.

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Schmitt versuchte mit seiner thesenhaft zugespitzten Deutung den nachfolgenden Darstellungen zur deutschen Verfassungsgeschichte ein Interpretationsmuster vorzugeben. Dies gelang ihm allerdings nicht. Sowohl die Juristen als auch die Historiker, die sich nach 1934 zum deutschen Konstitutionalismus äußerten, schlossen sich in ihrer überwältigenden Mehrheit den Thesen von Ernst Rudolf Huber an41. Bei aller Kritik am deutschen Kaiserreich wurden doch die Leistungen Bismarcks erheblich höher eingeschätzt als Schmitt dies tat. Schmitts Interpretation der politischen Entwicklung Preußens und Deutschlands nach 1848 und seine kritische Einschätzung des Konstitutionalismus hat im Grunde erst wieder seit Ende der sechziger Jahre und dann zunehmend Anhänger gewinnen können42.

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Ganz andere Zwecke als Schmitts verfassungshistorische Skizze von 1934 verfolgt der kurze Beitrag, der zwei Jahre später erschien. Er zielte nicht auf die Interpretation der historischen Entwicklung, sondern auf die fachliche Etablierung der Verfassungsgeschichte. Sein Anliegen war nicht, die inhaltliche Deutungshoheit zu erobern, sondern ihm ging es um die fachpolitische Ausgestaltung der Teildisziplin ‚Verfassungsgeschichte’. Nachdem die „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ mit der Studienordnung vom Januar 1935 in den Lehrkanon der ersten Semester integriert worden war, wollte Schmitt ihr einen besonderen Rang zuweisen, ihr inhaltliche Leitlinien setzen und neue Aufgaben zuweisen.

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Beiden Beiträgen Schmitts zur ‚neuen’ Verfassungsgeschichte war ein ausgesprochen strategischer Zug eigen. Deutungslinien bestimmen und Positionen vorgeben, historische Abläufe interpretieren und thesenhaft begrifflich zuspitzen, fachliche Inhalte festlegen und Grenzlinien ziehen – das waren Vorgehensweisen Schmitts, die er auch in anderen juristischen Teilgebieten mehr oder minder erfolgreich anwandte. Das Feld der Verfassungsgeschichte war somit einer von mehreren Bausteinen in Schmitts Versuch, die Rolle als ‚Kronjurist’ des ‚Dritten Reichs’ angemessen auszufüllen.

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Schmitt hat nach 1933 seine Rolle als Jurist vor allem politisch begriffen. Er hat mit dem Regime kollaboriert, ihm juristisch gedient. Das gelang durch ein offensives politisches Bekenntnis zu Staat und Partei. Schmitt vollzog diese Wendung zum Führerstaat innerhalb kürzester Zeit und publizierte in rascher Folge Artikel und Broschüren zur Legitimation des neuen Regimes. Diese Schriften erfassten das Spektrum, das Schmitt für diesen Zweck als notwendig erachtete: Staatsrecht, Rechtstheorie, Völkerrecht und eben Verfassungsgeschichte. Gerade die Geschichte wurde nun zum Vorzeigestück politischer Wissenschaft und zum Medium politischer Botschaften. Es zeigte sich auch, dass gerade die Verfassungsgeschichte für prononcierte politische Stellungnahmen nicht nur anfällig, sondern bestens geeignet war. Carl Schmitts Beiträge zur Verfassungsgeschichtsschreibung demonstrieren, wie ideologisiert und hochpolitisiert dieses historische und juristische Teilfach im ‚Dritten Reich’ war.

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Fußnoten:

* Der Autor lehrt als Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. grothe@uni-wuppertal.de.

1 Zur ersten Orientierung in der Flut von Carl Schmitt-Literatur seit dessen Tod 1985: Reinhard Mehring, Carl Schmitt zur Einführung, Hamburg 1992/2. Aufl. 2001. Als Ergänzung: ders., Rekonstruktion und Historisierung. Zur neueren Carl Schmitt-Forschung, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 49 (2001), S. 1000-1011. Zuletzt: Peter C. Caldwell, Contoversies over Carl Schmitt: A Review of Recent Literature, in: Journal of Modern History 77 (2005), S. 357-387.

2 Andreas Koenen, Der Fall Carl Schmitt. Sein Aufstieg zum „Kronjuristen des Dritten Reiches“, Darmstadt 1995; Dirk Blasius, Carl Schmitt. Preußischer Staatsrat in Hitlers Reich, Göttingen 2001.

3 Anders allerdings der kenntnis- und materialreiche Aufsatz über "Staatsgefüge und Zusammenbruch" von Hans-Christof Kraus, Soldatenstaat oder Verfassungsstaat? Zur Kontroverse zwischen Carl Schmitt und Fritz Hartung über den preußisch-deutschen Konstitutionalismus (1934/35), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 45 (1999), S. 275-310.

4 Generell dazu meine Studie Ewald Grothe, Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900-1970 (Ordnungssysteme 16), München 2005.

5 Ebd., S. 163 f., 190-205, zu den Studienreformen der 1930er und 1940er Jahre. Zu den allgemeinen Zusammenhängen: Knut Wolfgang Nörr, Rechtsbegriff und Juristenausbildung. Bemerkungen zur Reformdiskussion im Kaiserreich und in der Weimarer Republik am Beispiel Preußens, in: ZNR 14 (1992), S. 217-226, hier S. 223-225. Zur Reformentstehung ohne Nennung der Verfassungsgeschichte als neu eingeführter Disziplin: Anna-Maria Gräfin von Lösch, Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 26), Tübingen 1999, S. 69-73.

6 So die Formulierung in einem Reformplan des preußischen Kultusministeriums vom Mai 1930. Fritz Stier-Somlo, Die neue juristische Studienreform. Erlaß des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 17.2.1931 (Stilkes Rechtsbibliothek 114), Berlin 1931, S. 12 f. Vgl. zudem Hans-Heinrich Jescheck, Die juristische Ausbildung in Preußen und im Reich – Vergangenheit und Gegenwart (Neue deutsche Forschungen. Abt. Bürgerliche Rechtspflege 2), Berlin 1939, S. 117-136.

7 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz [GStA] Berlin, Rep. 76 V a, Sekt. 1, Tit. 7, Nr. 89, Bd. 9 (15.2.1934).

8 Ebd. (10.4.1934).

9 Eine Studie über das von Bernhard Rust geleitete Reichsministerium zählt zu den bedeutendsten Desiderata der Wissenschaftsgeschichte im ‚Dritten Reich’. Anne Christine Nagel (Gießen) bereitet eine Untersuchung dazu vor.

10 Unterlagen zur Vorgeschichte der Tagung finden sich in Hauptstaatsarchiv [HStA] Düsseldorf, RW 265, Nr. 21502, 21497.

11 Johannes Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, in: ders./[Heinrich] Henkel/[Adolf] Walz/[Karl] Larenz, Berichte über die Lage und das Studium des öffentlichen Rechts (Der deutsche Staat der Gegenwart 12), Hamburg 1935, S. 9-29. HStA Düsseldorf, RW 265, Nr. 21497, Mitschriften Schmitts. Den Einfluss Eckhardts betont Koenen, Schmitt (Anm. 2), S. 641-643. In der Tat wurden die Pläne im Ministerium vorbereitet und dann nur noch wenig modifiziert. Dies ergibt sich auch aus den Briefen von Franz Beyerle und Edgar Tatarin-Tarnheyden vom 23.12. bzw. 27.12.1934 an Schmitt sowie aus einem Schreiben Schmitts an Tatarin-Tarnheyden vom 7.1.1935. HStA Düsseldorf, RW 265, Nr. 1323, 15945, 13557.

12 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1 (1935), S. 48-50; Karl August Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (Der deutsche Staat der Gegenwart 11), Hamburg 1935/2. Aufl. 1940, S. 7-15. Zur Entstehung der Studienordnung von 1935: Hermann Nehlsen, Karl August Eckhardt †, in: ZRG/GA 104 (1987), S. 497-536, hier S. 504 f.; Diethelm Klippel, Entstehung und heutige Aufgaben der „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“, in: Gerhard Köbler (Hg.), Wege europäischer Rechtsgeschichte. Karl Kroeschell zum 60. Geburtstag (Rechtshistorische Reihe 60), Frankfurt a.M. usw. 1987, S. 145-167, hier S. 152-155; Ralf Frassek, Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, in: ZRG/GA 111 (1994), S. 564-591, hier S. 569-571; ders., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenausbildung im Nationalsozialismus und danach, in: ZRG/GA 117 (2000), S. 294-355, hier S. 300-302; ders., Juristenausbildung im Nationalsozialismus, in: KJ 37 (2004), S. 85-96, hier S. 86; Grothe, Geschichte (Anm. 4), S. 196-200.

13 Eckhardt, Studium (1935)(Anm. 11), S. 13. In der zweiten Auflage ders., Studium (1940)(Anm. 11), S. 24 f., heißt es: „Bietet [...] die Entwicklung der Verfassung allein oder ergänzt durch die Geschichte des Straf- und Prozeßrechts vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart.“

14 Carl Schmitt, Über die neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte, in: ders., Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1923-1939, Hamburg 1940, Ndr. Berlin 1988, S. 229-234 [zuerst in: Jb. der Akademie für Deutsches Recht 3 (1936), S. 10-15]. Die kurze Abhandlung ist weitgehend unbekannt geblieben, wird allerdings erwähnt bei Fritz Hartung, Zur Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, in: ders., Staatsbildende Kräfte der Neuzeit. Gesammelte Aufsätze, Berlin 1961, S. 431-469 [zuerst (Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Philosophie usw. 1956, 3), Berlin 1956], hier S. 466.

15 Zum Antisemitismus bei Schmitt eindringlich, aber überzogen: Raphael Gross, Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre, Frankfurt a.M. 2000.

16 Der Materialsammlung im Nachlass ist zu entnehmen, dass Schmitt noch 1960 seine antisemitische Deutung aufrechterhielt. Hier notiert er über „Joll Jolson aus dem Münchner Ghetto unter dem Tarnungsnamen Friedrich [Julius Stahl]“: Wenn ein Julius Stahl den geistigen Führer des preussischen Konservativismus spielt, so muß das für alle beteiligten Menschen und für die Sache selbst zu einer krampfhaften Scheinechtheit führen.“ HStA Düsseldorf, RW 265, Nr. 21752.

17 Schmitt, Aufgaben (Anm. 14), S. 234.

18 Carl Schmitt, Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches. Der Sieg des Bürgers über den Soldaten (Der deutsche Staat der Gegenwart 6), Hamburg 1934.

19 Lutz-Arwed Bentin, Johannes Popitz und Carl Schmitt. Zur wirtschaftlichen Theorie des totalen Staates in Deutschland (Münchener Studien zur Politik 19), München 1972, S. 126.

20 Carl Schmitt, Die Logik der geistigen Unterwerfung, in: Deutsches Volkstum 16 (1934), S. 177-182.

21 Schmitt, Staatsgefüge (Anm. 18), S. 9 f. Eine ausführliche Wiedergabe von Schmitts Gedankengang bei Kraus, Soldatenstaat (Anm. 3), S. 278-283; Grothe, Geschichte (Anm. 4), S. 270-273. In der Schmitt-Literatur geht die Broschüre zumeist unter. Erwähnungen bei: Hasso Hofmann, Legitimität gegen Legalität. Der Weg der politischen Philosophie Carl Schmitts, Berlin 2. Aufl. 1992, S. 90 f.; Fulco Lanchester, Carl Schmitt e la storia costituzionale, in: Quaderni costituzionali 6 (1986), S. 487-510, hier S. 496, 507. Weiterführend: Blasius, Schmitt (Anm. 2), S. 128-141. Eigenwillige Anmerkungen eines Schmitt-Schülers: Günther Krauss, Erinnerungen an Carl Schmitt – Teil 4: Neuer Anfang in Berlin. Teil 5: Das Jahr 1934, in: Piet Tommissen (Hg.), Schmittiana – II (Eclectica 79-80), Brüssel 1990, S. 73-111, hier S. 85-89.

22 Schmitt, Staatsgefüge (Anm. 18), S. 14.

23 Ebd., S. 24.

24 Ebd., S. 42.

25 Ebd., S. 22 f.

26 Ebd., S. 43.

27 Carl Schmitt, Nachwort, in: Lorenz von Stein, Zur Preußischen Verfassungsfrage (Dokumente zur Morphologie, Symbolik und Geschichte), Berlin 1940, S. 61-70, hier S. 68 f. Darin erläutert er, dass es sich 1850 um eine „sekundäre und nur taktische Kompromissunterscheidung von konstitutioneller und parlamentarischer Monarchie“ gehandelt habe. Schmitt betrachtete Stein als posthumen „Kronzeugen“ für seine Interpretation der deutschen Verfassungsgeschichte. Den Aufsatz Steins von 1852 entdeckte er aber erst gegen Ende der dreißiger Jahre. Vgl. dazu Blasius, Schmitt (Anm. 2), S. 203-213; ders., Zeitdiagnosen: Carl Schmitt und Lorenz von Stein, in: Der Staat 43 (2004), S. 23-34.

28 Schmitt, Staatsgefüge (Anm. 18), S. 47.

29 Ebd., S. 49.

30 Ebd.

31 Mehring, Einführung (1992)(Anm. 1), S. 111.

32 So die zutreffende Analyse von Kraus, Soldatenstaat (Anm. 3), S. 284.

33 Eingehender dazu demnächst meine ausführlichere Darstellung in der „Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte“. Generell ist aber die Bemerkung bei Kraus, Soldatenstaat (Anm. 3), S. 290, die Reaktion sei „eine interne“ gewesen, erheblich zu korrigieren.

34 Fritz Hartung, Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches, in: HZ 151 (1935), S. 528-544. Ausführliche Wiedergabe der Rezension bei Kraus, Soldatenstaat (Anm. 3), S. 285-289.

35 Das private Echo wird dokumentiert und kommentiert ebd., S. 290-295.

36 Insbesondere Carl Schmitt, Verfassungslehre, Berlin 1928, S. 53-55, 63-65, 313 f. Wie Hans-Christof Kraus herausgestellt hat, radikalisierte Schmitt aber seine Position nicht nur, sondern er widersprach auch seinen früheren Positionen in markanten Punkten. Kraus, Soldatenstaat (Anm. 3).

37 Dies zeigen die Notizen und das redigierte und korrigierte Manuskript im Nachlass Schmitts. HStA Düsseldorf, RW 265, Nr. 19502, 21752. U.a. ersetzte Schmitt an verschiedenen Stellen das Wort „Struktur“ durch „Gefüge“ bzw. auch „Gesamtstruktur“ in „Staatsgefüge“. 1960 notierte er, dass er ein Zitat „aufgrund einer Warnung des Pressechefs des NS-Juristenbundes Dr. du Prel“ im Vorfeld (28.12.1933) gestrichen habe. Ebd., Nr. 21752.

38 Von der Auflage wurden 1.722 Exemplare verkauft. Das bedeutete den zweithöchsten Absatz nach Heft 1 („Staat, Bewegung, Volk“). Koenen, Schmitt (Anm. 2), S. 457. Bereits ein Jahr später erschien eine italienische Übersetzung in einer Aufsatzsammlung: Carl Schmitt, Principii politici del nazionalsocialismo, hg. v. Delio Cantimori, Florenz 1935, S. 173 ff.

39 Ein ungefährer Erscheinungstermin Mai 1934 – etwa einen Monat vor den Röhm-Morden – lässt sich anhand der Widmung an Günther Krauss (22.5.1934) ermitteln. Krauss, Erinnerungen (Anm. 21), S. 89.

40 So Blasius, Schmitt (Anm. 2), S. 127 f., der die Empathie Schmitts für politische Situationen beschreibt. Zum Pragmatismus Schmitts: Lanchester, Schmitt (Anm. 21), S. 507.

41 Näheres dazu: Grothe, Geschichte (Anm. 4), S. 280-286.

42 Ebd., S. 380-384.




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Diese Seite ist vom 31. März 2006