Artikel vom 23. Januar 2002 Alejandro Valiño: Bemerkungen zu D. 47,10,44 (Iav. 9 post. Lab.) |
Hervorzuheben sind es die gegensätzlichen Gutachten von Labeo und Iavolenus angesichts des folgenden Satzes: | 1 |
D. 47,10,44 (Iav. 9 post. Lab.): Si inferiorum dominus aedium superioris vicini fumigandi causa fumum faceret, aut si superior vicinus in inferiores aedes quid aut proiecerit aut infuderit, negat Labeo iniuriarum agi posse: quod falsum puto, si tamen iniuriae faciendae causa immittitur. | 2 |
Übersetzungsvorschlag nach Schilling/Sintenis, CJC, Bd. 4, 1832: Wenn der Eigentümer des tiefer gelegenen Gebäudes, um den des obern durch Rauch zu plagen, Rauch macht, oder der obere Nachbar auf die tieferliegenden Gebäude etwas herabgeworfen oder gegossen hat, so leugnet Labeo, dass Injurienklage erhoben werden könne. Ich halte dies für unrichtig, sobald es in injuriöser Absicht geschieht | 3 |
Tatsächlich bestreitet Labeo in dieser Stelle, dass man gegen den Nachbarn, der Rauch oder Flüssigkeit auf das Nachbargrundstück leitet, mit der actio iniuriarum vorgehen könne. Iavolenus hingegen plädiert in diesem Fall aber auch für die Anwendbarkeit der actio iniuriarum, wenn die Zuleitung iniuriae faciendae causa vorgenommen wird. Wenn es sich dabei um eine Immission von Rauch handelt, ist der Vergleich mit D. 8,5,8,5 (Ulp. 17 ad edictum) unvermeidbar. | 4 |
Aristo Cerellio Vitali respondit non putare se ex taberna casiaria fumum in superiora aedificia iure immitti posse, nisi ei rei servitutem talem admittit. Idemque ait: et ex superiore in inferiora non aquam, non quid aliud immitti licet: in suo enim alii hactenus facere licet, quatenus nihil in alienum immittat, fumi autem sicut aquae esse immissionem: posse igitur superiorem cum inferiore agere ius illi non esse id ita facere. Alfenum denique scribere ait posse ita agi ius illi non esse in suo lapidem caedere, ut in meum fundum fragmenta cadant. Dicit igitur Aristo eum, qui tabernam casiariam a Mintuersensibus conduxit, a superiore prohiberi posse fumum immittere, sed Minturnenses ei ex conducto teneri: agique sic posse dicit cum eo, qui eum fumum immittat, ius ei non esse fumum immittere. Ergo per contrarium agi poterit ius esse fumum immittere: quod et ipsum videtur Aristo probare. Sed et interdictum uti possidetis poterit locum habere, si quis prohibeatur, qualiter velit, suo uti. | 5 |
Übersetzungsvorschlag nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, CIC, Bd. 2, 1995: Aristo erteilte Cerellius Vitalis das Gutachten, er sei nicht der Auffassung, dass es rechtlich nicht zulässig sei, den Rauch einer Käserei den darüberliegenden Gebäuden zuzuführen, sofern nicht insoweit eine Dienstbarkeit besteht; denn eine derartige Dienstbarkeit hält er für zulässig. Und Aristo sagt ferner: Selbst aus einem höhergelegenen Gebäude dürfe man kein Wasser oder etwas anderes den unteren Gebäuden zuführen. Auf seinem eigenen Grundstück dürfe man nömlich nur insofern tun, was man wolle, als man nicht ein fremdes Grundstück mit Immissionen belaste; Rauch und Wasser seien nun aber gleichermaßen Immissionen. Daher könne der Eigentümer des höher gelegenen Grundstücks gegen den des unteren darauf klagen, dass dieser kein Recht habe, so zu handeln. Er sagt ferner, Alfenus schreibe zu Beispiel, man könne darauf klagen, dass der Nachbar kein Recht habe, auf seinem Grundstück in der Weise Steine zu brechen, dass Bruchstücke auf mein Grundstück fallen. Folglich könne, so Aristo, derjenige, der eine Käserei von der Stadtgemeinde Minturnae gepachtet habe, vom Eigentümer des höher gelegenen Gebäudes an der Immission gehindert werden; die Stadtgemeinde hafte ihm aber aus dem Pachtvertrag, und so könne, sagt er, gegen den, der die Rauchimmission bewirkt, darauf geklagt werden, dass er kein Recht habe, den Reauch zuzuführen. Daher sei auch umgekehrt eine Klage des Inhalts möglich, dass man ein Recht zur Zuführung von Rauch habe. Und eben dies ist auch ersichtlich die Meinung des Aristo. Aber es kann auch das Interdikt Wie ihr besitzt Anwendung finden, wenn jemand daran gehindert wird, sein Eigentum so zu nutzen, wie er will. | 6 |
Auch auf diesen Fall erscheint Javolens Lösung anwendbar, das heißt, man hätte keine Schwierigkeiten, alternativ die actio negatoria und die actio iniuriarum anzunehmen, soweit der Störende absichtlich handelt. | 7 |
Die Ablehnung der actio iniuriarum durch Labeo könnte man damit erklären, dass er in diesem Fall keinen Unterschied zu der in D. 8,5,8,5 (Ulp. 17 ad edictum) behandelte fummi immissio sieht, somit, falls keine ausdrücklich errichtete Dienstbarkeit, die dem Nachbarn eine übermäßige Zuführung von Rauch gestattet, besteht, die actio negatoria die passende Klage wäre. | 8 |
Labeo stellt in seiner Betrachtung den Gedanken der objektiv unrechtmäßigen Handlung des Nachbarn, der durch intensive Nutzung Einwirkungen auf das Nachbargrundstück über das übliche Maß hinaus bewirkt, in den Vordergrund, nicht den animus iniuriandi des Schädigers. Iavolenus dagegen beurteilt den Fall in mehr subjektiver Sicht, indem er sich auf die Erörterung der Absicht des Handelnden, beschränkt, um lediglich gegen den vorsätzlich schädigenden Nachbarn mit der actio iniuriarum vorzugehen. | 9 |
Damit bestehen zwei verschiedene, aber dennoch miteinander vereinbare, juristische Lösungen, da sie sich auf zwei verschiedene Fälle beziehen. Ohne Vorliegen eines animus iniuriandi wäre die actio negatoria die passende Klage, wenn es sich um eine übermäßige Einwirkung auf das Nachbargrundstück handelt. Liegt hingegen die für das delictum iniuriae tatbestandsmäßige Beleidungsabsicht vor, wird der Kläger mit der actio iniuriarum erfolgreich vorgehen1. | 10 |
Man darf zwar diesen animus iniuriandi mit dem in einer bösgläubigen Handlung vorliegenden animus nocendi nicht verwechseln, wegen des unterschiedlichen Anwendungsbereiches und der für solches Verhalten vorgesehenen Bestrafung. Aber es ist auch zu berücksichtigen, dass die Bestrafung bei beiden Fällen prätorisch ist. Isofern ist der Gedanke nicht unsinnig, dass dieses responsum ein Beweis für ein Vorhandensein eines Präzedenzfalls der Verfolgung des bösgläubigen Verhaltens im klassischen Recht ist, wie auch die prätorische Veränderung des Begriffs des dolus und des Mittels zum Zurückdrängen des bösgläubigen Verhaltens klassisch ist2. Trotzdem haben wir schon die Gefahren und die Schwierigkeiten im Verhältnis zu der Untersuchung der Absicht, in der die Handlungen als Volleigentümer vorgenommen worden sind3, hervorgehoben. Und zwar wird unter dem Aspekt der üblichen Benutzung und des sozialen Bedarfs das Problem der Immissionen relevant, soweit sie übermäßig und folglich unzulässig werden. | 11 |
1 Bohácêk, Nuovi studi sulle «actiones negativae», en BIDR 46 (1939) S. 170 f.; Wubbe, Iavolenus contra Labeonem, inn Satura Roberto Feenstra (Fribourg-Suisse 1985) S. 103; und Fischer, Umweltschützende Bestimmungen im Römischen Recht (Aachen 1996) S. 125. Zugleich beachte ich die Scialojas Bitte, Recensión a Atzeri Vacca (Sulla dottrina degli atti ad emulazione), in Studi Giuridici Studi Giuridici 3.1 Diritto privato (Roma 1932) S. 261, den Bedarf tief zu untersuchen il rapporto che in diritto romano poteva correre tra la facoltà di esercitare i diritti anche «ad aemulationem» e la concessione dell«actio iniuriarum» come complemento della difesa della proprietà. Bei der schon betroffenen Stelle, anstatt die Klage vervollständigt werden, wird dies als alternativ nach der Absicht des Vorgehendes gezeigt, als die Handlung von ihm durchgeführt wurde. 2 Dagegen Scialoja, «Aemulatio», in Enciclopedia Giuridica italiana 1.2 (Milano 1912) S. 432 und Rotondi, L'abuso di diritto. «Aemulatio» (Padova 1979) S. 53 f. 3 Cfr. Di Porto, La tutela della «salubritas» fra editto e giurisprudenza 1 Il ruolo di Labeone (Milano 1990) S. 142 f. Gegen meinem Erachten, Jiménez Salcedo, El régimen jurídico de las relaciones de vecindad en Derecho romano (Córdoba 1999) S. 171. |
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