Zitiervorschlag / Citation:

Heinrich Schoppmeyer,

http://www.forhistiur.de/zitat/0404haferkamp.htm

Juristische Methode als Lebensaufgabe.
Leben, Werk und Wirkungsgeschichte Philipp Hecks

(= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 29), Tübingen: Mohr Siebeck 2001. XX, 326 S. ISBN: 3-16-147517-8; 84.- €


Rezensiert von: Hans-Peter Haferkamp, Köln

 

Die Methodenlehre bedient sich seit langem historischer Argumente um eigene Lösungsansätze zu rechtfertigen. Besonders einflussreich arbeitete Karl Larenz in seiner Methodenlehre ab 1960 mit einer "Rückschau, die durch die mit ihr verbundene kritische Stellungnahme zur Vorschau auf die sich darin schrittweise enthüllende Sachproblematik wird"1. Bei Larenz und anderen2 entstanden suggestive Linienführungen, die bis in die Gegenwart den Methodendiskurs prägen, und die erst in neuerer Zeit auf ihre historischen, philosophischen und politischen Prämissen befragt werden. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, es habe eine Methodenevolution von einer "Begriffsjurisprudenz" zur "Interessenjurisprudenz" und schließlich zur "Wertungsjurisprudenz" gegeben3.

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Mit Schlagwörtern wie "inneres" und "äußeres" System, "denkender Gehorsam", "Inversionsmethode" und natürlich "Interessenjurisprudenz", war auch Philipp Heck, dem Heinrich Schoppmeyer in seiner Konstanzer Dissertation seinen Blick zuwendet, zentral an der Ausbildung dieser Raster beteiligt. Heck hat dabei, nicht zuletzt um die Interessenjurisprudenz dem Nationalsozialismus anzudienen, immer wieder behauptet, dass seine eigene Methode frei von politischen oder philosophischen Einflüssen sei. Schoppmeyer versucht hiergegen den Nachweis, dass die Entstehung und Wirkungsgeschichte der Methode Hecks eng in die Zeitläufe eingebunden war (2). In vier Kapiteln geht es um biographische Spuren (3-44), um Entstehungsgeschichte (46-79; 145-176) und Darstellung der Heckschen Methode (80-144), um deren Wirkungsgeschichte (177-248) und schließlich, über die ursprüngliche Fragestellung hinaus, um ihre "gegenwärtige Bedeutung" (249-285).

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Im biographischen Abschnitt wertet Schoppmeyer erstmals auch ungedrucktes Material zu Heck aus. Die Familie Hecks ermöglichte insbesondere Einblick in ungedruckte "Erinnerungen", die Heck in den dreißiger Jahren verfasste. Hier erfährt auch der kundige Leser viel Neues. Interessante Hinweise erbeben sich etwa zu Hecks selten beachteten rechtshistorischen Arbeiten (19 f.), zu seiner Tätigkeit als Praktiker (13, 18), zu seiner Lehrtätigkeit (20) und insbesondere zu seiner militärischen Prägung (23 f.) und seinem bisher wenig beleuchteten starken politischen Engagement (23 ff.). Angesichts der unsicheren Quellenlage erfreulich vorsichtig urteilt Verf. in der viel diskutierten Frage, ob Heck Antisemit war (31). Bisweilen spekulativ geraten demgegenüber die Versuche, Frühprägungen Hecks für dessen Methodenlehre verantwortlich zu machen. So wird aus Hecks Ablehnung des grammatikalischen Drills in der Obersekunda ein "früher Beleg für seine reservierte Haltung gegenüber jeglichem Schematismus" (8) und aus der Angst des Zehnjährigen, einen Ball verbotswidrig von einer Wiese zu holen, ein Hinweis auf Hecks Unterwerfung unter die Autorität des Gesetzgebers (42).

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Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei Schoppmeyers intensiver Suche nach "Anstößen und Ursachen" (S. 45-79). Sie resultieren wesentlich aus Hecks, von Schoppmeyer schön herausgearbeiteten Eitelkeit, mit seiner Methode (wie bekanntlich auch andere vor ihm) ein Kant der Rechtswissenschaft zu werden (37: kopernikanische Wende). Hecks Bedürfnis wirklich neu zu erscheinen, verschüttete viele Anbindungen an Zeitgenössisches. Schoppmeyer kann immer dann überzeugend Zusammenhänge aufzeigen, wenn er Hecks Lesearbeit konkret nachweist, etwa im Literaturverzeichnis der Rektoratsrede von 1912 (71 f.), oder an konkreten Fragestellungen Übereinstimmungen herausarbeitet, wie im schönen Abschnitt S. 145 ff. zu Wundt, Rickert, Weber und Heinrich Maier. Andere Zugänge bleiben unsicher. Eine "geistige Verwandtschaft zu Gierke" lässt sich wohl kaum festmachen an der gemeinsamen "Vorstellung von einer geschichtlichen Rechtswissenschaft, die das geltende Recht immer in Anbetracht seiner geschichtlichen Entwicklung erfasste" (11). Zudem fällt auf, dass Schoppmeyer, vielleicht durch die glänzende Studie Dorndorfs4 angeregt, Bezugspunkte überwiegend außerhalb der innerjuristischen Debatte sucht. So findet er etwa einen kritischen Rationalismus im Sinne Poppers (40, 149) und sieht Bezüge zur Lebensphilosophie Simmels (55). Die Chiffre "Leben"5 war freilich gerade unter Juristen um die Jahrhundertwende allgegenwärtig. Diese Methodendiskussion unter Juristen um 1900, die viel weniger durchphilosophierte Ansatzpunkte Hecks zeigen könnte, wird von Schoppmeyer aber nur ganz allgemein beleuchtet (66 f.). Im Zentrum Hecks (vgl. auch 49 f.) und dieser Debatte stand eine breite Frontstellung gegen "Begriffsjurisprudenz". Hier muss man Hecks vermeintlich ganz neuen Weg abgrenzen. Schoppmeyer verstellt sich hier den Blick, indem er neuere Forschungen nicht nutzt und das alte Feindbild fortschreibt (67)6. Es fallen die gewohnten Pauschalien "Begriff", "Konstruktion" und "Lückenlosigkeit", die freilich auch Heck immer wieder perhorreszierte. Es bleibt vielleicht nicht nur beim Leser eine durchlaufende Unsicherheit darüber, was eigentlich ganz konkret "Interessen-" und "Begriffsjurisprudenz" unterscheidet. Dies wird etwa deutlich, wenn Heck seine "Große Haverei" von 1889 als Beginn seiner Interessenjurisprudenz datierte, während Schoppmeyer die dort vorkommenden Begriffsbestimmungen und dogmatischen Konstruktionen als Zeichen für Begriffsjurisprudenz wertet (48). Widersprochen hätte Heck wohl auch der Feststellung, er habe sich zeitlebens vom Einfluss der Begriffsjurisprudenz nicht befreien können, weil sich bei ihm immer noch "begriffliche und systematische, auch konstruktive Überlegungen" fänden (136). "Jede Jurisprudenz operiert mit Begriffen" meinte 1884 Jhering in seiner Kritik der "Begriffsjurisprudenz"7. Wie bei ihm8, so fiel auch bei Heck, hinter vielen Schlagwörtern verborgen, die Auseinandersetzung mit der Begriffsjurisprudenz differenzierter aus, als Schoppmeyer dies glauben macht. Dies wurde etwa in der Diskussion mit Sohm, Hölder und Vierhaus um "Begriffsjurisprudenz" in der DJZ 1909 deutlich, die Schoppmeyer nicht genauer beleuchtet. Heck unterschied auch an anderer Stelle klar zwischen verschiedenen Methoden des 19. Jahrhunderts, nämlich zwischen den "getreuen Anhängern der historischen Schule", die von einem "wirklichen Begriffsrealismus" ausgingen, und "Ihering und den neueren Juristen", die entgegen den Erstgenannten nicht daran dächten, "den dogmatischen Begriffen eine vorwissenschaftliche Existenz zuzuschreiben". Für Jhering war Begriffsjurisprudenz nach Heck folglich ein "bewußt schaffender Vorgang", für seine Vorläufer ein "auf irrtümlichen Vorstellungen beruhender Erkenntnisversuch"9. Zudem unterschied Heck nach dem zugrunde liegenden Stoff deutlich zwischen der Arbeit mit antiken Rechtsquellen und modernem kodifizierten Recht, welches die Begriffe bereits enthielt, die dem Gemeinen Recht erst zu entnehmen waren10. Solche Probleme konnten sich unter der Kodifikation nicht mehr stellen. Wie sah "Begriffsjurisprudenz", die nach der vielleicht etwas taktischen Einschätzung Max Webers ja noch 1920 herrschend gewesen sein soll, unter dem BGB konkret aus?

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Um die Unterschiede zu verdeutlichen, bietet vor allem die Lückendebatte Anhaltspunkte. Schoppmeyer belässt es hier beim alten Mythos vom Dogma der Lückenlosigkeit als Baustein der Begriffsjurisprudenz. Auch Heck polemisierte ja mit seiner "Inversionsmethode" gegen wertungsverschleiernde Begriffsmathematik11. Er nahm hierzu ein Lieblingsbild der zeitgenössischen Logik auf (Stichwort: Satz - Induktion - Prinzip - Deduktion - neuer Satz)12. Was abstrakt so überzeugend klingt, ist konkret keineswegs so klar. Folgt aus dem Satz: "daß der Eigenthümer eine unmittelbare Herrschaft über die Sache hat, wodurch er sich von dem unterscheidet, welchem ein Anderer die Sache erst zu geben schuldig" formallogisch der Satz, "daß der Eigenthümer von jedem, der sie ihm vorenthält die Sache vindicieren kann"13. Leider untersucht Schoppmeyer die Beispiele, die Heck für die methodischen Gegenbilder vorlegte14,nicht genauer und blickt auch nicht in Hecks Lehrbücher15. Damit bleibt der Zweifel: Lückenfüllung durch "Innere Nothwendigkeit" (Savigny/Puchta), "Zeugung" (Jhering) oder "Gleichheit der Interessenlage" (Heck) waren vielleicht mehr Sprachspiele als praktische Unterschiede - jedenfalls solange keine konkrete Substanz in Stellung gebracht wurde. Zudem verschüttet das Bild eines scheinbar naiven Glaubens an die Lückenlosigkeit die im 19. Jahrhundert durchweg vorhandene Sensibilität für die tiefere Funktion der Lückendebatte. Hinter der "Lücke" versteckten sich hochpolitische Zuständigkeitsfragen und zentrale Fragen der Wissenschaftstheorie. Darauf muss man sich einlassen16. Zitelmann meinte 190317: "Wenn nämlich, was allerdings richtig ist, der Richter jede Lücke ausfüllen muß und wenn das, womit sie ausgefüllt wird, notwendig wieder Recht ist, so kann man auch sagen - und einige sagen so - das Recht sei ein lückenloses Ganzes, nur das Gesetz habe Lücken. Das ist offenbar nicht viel mehr als ein Ausdrucksstreit". Stimmte das? Was meinte Heck? Gerne hätte man etwa mehr über seine Rezension der viel gelesenen Schrift Elzes zu dieser Frage erfahren.

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Verantwortlich dafür, dass die historische Entwicklung der Heckschen Lehre insgesamt nicht recht befriedigt, ist auch, dass Schoppmeyer Hecks Lehre als "System" darstellt (80 ff.). Hecks Lehre wird, dessen eigener Erzählung entsprechend, entzeitlicht als geschlossene Einheit gelesen. Die "Entwicklungsphasen", die Schoppmeyer sieht (46 ff.), werden nicht in die einzelnen Aspekte des Heckschen Methodenprogramms getragen. Dies ist in historischer Perspektive bedauerlich, da die ganz engen Zeitbezüge bisweilen mit Händen zu greifen sind, etwa in der Aussage, die Beseitigung des Analogieverbots in § 2 StGB habe die letzte Burg des Positivismus gebrochen (132 Anm. 435). Der Gewinn dieses Vorgehens liegt naturgemäß auf systematischem Gebiet. Hecks Methode wird eindrucksvoll auf ihre Prämissen und ihre logische Geschlossenheit durchleuchtet. Wer eine überzeitliche Interessenjurisprudenz Hecks für heute verwenden will, findet hier eine exzellente Aufarbeitung eines in Methodenfragen kompetenten Autors.

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Der aus dem historischen Blickwinkel des Rezensenten hervorstechende und wirklich weiterführende Abschnitt der Arbeit ist die nachfolgende Wirkungsgeschichte der Methode Hecks. Im Ausgangspunkt schlägt sich Schoppmeyer auf die Seite derer, die (mit Heck) eine Herrschaft der Interessenjurisprudenz in Weimar auch über die Praxis des Reichsgerichts konstatieren (178 ff.). So etwas ist gerade mit Blick auf die Judikatur sicher schwer "messbar". Nicht nur, weil juristische Entscheidungen sich ungern Methodenrastern fügen bleibt bis heute die Schwierigkeit, genuin interessenjuristische Argumentation dingfest zu machen. Keine Einigkeit herrscht auch darüber, was Interessenjurisprudenz eigentlich konstituiert. Es deuten sich auch bei Schoppmeyer Debatten um die "wahre" Interessenjurisprudenz an. So spreche die neuere Arbeit von Markus Klemmer zwar regelmäßig von Freirecht. Inhaltlich gebe sie jedoch interessenjuristische Positionen wieder (178 Anm. 5). Den Nachkriegsautoren mit ihrer "Wertungsjurisprudenz" wird attestiert, sie hätten "konsequent auf dem Grundgerüst Hecks auf[gebaut], ohne wesentlich neue Gedanken hinzuzufügen" (245) - mit Widerspruch darf gerechnet werden.

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Über die Auseinandersetzung mit der Interessenjurisprudenz nach 1933 war schon einiges bekannt, nicht zuletzt durch Bernd Rüthers, der die Arbeit betreut und mit einem gewohnt dezidierten Geleitwort versehen hat. Sehr schön und klar werden die Diskussionsverläufe nach 1933 von Schoppmeyer nun aufgearbeitet und geordnet (186 ff.). Weitgehendes Neuland betritt Schoppmeyer mit dem Blick auf die Interessenjurisprudenz nach 1945 (221 ff.). Es ist eine weise Beschränkung, auf eine "vollständige Wirkungsgeschichte" zu verzichten (Vorwort), und stattdessen einige Autoren genauer zu untersuchen. Schoppmeyers Ausführungen zu den Gebrüdern Reinicke, Theo Zimmermann, Harry Westermann und Hans Brox werden künftigen Bearbeitern unverzichtbare Grundlagen für die weitere Aufarbeitung dieser schwierigen Geschichte bieten. Nur gestreift wird die kaum zu überschätzende Bedeutung der Methodenlehre von Larenz auf die Rezeptionsgeschichte (242 f.). Hier hätte eine Verwendung der inzwischen umfangreichen Literatur zur Genese der Larenzschen Gedanken einiges klären können18.

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In einem abschließenden Teil verlässt Schoppmeyer die historische Perspektive und diskutiert die gegenwärtige Bedeutung der Gedanken Hecks. Ihn hat Hecks Lehre als "bis heute nicht übertroffenes Meisterwerk an innerer Geschlossenheit" überzeugt, die "bis heute nichts an Aktualität eingebüßt" habe (286). Dies wird in der Methodenlehre zu diskutieren sein. Dem Rechtshistoriker bietet die Arbeit Schoppmeyers einen nicht nur für eine Dissertation eindrucksvollen, wichtigen und in Teilen ganz neuen Einblick in die Biographie Philipp Hecks und die Geschichte der Interessenjurisprudenz im 20. Jahrhundert.

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Fußnoten:

1 KARL LARENZ, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Berlin 1960, S. 6.

2 Insbesondere WALTER WILHELM, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, masch. Diss. Frankfurt a. M. 1955, Druck ebda. 1958; FRANZ WIEACKER, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. Göttingen 1967.

3 Mit diesen Rastern sortiert etwa JENS PETERSEN, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, Tübingen 2001, die Rechtsprechung.

4 EBERHARD DORNDORF, Zu den theoretischen Grundlagen der Interessenjurisprudenz: Die Beziehungen Philipp Hecks allgemeiner Auslegungstheorie zu Max Weber und Heinrich Rickert, in: ARSP 81, 1995, S. 542 ff.

5 Vgl. JOACHIM RÜCKERT, Der Rechtsbegriff der Deutschen Rechtsgeschichte in der NS-Zeit: der Sieg des "Lebens" und des konkreten Ordnungsdenkens, seine Vorgeschichte und seine Nachwirkungen, in: DERS. u. DIETMAR WILLOWEIT, Die Deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit: Ihre Vorgeschichte und ihre Nachwirkungen (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 12), Tübingen 1995, S. 177 ff.

6 Nicht verwendet etwa: ULRICH FALK, Ein Gelehrter wie Windscheid. Erkundungen auf den Feldern der sogenannten Begriffsjurisprudenz (= Ius Commune Sonderhefte. Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 38); Frankfurt a. M. 1989; JOACHIM RÜCKERT, Autonomie des Rechts in rechtshistorischer Perspektive (= Schriftenreihe der Juristischen Studiengesellschaft Hannover 19), Hannover 1988; DERS., Zu Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der juristischen Methodendiskussion nach 1945, in: KARL ACHAM, KNUT WOLFGANG NÖRR u. BERTRAM SCHEFOLD (Hgg.), Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste. Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften zwischen den 20er und 50er Jahren, Stuttgart 1998, S. 122 ff.

7 "Begriffsjurisprudenz" wurde von JHERING (Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, Leipzig 1884, S. 337) geprägt, nicht wie SCHOPPMEYER (67) meint, von Heck.

8 Vgl. nun HANS-PETER HAFERKAMP, Puchta und die "Begriffsjurisprudenz" (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 171), Frankfurt a. M. 2004, S. 37 ff.

9 Alles bei HECK, Das Problem der Rechtsgewinnung, Tübingen 1912, S. 16. MAX RÜMELIN verwies für diese erkenntniskritische Perspektive auf das Naturrecht und den "Begriffsrealismus" der Scholastik: Gesetz, Rechtsprechung und Volksbetätigung auf dem Gebiet des Privatrechts, in: AcP 122, 1924, S. 145 ff., 265 ff., 281.

10 Die "eigenartige Beschaffenheit" der Kompilation Justinians habe zur Folge gehabt, dass die "allgemeinen Regeln und Begriffe, die das römische Recht bildeten...nur zum geringsten Teile in allgemeiner Fassung und abstrakter Form überliefert" worden seien. Überwiegend habe man im Gemeinen Recht Einzelentscheidungen für die richterliche Anwendung in zwei Operationen aufbereiten müssen: "Zuerst war es notwendig, von den erhaltenen Einzelentscheidungen ausgehend, die allgemeinen Regeln und Begriffe zu rekonstruieren, die einstens in der empirischen Wirklichkeit des römischen Lebens die erhaltenen Responsa und Reskripte verursacht hatten. Dann erst konnten die so rekonstruierten Regeln und Begriffe absteigend die Norm für den Entscheidungsfall ergeben": HECK (Anm. 8), S. 18 f.

11 Naiv war auch hier niemand; vgl. den "Erzpositivisten" KARL BERGBOHM, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, Leipzig 1892, S. 73 mit der Klarstellung: "Aus dem Begriff läßt sich nichts herausholen, was man nicht vorher hineingelegt. Was aber darf man hineinlegen? Das eben ist die Frage...".

12 Näher HAFERKAMP (Anm. 7), S. 81 ff., 86 ff.

13 Zu diesem Beispiel Puchtas: MAXIMILIAN HERBERGER, Dogmatik. Zur Geschichte von Begriff und Methode in Medizin und Jurisprudenz (= Ius Commune Sonderhefte 12), Frankfurt a. M. 1981, S. 401.

14 Etwa S. 53, 58 Anm. 73.

15 Rechtshistorisch leider unbefriedigend der hier ansetzende Versuch von MANFRED WOLFF, Philipp Heck als Zivilrechtsdogmatiker, Ebelsbach 1996; hierzu die treffende Kritik von SIBYLLE HOFER, ZNR 2001, S. 156 f.

16 Wenn etwa GEORG FRIEDRICH PUCHTA, Das Gewohnheitsrecht, Bd. 2, Erlangen 1837, S. 15 f. gegen die "früher gewöhnliche Ansicht von der subsidiären Anwendbarkeit des s. g. Naturrechts", Lückenfüllung aus "inneren Gründen" durch die Wissenschaft behauptet, muss genauer nach der Findung solcher Sätze und ihrem Geltungsanspruch gefragt werden. Bei Puchta war die Einfügung neuer Sätze ins System "Kunst", "besondere Regeln lassen sich für diese Erkenntniß nicht mit einiger Vollständigkeit geben"; methodische Anhaltspunkte waren Analogie, Fiktion und Natur der Sache. Geltungsbedingung war zusätzlich die "Wahrheit" der neuen Rechtssätze: "Es besteht eine Vermuthung für diese Wahrheit durch die Verbreitung einer Ansicht und ihre fortdauernde Anwendung". Die alte communis opinio behielt unverzichtbaren Indizcharakter. Zu diesem Konzept HAFERKAMP, Puchta (Anm. 5), S. 427 ff.; missverständlich auch JAN SCHRÖDER, Recht als Wissenschaft, München 2001, S. 247 mit Anm. 342.

17 ERNST ZITELMANN, Lücken im Recht, 1903, zitiert nach Wiederabdruck in: ANDREAS GÄNGEL u. KARL A. MOLLNAU, Gesetzesbindung und Richterfreiheit. Texte zur Methodendebatte 1900-1914, Freiburg i. Br. 1992, S. 37 ff., 40.

18 Nicht verwendet werden etwa: MONIKA FROMMEL, Die Rezeption der Hermeneutik bei Karl Larenz und Josef Esser (= Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung 47), Ebelsbach 1981; BORIS A. BRACZYK, Karl Larenz' völkisch-idealistische Rechtsphilosophie, in: ARSP 79, 1993, S. 99 ff.; RALF FRASSEK, Von der "völkischen Lebensordnung zum Recht". Die Umsetzung weltanschaulicher Programmatik in den schuldrechtlichen Schriften von Karl Larenz (1903-1993), Baden-Baden 1994; JOSEF KOKERT, Der Begriff des Typus bei Karl Larenz (Schriften zur Rechtstheorie 166), Berlin 1995; KATRIN KASTL, Neuhegelianismus und Nationalsozialismus bei Karl Larenz, in: HERMANN NEHLSEN u. GEORG BRUN (Hgg.), Münchener rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1996, S. 347 ff.; RÜCKERT, Kontinuitäten und Diskontinuitäten (Anm. 5), S. 144 ff.

 

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Diese Seite ist vom 30. April, 2004