Zitiervorschlag / Citation: |
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Peter von Oertzen, |
http://www.forhistiur.de/zitat/0706baufeld.htm |
Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus. Eine wissenssoziologische Studie über die Entstehung des formalistischen Positivismus in der deutschen Staatsrechtswissenschaft.(Herausgegeben und mit einem Nachwort von Dieter Sterzel), edition suhrkamp 660, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1974, 357 Seiten, ISBN: 3-518-00660-6, vergriffen.Rezensiert von: Stefan Baufeld (Hagen)* |
A. Ziel und Methode der Kritik an von Oertzen |
I. Ziel der Kritik: Die wissenschaftliche Methode als politischer Hebel |
Die Zeit der 68er ist vorüber. Warum sollte man noch die alten Bücher lesen, die sich vom marxistischen Denken zur Kritik Gesellschaft, Geistes- und Sozialwissenschaften inspirieren ließen? Käme es auf den Inhalt allein an, wäre die Kritik Peter von Oertzens an der positivistischen Staatsrechtslehre von 1974 1 allenfalls von historischem Interesse. Eine solche Untersuchung wäre ohne Bezug zur heutigen Verfassungsinterpretation. |
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Der äußerst linke Impetus des von Oertzenschen Buches ist die inhaltliche Seite der Kritik von Oertzens am staatsrechtlichen Positivismus. Wie bei allen Dingen lässt sich auch hier zwischen Inhalt und Form trennen. Der Inhalt betrifft das Handlungsziel; die Form betrifft den methodischen Weg und seine Konsequenzen. Die Anweisungen über die Arbeitstechniken sind über den Inhalt hinaus anwendbar. |
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Die Methode, die von Oertzen vorschlägt, und ihre Konsequenzen sind der Gegenstand der Untersuchung. In ihrer von den jeweiligen politischen Zielen ihrer Anwendung unabhängigen Anwendbarkeit liegt das Interessante. Von Oertzen entwirft eine durch ein Weltbild motivierte Kritik an der Methodik der Verfassungsinterpretation. Sie dient der Begründung des Wunsches nach Korrektur der kritisierten Methode, um sie durch eine Methode ersetzen zu können, die der Durchsetzung weltbildmotivierter politischer Ziele weit besser dienen kann, als dies die kritisierte Methode vermag. |
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Bezeichnet man diese weltbildmotivierten Inhalte als Werte – was auf viele dieser Inhalte zutreffen wird – wird die überzeitliche Bedeutung einer Methodenkritik deutlich, die der Implantation über- und außergesetzlicher Werte in das Recht über das Mittel der juristischen Methode das Wort redet. Der extrem linke Inhalt ist Vergangenheit; das methodische Anliegen ist geblieben. Denn der Wertebezug des Rechts hat auch heute als Auslegungstopos im Verfassungsrecht große Bedeutung. Zeitweise scheint es, dass die Interpreten bei ihrem Rekurs auf außergesetzliche Werte die Gefahren dieses Wertebezugs übersehen. Demokratie verlangt Konsens über die Rechtswerte; zur Festschreibung dieses Konsenses ist der Gesetzgeber zuallererst aufgrund seiner Legitimation berufen. Eine mit Werten aufgeladene Interpretation steht dem gegenüber in der Gefahr, in das Recht Werte zu importieren, deren demokratische Konsensfähigkeit fraglich ist. Eine aus Werten geschöpfte Kritik an der Verfassungsinterpretation birgt also immer – gleich welcher Ideologie die Werte entstammen – die Gefahr, den Gesetzgeber in seiner Wirksamkeit zu behindern. Damit kann die Interpretation zur Präskription werden, die sich gegen den demokratisch legitimierten Gesetzgeber wendet. Seine Rolle kann durch eine juristische Methodik geschmälert werden, die das Ziel der Verwirklichung übergesetzlicher Werte überbetont. |
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An den Inhalten, die von Oertzen in die juristische Interpretation hinein nehmen will, um die – aus seiner Sicht – politischen Schwächen des gegenwärtigen Staatsrechts zu überwinden, werden diese Gefahren besonders deutlich. Die politischen Inhalte der extremen Linken der 1970er Jahre haben sich nie durchsetzen können. Sie gleichwohl über die Interpretation in das geltende Recht hineinlesen zu wollen, ist damit aus demokratischer Sicht nicht hinnehmbar. Eine solche Interpretation verlagerte den politischen Kampf um den richtigen Inhalt des Rechts, in dem die mehrheitsfähigen Entwürfe sozialer Gestaltung ihren Ausdruck finden sollen, in die Studierstube des Wissenschaftlers, der sich im Besitz des einzigen und wahren Weltbildes dünkt. Die Lehre aus der Lektüre der Kritik von Oertzens ist also die politische Abstinenz des juristischen Interpreten. Dies zu erkennen zu geben, ist die bis heute aktuelle Bedeutung des kritisierten Werkes. |
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II. Methode und Gang der Kritik an von Oertzen |
Die Zielrichtung der Kritik an von Oertzen liegt nach alldem in Folgendem: Nicht seine politischen Anschauungen sollen kritisiert werden, sondern die Wege, durch die er sie gegen die tradierte Verfassungsdogmatik zur Ausgangsbasis für eine neue Verfassungsinterpretation machen will. Und diese Kritik dient nicht primär der Zurückweisung der mit der Neukonzeptionierung vorgeschlagenen politischen Ausrichtung der Verfassungsinterpretation. Diese Konsequenz ist Inhalt; interessant ist ihre Form. Es interessiert, aus welchen Gründen die neue Konzeption welche Interpretationsprämissen will. Diese Mechanismen können dann ihres politischen Inhalts entkleidet als reine verfassungsmethodische Anweisungen näher betrachtet werden. |
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Diese Betrachtung wird eines zeigen: Die Verfassungsinterpretation ist ständigen politischen Versuchungen ausgesetzt, die sich vergleichbarer Methoden zu ihrer Durchsetzung bedienen. Gleich welche Ziele verfolgt werden, die Wege sind funktionell äquivalent. |
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Um dies zu begründen, sollen zunächst von Oertzen selbst und seine Kritik am staatsrechtlichen Positivismus vorgestellt werden [unter B) I) und II)]. Darin enthalten sein muss eine Skizze der marxistischen Wissenschaftsmethodik [unter B) II) 1.)], ohne die die Kritik von Oertzens nicht nachvollziehbar ist. Sodann sind die methodischen Konsequenzen der Kritik darzustellen und ihr instrumenteller Charakter für eine Werterelativierung der positiven Verfassung zu kritisieren [unter C)]. |
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B. Der Autor und sein Werk |
I. Der Autor |
Peter von Oertzen wurde 1924 in Frankfurt am Main geboren und studierte in Göttingen Philosophie, Geschichte und Soziologie. Nachdem er ebendort promoviert und habilitiert wurde, war er von 1963 bis 1982 Professor für Politikwissenschaften an der Universität Hannover. In den 1950er bis 1980er Jahren gehörte er dem niedersächsischen Landtag an und war zeitweilig Kultusminister des Bundeslandes. Der langjährige Vorsitzende der niedersächsischen SPD blieb in der Partei stets umstritten. Dies vor allem wegen seiner politischen Positionen: Er war Kritiker des Kurses seiner Partei und stand immer an ihrem linken Rand. Von Oertzen verbindet die Wissenschaft mit der politischen Tat. Sein Handeln war nicht nur durch Reflexion bestimmt, sondern stets auch motiviert durch politisches Handeln, durch den Willen, die eigenen Überzeugungen zu verwirklichen. Es wird sich zeigen, dass in dieser Einheit von Wissenschaft und Tat ein Schlüssel zu den Zielen seiner Kritik steckt. |
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II. Das Werk |
1. Die Methode von Oertzens |
Vieles an diesem Buch erschließt sich aus dieser Biografie. Das vom Marxismus beeinflusste Denken zeigt sich an vielen Stellen; nicht zuletzt an der Einleitung, in der das methodische Programm hergeleitet wird2. Es wird explizit oder durchscheinend auf den dialektischen und historischen Materialismus abgestellt – auf das wissenschaftsmethodische Programm, an dem aller Marxismus stets festgehalten hat. Nur wird vieles dieser Doktrin nicht ausgesprochen; das Werk wird erst verständlich, wenn man diese Lücken durch die Grundeinsichten des dialektischen Materialismus ergänzt.3 |
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Der dialektische und historische Materialismus geht von einer kleinen Zahl grundlegender Denkgesetze aus, deren erstes das dialektische Bewegungsgesetz ist, das als „Gesetz der Einheit und des Kampfes der Gegensätze“ bezeichnet wird: Danach ist die Wesensform der Materie ihre Entwicklung aufgrund ihrer immanenten Widersprüche.4 Dies ist die materialistische Wendung Hegelscher Dialektik, nach der sich Begriffe bewegen in einer Entwicklung aus einer These, der eine Antithese widerstreitet. Aus beider Kampf entwickelt sich eine Synthese, die die obsiegenden Elemente von These und Antithese beinhaltet. Materialistisch gewendet bestimmen die der Materie immanenten Widersprüche als These und Antithese jede Entwicklung der Materie und der Gesellschaft. Aus den Widersprüchen entstehen Prozesse, deren Ergebnis der Ausgleich der beiden widersprüchlichen Triebfedern ist. |
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Das zweite materialistische Grundgesetz ist die Basis-Überbau-Lehre. Die materielle und gesellschaftliche Umwelt des Menschen bilden eine Basis realer Ereignisse. In Reflexion über diese Basis formen die Menschen einen ideellen Überbau. Dieser ist die Summe aller geistigen Erscheinungen einer Gesellschaft: ihr Recht, ihre Religionen und Weltanschauungen, ihre Wissenschaften und politischen Utopien.5 Daraus folgt, dass das (gesellschaftliche) Sein das Bewusstsein bestimmt6: Alle Überbaubestandteile sind von menschlicher Erkenntnis erzeugt und abhängig von der Weltsicht, die das Denken des Individuums leitet. |
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Das dritte Denkgesetz ist das Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative.7 Die Erscheinungen der realen Basis entwickeln sich quantitativ. Stößt diese Entwicklung zwischen These und Antithese an die Grenzen der Entwicklungsmöglichkeiten, die der bisherige Überbau setzt, wälzt sich der gesamte Überbau früher oder später um und schafft neue Voraussetzungen, in denen sich die realen Kräfte wieder entwickeln können.8 |
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Die westeuropäische Rezeption betont, dass zwischen Basis und Überbau ein dialektisches Wechselverhältnis bestehe. Dem späten Engels folgend wird anerkannt, dass der Überbau nicht nur aus der Basis abgeleitet wird, sondern dass er auch auf diese zurückwirken kann. So werden z.B. die Ideologien und Rechtsnormen eines gegebenen Überbaus zu Handlungsanleitungen für den Menschen und haben damit Auswirkungen auf die Basis, indem sie menschliches Verhalten (Basiserscheinung) steuern. Will aber die reale Entwicklung der Basis die Grenzen des Überbaus überschreiten, wird sie gehemmt und die Basis drängt auf Umwälzung des Überbaus. Reformen oder Revolutionen sind die Folge, wenn die Triebkräfte der Basis stark genug sind; Reaktion ist die Folge, solange die Bewahrer des Alten noch in der Übermacht sind. |
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Auch wenn von Oertzen über dieses theoretische Fundament kein Wort verliert, ja selbst alle terminologischen Anspielungen weitestgehend vermeidet, scheint sein methodisches Denken doch zumindest teilweise darauf zu beruhen. Das ist zu merken an den erkenntnistheoretischen Konsequenzen, die von Oertzen aus der Dialektik von Basis und Überbau zieht:9 Die erkennende Sozialwissenschaft sei selbst in diese Totalität der Dialektik von Basis und Überbau eingebunden. Auf der einen Seite muss sie das Wechselspiel von Basis und Überbau darauf untersuchen, welche Realien aufgrund welcher menschlichen Denkoperationen welchen Überbau erzeugen. Dabei ist zu beachten, dass die menschliche Denkoperation selbst vom bisherigen Überbau geprägt ist. Auch dieses dialektische Wechselverhältnis bedürfe der sozialwissenschaftlichen Untersuchung. Sodann sei die eigene Erkenntnis selbst wieder Überbau, habe also Einfluss auf die folgende Entwicklung. Jede Erkenntnis sei damit nur situativ und vorläufig. Und die Wirkungen der Erkenntnis könnten selbst wiederum untersucht werden, weshalb dialektische Sozialwissenschaft immer die untersuchten Überbauerscheinungen als Ursachen in den Blick nimmt, die selbst wiederum Wirkungen in der Basis erzeugen.10 |
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Diese Theorie bestimmt Stoffauswahl, Aufbau und Darstellung des Buches: Von Oertzen will nicht nur die Legalstrukturen untersuchen, sondern die Wechselwirkung zwischen Staatspraxis und juristischer Reflexion in der Wirkungsrichtung „Basis erzeugt Überbau“ und „Überbau wirkt auf Basis zurück“. Das Buch untersucht also die Rechtswissenschaft als sozial bedingtes und wirkendes Phänomen. Der Autor untersucht die Entstehung des staatsrechtlichen Positivismus als Überbauerscheinung. Er erfasst dies als juristische Reflexion über die Realität des Staates in der Bindung der Basis und der Reflektierenden an den zum Zeitpunkt der Entstehung des Positivismus vorhandenen Überbau. Danach werden die Auswirkungen dieser Reflexion als neue Überbauerscheinungen auf die reale gesellschaftliche Basis dargestellt. |
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2. Die Analyse der Entstehungsbedingungen des staatsrechtlichen Positivismus |
a) Die „Staatslehre des monarchischen Prinzips“ |
Der historische Ausgangspunkt des Buches ist die Situation zwischen der Revolution von 1848 und der Reichsgründung von 1871.11 Die gesellschaftliche Basis vorher war der absolutistische Fürstenstaat. Der Fürst war unumschränkter Herrscher, dessen Machtausübung nicht an das Zutun anderer Menschen gebunden war. Der diesem Zustand entsprechende juristische Überbau war die Doktrin der Fürstensouveränität. Der Fürst war Inhaber aller Herrschaftsbefugnisse und keiner irdischen Macht unterworfen; seine Herrschaft war absolut. Die fürstlichen Machtbefugnisse waren ein Bündel von Rechten, das dem Herrscher das Recht auf Gehorsam gab. Der weltanschauliche Überbau war von christlichen Vorstellungen geprägt. Unangefochten war das Denken von Gott her, dessen Existenz und Allmacht zum kaum angefochtenen Inhalt des Überbaus zählte. Der Herrscher war Herrscher von Gottes Gnaden, also von keiner irdischen Macht eingesetzt und nur Gottes Willen unterworfen. Allerdings war der Herrscher in die göttliche Weltordnung eingebunden – hier wirkte insbesondere das Denken des Thomas von Aquin nach. Die göttlichen Gebote banden auch den Herrscher; nur nicht mehr im Sinne einer Verbindlichkeit, die Thomas noch annahm.12 Sie waren ein moralisches Korrektiv für den Herrscher; ein Verstoß des vom Herrscher gesetzten Rechts gegen göttliches Recht führte nicht zu juristischen Konsequenzen; der Herrscher hatte diese moralische Verfehlung aber vor Gott zu verantworten. |
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Die aus diesen Grundlagen entwickelte Staatslehre bezeichnet von Oertzen als „Staatslehre des monarchischen Prinzips“13 und stellt sie am Beispiel Friedrich Julius Stahls14 dar. Stahl geht vom Gedanken eines „sittlichen Reichs“ aus: Gesellschaft und Herrschaft sind eine von Gott gestiftete Einheit, auf die sich alle Mitglieder nach sittlichen Motiven einigen.15 Das sittliche Reich sei die Verwirklichung der Ordnung und Macht über den freien Menschen.16 In dieser Ordnung ist die Obrigkeit eingesetzt, was ihre Legitimität begründet. Sie ist damit aber zugleich eingebunden in die übergreifende sittliche Ordnung. Deren unwandelbares, vom Menschen unabänderliches Wollen bindet die Herrschaft.17 Mit dieser Ansicht ist für von Oertzen notwendig verbunden, dass der Staat nicht als Produkt des menschlichen Willens angesehen werden kann.18 Weiterhin bedinge die Idee des sittlichen Reichs, dass der Einzelne durch die sittliche Ordnung mit Freiheit begabt ist.19 Das führt dazu, dass der Staat Rechtsstaat sein muss. Nur durch das allgemein geltende Gesetz kann die Freiheit beschränkt werden, ohne dass von der sittlichen Ordnung verbotene Willkür obwaltet.20 Denn die sittliche Ordnung gilt allgemein. Damit dürfen auch die von Menschen gemachten Freiheitsbeschränkungen nur allgemein sein. Der bis Stahl unangefochtene Gottesbezug spiegelt sich als Überbauelement deutlich in seiner Konstruktion des sittlichen Reichs wieder. Am Gottgnadentum und der sittlichen Überwölbung der Herrschaft wird ebenfalls nicht gerüttelt.21 |
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Stahls Werk entstand kurz nach der sieglosen Revolution von 1848. Es stellt insofern das letzte Werk dar, das vom vorrevolutionären Zustand von gesellschaftlicher Basis und Überbau beeinflusst ist.22 Stahls Orientierung am Staats- und Herrscherbild der vorrevolutionären Epoche ist für von Oertzen unverkennbar.23 Insofern sei seine Lehre Sinnbild der Struktur des gesamten Staatsdenkens seiner Zeit.24 Für von Oertzen erscheint Stahls Denken also als der Überbau, der sich notwendig ergab aus der gesellschaftlichen Basis, die von einem tatsächlich weitgehend unangefochtenen monarchischen Staat auf christlicher Grundlage bestimmt war. Rechtlicher Ausdruck dieser realen Verhältnisse war das Recht eines monarchischen Staates mit Bindung an ein ethisches Korsett, das aus religiösen Vorstellungen gespeist wurde. |
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b) Der Übergang zur „liberalen Rechtsstaatstheorie“ |
Vor der Revolution entwickelt sich der vom Bildungs- und Besitzbürgertum getragene Liberalismus. Die gesellschaftliche Basis dieser Zeit ist von Umbrüchen in den Wirtschaftsstrukturen geprägt. Überkommen ist die feudal-agrarische Wirtschaft. In ihr entwickelte sich die vor- und frühindustrielle Warenproduktion. Die Voraussetzungen für die Entfaltung der industriellen Produktion sind ein einheitlicher großer Markt, die Freiheit des Unternehmertums sowie die persönliche Freiheit der potentiellen Arbeiter. Die feudale Ordnung der Erbuntertänigkeit und der deutschen Kleinstaaterei ließ solche Bedingungen nur in begrenztem Umfang zu. |
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Nach marxistischer Theorie finden sich hier also gesellschaftliche Widersprüche, die die dialektische Entwicklung der sozialen Verhältnisse antreiben. Dies muss – dem Gesetz des Umschlagens quantitativer Veränderungen in qualitative gemäß – zu Bemühungen zur Umwälzung des Überbaus führen: Das Bürgertum drängt auf Abschaffung der feudalen Schranken. Es fordert die Möglichkeit seiner Selbstverwirklichung, was in der Forderung nach Freiheit der Gesellschaft Ausdruck erhält. Mit anderen Worten drängt das Bürgertum nach Volkssouveränität25 – die Gesellschaft solle selbst über ihre (wirtschaftlichen) Verhältnisse entscheiden dürfen, was die politische Macht des Volkes bedeutet. |
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Um im marxistischen Sprachgebrauch zu bleiben, waren die sozialen Widersprüche dieser Zeit aber nicht stark genug, um eine vollständige Umwälzung des Überbaus hin zur Volkssouveränität zu bewirken. Das Produkt der Kämpfe von 1848 und danach war die Etablierung konstitutioneller Monarchien in den deutschen Staaten. Der Dualismus von Fürstenherrschaft und Parlamentsrechten entstand. Diese Auseinandersetzung von Monarchie und Bürgertum ist der marxistische Kampf der Gegensätze in der gesellschaftlichen Basis. Der sich hieraus entwickelnde Überbau spiegelt diese Basiserscheinungen wider: Die Fürstenherrschaft mit Anspruch auf Fürstensouveränität besteht fort. Dagegen erobert das Bürgertum einen Anteil an der Herrschaft in Form parlamentarischer Mitentscheidungsrechte. Das Prinzip, das dies legitimiert, ist die Forderung nach Volkssouveränität, die sich in dem Maße realisiert, wie der Kampf der Gegensätze in der Basis zugunsten des Bürgertums entschieden wird. |
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Von Oertzen spürt dem juristischen Nachvollzug dieser Entwicklung in Gestalt von Mohl, Rönne und Bähr nach, welche er als Vertreter der „liberalen Rechtsstaatstheorie“ zusammenfasst.26 Diese Theorie sei gekennzeichnet durch eine Abwandlung der Rechtsstaatsidee in besonders charakteristischer Weise. Die Grundsätze der überkommenen Staatslehre werden modifiziert und die alte Grundstruktur bleibe erhalten.27 Als „Zwischenstellung“ bezeichnet von Oertzen diese Theorie28 und deutet damit an, dass ihr Wesen darin liegt, nicht mehr die alte Fürstensouveränität voll vertreten zu können, aber auch noch nicht die Volkssouveränität. Der Kampf der alten und neuen Strömungen in der gesellschaftlichen Basis und der Umstand, dass er noch nicht entschieden ist, spiegelt sich in einem juristischen Überbau wider, der den Kampf beider Strömungen anerkennen muss. |
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Diese neue Lehre geht von einer neu entstandenen Gesellschaftsstruktur aus. Die Entstehung frühkapitalistischer Wirtschaftsverhältnisse bewirkte eine neuartige Ausdifferenzierung divergierender sozialer Interessen, vor allem in Gestalt der sich gegenüberstehenden ökonomisch bedingten Interessen der wirtschaftlichen Klassen. Daraus habe die liberale Rechtsstaatstheorie ihren Staatsbegriff entwickelt. Der Staat sei ein von Menschen geschaffenes Produkt der Gesellschaft, mit der Aufgabe, der Gesellschaft zu dienen, indem er einen Ausgleich der divergierenden Interessen schafft.29 Damit wird der Staat nur noch auf einen menschlichen Willensakt zurückgeführt und von seinen Bindungen an das sittliche Reich Stahls gelöst.30 Damit einhergehen musste die Forderung auf Schutz individueller Rechte durch die Verfassung, da sittliche Vorgaben diese Aufgabe nicht mehr erfüllen konnten.31 |
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Weiterhin setzte sich mit dem sich verfestigenden Dualismus von Monarch und Parlament ein neues Souveränitätsverständnis durch. Der Monarch kann seinen Willen nicht mehr unumschränkt durchsetzen, scheidet damit als Zurechnungssubjekt der Souveränität aus. Das Parlament, das das Bürgertum repräsentiert, hat nur teilweise Mitspracherechte erstritten, scheidet also gleichfalls als Zurechnungssubjekt aus. Es bleibt nur, an das reale dualistische Machtgeflecht anzuknüpfen32; beide Machtpole als Organe des Staates und den Staat als die souveräne Entität anzusehen.33 |
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Dieser Dualismus habe eine weit reichende Folge für die Formalisierung des Staatsrechtsdenkens gehabt. Da der Staat Willensverband der Menschen geworden war, waren nur noch Willensäußerungen wichtig für die juristische Beurteilung. So wurde das Gesetz, in dem sich Willen des Monarchen und des Parlaments ausdrückten, zum zentralen Begriff des Staatsrechts.34 Hier liegt für von Oertzen der Grundstein des Positivismus. Die Loslösung der Staatsmacht von überrechtlicher Ordnung und Konzentration auf das Gesetz führen zum Ausscheiden aller anderen im Staate vorfindlichen politischen Vorgänge aus dem Bereich des rechtlich Relevanten.35 |
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Von Oertzen exemplifiziert diesen Übergang an der Entwicklung des Staatsdenkens Gerbers. Er sieht in ihm einen Vertreter, der von der früheren Lehre kommend, den Wandel der gesellschaftlichen Basis mit vollzieht, sein Denken also den Veränderungen anpasst.36 Mit Gerber setzt sich die Auffassung durch, dass Monarch und Parlament Organe des Staates sind.37 Gerber sieht im Staat das Volk selbst in seiner politischen Gestaltung.38 Genauer wird er dadurch charakterisiert, dass die Entwicklungen des 18. Jh. abgebrochen und von gänzlich neuen abgelöst wurden.39 Nach Gerber ist das die Grundbedingung für das Verständnis des Staatsrechts seiner Zeit – mit den politischen Veränderungen hat sich die Wissenschaft vom Staatsrecht verändert.40 In Gerbers Staat sind die Stände Repräsentanten des gesamten Volkes geworden.41 Der Staat wurde zum Staat seiner Bürger; zu einem in einheitlicher Handlungsfähigkeit wirkenden Gemeinwesen42 Damit ist für Gerber verbunden gewesen, dass Staatswille und Volkswille in eins fallen und durch den Monarchen formuliert und verkörpert werden.43 |
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Von Oertzen hält dieses Nebeneinander von Monarchen- und Parlamentsrechten für unmöglich und widersprüchlich44, weshalb er Gerbers Lehre als unlogisch verwirft. Der Widerspruch liege in der Unauflöslichkeit des Dualismus von Herrschaftsrechten. Die Idee der Monarchie strebe der Fürstensouveränität zu; auf der anderen Seite wäre die folgerichtige Konsequenz aus dem Volksherrschaftsgedanken die Volkssouveränität.45 An dieser Stelle scheint von Oertzen den Boden des historischen Materialismus verlassen zu wollen, denn er wirft Gerber vor, kein widerspruchsfreies System aus seiner Reflexion über die soziale Wirklichkeit konstruieren zu können46, auch wenn der Machtdualismus der Realität entsprach47. Nach dem historischen Materialismus hätte es näher gelegen, den Gerberschen Überbauentwurf als adäquate Widerspiegelung der realen Basis anzusehen. Das hätte nicht zur Annahme eines logischen Widerspruchs führen müssen. Der Bezugspunkt eines jeden Systems ist die Realität, die in ihm geordnet abgebildet werden soll. Erkennt man gemäß dem Gesetz der Einheit und des Kampfes der Gegensätze an, dass in der Realität Widersprüche anzutreffen sind, muss auch ein diese Wirklichkeit reflektierendes System diese Widersprüche abbilden, um wirklichkeitsadäquat zu sein. Reale Widersprüche lassen sich nicht durch logische Operationen in gedanklichen Abbildern der Realität auflösen, sondern nur in der Realität selbst. Ist die Realität von einem Widerspruch der Machtansprüche des Monarchen und des im Parlament vertretenen Bürgertums gekennzeichnet, welcher nicht aufgelöst, d.h. nicht durch Obsiegen eines der Prätendenten zur Synthese der Widersprüche gebracht ist, muss das juristische System diese im normierten Verfassungsrecht angelegten Widersprüche enthalten, um das Recht richtig zu erkennen. Das Patt im Kampf der Prätendenten wird in der realen Auseinandersetzung, nicht im juristischen System entschieden. Die Kritik von Oertzens verfehlt also das Wesen der Jurisprudenz, die das Recht beschreiben soll, wie es gesetzt wurde. Er verlangt eine wissenschaftliche Kreativität, die dem Juristen ein Abgehen vom Recht aufzwänge, also die bewusste Missachtung des Gesetzgebers in Kauf nehmen müsste, um die real gegebenen Widersprüche und Machtansprüche einebnen zu können, statt in der Ermöglichung der realen Machtrivalitäten einen Wesenszug des Verfassungsrechts zu erblicken. |
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c) Der angebliche Funktionswandel des Staatsrechts |
Diese detaillierte Literaturexegese dient von Oertzen als Weg der Gewinnung von Ausgangsmaterial zur Formulierung seiner Kritik an der positivistischen Rechtslehre, die er unter dem Gesichtspunkt des Funktionswandels des Staatsrechts anbringt. |
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Zunächst konstatiert von Oertzen, dass sich nach Gerber das positivistische Konzept in der deutschen Staatsrechtslehre durchgesetzt habe.48 Damit habe sich der schon bei Gerber anzutreffende logische Fehler seines staatsrechtlichen Systems durchgesetzt. Die im dualistischen System der Staatsorgane angelegte Widersprüchlichkeit lasse sich nicht mit dem Anspruch systemimmanenter wissenschaftlicher Deduktion auflösen, da ein Rekurs auf außerrechtliche (soziale und ethische) Letztbegründungen nicht mehr möglich ist.49 Besonders deutlich werde das am Gesetzesbegriff von Laband. Dieser unterschied nur noch zwischen Gesetzen im formellen Sinne (also alle in formalem Gesetzgebungsverfahren erzeugte Normen) und im materiellen Sinne (also alle abstrakt-generellen Normbefehle an die Rechtsunterworfenen, die ein Gesetzgeber im formalen Verfahren erlassen hat).50 Damit habe er sich vom Rechtsbegriff der Vorkonstitutionalisten abgesetzt: Diese sahen im Gesetz einen Befehl des Monarchen, der darauf gerichtet sein musste, die über dem Recht stehende sittliche Ordnung durch menschlichen Akt zu verwirklichen und zu schützen. Bei Laband genügt sich das Gesetzgebungsverfahren selbst, bei vorherigen Denkern musste das Gesetz die wissenschaftliche Prüfung anhand der metarechtlichen sittlichen Ordnung bestehen.51 |
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Damit hörte das Recht auf, eine zum Teil auch überstaatliche Ordnung zu sein.52 Es konnte damit einem von der positiven Verfassung zugelassenen Macht- und Meinungskampf keine Schranken mehr setzen.53 Das Bürgertum konnte nun versuchen, seine ökonomischen und politischen Interessen gegen andere soziale Kräfte durchzusetzen, indem es diese in Form staatlicher Normbefehle zu bringen versuchte. Schranken der Interessenverfolgung aus einer sittlichen Ordnung gab es nicht mehr. Das Recht hörte auf, eine Legitimationsbasis für die Kritik am Inhalt des positiven Rechts und der zu seiner Verwirklichung ergriffenen Maßnahmen der Staatsorgane zu sein. |
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Das positive Moment dieser Entwicklung ist die damit bewirkte zunehmende Emanzipation der Gesellschaft. Sie wird von überkommenen, als unabänderlich geltenden Zwängen für ihre Gestaltung durch ihre Mitglieder selbst befreit. Das ist die Basis für eine freie Entwicklung, deren Regeln und Herrschaftsmodalitäten durch das Ausfechten sozialer Antagonismen entstehen – ein Prozess, an dem alle Mitglieder der politischen Bürgerschaft des Staates teilnehmen können. Von Oertzen betont die – für ihn – negative Seite dieser Entwicklung. Die Angewiesenheit auf die Aushandlung des regulativen Rahmens gesellschaftlicher Interaktionen scheint für ihn ein schwer zu akzeptierender Verlust an Orientierungsgewissheit zu sein. Er exemplifiziert dies an der Bestimmung des Gemeinwohls im Sinne Rousseaus: Ein auf Mehrheitsentscheidung und Willenseinigung angelegtes System könne nicht erklären, mit welchem Automatismus sich die auf das Gemeinwohl gerichtete volonté générale im Mehrheitswillen durchsetzt.54 Er muss damit einen Gemeinwohlbegriff voraussetzen, der abstrakt ohne Rücksicht auf die politischen Bedürfnisse und Wünsche innerhalb der Gesellschaft bestimmbar ist. Denn er spricht einem solchen System die Garantie für vernünftige Bestimmungen des Gemeinwohls ab55, was einen vernünftig (also ausschließlich mit den Mitteln der erkennenden Vernunft) bestimmbaren Inhalt des Gemeinwohls zur notwendigen Voraussetzung hätte. Ein mit verbindlichen ethischen Inhalten ausgestattetes Rechtssystem könnte jede politische Mehrheit an unabänderliche Gemeinwohlpostulate binden. Das mag zwar helfen, den Einzelnen nicht zum schrankenlos dem Meinungskampf der politischen Kräfte Augesetzten zu machen. Die Nachteile, die diese Möglichkeit besonders in einem demokratischen Gemeinwesen haben kann, sind alsbald zu erörtern und gemahnen zur Vorsicht bei der Postulierung übergesetzlicher Rechtsinhalte. |
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C. Bedenken gegen die methodischen Konsequenzen der Kritik von Oertzens |
Nach dieser Analyse des Funktionswandels der Staatsrechtswissenschaft hätte man erwartet, dass von Oertzen die realen politischen Konsequenzen daraus beschreibt und ein Gegenmodell entwickelt, das diese Konsequenzen vermeidet. Diesen Entwurf bleibt er aber schuldig. Nimmt man die Implikationen, die in seiner Kritik stecken, zu Hilfe, lässt sich aber von Oertzens Motivation rekonstruieren. |
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Breiten Raum widmet von Oertzen der Darstellung der Staatslehre des monarchischen Prinzips und betont immer wieder die dort vorhandene organische Verbindung des Staatsrechts mit einem überrechtlichen sozialethischen Imperativensystem. Ihm wird die Loslösung des Rechtsdenkens von dieser metarechtlichen Ordnung, die die Einbeziehung sozialer Erscheinungen und ethischer Postulate in die Rechtserkenntnis unmöglich macht, zum eigentlichen Problem des Staatsrechtsdenkens. Denn er spricht diesen Befund häufig an und betont ebenso häufig den daraus entspringenden scheinbaren logischen Fehler des positivistischen Modells. Man wird von Oertzen nicht über- oder fehlinterpretieren, wenn man ihm unterstellt, dass ihm an der Rückgängigmachung dieser Entwicklung des Denkens gelegen ist. |
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Die Konsequenz daraus wäre, den Staat wieder als sozial bedingte Erscheinung zu begreifen und die Wechselbezüglichkeit der realen gesellschaftlichen Situation mit dem daraus resultierenden Rechtsinhalt in den Prozess juristischer Rechtsfindung zu reintegrieren. Als gesellschaftliche Basis dieser interdependenten Interpretation kämen alle gesellschaftlichen Funktions- und Entwicklungsgesetze in Betracht. Diese bekämen als Interpretationsmaximen und normative Grenzen des zulässigen Rechtsinhalts rechtliche Bedeutung. Im Ergebnis heißt das, dass dem auf Aushandlung sozialer Kompromisse angelegten demokratischen System der Setzung positiven Rechts eine metajuristische Ordnung übergeordnet werden soll, die es ermöglicht, den im sozialen Ringen der Kräfte ausgehandelten politischen Kompromiss oder eine Mehrheitsentscheidung inhaltlich mit als rechtlich verstandenen außerrechtlichen Wertungen kritisieren und gegebenenfalls mit dem Verdikt rechtlichen Unzulässigkeit verwerfen zu können.56 |
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Was Gemeinwohl ist, wird im durch das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG bestimmten Staat prozedural bestimmt. Dieter Grimm hat dies treffend als Charakteristikum aller demokratischen Verfassungen, die seit der französischen Revolution entstanden, herausgestellt: „Das ... Charakteristikum lag in der Veränderung des Gemeinwohls, das sich nach der Umstellung der Gesellschaftsordnung auf das Grundprinzip gleicher individueller Freiheit ohne Zutun des Staates aus gesellschaftlicher Selbststeuerung ergeben sollte. Das Gemeinwohl wurde dadurch als Grund der Vergesellschaftung nicht obsolet. Es verlor aber seine Eigenschaft als feststehende substantielle Größe. Über die Frage, was dem Gemeinwohl dient, waren legitimerweise unterschiedliche Auffassungen möglich, zwischen denen nicht mehr im Rekurs auf Wahrheit ausgewählt werden konnte. Das Gemeinwohl wurde insofern pluralisiert. Über die gleichwohl unumgehbare Frage, was als Gemeinwohl zu gelten hat, mußte dann in einem politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess entschieden werden.“57 Von Oertzen scheint dagegen zurück zur Möglichkeit des Wahrheitsrekurses zu wollen. Was Gemeinwohl ist, wäre dann nicht mehr Gegenstand des Meinungskampfes, an dem jeder Bürger teilnehmen kann, sondern inhaltlich vorbestimmt durch den Inhalt der sozialen und ökonomischen Anschauungen, die als metajuristische Vorgaben eingeführt würden. Was deren Inhalt ist, könnte der Gesetzgeber nur erkennen, nicht selbst bestimmen. Letztlich soll also der Jurist zur Deutung berufen sein; er definierte, was Gemeinwohl ist und gäbe damit dem Gesetzgeber Handlungsanweisungen. |
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Hinzu käme ein weiterer Aspekt neben dieser begrenzenden Funktion der metarechtlichen Ordnung: Die Definition des Staates als eines der Verwirklichung metarechtlicher Zwecke dienenden Mittels der Gesellschaft zieht die Pflicht des Staates nach sich, das Gemeinwohl zu verwirklichen. Deutete man dieses metarechtlich, ergäben sich Handlungspflichten des Staates: Es obläge nicht mehr der politischen Opportunität, ob und wie welche Ziele verfolgt werden. Die Politik müsste das umsetzen, was der Jurist ihr als Gemeinwohl vorgibt. |
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Der tendenziell den Wirkungsbereich des Demokratieprinzips schmälernde Effekt dieser Ansicht liegt klar zu Tage. Der demokratische Versuch – also die Möglichkeit selbstbestimmter Individuen, selbst bejahte Werte zu leben und durch den Versuch, für diese Werte Mehrheiten zu finden und dadurch ein allgemein akzeptiertes Wertefundament durch die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit finden zu lassen – soll abgelöst werden durch eine Art inspirierten Staatspriestertums. Dieses schöpfte aus seiner (politischen, ideologischen, religiösen etc.) Inspiration einen als unabänderlich verstandenen und mehrheitsunabhängigen Wertehorizont, der in der und durch die Verfassung zur Verwirklichung zu bringen ist. Der Gesellschaft werden die Aufgabe und die Möglichkeit zur Eigenverantwortung in dem Maße genommen, in dem die politischen Meinungsströmungen in Opposition zu den übergesetzlichen Vorgaben stehen.58 |
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Das ist die Gefahr im Großen. Die Gefahr im Kleinen liegt in einer zu weit gehenden Werteaufladung des Rechts in Form einer wertebetonten Verfassungsinterpretation. Diese operiert auf einer anderen Ebene der Verfassungsinterpretation mit vergleichbarem Handlungsinstrumentarium und mit Zielen, die denen der radikalen Neuorientierung von Oertzens vergleichbar sind. Diese Interpretation bedient sich gleichfalls außergesetzlicher Werte, teils mit sozialethischer teils auch mit religiös motivierter Begründung. Diese werden in den Interpretationsbefund aus der positiven Verfassung hinein gebracht, indem sie zur Ausfüllung von Lücken oder zur Deutung offener Begriffe verwendet werden. Die Gefahr liegt bei beiden Methoden in der Werteakzeptanz und den Kriterien ihrer Ermittlung. Je weniger sich die interpretatorische Entscheidung für oder gegen die Verwirklichung eines bestimmten Wertes darauf stützen kann, dass der Wert im Rahmen der Wertordnung des GG einen stimmigen Bestandteil bildet, der den im GG angedeuteten positiven Werteentscheidungen nicht widerspricht und damit die Möglichkeit, diesem Wert im Gefüge der Verfassung Geltung oder Verwirklichungsmöglichkeiten geben zu können, stützen kann, desto mehr wird die Wertentscheidung zu einer originären Entscheidung des Interpreten und entfernt sich damit immer weiter von den Werteverwirklichungsabsichten des Verfassungs- oder Gesetzgebers. Diesbezüglich liegen die Absichten von Oertzens und einer stark wertebetonten Verfassungsinterpretation nur an verschiedenen Punkten des gleichen Kontinuums. |
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Freilich soll damit nicht gesagt sein, dass die Verfassungsinterpretation ohne Rekurs auf außerrechtliche Werte auskommen soll. Das wäre unmöglich angesichts der ausfüllungsbedürftigen Offenheit und Weite von Verfassungsbestimmungen. Man muss ethisch und gesellschaftlich fundierte Gesichtspunkte zu Hilfe nehmen, um im Bedeutungsrahmen von Verfassungsbegriffen eindeutige Entscheidungen fällen zu können.59 Allerdings liegt in der Anerkennung des Demokratieprinzips durch das GG zugleich die Garantie dafür, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative hat, über die Gemeinwohlverträglichkeit bestimmter Werte und über deren rechtliche Verwirklichung zu befinden. Hieraus folgt eine notwendige Vorsicht bei der wertorientierten Grundgesetzinterpretation. Werteentscheidungen sind zuförderst dem rechtlich positivierten demokratischen Grundkonsens zu entnehmen – und dieser Grundkonsens ist die Verfassung.60 Deren Freiheitsgarantien und Bindungen, ihr Sozial- und Menschenbild sind Regelungen, durch die der Verfassungsgeber außergesetzliche Werte normativ abgesichert hat. Über den Eingang nichtpositivierter Werte in die Interpretation der Verfassung entscheidet diese grundsätzlich selbst.61 Werte, die aufgrund ihrer demokratischen Akzeptanz Eingang in das GG gefunden haben, stehen damit (auch mit ihrem außerrechtlich geprägten Inhalt) für die Interpretation zur Verfügung. Aber auch Wertimportsperren sind dem GG zu entnehmen. So wollten wohl auch die Schöpfer des GG ihr Werk verstanden wissen. Sie wollten bestimmte Werte ausschließen, indem sie die beantragte Verankerung einiger religiös geprägter Leitbilder im GG mehrheitlich ablehnten.62 Man kann daraus schließen, dass das GG damit auch die Funktion haben sollte, bestimmte Werte von ihrer rechtlichen Anerkennung auszunehmen. Anderenfalls hätte die Nichtaufnahme bestimmter Werte keine Bedeutung, wäre also der politischen Auseinandersetzung nicht Wert gewesen, da sie ohnehin im Wege der Interpretation zu rechtlich anerkannten Maximen gemacht werden könnten. Zwischen diesen Extremen – der am Normtext feststellbaren Aufnahme und Nichtaufnahme von Werten in das GG – liegen die Fälle, in denen der Textbefund keine eindeutigen Kriterien liefern kann. Verfassungsnormative Antworten auf die Frage, ob ein bestimmter Wert zur Interpretation herangezogen werden kann, fehlen hier. Hier wird die Entscheidung über das für oder wider der Aufnahme eines bestimmten Wertes in die Verfassungsinterpretation zu einer Entscheidung, die der Interpret fällen muss. Als Leitbild für die Suche nach einer Antwort kann hier nur Vorsicht empfohlen werden: Die Vorsicht, Wertebezüge nur so zu verwenden, dass das positiv angelegte Verfassungsgefüge durch die Verwirklichung des in Frage stehenden Wertes nicht an Substanz verliert; weder in seiner freiheitlichen Dimension, die es jedem freistellt, im gesetzlich nicht geregelten Bereich eigenen Wertüberzeugungen zu folgen, noch in der dynamischen Dimension, die eine Rechtsentwicklung als vom Gesetzgeber wahrzunehmende Möglichkeit sichern will. Durch vorgängige Interpretation dürfen der Freiheitsraum des Individuums und die Möglichkeit des Gesetzgebers, bestimmte Werte rechtlich verbindlich zu machen, nicht geschmälert werden. Eine subjektive Wertüberzeugung des Interpreten genügt also nicht, die Interpretation muss ihre Vorgaben mit der Verfassung in Einklang bringen können.63 Mehr als diesen Grundsatz kann man auf so kurzem Raum nicht entwickeln; vertiefte Betrachtungen wären Gegenstand einer gesonderten Darstellung. |
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Damit erweist sich der Positivismus als Basis einer Dogmatik, die sich der Interpretation demokratisch-pluralistischer Verfassungen widmet. Die Betonung von Werten im Recht muss sich stets anhand der positiven Verfassung rechtfertigen lassen. Fehlen Wertentscheidungen der Verfassung, muss der Interpret darauf achten, dass sich der von ihm herangezogene Wert in das Wertegefüge der Verfassung einordnen lässt. Dieser Auslegungsgrundsatz gibt die Möglichkeit der Interpretation der Verfassung unter Zuhilfenahme außerrechtlicher Wertebezüge, vermeidet aber die Konsequenz einer Verlagerung von legitimationsbedürftigen Gesetzgeberentscheidungen auf den nicht legitimierten Interpreten, deren Ermöglichung das Werk von Oertzens das Wort redete. |
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Die Abhängigkeit des Staatsrechtsdenkens von den realen politischen und sozialen Gegebenheiten hat von Oertzen zutreffend betont und minutiös nachgewiesen. Gegen seine Kritik hat sich eine positivistische Grundorientierung einer wertebewussten Verfassungsdogmatik als eine der demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassung – und der von ihr verfassten Gesellschaft – als die ihrem Gegenstand adäquatere Methode herausgestellt. |
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Fußnoten: * Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, juristische Rhetorik und Rechtsphilosophie der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen. 1 Peter von Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus. Eine wissenssoziologische Studie über die Entstehung des formalistischen Positivismus in der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Frankfurt am Main 1974. 2 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 7 ff. Die Methode der Kritik am Positivismus wird insbesondere in § 2 der Einleitung ab S. 27 vorgestellt. 3 Das ist wohl aber eine unzeitige Kritik. Dass nicht alle marxistischen Doktrinen angesprochen werden, mag nur dem heutigen Leser als Mangel erscheinen. Zu der Zeit, als das Werk entstand, war der Marxismus eine allgemein bekannte Größe; man konnte seine Kenntnis voraussetzen. 4 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: Boris Goldenberg (Hg.), Marx/Engels. Ausgewählte Schriften, Bd. II, München 1962, S. 146 ff. 5 Vgl. zur Basis-Überbau-Lehre ihren Begründer Karl Marx, Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie (1859), Neuausgabe Berlin (Ost) 1947, S. 12 ff. und Karl Kautsky, Materialistische Geschichtsauffassung, Bd. I: Natur und Gesellschaft, Berlin 1927, S. 817. 6 Wladimir I. Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus (1908), dt. Ausgabe Moskau 1947, S. 348. 7 Vgl. hierzu Engels, Ludwig Feuerbach (Anm. 4), S. 154 ff. 8 Damit bildet das Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative die Grundlage der marxistischen Revolutionstheorie: Solange sich die Produktivkräfte als Basisbestandteile innerhalb der rechtlichen, sozialen und weltanschaulichen Grenzen des Überbaus einer gegebenen Gesellschaft relativ ungestört entwickeln können, vollziehen sie diese Entwicklung im Rahmen dieser Basis. Stößt die Entwicklung an die Grenzen, die der Überbau zieht, kommt es zur Revolution, mit der Folge, dass die obsiegenden Revolutionäre einen neuen Überbau aus ihren rechtlichen, weltanschaulichen und sozialen Vorstellungen schaffen. 9 Vgl. hierzu und zu der nachfolgend dargestellten Argumentation von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 33 ff. 10 Christof Helberger, Marxismus als Methode, Frankfurt am Main 1974, S. 67. 11 Dies deutet von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 72 an, indem er auf die Ereignisse von 1848 und die politischen Strömungen nach der Revolution hinweist. 12 Vgl. zum Rechtsdenken des Thomas von Aquin Franz-Martin Schmölz, Recht und Politik bei Thomas von Aquin, in: Erhard Mock/Georg Wieland (Hg.), Rechts- und Sozialphilosophie des Mittelalters, Frankfurt am Main u.a. 1990, S. 29 ff. 13 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 72 verwendet diesen Begriff in der Kapitelüberschrift. 14 Von Oertzen , Soziale Funktion (Anm. 1), S. 72 ff. Ab S. 82 werden auch noch einige andere Vertreter dieser Strömung besprochen. Doch macht sich die Kritik von Oertzens wesentlich an von Stahl fest, weshalb nur auf ihn eingegangen werden soll. 15 Friedrich Julius Stahl, Rechts- und Staatslehre, Bd. II, 3. Aufl., Tübingen 1856, S. 1. 16 Stahl, Staatslehre (Anm. 15), S. 12. 17 Vgl. hierzu von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 73 mit den Nachweisen der Stahlschen Werke. 18 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 73 f. 19 Stahl, Staatslehre (Anm. 15), S. 12. 20 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 75. 21 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 78 f. 22 Diese Annahme scheint gerechtfertigt, wenn man sich den Umfang des Stahlschen Opus vor Augen hält. Ein derart umfangreiches Werk kann in dieser konzisen Form nur das Produkt längerer Überlegungen gewesen sein. Diese Überlegungen müssen auf die Zeit vor der Revolution von 1848 zurückgehen. 23 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 79. 24 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 81. 25 Wobei in der Revolution von 1848 und danach das Bürgertum einen Volksbegriff vertrat, der gerade die Arbeiterschichten ausschließen wollte. 26 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 96. 27 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 96. 28 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 96. 29 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 96 mit Hinweis auf die auf viele Fundstellen verstreuten Äußerungen Mohls. 30 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 98, 109. 31 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 100. 32 Mohl erkennt diesen Dualismus seiner Zeit an; vgl. Robert von Mohl, Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 1, Erlangen 1855, S. 282. 33 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 116 f., 119 der dies u.a. am Beispiel der Souveränitätsauffassung Zacharieas belegt; vgl. Heinrich Albert Zachariae, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1, 3. Aufl., Göttingen 1865, S. 67. Auf S. 122 sagt von Oertzen deutlich, dass diese Denkungsart ein ziemlich deutliches Abbild der in Deutschland damals herrschenden Zustände gewesen sei. 34 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 119 ff. mit Hinweis auf entsprechende Passagen bei Johann Caspar Bluntschli, Die Lehre vom modernen Staat, Bd. 1, 6. Aufl., Stuttgart 1886, S. 18 ff. 35 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 109 f. 36 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 170. 37 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 186. 38 Carl Friedrich von Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl., Leipzig 1869, S. VII f. 39 Gerber, Grundzüge (Anm. 38), S. 9 f. 40 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 176 mit Hinweis auf Gerber, Grundzüge (Anm. 38), S. 211 f. 41 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 171. 42 Gerber, Grundzüge (Anm. 38), S. 49 f., 219. Auf S. 18 nennt er diesen Staat den „organischen Volksstaat“. 43 Gerber, Grundzüge (Anm. 38), S. 73. 44 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 185. 45 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 189 f. 46 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 191. 47 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 189. 48 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 249 ff. belegt dies mit einigen staatsrechtlichen Autoren. Nach Friedrich Müller/Ralph Christensen, Juristische Methodik, Band I Grundlagen Öffentliches Recht, 8. Aufl., Berlin 2002, S. 87 habe der bestimmende Einfluss des Positivismus in der deutschen Staatsrechtslehre bis nach dem Ersten Weltkrieg angehalten. 49 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 253. 50 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 259 mit den Nachweisen der Schriften Labands. 51 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 259 f. 52 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 260. 53 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 265. 54 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 265 f. 55 Von Oertzen, Soziale Funktion (Anm. 1), S. 265. 56 Dieter Grimm, Reformailisierung des Rechtsstaats als Demokratiepostulat?, in: JuS 1980, S. 704 (707) sieht die gleiche Gefahr einer politischen Obstruktion über den Hebel der Verfassungsinterpretation: Die Forderung nach anderen Interpretationsmechanismen werde von denen erhoben, die ihre Politikziele nicht durchzusetzen vermögen. Diese Forderung diene der Verwirklichung materieller politischer Ziele gegen einen politischen Zeitgeist, der die Erreichung der Ziele auf der politischen Ebene unmöglich macht. 57 Dieter Grimm, § 1. Ursprung und Wandel der Verfassung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Bd. I – Historische Grundlagen, 3. Aufl., Heidelberg 2003, S. 3 ff., Rn. 24. 58 In diesem Sinne argumentieren auch Müller/Christensen, Juristische Methodik I (Anm. 48), S. 173 f. gegen die marxistische Rechtstheorie von Wyschinskyi; sie diagnostizieren eine Substanzverlust der Demokratie, wenn ihre Entscheidungen nur noch Akklamationen einer als objektiv gedachten gesellschaftlichen Wahrheit sind; das Recht würde nur noch als Wirkungsmechanismus objektiver Gesetze aufgefasst. 59 So auch Müller/Christensen, Juristische Methodik I (Anm. 48), S. 103 in ihrer Kritik an einem Positivismusverständnis, das den Normtext nur aus ihm selbst heraus und ohne Bezüge zur zu regelnden Wirklichkeit verstehen will. 60 Ähnlich und inhaltlich allgemeiner auch Müller/Christensen, Juristische Methodik I (Anm. 48), S. 98. 61 So für alle außerrechtlichen Interpretationsgesichtspunkte Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation – Bestandsaufnahme und Kritik, in: NJW 1976, 2089 (2098) und für den Bereich der Grundrechtsdogmatik Müller/Christensen, Juristische Methodik I (Anm. 48), S. 84 f. 62 Die christlichen Parteien versuchten im Parlamentarischen Rat, die Aufnahme von Bestimmungen über Schule, Kirchen und Lebensgemeinschaften in das Grundgesetz durchzusetzen, erhielten dafür aber keine Mehrheit; vgl. Reinhard Mußgnug, § 8. Zustandekommen des Grundgesetzes und Entstehen der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Handbuch (Anm. 57), S. 315 ff., Rn. 336. 63 Böckenförde, Methoden (Anm. 61), S. 2098. |
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