Zitiervorschlag / Citation: |
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Sösemann, Bernd (Hrsg.), | http://www.forhistiur.de/zitat/0906schmitz.htm |
Theodor von Schön. Persönliche Schriften Band 1. Die autobiographischen Fragmente. Bearbeitet von Albrecht Hoppe.Böhlau. Köln, Weimar und Wien 2006, XII., 904 S. 128 €. ISBN: 3-412-23305-6.Rezensiert von: Christian Schmitz (Hannover) |
Es ist bereits an anderer Stelle1 darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Phase der preußischen Reformen nach 1806 quellenmäßig nur unzulänglich aufgearbeitet ist. Einzig die Schaffensperiode des Freiherrn vom Stein, dessen zweihundertfünfzigster Geburtstag im Jahr 2007 in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung fand,2 kann aufgrund der Arbeiten von Botzenhart/Hubatsch3, Scheel/Schmidt4 und Winter5 als gut aufgearbeitet eingestuft werden. Bereits Leben und Werk des Staatskanzlers Hardenberg ist – ausgenommen der alten und unzuverlässigen Edition Rankes6 sowie der kürzlich von Stamm-Kuhlmann7 sorgfältig herausgegebenen Tagebücher, verglichen mit der Bedeutung dieses Staatsmannes für Preußens Zukunft – völlig unvollständig. |
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Ähnlich verhält es sich mit denjenigen Mitgliedern des Stein’schen Reformministeriums,8 im Besonderen Theodor von Schön, Steins bedeutendsten Mitarbeiter, von dem bislang lediglich eine unvollständige Nachlassedition9 aus den Jahren 1875-1883 vorliegt. . |
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Bernd Sösemann10 und Albrecht Hoppe (der die herausragende Transkription und Kommentierung übernahm) füllen diese Lücke und liefern mit dem ersten Band des dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin entnommenen Nachlasses Schöns einen wertvollen Beitrag zum Verständnis jenen Mannes, der bereits 1808 aktiv an einer preußischen Nationalrepräsentation arbeitet11, jederzeit für die Einhaltung der verschiedenen königlichen Verfassungsversprechen eintritt und der – hochbetagt – im Jahre 1848 schließlich als Alterspräsident die preußische Nationalversammlung eröffnet. |
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Die Arbeit, der als Einleitung eine Vita vorgestellt sowie ein vorzügliches bibliographisches Verzeichnis angehängt ist, separiert sich in zwei Teile, wobei der Großteil die „Selbstbiographie“ sowie ein erster, früher Versuch diesbezüglich ausmacht. Bereits in diesen autobiographischen Fragmenten werden die Schwierigkeiten angesprochen, das königliche Verfassungsversprechen vom 22. Mai 1815 einzulösen (S. 386ff.), in welchem der preußische König Friedrich Wilhelm III. seinen Untertanen zusagt, „eine Repräsentation des Volkes“ zu bilden, die sich „mit der Ausarbeitung einer Verfassungs-Urkunde“12 beschäftigen soll. Erhellendes erfährt der Leser ferner über die berühmte Denkschrift „Woher und Wohin“ aus dem Jahr 1840, in der sich Schön für die Einführung einer Nationalrepräsentation und der Ministerverantwortlichkeit ausspricht sowie über das Politische Testament Steins vom November 1808, welches Schön mitentwirft und das Stein als derart brisant einstuft, dass es erst nach seiner Abreise vom Hof veröffentlicht werden sollte (S. 633ff.). |
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Daneben wird dem Leser ein ungeschönter Blick in das innerhöfische Leben zu Zeiten Friedrich Wilhelm III. und dessen Nachfolger geboten, der teilweise an Varnhagen von Enses13 Ausführungen erinnert. So charakterisiert Schön den Kronprinzenerzieher und Hauptvertreter der konservativen Hofpartei Ancillon14 als Opportunisten, „diesen ewigen Vermittler, der bei jeder entschiedenen Meinung erschrak, und immer Wasser und Feuer in Dampf aufzulösen bereit war“ (S. 395). |
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Der vorliegende Band stellt einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Reformgruppe um Stein dar, zumal Schön eine exzeptionelle Stellung insoweit einnimmt, als dass er aufgrund seines hohen Lebensalters die Epoche der Reformen von 1806 über die folgende Restauration und der revolutionären Sternstunde 1848 miterlebt. |
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Sösemann legt eine äußerst sorgfältig aufbereitete Quellenedition vor. Mit ihm hat Schön – analog zu Stein – seinen Botzenhart/Hubatsch gefunden. Die Fachwelt darf gespannt auf die folgenden Bände sein. |
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Fußnoten: 1 Vergleiche nur Büssem, Eberhard: Die Karlsbader Beschlüsse von 1819. Hildesheim 1974, S. 3f. 2 Siehe dazu den ernüchternden Leserbrief des Stein-Biografen Duchhard in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7.2.2008 (Nr. 32), S. 8, der von einem verschwiegenen Jubiläum spricht. 3 Botzenhart, Erich (Bearb.): Freiherr vom Stein. Briefwechsel, Denkschriften und Aufzeichnungen. 7 Bände. Berlin 1931-1937. Hubatsch, Walter (Hrsg.): Freiherr vom Stein. Briefe und amtliche Schriften. 10 Bände. Stuttgart 1957-1974. 4 Scheel, Heinrich / Schmidt, Doris (Hrsg.): Das Reformministerium Stein. Akten zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte aus den Jahren 1807/08. 3 Bände. Berlin 1966-1968. 5 Winter, Georg (Hrsg.): Die Reorganisation des Preussischen Staates unter Stein und Hardenberg. Teil 1. 2 Bände. Leipzig 1931-1938. 6 Ranke, Leopold von (Hrsg.): Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg. 5 Bände. Leipzig 1877. 7 Stamm-Kuhlmann, Thomas (Hrsg.): Karl August von Hardenberg 1750-1822. Tagebücher und autobiographische Aufzeichnungen. München 2000. 8 Eine Ausnahme bildet insoweit Vincke, dessen Tagebücher (Behr [Hrsg.]: Die Tagebücher des Ludwig Freiherrn Vincke 1789-1844 Band I. Münster 2009) sowie eine umfassende Quellensammlung editiert sind (Behr, Hans-Joachim / Kloosterhuis, Jürgen [Hrsg.]: Ludwig Freiherr von Vincke. Ein westfälisches Profil zwischen Reform und Restauration in Preußen. Münster 1994). 9Aus den Papieren des Ministers und Burggrafen von Marienburg Theodor von Schön. 3 Teile. 6 Bände. Halle/Berlin 1875-1883. 10Vgl. auch den einleitenden Band des Jahres 1998: Sösemann, Bernd (Hrsg.): Theodor von Schön. Untersuchungen zu Biographie und Historiographie. Köln u. a. 1996. 11Siehe dazu im Einzelnen meine Dissertation: Die Vorschläge und Entwürfe zur Realisierung des preußischen Verfassungsversprechens 1806-1819. Voraussichtliche Drucklegung 2010. 12Preußische Gesetzes-Sammlung 1815, S. 103. Abdruck u. a. bei Huber, Ernst-Rudolf: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Band 1. 3. Auflage Stuttgart u. a. 1978, S. 61f. 13Vergleiche Assing, Ludmilla (Hrsg.): Blätter aus der preußischen Geschichte von K. A. Varnhagen von Ense. Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. 5 Bände. Leipzig 1868-69. Dieselbe: Tagebücher von K. A. Varnhagen von Ense. Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. 14 Bände. Leipzig u. a. 1861-1870. Siehe auch Feilchenfeldt, Konrad (Hrsg.): Karl August Varnhagen von Ense. Denkwürdigkeiten des eignen Lebens. 3 Bände. Frankfurt am Main 1987. 14Dazu ausführlich Haake, Paul: Johann Peter Friedrich Ancillon und Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. München 1920. |
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Betreut vom ![]() Diese Seite ist vom 18. Juni 2009 |