Artikel vom 4 Juli, 2001
© 2001 fhi
Erstveröffentlichung

Ulrike Hosbach

Raubgold

Es geht auch in diesem Fall um die Wahrheit - und ein wenig auch um Geld

(Der Goldraub in den bayrischen Alpen in: www.nzz.ch/online/o2_dossiers/schatten/sch981020fem.htm)

Einleitung
1. Der Raub des Goldes
1.2. Die „Goldpolitik“ der Nazis ab 1938
1.3. Der rechtliche Aspekt
1.4. Das Totengold
2. Deutschland, die Schweiz und die Alliierten
2.1. Die Schweiz als Haupthandelspartner Hitlerdeutschlands
2.2. Das „Safehaven“-Programm
3. Die Restitution des Goldes nach 1945
4. Fragen, die offen bleiben
5. Schlussbemerkung
 

Einleitung

Gold ist oft und von vielen totgesagt worden - auch von Hitler. Insofern ist Arthur Smith durchaus zuzustimmen, wenn er sagt: „It is ironic that at one time several Nazis leaders had ridiculed the use of gold as a standard irrelevant to an autarchy and yet gold was to become Germany’s most important medium of exchange during the war“.1 Mit der Zeit änderte sich, bzw. musste sich die Einstellung der Nazis hinsichtlich ‘Zahlungsmittels’ Gold ändern.

1
Gold als Zahlungsmittel und Währungsmetall nahm für die politische Führung des Dritten Reiches spätestens seit 1938 kriegswirtschaftliche Dimensionen an, wuchs in die Funktion eines hilfreichen „Kriegsschatzes“, notwendig als intervalutarisches Zahlungsmittel bzw. zu einem allseits verwendbaren Tauschgut. Tauschgut für kriegswichtige Rohstoffe, die nur im Ausland erhältlich waren, wie z.B. Wolfram aus Portugal, Chrom aus der Türkei und Eisenerze aus Schweden, Mangan aus Spanien, Rohöl aus Rumänien und für im Kriegsfalle nicht anderes zu erhaltende Beschaffungen generell, sowie Dienstleistungen, z.B. für den Auslandsnachrichtendienst, für den weltweiten Agenteneinsatz, für den Ankauf von Rundfunksendungen und Pressemeldungen, zur Finanzierung von Überseeoperationen der deutschen Kriegsmarine u.s.w..2

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Um Gold für die eben genannte Zwecke einsetzen zu können ‘übernahm’ das Deutsche Reich bereits 1938 den Gold und Devisenbestand Österreichs3 und 1940 wurden die in Prag verbliebenen Goldvorräte der Nationalbank der CSR in ‘Gewahrsam der Reichsbank’ genommen.4 Was die Beschaffung von Gold anbelangte, so nutzte Hitler mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schließlich auch die Möglichkeit des okkupatorischen Weges und erbeutete damit während der Zeit des NS-Regimes Gold im Wert von etwa 622 Millionen Vorkriegsdollar.5 Wie dies genau vor sich ging und wie dieses Vorgehen gerechtfertigt wurde, wird in Kapitel eins behandelt.

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Zuständig für diese ‘Geschäfte’ waren Institutionen und Personen wie die Reichsbank, Diplomaten des Reichsaußenministers Joachim Ribbentrop, die Wirtschaftsressorts, Wehrmacht- und SS-Dienststellen sowie Walter Funk, damaliger Reichswirtschaftminister (seit 1937), Präsident der Deutschen Reichsbank (seit 1939)6. Was die alltäglichen Goldgeschäfte betraf, so war der einflußreichste und kompetenteste Mann unzweifelhaft Vizepräsident Emil Puhl.

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Für die Bezahlung der so dringend benötigten Rohstoffe gab es während des Krieges nur zwei Alternativen: Gold und die einzig faktisch konvertible Währung, den Schweizer Franken (die Nachfrage nach Franken stieg ab 1942 stark, seitdem die westlichen Alliierten den Neutralen immer deutlicher machten, daß sie das Raubgold aus deutschen Zahlungen später zurückfordern würden.). Nicht zuletzt diese Tatsache machte die Schweiz zu einem der wichtigsten Verhandlungspartner Hitlerdeutschlands. In Kapitel zwei wird die Stellung der Schweiz als wichtigster neutraler Handlespartner und die Haltung der SNB-Verantwortlichen gegenüber den Goldtransaktionen mit Nazi-Deutschland beschrieben.

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Kapitel drei schließlich befasst sich mit der Nachkriegspolitik der Alliierten in Bezug auf das Verhandeln mit den Neutralen in Sachen ‚Raubgold’, dem ‚Aufspüren’, Sammeln und Verteilen des Raubgoldes und den Schwierigkeiten, mit denen sie sich dabei konfrontiert sahen und sehen.

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1. Der Raub des Goldes

Bevor im folgenden näher auf der Herkunft des als ‚Deutsch’ deklarierten Raubgoldes eingegangen wird, sollen kurz ein paar Zahlen eine Vorstellung von dem Wert des deutschen Raubgoldes vermitteln. Einen genaueren Überblick bieten die Tabellen im Anhang.

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1.1. Der Wert des Goldes

Was das Wissen um den damaligen Stellenwert des Goldes betrifft, die Abhängigkeit des Dritten Reiches von der „Golddrehscheibe Schweiz“ und die Menge an Gold, um die es sich handelt, so ist bis heute noch vieles im Unklaren. Für die notwendige Aufarbeitung der Raubgoldproblematik müssen noch etliche (Zentralbank-) Archive der Forschung zugänglich gemacht werden, und zwar nicht nur die der Schweiz, wie Thomas Maissen in einem am 16. November 1996 in der Neuen Züricher Zeitung erschienenen Artikel feststellt.7 Seit dem Ende des Dritten Reiches gehörte dieses Thema zu einem der bestgehüteten Geheimnisse, da selbst Eingeweihte kaum je Rechenschaft über die einzelnen eben genannten Punkte ablegten.

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Die Forschungslage ist unzweifelhaft schwierig, da vieles verlorengegangen bzw. noch immer unzugänglich ist. Letztlich sollte es nicht Ziel sein, eine 100%-ige Rückerstattung zu gewährleisten, vielmehr sollte den Betroffenen Gerechtigkeit zuteil werden und die Geschichte so vollständige wie möglich rekonstruiert werden können.

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Laut des „Bergier“-Berichts gelangte insgesamt Raubgold in Höhe von $ 562,2 Mio. an die Deutsche Reichsbank. Davon stammten $ 483,2 Mio. von anderen Zentralbanken, in erster Linie von der niederländischen und belgischen Nationalbank, $ 82,0 Mio. von Privatpersonen, wobei das als „Melmer“-Gold8 gekennzeichnete Opfergold „2,9 Mio. ausmachte.9

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Aus den streng vertraulichen Papieren der Schweizer Nationalbank und den zuständigen Regierungsämtern geht hervor, daß der Wert des Goldes, das in die Schweiz transferiert wurde, aufgrund des damaligen Goldkurses fast um das Sechsfache unter dem heutigen Kurs lag. Es wird übereinstimmend mit 1,6 Milliarden Schweizer Franken beziffert (laut der unveröffentlichten Einfuhrstatistik der Eidgenössischen Oberzolldirektion sind es sogar 1,7 Milliarden sFr. (386 Mio. $).10 Das entspricht etwa 1.716 Tonnen Gold.

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Das Gold der Reichsbank, das während der Kriegsjahre z.B. in die Schweiz gelangte, machte wertmäßig mehr als 63 Prozent der gesamten schweizerischen Warenimporte aus Deutschland aus. Die Goldimporte waren ebenso viele Schweizer Franken wert wie die gesamten schweizerischen Warenimporte aus Frankreich, Großbritannien, Irland, Portugal, Schweden, Spanien und der Türkei zusammen. Aus Deutschland gelangte mehr als dreimal soviel Gold in die Schweiz als aus diesen sieben Ländern insgesamt!11

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1.2. Die „Goldpolitik“ der Nazis ab 1938

Ein deutsches Dokument, welches 1973 in den Memoiren des ehemaligen Reichsbankdirektors Wilhelm Vocke veröffentlicht wurde, brachte, als es entdeckt wurde, endlich Aufklärung bezüglich der Frage, wie groß die Goldreserven der Deutschen Reichsbank vor dem Krieg gewesen waren. Bei diesem Dokument handelt sich um eine Denkschrift der Reichsbankdirektoren an Hitler persönlich, in der es u. a. heißt: „Gold und Devisenreserven sind bei der Reichsbank nicht mehr vorhanden.“ (7.1.1939). Außerdem stellt diese Schrift fest: „Die Reserven, die aus der Angliederung Österreichs und aus dem Aufruf ausländischer Wertpapiere und inländischer Goldmünzen gebildet waren, sind aufgezehrt.“12

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Was man heute mit Sicherheit feststellen kann, ist, dass sich die Goldreserven der Deutschen Reichsbank bei Kriegsausbruch, tschechisches und österreichisches Gold inklusive, auf ungefähr 500-600 Mio. Reichsmark beliefen, also auf einen Bruchteil des Goldes, das in den folgenden Jahren in die Schweiz verschoben und an die Schweizerische Nationalbank verkauft werden sollte. Das Gold, das die Nazis dann in der Folgezeit so eifrig vor allen Dingen in die Schweiz schafften, war zum Großteil unrechtmäßig Angeeignetes und diente, wie gesagt, in erster Linie zur Finanzierung der deutschen Kriegsanstrengungen. Die Alliierten nannten es „looted gold“ - „Raubgold“13.

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1.2.1. Österreich und Tschechoslowakei

Im März 1938 wurde Österreich ins Dritte Reich eingegliedert. Niemanden in den Direktionsbüros der europäischen Notenbanken war entgangen, dass die Deutsche Reichsbank nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs die Österreichische Nationalbank mit ihren Goldreserven schlicht und einfach übernommen hatte und bei der Angliederung der Freien Stadt Danzig im September 1939 mit der dortigen Notenbank und mit der Tschechischen Notenbank im März 1939 nach der Annexion der Tschechoslowakei ebenso verfahren war. Vermutlich fiel den Deutschen dadurch Gold in Höhe von ca. $ 100 Mio. in die Hände.14

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1.2.2. Die Ausbreitung des Goldfiebers

Mitte Juni 1940, in der Zeit der deutschen Blitzkriege und des französischen Zusammenbruchs, breitete sich das Goldfieber immer mehr aus. In allen bis dahin besetzten Gebieten begann eine rasch organisierte Treibjagd auf Gold, auf Barren, Münzen und Goldschmuck, und ebenfalls auf Devisen. Die „Devisenschutzkommandos“15 durchsuchten Sparkassen, Privatbanken und deren Filialen, beschlagnahmten das Gold in Geschäften und von Privatpersonen etc.16 In Belgien z.B. ist Genaues über diese Operationen bekannt geworden. Dort gab die Nationalbank kurz nach dem Krieg einen Bericht heraus, aus dem hervorging, dass die hohen Behörden des Deutschen Reiches und der Besatzungsmacht schon damals, im Sommer 1940, eine Politik betrieben, die, wie später im Fall des belgischen Goldes, darauf hinauslief, den Anschein völkerrechtlich korrekten Verhaltens zu erwecken. Das Gold, das die Devisenschutzkommandos erbeuteten, wurde zum Beispiel nicht auf dem Wege einer Enteignung in deutsches Eigentum umgewandelt. Es wurde vielmehr den hilflosen Eigentümern unter genauer Beachtung der im Geschäftsverkehr üblichen Regeln abgekauft und gegen eine ordentliche Quittung bar bezahlt. Bezahlt sogar zu Preisen, die zum Beispiel in Frankreich um ungefähr 15% über den Marktpreisen lagen, wenn auch in einer Währung, für die es wenig und immer weniger zu kaufen gab. Schließlich wurde das Gold an die Belgische Nationalbank mit der Weisung abgeführt, es an die Deutsche Reichsbank weiterzuleiten – wogegen unter diesen Umständen ein Einspruch von seiten der belgischen Bankbehörden nicht mehr möglich war. Alles spielte sich in einem „Scheinklima vollkommener Legalität“17 ab.

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1.2.3. Das belgische Gold

Das meiste Gold stammte aus Belgien, ca. 223 Mio. $ (siehe Tabelle im Anhang).
Vorwegzunehmen sei, dass das belgische Gold schon vor Hitlers Einmarsch der französischen Nationalbank anvertraut worden war, ebenso 1.208 Kisten ( 57.000 Kilo Gold) der Polnischen Nationalbank sowie 10.000 Kilo Gold, die den Notenbanken Luxemburgs, Lettlands, Litauens, Norwegens und der Tschechoslowakei gehörten. All das Gold war der Banque de France mit dem Auftrag anvertraut worden, es notfalls in Sicherheit zu bringen.18 Als Hitler vor den Toren Frankreichs stand, entschied man sich das Gold an einen sicheren Ort zu bringen. Bei dieser Flucht legte es eine regelrechte ‚Odyssee’ zurück, bis es den Nazis schließlich doch in die Hände fiel. Diese ‚Reise’ soll hier nur kurz umrissen werden19:

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Am 18. Juni 1940 trat das Gold seine 10.000 Kilometer lange Reise an. Sie führte zunächst von Europa nach Dakar, von wo aus es mit der Bahn ins Landesinnere nach Kayès gebracht wurde. Weiter ging es durch die Steppen, Savannen und Wüsten Französisch-Westafrikas nach Nordafrika, von dort nach Marseille. Im Mai 1942 macht sich dann schließlich auch die letzte Kiste Gold auf den Weg von Marseille nach Berlin. Die mangelnden Transportmöglichkeiten bewirkten, daß das polnische, ebenfalls in Frankreich deponierte, und das französische Gold weitgehend dem Zugriff Hitlers verwehrt blieben. In Berlin schließlich wurde das dort angekommene Gold eingeschmolzen, umgegossen und umdatiert und damit seine ‘wahre’ Herkunft verschleiert.20

18
Die Information wo sich das belgische Gold befand, bekamen die Deutschen zum einen vom belgischen König Leopold III. selbst (Belgien hatte am 26. Juni 1940 kapituliert), zum anderen gab es geheimdienstliche Quellen. Ohne zu zögern wandten sich die Deutschen an die französische Vichy-Regierung und verlangte nach genaueren Angaben. Diese Fragen waren aufgrund des am 22. Juni besiegelten deutsch-französischen Waffenstillstandsabkommen, der den Sieg Deutschlands über Frankreich bedeutete, durchaus berechtigt und wurden auch prompt beantwortet. Zur Zeit der ‘Anfrage’ befanden sich die Golddepots der genannten Länder sowie Frankreichs jedoch bereits auf dem afrikanischen Kontinent. Es stellte sich den Reichsbankdirektoren also die Frage, wie man sich am schnellsten und elegantesten dieses Goldes bemächtigen konnte. ‘Ansprechpartner’ waren die Nationalbanken in Paris und Brüssel, die deutsch-französische Waffenstillstandskommission in Wiesbaden und die französische Regierung in Vichy. Der Fakt, daß Deutschland auch nur irgendwelche Rechtsansprüche auf das belgische Gold erhob war jedoch für alle Beteiligten absurd und man wies das Ersuchen der Reichsregierung zurück.21 Anfang September 1940 schlug der Leiter der deutschen Delegation, Johannes Hemmen einen härteren Ton an:
„Wir Deutschen haben Belgien erobert. Jetzt befehlen wir! Alle Rechte, auch die der Belgischen Nationalbank, sind auf uns übergegangen. Das heißt: Ich bin nun als Vertreter der Belgischen Nationalbank ein Kunde der Banque de France, und hiermit beauftrage ich Sie, unser Gold, das wir Ihnen seinerzeit anvertraut haben, in Sicherheit zu bringen. Wollen Sie bitte dafür sorgen, daß es nach Belgien oder wenigstens nach Frankreich überführt wird.“22

19
Letztendlich erreichten die Deutschen nach zähen Verhandlungen mit Frankreich, die mit der Konferenz am 10. Oktober 1940 in Wiesbaden begonnen hatten, ihr Ziel, in den Besitz des belgischen Goldschatzes zu gelangen. Es war insbesondere die Vichy-Regierung und ihre Politik der Kollaboration, welche den Deutschen schließlich zu dem belgischen Gold verhalf.23

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1.3. Der rechtliche Aspekt

Völkerrechtlich gesehen war die deutsche Forderung unhaltbar aufgrund der schon 1907 verabschiedeten Haager Landkriegsverordnung. Diese Konvention unterscheidet eindeutig zwischen Privateigentum und Staatseigentum. Letzteres kann in einer Kriegssituation durchaus als Kriegsbeute ‘annektiert’ werden, nicht jedoch Privateigentum. Diesem Rechtsgrundsatz folgend hatten sich die Belgische Nationalbank und die Banque de France in weiser Voraussicht schon lange vor dem Kriege als Aktiengesellschaften konstituiert, womit ein Großteil ihres Eigentums zum unantastbaren ‘Privateigentum’ geworden war.24

21
Im Grunde waren die Nationalbank der Schweiz und auch die Reichsbank in Deutschland ähnlich strukturiert. Auch hier lagen die Aktien der zentralen Bank in privaten Händen. Und obwohl der Regierung ein gewisses Kontrollrecht zukam, so hatte das deutsche Bankengesetz vom Jahre 1924 doch ausdrücklich die Unabhängigkeit der Reichsbank von der Reichsregierung bestätigt (die Situation in Deutschland änderte sich natürlich grundlegend mit dem Machtantritt Hitlers).

22
Die Bedenken des Auslandes, ob Hitler das internationale Recht respektieren würde, waren nur allzu berechtigt in Anbetracht der Unrechtsordnung des Naziregimes mit all den zahlreichen, bereits vor dem Kriege, von Hitler gebrochenen internationalen Verträgen. Natürlich hinterfragte man auch das Eigeninteresse Hitlers, sich an diese internationalen Bestimmungen des Völkerrechts zu halten und zwar im Hinblick auf den Schutz deutscher Kapitalanlagen und anderer wirtschaftlicher Interessen im Ausland oder zu Gunsten der deutschen Kriegsgefangenen, die sich in alliierter Hand befanden.25

23
Aus ebendiesen und auch anderen Gründen bemühte sich die deutsche Besatzungsmacht, wo immer es möglich war, bei ihren Konfiskationen um ‘Scheinlegalität’. Dafür boten sich grundsätzlich vier Möglichkeiten an:

24
1. Die erste war, dass man nach entsprechendem Druck bei der Reichsbank Golddepots anderer Nationalbanken angelegt wurden; in solche wurden z.B. - mit Hilfe der BIZ26 - die tschechische Währungsreserve transferiert.

25
2. Das Gold (von Nationalbanken und von Privaten) musste zwangsgemäß verkauft werden. In Österreich wurde am 23. März 1938 gleich nach dem Anschluss, die ‘Anbotpflicht’ für Gold verkündet; ebenfalls unter Druck wurde das Luxemburger Währungsgold gegen Reichsmark verkauft.

26
3. Drittens bot sich den Deutschen die Möglichkeit das Gold für ‘Okkupationskosten’ abzubuchen oder als ‘freiwillige Kontribution’ für den Feldzug im Osten einzufordern; dies war insbesondere in den Niederlanden der Fall.

27
4. Viertens erlaubte die Haager Landkriegsordnung (§ 52) der Siegermacht, über das Eigentum eines besiegten Staates zu verfügen - nicht aber über dasjenige von Privaten. Obwohl Zentralbanken formal meistens als private Aktiengesellschaften konstituiert waren, wurde das belgische Währungsgold unter Berufung auf § 52 requiriert, weil die Nationalbank sich weigerte, Reichsmark dafür zu akzeptieren. Die Schwäche solcher Legitimierung zeigte sich im deutschen Umgang mit dem belgischen Gold: Es wurde eingeschmolzen und mit deutschen Vorkriegsstempeln neu geprägt.27

28
Das Dritte Reich eignete sich somit seit dem Anschluss Österreichs Gold im Wert von etwa 625 Millionen $ Gold aus anderen Ländern an. Das Gold diente teilweise direkt als Zahlungsmittel: So erhielt Rumänien für Erdöllieferungen Gold im Wert von rund 54 Mio. $ und Schweden bekam 1942/43 Gold in Höhe von 23 Mio. $. Gängiger war jedoch der Weg in bzw. über die Schweiz. Dorthin gelangte während des Krieges, wie gesagt, Gold im Wert von ca. 1,716 Mrd. sFr..

29

1.4. Das Totengold

Es gab noch eine weitere „Goldquelle“ der Nazis, welche zwar vergleichsweise geringe Mengen förderte, aber auf ungleich schrecklichere Weise genutzt wurde. Die Deutsche Reichsbank erfüllte die Aufgabe einer zentralen Sammelstelle von Gold und Devisen aus dem persönlichen Vermögen enteigneter Juden sowie ausgebürgerter oder ermordeter Regimegegner des Dritten Reiches. Für dieses Gold wurde bei der Reichsbank eigens ein Konto namens „Melmer“ eingerichtet. Ab Sommer 1942 belieferten deutsche Vernichtungs- und Konzentrationslager die zuständigen Reichsstellen mit Goldzähnen, Eheringen, Schmuck usw. der Ermordeten. Nach Aussagen eines ehemaligen „Zahnziehers“ im KZ Treblinka gingen jede Woche zwei Koffer mit acht bis zehn Kilo Gold hinaus. Das bedeutet, daß jährlich allein aus diesem verhältnismäßig unergiebigen Lager Gold im Wert von ungefähr zwei Millionen Franken kam.28 Das für die Ausbeutung der KZ-Häftlinge verantwortliche Wirtschaft- und Verwaltungshauptamt der SS lieferte seine Beute dann bei der Reichsbank. Die wiederum ließ den Schmuck und das Zahngold bei der Degussa zu Barren umschmelzen.29

30
Es bleibt unklar, wieviel Totengold in die deutsche Goldreserve floss, doch gibt der Goldfund in den Merkers-Minen 1945 zumindest eine Ahnung vom Umfang der SS-Plünderungen der KZ Opfer, doch dazu später noch mehr.

31
Das eingeschmolzene SS Gold unterschied sich äußerlich nicht von den Goldbarren, die aus Plünderungen der Notenbanken der besetzten europäischen Länder stammten. Ein Teil dieses Totengoldes konnte laut des Eizenstat-Reports jedoch bei der Rückverfolgung der deutschen Kriegsgoldverkäufe an die Schweiz und Italien als solches identifiziert werden.30 Mit diesem Nachweis ergab sich die Schwierigkeit der Trennung von „monetärem“ 31 Gold das nach dem Krieg im sogenannten „Gold-Pool“ der TGC gesammelt und verteilt wurde und dem „nicht-monetären“ Gold, das für die Entschädigung der „nicht-repatriierbaren Opfer des Nationalsozialismus“ vorgesehen war. Darauf wird später noch näher eingegangen.

32

2. Deutschland, die Schweiz und die Alliierten

Bevor auf die alliierten Maßnahmen, den Raubgoldhandel zu stoppen, eingegangen wird, soll zunächst die Stellung der Schweiz als neutraler Handelspartner Deutschlands und der Alliierten sowie deren Haltung bezüglich der Raubgoldproblematik während des Zweiten Weltkrieges näher betrachtet werden.

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2.1. Die Schweiz als Haupthandelspartner Hitlerdeutschlands

„Nicht einmal zwei Monate könnten wir auf die Hilfe der Schweiz bei der Umwandlung von Gold in Devisen verzichten“32 stellte Walter Funk im Juni 1943 fest.

34
An der Mehrzahl der von deutscher Seite während des Zweiten Weltkriegs getätigten internationalen Goldtransaktionen war die Schweiz beteiligt. 79% aller Goldlieferungen nach dem Ausland wickelte die Reichsbank über die Schweiz ab. Davon entfielen anteilsmäßig 87% auf schweizerische Geschäftsbanken. Die Goldsendungen der Reichsbank an die SNB beliefen sich je nach Berechnung auf insgesamt 1,6 bis 1,7 Mrd. sFr.. Von diesem Betrag erwarb die SNB per Saldo 1,2 Mrd. Franken auf eigene Rechnung; der Rest ging an Depots, die andere Zentralbanken und die BIZ bei der SNB unterhielten. Für solche Transaktionen erhielt die SNB insgesamt 0,29 Promille der Goldwerts.33 Erhebliche Mengen des von der SNB erworbenen Goldes wurde an Drittländer weiterverkauft (siehe Tabelle).

35
Interessant in diesem Zusammenhang ist es, zu hinterfragen, wie es um das Wissen der Schweiz hinsichtlich der Herkunft des ‚Deutschen Goldes’ stand? Der Verdacht, daß das Gold dieser Transaktionen von den Deutschen requiriert worden war, bestand schon während des Krieges und dies ist auch der Grund, warum die Schweiz immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geriet.

36
Wichtige Dokumente zur Goldpolitik der Schweizer Nationalbank in jener Zeit werden im Archiv der Nationalbank aufbewahrt. Der Öffentlichkeit blieb der Zugriff auf diese Akten lange Zeit verwehrt, da für diese eine Sperrfrist von 35 Jahren gilt.34 Die Frist ist inzwischen abgelaufen und somit befassen sich Forscher nun schon seit einiger Zeit mit der Auswertung dieses Materials. Mittlerweile gibt es schon einige Veröffentlichungen, doch ist fraglich ob überhaupt jemals ein Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen werden kann. Auch hat der „Bergier“-Bericht (vom 25.5.1998), benannt nach dem Leiter der internationalen Untersuchungskommission Jean Francois Bergier, mittlerweile einiges Licht in die Frage um das Wissen und die Machenschaften der SNB-Verantwortlichen gebracht. Schon 1941 wussten die SNB-Verantwortlichen demnach, dass Deutschland über Raubgold verfügte. Dieser Sachverhalt war bereits Diskussionsgegenstand bei internen Sitzungen der Bank. Das Direktorium erwog 1942 sogar die Umschmelzung von Goldsendungen aus dem Dritten Reich, weil das Gremium über die Information verfügte, dass in Belgien und den Niederlanden Gold von Privatpersonen konfisziert wurde. 35

37
Was die Rechtmäßigkeit von Goldtransaktionen mit Deutschland bzw. mit den Alliierten anbelangt, so argwöhnte man diesbezüglich in der Schweiz vom völkerrechtlichen Standpunkt aus gesehen offensichtlich lange Zeit nichts. Die Geschäfte wurden einfach abgewickelt. Dabei schienen die Bankiers der Schweizer Nationalbank ihre Aufgabe eher unpolitisch erfüllt und der Reichsbank gegenüber eine naive Gutgläubigkeit an den Tag gelegt zu haben, also „business as usual“ betrieben zu haben.36 Dies trotz offizieller Warnungen, welche die Alliierten ab Anfang 1943 an die Neutralen richteten. In einem Artikel in der „Financial News“ im Juni 1943 beruft sich der international anerkannten Währungsspezialisten Paul Einzig auf die ‚London Declaration’ vom 5.1.1943: „Under the terms of that declaration, all transfers of the property of conquered countries to owners of different nationality are invalid, even if the property is acquired by purchase, and even if the buyers are neutral. This means that neutral central banks will be called upon to restore to their rightful owners the gold they acquired from Germany during the war. As the Reichsbank’s own gold reserve was very small at the outbreak of the war, and is now about the same, the assumption is that any gold acquired by neutral central banks since September, 1939, is looted gold“37. Diese Warnung war allerdings eine prinzipielle Feststellung, keine ‘praktische’ Erklärung. In der Tat konnten die Alliierten nicht damit rechnen, dass sich am Verhalten der Neutralen durch diese Erklärung irgend etwas ändern würde.

38
„There was in practice very little the Allies could do to enforce London Declaration without damaging their own economic situation, and prejudicing future relations with the countries concerned.“38

39
Es drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, inwieweit die Vertreter der SNB angesichts solcher Mengen an Gold, das durch ihre Hände ging, ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt haben und so zu „Hehlern der deutschen Kriegswirtschaft“39 wurden.

40
Am 22. Februar 1944 erließ das amerikanische Schatzamt eine Warnung in Form einer Deklaration, die auch der Schweiz offiziell übermittelt wurde. Das Schatzamt gab bekannt, die Achsenmächte würden ungesetzliche Beschlagnahmungen, insbesondere von Gold, in den besetzten Gebieten vornehmen. „In view of the foregoing facts and considerations, the US formally declares that it does not and will not recognize the transgerence of title to the looted gold which the Axis at any time holds or disposed of in world markets“.40

41
Im Wissen um die problematische Herkunft des Goldes und die diesbezüglichen Warnungen der Alliierten setzten sich Vertreter schweizerischer Banken und Versicherungen trotzdem noch in den letzten Kriegsmonaten für eine fortgesetzte Übernahme von Gold aus Deutschland durch die SNB ein. Seit 1943 versuchten sich die SNB-Verantwortlichen abzusichern und verlangten zumindest Garantien über die einwandfreie Herkunft des Goldes aus deutschen Vorkriegsbeständen. Doch ließen sie sich entweder täuschen oder sahen bereitwillig von einer eingehenden Prüfung ab. Während und auch nach dem Krieg argumentierten sie dahingehend, dass sie das Gold aus Deutschland im guten Glauben an dessen einwandfreie Herkunft erworben hätten, außerdem hätten neutralitätspolitische Verpflichtungen eine Rolle gespielt. Diese Argumente sind allerdings nicht besonders stichhaltig, da eine neutrale Macht keine Verpflichtung hat, wissentlich Raubgold anzunehmen. Man kann nicht wirklich behaupten, daß die SNB Gold unterschlagen hat, auf jeden Fall aber hat sie, gewollt oder ungewollt, als Hehler fungiert. Nach Alternativen in der Goldpolitik wurde in der Schweiz im Unterschied zu anderen neutralen Ländern kaum gesucht. Das Gewinnmotiv spielt als handlungsleitender Beweggrund bei den Goldgeschäften der SNB mit Deutschland wohl noch keine Rolle. Allerdings war dies der Fall bei der Verwertung des erworbenen Goldes durch den Verkauf an Dritte wie der „Bergier“-Bericht feststellt.

42
Das Thema der Goldtransaktionen im Krieg ist mit anderen historischen Fragestellungen verknüpft. Deshalb ist es notwenig, das Problem der Goldübernahmen Deutschlands im erweiterten Rahmen der außenwirtschaftlichen Beziehungen, der Handelspolitik sowie der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Vorgänge der Zeit des Zweiten Weltkriegs näher zu untersuchen. 41

43

2.2. Das „Safehaven“-Programm

Wie gesagt gab es seitens der USA schon 1943 eine Erklärung dahingehend, dass diejenigen, die von den Geschäften mit Raubgold profitiert haben, Rechenschaft darüber ablegen werden müssen.42 Denn als sich das Kräfteverhältnis sowohl an der Ostfront mit dem sowjetischen Sieg bei der Schlacht um Stalingrad 1943 wie auch an der Westfront mit der D-Day Invasion im Sommer 1944 entscheidend zugunsten der Alliierten verschob, änderte sich auch die Stossrichtung des Wirtschaftskrieges gegen Deutschland. Die Alliierten hielten zwar am Hauptziel, das Naziregime zu blockieren und zu besiegen, fest, konzentrierten sich aber mehr und mehr darauf, den Feind daran zu hindern, seine Ressourcen außer Landes zu bringen. Leider konnten die Ziele des „Savehaven“-Programms“43 unter amerikanischer Führung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der amerikanischen Regierungsstellen nicht gänzlich verwirklicht werden. So unter anderem die Lösung der Frage inwieweit wirtschaftlicher Druck auf die Schweiz und andere neutrale Länder ausgeübt werden sollte, um sie zur Beteiligung am Programm zu zwingen. Das „Safehaven“-Programm wurde formell 1944 in Zusammenhang mit der Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten Nationen in Bretton Woods lanciert. Die Konferenz verabschiedete die Resolution VI, die die neutralen Länder dazu aufforderte, mittels Sofortmassnahmen jede Verfügung, Verschiebung oder Verschleierung des Raubgoldes oder anderer gestohlener Werte aus den besetzten Ländern Europas zu verhindern. Die Resolution VI wurde bald zum Eckstein des alliierten „Safehaven“-Programms in bezug auf die neutralen Länder.44

44
Bürokratische Streitigkeiten führten zu einer schleppenden Verhandlungen mit den Neutralen. Als sich jedoch mit immer größerer Sicherheit der Sieg der alliierten Streitkräfte abzuzeichnen begann, überzeugte dies auch die meisten Neutralen, ihren Handel mit Deutschland einzuschränken oder einzustellen und die Ziele des „Safehaven“-Programms zu erfüllen. Wenngleich nicht alle seine Ziele verwirklicht werden konnten, so bereitete es doch auf alle Fälle den Boden für die Nachkriegsbemühungen der Alliierten um Restitution und Reparationszahlungen. Schließlich erlaubte es den Vereinigten Staaten und Großbritannien Einblick in die Kriegswirtschaft der neutralen Länder zu nehmen.45

45

3. Die Restitution des Goldes nach 1945

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ergaben sich eine Vielzahl von Herausforderungen für die Alliierten. Wiedergutmachung, Restitution und der Wiederaufbau des kriegsverwüsteten Europa standen mit ganz oben auf der Liste.

46

3.1. Die Konferenz von Potsdam (17. Juli - 2. August 1945)

Auf der Konferenz von Potsdam einigten sich Truman, Churchill und Attlee (Stalin hatte auf Goldreparationen verzichtet) über ein gemeinsames Vorgehen hinsichtlich der Verfügung über das „monetäre“ Gold in Deutschland. Auch bezüglich des Goldes, das Deutschland im Ausland zur Kriegsfinanzierung verkauft hatte, war man sich einig. So wurde der amerikanische Vorschlag einen „Goldtopf“ zu errichten, in dem die Alliierten sämtliches „monetäres“ Raubgold aus Deutschland und den neutralen Ländern sammeln würden, angenommen.46

48
Der auf diese Weise zustande kommende Betrag sollte dann an diejenigen Länder verteilt werden, deren Notbankbestände während des Krieges geplündert worden waren.

49

3.2. Die Pariser Konferenz

Auf der Pariser Konferenz über Reparationsfragen im November und Dezember 1945 mit ihren 18 Teilnehmerstaaten einigten sich die Alliierten auf eine detailliertere Politik auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse zur Sammlung und Verteilung des „monetären“ Raubgoldes in den neutralen Ländern. Man bestätigte das Konzept des Goldpools, und die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich übernahmen die Verantwortung für die Verwaltung der Mittel und die Verteilung der Erträge innerhalb der sogenannten Tripartite Gold Commission (TGC). Auf der Pariser Konferenz von 1945 wurde unter anderem auch die Inter-Alliied Reparation Agency (IARA)47 gebildet.

50
Ziel der TGC sollte es sein, den Goldtopf den Verlusten entsprechend auf die geplünderten Zentralbanken aufzuteilen. Außerdem wurde beschlossen einen Fonds zu schaffen, der mit 25 Millionen $ dotiert war und der Unterstützung von „nicht-rückführbaren“ Personen dienen sollte. Präsident Truman setzte sich vehement dafür ein, dass dieser Fonds aus dem nichtmonetären Gold geschaffen werden sollte, welches die Alliierten Besatzungsmächte in Deutschland finden würden.

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3.3. Die TGC

Im Auftrag der IARA führten die drei Westmächte (USA, Großbritannien und Frankreich) ab 1946 die Verhandlungen um die Rückerstattung mit den Neutralen. Diese zuständige ‘Institution’ nannte sich Tripartite Commission for Restitution of Monetary Gold (TGC). Sie wurde, wie gesagt, im September 1946 im Rahmen der Pariser Reparations-Konferenz gegründet und wurde als von der IARA ‘unabhängig’ erklärt.48 Die Kommission operierte von Anfang an unter höchster Geheimhaltung. Aufgabe der TGC war es, die Forderungen von Regierungen auf Rückgabe von „monetärem“ Raubgold, das in Deutschland entdeckt oder von den Alliierten in den Verhandlungen mit den Neutralen erworben wurde, zu überprüfen und über seine Verwendung zu befinden. Sie hatte sicherzustellen, das jedes anspruchsberechtigtes Land proportional zu den erlittenen Verlusten an „monetärem“ Gold aus dem Goldpool entschädigt wurden49.

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3.4. Das Washingtoner Abkommen (25. Mai 1946)

Im Abkommen von Washington vom 25. Mai 1946 zwischen der Schweiz und den Regierungen von Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten übernahm die Schweiz die Verpflichtung, den drei alliierten Regierungen einen Betrag von 250 Millionen Schweizer Franken (58,1 Mio. $) zur Verfügung zu stellen. Die alliierten Regierungen erklärten ihrerseits, dass sie mit der Annahme dieses Betrages auf alle Ansprüche gegenüber der schweizerischen Regierung oder der Schweizerischen Nationalbank verzichten, die sich auf das von der Schweiz während des Krieges von Deutschland erworbene Gold beziehen. Damit sollten alle auf dieses Gold bezüglichen Fragen ihre Erledigung finden.50

53
Rechtlich gesehen, so die Argumentation der Schweizer Nationalbank, hätten die Alliierten keinen Anspruch auf die Eigentumsübertragung der deutschen Guthaben, einmal wegen des Haager Abkommens, und außerdem, weil es zweifelhaft sei, ob die effektive Besetzung des deutschen Gebietes durch die Alliierten rechtliche Auswirkungen außerhalb der deutschen Grenzen haben dürfte. Die Schweiz beharrte zunächst auf ihrer Auslegung des Völkerrechts und weigerte sich schlicht, die alliierten Forderungen auf deutsche Guthaben und „monetäres“ Gold in der Schweiz anzuerkennen. Auch den Alliierten war bewußt, dass die rechtliche Basis ihres Anspruchs gemäss Völkerrecht eine recht unsichere war. „Further, while it was known that a lot of gold had been lootet, it was not clear how much was actually considered stolen. Some of the gold plundered by the Nazis fell into a gray legal area during the war, citing Czechoslovakia as an example. Because Czechislovakia ‚agreed‘ to be annexed, this transaction was seen as legl, not only by Switzerland, but also by the UK“51.Diese, aber auch andere Überlegungen, z.B. das Interesse an einer Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit der Schweiz, sowie dem Wunsch, das verwüstete Europa wieder aufzubauen, führten dazu, daß man auf das Angebot der Schweiz einging. Man sprach sich für die Annahme des Schweizer Vorschlags und gegen vermehrten Druck auf die Schweiz aus. Am 26. Mai 1945 wurde der Vertrag unterzeichnet. Mitausschlaggebend für die Einwilligung der Schweiz die 250 Millionen Franken zu zahlen, war also die Tatsache (was von den Alliierten auch immer betont wurde), dass die sie als eines der wenigen europäischen Länder vom Krieg verschont worden war. Sie musste sich deshalb an Maßnahmen beteiligen, die der Wiedergutmachung von Schäden dienten, die durch deutsche Angriffe angerichtet worden waren. Bezüglich des „monetären“ Goldes wich der ausgehandelte Betrag allerdings stark von den Schätzungen des State Department und des Finanzministeriums ab, die von $ 185 bis $ 289 Millionen Raubgold ausgingen. Er wich auch ab von den nachgewiesenen $ 200 Millionen, vorgelegt von den Alliierten bei Beginn der Verhandlungen mit der Schweiz.52 Laut des Eizenstat-Reports muss man wohl davon ausgehen, dass weit weniger von den Schweizern zurückerstattet wurde, als die Menge die das gesamte, in die Schweiz transferierte Raubgold ausmachte.

54
Schon während des Krieges waren amerikanische Politiker daran interessiert, von der schweizerischen Neutralität zu profitieren. Die Schweiz hatte jedoch die eine oder andere Wirtschaftsforderung zeitweise einfach abgelehnt. In der Nachkriegszeit wollte man es sich dagegen mit den neutralen Ländern nicht verscherzen. Das Interesse an einer Zusammenarbeit hatte nämlich eine andere Zielrichtung. Es bestand die Notwendigkeit, den Sozialismus einzudämmen. Deshalb wurde hinsichtlich des Verhaltens der neutralen Länder während des Krieges Nachsicht geübt, gerade bezüglich der ungelösten Restitutionsfragen und der Erkenntnisse aus dem „Savehaven“-Programm.

55
Das alles verringerte allerdings die Führungsrolle, die Amerika in diesem Bereich während des Krieges eingenommen hatte.53

56

3.5. Die Verhandlungen mit den anderen Neutralen

Bei den Verhandlungen in Washington wurde am 18. Juli 1946 auch der Vertrag mit Schweden unterzeichnet. Mit niemandem verliefen die Verhandlungen so schnell und erfolgreich wie mit Schweden. Das geschätzte Raubgold im Wert von 35 Mio. sKr. (ca.
$ 18,5-22,7 Mio.) sollte zurückerstattet werden. $ 6,8 Mio. in Gold wurde allerdings erst 1955 an die amerikanische Notenbank in New York als Einlage in den Goldpool der TGC, nach Klärung aller Meinungsverschiedenheiten geliefert.

57
Am 10. Mai 1948 wurde der Vertrag mit Spanien abgeschlossen. Die Verhandlungen bezüglich der deutschen Guthaben und des Raubgoldes waren langwierig und es kam nur zu einer symbolischen Zahlung. 1949 übergab Spanien der TGC Raubgold im Wert von $ 114’329.

58
Mit Portugal begannen die Verhandlungen 1946 und erwiesen sich als zeitintensiv und schwierig. In der Frage des Raubgoldes gelangte man zu keiner Einigung. Präsident Salazar beharrte auf voller Kompensation: Portugal habe Deutschland Waren im Wert von 55 Mio. $ geliefert, damit sei das Gold, ca. 43 Tonnen, sein legaler Besitz. Als sich die Goldverhandlungen bis in die 50-er Jahre hinzogen, überredete das frustrierte State Department das amerikanische Finanzministerium zur Annahme der portugiesischen Bedingungen. Mitentscheidend war auch die Furcht des State Department, dass die ins Stocken geratenen Verhandlungen das damals für wichtiger gehaltene strategische Ziel einer amerikanischen Luftwaffenbasis auf den Azoren und die Eingliederung Portugals ins Nachkriegseuropa gefährden könnten.

59
Wie im Fall Portugals ist es woh auch mit Rumänien zu keiner Einigung über das Raubgold gekommen. Hierbei dürfte auch der kalte Krieg eine Rolle gespielt haben: Der Eiserne Vorhang schirmte politischen Druck des Westens ab, nachdem sich die rumänische Nationalbank anfangs sehr kooperativ gezeigt und im März 1946 142 Mio. Fr. eingeführtes Raubgold ausgewiesen hatte.

60
Die Türkei hat trotz einer im Mai 1952 beschlossenen Regelung, in der sich die Türkei bereit erklärt $ 1 Millionen zu zahlen, kein „monetäres“ Gold an die TGC überwiesen.

61
Bei all den Verhandlungen spielten sehr viele verschiedene Aspekte eine Rolle und machten sie zu einem äußerst schweren Unterfangen. So vor allem die Politik des Kalten Krieges, wirtschaftliche Interessen, die Schwierigkeit nachzuweisen, wann das Gold als Raubgold zu deklarieren sei und zu welchem Zeitpunkt (vor bzw. nach offiziellen Warnungen der Alliierten) und in welchen Mengen es bei den Nationalbanken der genannten Länder ankam.

62
Was die Verhandlungen in Washington bezüglich des Goldraubs betrifft, so ging es wohl aus praktischen Gründen, ausschließlich um den Raub in den Zentralbanken, weil dieser den prozentual größten Teil ausmachte. Ansprüche privater Opfer, und hier insbesondere die jüdischer Betroffener, des Nationalsozialismus und des Krieges wurden gar nicht behandelt. Sie wurden unter die Verwaltung des Intergovernmental Committee on Refugees gestellt.54 Dass beide Ansprüche aber nicht gänzlich voneinander unabhängig behandelt werden können, hat die Einsicht bewiesen, dass auch in den Goldtopf der TGC „nicht-monetäres“ Gold miteingeflossen ist.

63
Die Alliierten distanzierten sich klar von der Frage der „Individuellen Zurückerstattung“, da die vermutete Zahl der Ansprüche sehr groß und schwierig zu prüfen war.55

64

3.6. Die Zusammensetzung und Verteilung des “Goldpots“/Restitution für Europa

In den letzten Wochen des Krieges fiel durch verschiedene Zufälle fast alles Gold der Reichsbank, das noch in Deutschland lag, in die Hände der Amerikaner. Den weitaus größten Fund ($ 241 Million)56 machten die Amerikaner in den Salzminen bei Merkers in Thüringen. Dort entdeckten sie Gold, Kunstgegenstände usw. und auch Gold, das den Holocaust Opfer geraubt worden war. Von den insgesamt rund 625 Mio. $ deutschen Raubgolds waren gut 337 Mio. $ von den Alliierten sichergestellt; der Rest war weiterverkauft worden und dies vor allem über die Schweiz. Diesen 337 Mio. $ standen nun aber die angemeldeten Ansprüche von 620 Mio. $ gegenüber.57 Was die Rückzahlungsforderungen der verschiedenen Länder betraf, so mußte all den Beteiligten von vornherein klar sein, dass es unmöglich sein würde, eine völlige Restitution zu erlangen. Das Gold, das für die ‘Verteilung’ zur Verfügung stand, setzte sich zusammen aus dem Fund der Amerikaner in Merkers, aus vielen verschiedenen anderen Quellen plus die mit den Schweizern auf dem Washingtoner Kongress vereinbarte Summe über 58,1 $ Mio.

65
Von den angemeldeten Ansprüche wurden 514 Mio. $ als begründet anerkannt. Sie stammten von Holland, Albanien, der Tschechoslowakei, Griechenland, Jugoslawien sowie Frankreich, das Belgien und Luxemburg mit eigenem Gold entschädigt und dafür deren Ansprüche geerbt hatte. Dazu kamen die nicht der IARA angehörigen Staaten Polen, Italien und Österreich. Die Ende 1947 erfolgt Gleichstellung Italiens und Österreichs mit den IARA-Gründungsmitgliedern und die Abfindung eines Teils ihrer Goldforderungen wurde schließlich möglich, weil die Zuteilung durch die TGC erfolgte,die ihre Reparationspolitik zusehends nach den Erfordernissen des kalten Krieges ausrichtete.58

66
Besonders die Amerikaner waren an einer schnellen Auf- bzw. Verteilung des Goldtopfes interessiert und machten daher den Vorschlag, die unstreitigen Ansprüche so bald wie möglich abzufinden. Für den Rest sollte eine entsprechende Menge zurückgelegt werden. Man ging davon aus, dass jeweils etwa 40% der Ansprüche erfüllt werden können.59 Entschädigt wurden schließlich 65% der Ansprüchsteller.60 Entsprechend der Dringlichkeit mit der das Gold von einzelnen Länder für den Wiederaufbau benötigt wurde, arbeitete die TGC anfänglich mit Hochdruck. Die erste Verteilungsrunde begann am 17. Oktober 1947, von der in erster Linie Belgien, Frankreich, Luxemburg, Holland, Italien und Österreich profitierten. (Siehe Tabelle im Anhang, Belgisches und Niederländisches Gold ging aus besagten Gründen an Frankreich.)

67
Eine zweite Verteilerrunde begann 1958. Nun bekam auch Griechenland eine Teil aus dem Goldpool und Polen bekam 1976 wenigstens die Barren ausgehändigt, die die Währungsreserven des Freistaates Danzig ausgemacht hatten. 1982 war auch diese Verteilung beendet. Nun wartete nur noch Albanien auf seine Rückerstattung. Es musste sich bis 1996 gedulden. Laut Thomas Maissen konnte man den Eindruck gewinnen, dass die TGC schon bald nach der ersten Verteilerrunde in eine Art „Dornröschenschlaf“61 sank. Mit dem Ende des Kalten Krieges begann man sich allerdings plötzlich intensiver mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wer sich dabei mit dem Thema „Raubgold“ beschäftigte, stieß fast zwangsläufig auch auf die TGC und deren „eingeschlafene“ Tätigkeit. In deren Bücher befand sich noch immer ein Restbestand von 5,6 Tonnen nicht verteilten Goldes.

68
Lord Janner, der englische Vizepräsident des jüdischen Weltkongresses hatte bereits früh die Behauptung aufgestellt, dass sich im Goldpool auch Opfergold befand. Dies wurde, wie bereits erwähnt, tatsächlich durch amerikanische Akten bestätigt und verlangte nach einem völlig neuen Diskussionsansatz hinsichtlich des Goldpools der TGC.

69
Die Goldbarren, die dem TGC Gold-Pool zugefügt worden waren, wurden offenbar vor ihrer Verteilung nicht chemisch analysiert, obwohl es schon 1946 Anlass für ein derartiges Unterfangen gegeben hatte (Note des US-Diplomaten Livingston Merchant). Diese gründete die Definition des Goldes auf seine Erscheinung und nicht auf seine Herkunft. Die bloße Erscheinung der Goldbarren aber gab keine Auskunft über die Herkunft. Trotzdem wurde alles Gold dem TGC-Pool zugewiesen.

70
Das Totengold, welches fälschlicherweise in den Goldpool gelangte und in der Folge von der TGC an anspruchsberechtigte Länder verteilt wurde, ist nicht untersucht worden. Wahrscheinlich war nur ein relativ kleiner Anteil des gesamten Goldes, das Notenbanken geraubt und von den Alliierten nach dem Krieg entdeckt wurde, Totengold. Das trägt aber kaum dazu bei, diese Schmach der Nazibarbarei in irgendeiner Form zu lindern.

71
3.6. Neuer Fonds für Holocaust-Überlebende/Londoner Konferenz (Dezember 1997)

72
These efforts are not just research for the sake of research but for the sake of action. This is history for the sake of justice. This great effort to develop a further understanding of this complex issue and this painful period in our history has provided both momentum and urgency for action, to see that justice is done for victims of the Holocaust.62

73
Mit dem Ende des kalten Krieges setzt eine Neubetrachtung dieses Kapitels der Weltgeschichte ein, die zu einem guten Teil von jüdischen Forderungen auf eine Rückerstattung geraubter Vermögen motiviert wurde. Diese Tatsache und die amerikanischen Akten, welche Totengold im TGC-Pool nachwiesen, bewirkten, dass eine abschließende Verteilerrunde des TGC scheiterte.

74
Im Rahmen der Londoner Konferenz 1997 wurde deshalb die Einrichtung eines neuen Hilfsfonds für Holocaust-Überlebende bekanntgegeben, der mit dem Restbestand des TGC-Vermögens dotiert werden sollte. Dieser Fonds ist allerdings eine buchhalterische Fiktion. Denn es kam technisch zu einer Verteilung dieses Goldes an die Mitglieder der TGC; diese wiederum wurden von Stuart Eizenstat mit mehr oder weniger sanftem Druck dazu gebracht, ihren Anteil freiwillig dem Fonds zur Verfügung zu stellen, wobei sie den Verwendungszweck der Mittel selbst bestimmen durften. Wenn beispielsweise Frankreich seinen Anteil diesem Fonds ‚stiftet‘, das Geld aber für die Bedürfnisse des französischen Judentums einsetzt, so verliert diese humanitäre Geste der Alliierten doch etwas von ihrem Glanz.63

75

4. Fragen, die offen bleiben

4.1. Defizit der TGC

Am 09.09.1998 hat die TGC ihre Arbeit 53 Jahre nach Kriegsende beendet. Doch sind nicht alle Fragen geklärt worden. So gibt es keine zufriedenstellende Erklärung für die Differenz zwischen den akzeptierten Forderungen an den Goldpool und dessen effektiven Inhalt. Nur 64% der Ansprüche konnten befriedigt werden. Die TGC und alle Beteiligten dürften sich bewusst sein, dass Teile des ‚restlichen’ Nazigoldes vielleicht in Zukunft ans Licht kommen könnten.

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4.2. Der Prozess des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg (25.10.1945-01.10.1946)

Interessant ist, dass der Raub des belgischen Goldes bei den Nürnberger Prozessen nur ein Nebenrolle zu spielen schien, obgleich es, wie bereits erwähnt, einen Hauptteil des Raubgoldes ausmachte. Der Goldraub wurde weder in der Anklage noch im Urteil gegen die Hauptverantwortlichen H. Göring und W. Funk, obwohl sich Anklagepunkt 4 ausdrücklich auf „Verbrechen gegen das Eigentum“ bezog, angesprochen. Zudem war in diesem Fall auch der Tatbestand einer flagranten Verletzung des Völkerrechts erfüllt.

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Dies lässt sich damit erklären, dass die Banque de France der Belgischen Nationalbank kurz nach der Befreiung von Paris und Brüssel Gold hatte zukommen lassen, dessen Wert dem belgischen Gold entsprach, das ihr im Jahre 1940 anvertraut worden war. Belgien hatte also keinen Grund mehr zu einer gerichtlichen Klage. Die Vichy-Regierung bzw. seine zuständigen Minister, die ja das belgische Gold an die Nazis ausgeliefert hatten, konnten nicht vor das Nürnberger Gericht zitiert werden. Sie mußten sich in Paris vor dem Obersten Gerichtshof verantworten. Andererseits wurden die französischen Ansprüche zur Zeit des Nürnberger Prozesses in Washington vorgebracht und dort auch durch die schweizerischen ‘Ersatzleistungen’ für das belgische Raubgold wenigstens zum Teil befriedigt. Zur Deckung der französischen Restforderungen wurde dann Gold aus den Salzminen von Merkers herangezogen. Somit kam auch Paris als Ankläger nicht mehr in Frage und damit wurde in Nürnberg nicht so sehr der ‘sagenhafte’ Goldraub des belgischen und französischen Goldes thematisiert, sondern eher die Beschlagnahmung der Goldreserven der Tschechoslowakischen Nationalbank (107 Mill. SFr.) und die Liquidierung der Jugoslawischen Nationalbank, für die sich Reichsbankpräsident Funk verantworten mußte.64

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4.3. Der mysteriöse Nazigoldschatz

Bei den alliierten Goldfunden in Merkers am 6. April 1945 ($238,490,000), in der Nähe von Salzburg ($ 4,743,809), bei Spital am Pyhrn ($35,000,000) und in den Gewölben von La Fortezza in Italien handelte es sich insgesamt um eine Summe von mehr als 300 Mio. $.

79
Der Nazigoldschatz hat schon häufig zu wilden Spekulation und 1957 sogar zu einem Eintrag ins Guiness-Book of Records geführt (Rubrik „Raubüberfälle: größte ungelöste - Der größte, ungelöste Raub ist derjenige des deutschen Währungsgoldes in Bayern durch amerikanische Militärs und deutsche Zivilisten im Juni 1945). Der Phantasie waren und sind keine Grenzen gesetzt und da es sich bei diesem Thema um ein Thema handelt, das durchaus nicht bis ins letzte Detail aufgeklärt ist. Es bleibt zum Schluss jedem selbst überlassen, was er glauben will oder nicht. Eine bis heute ungeklärte Frage ist z.B, was es mit dem in einem 1950 erschienen Artikel der Zeitschrift „Wochenend“ auf sich hat, der auf den Memoiren Henrietta von Schirchachs basiert, der Frau des ehemaligen Reichjugendführers Baldur von Schirach. Darin ist die Rede von einem kurz vor Kriegsende erfolgten Transport von Vermögenswerten aus Berlin nach Mittenwald (u.a. 144 Goldbarren). Die angegebenen Daten bezüglich Zeitpunkt, Menge, Route etc. stimmen allerdings nicht mit den Daten der offiziellen Reichsbankkonvois überein. Haben also zwei Transporte Berlin Richtung Bayern verlassen, ohne dass der eine davon in irgendwelchen Papieren erwähnt worden war? Diese Möglichkeit besteht und wird auch von Augenzeugenberichten, welche von Ian Sayer und Douglas Botting in den 70-er Jahren gesammelt worden waren unterstützt. Die Spur dieses Goldes verliert sich allerdings in München, wo es angeblich der 10th Armored Division übergeben worden war. Wurde es tatsächlich gestohlen oder muss diese Geschichte als ein Märchen betrachtet werden?

80
Auch die FED in Frankfurt stellte zwei Jahre nach Kriegsende bei einem Kassensturz zahlreiche Diskrepanzen fest: „Regarding the regular Reichsbank currency balance, the discrepancies consist almos exclusively of deficits“. Auch hierfür gab es keine Erklärung.

81
Als letztes Beispiel seien noch zwei vermisste Goldbarren erwähnt, die in einem amerikanischen Memorandum von 1945 auftauchen, mit präzisen Angaben über Nummer und Gewicht. Am 8. Mai 1997 stand in einem Pressecommuniqué der Bank of England, dass die seit 1945 vermissten Goldbarren von der Deutschen Bundesbank ausgehändigt worden seien. Nach 51 Jahren waren sie auf mysteriöse Weise wieder aufgetaucht.65

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5. Schlussbemerkung

Für die Differenz zwischen den akzeptierten Forderungen an den Goldpool und dessen effektiven Inhalt gibt es keine zufriedenstellende Erklärung. Die Rückerstattung verlorengegangener Vermögen von Zivilpersonen ist auch eher schleppend und am Ende unbefriedigend.

83
Am 9. September 2000 sagte Stuart Eizenstat, dass diese Kapitel des Zweiten Weltkrieges nun endgültig geschlossen werde. Bleibt allerdings zu fragen, ob die Geschichte überhaupt Endgültigkeiten kennt, besonders in Anbetracht all der unbeantworteten Fragen.

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Fußnoten:

1 Rober Lay, leader of the Labor Front, had labeled gold as the weapon of Jews, and Walter Funk vowed that Germany would never return to the gold standard. Vgl. Smith, Arthur, Hitler’s Gold, S. 28.

2 Vgl. Boelcke; W. A., Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 259.

3 Es war eine Entscheidung der Alliierten, den Beginn der Naziraubgoldgeschäfte mit dem Anschluß Österreichs 1938 festzusetzen. Vgl. Smith, Arthur, Hitler’s Gold, S. 1.

4 Dokumente Deutsche Kriegsschäden. Bd. IV/1. Bonn 1964, S. 574. Vgl in: Boelcke, W. A.; Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 117.

5 Siehe Tabelle im Anhang und vgl. Bracher, Dietrich/Funke, Hans-A. Jacobsen (Hrsg.), Deutschland 1933-1945, Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Darin: Boelcke, W. A.; Die Finanzpolitik des Dritten Reiches, Eine Darstellung in Grundzügen, S. 115.

6 Vgl. Rings, Werner, Raubgold aus Deutschland, Die „Golddrehscheibe“ Schweiz im Zweiten Weltkrieg, S. 7.

7 Vgl. Maissen, Thomas, Verschlungene Wege des Raubgolds, Internationale Transaktionen und Reparationen (1938-1951) in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten961116.htm. Dr. Thomas Maissen ist Historiker an der Universität Potsdam. Auf der Holocaust-Konferenz in Stockholm versprach z.B. der schwedische Ministerpräsident Göran Persson die frühzeitige Öffnung der Staatarchive, obwohl diese einer 70ig jährigen Geheimhaltungsfrist unterliegen. Vgl. taz-Magazin Nr. 6060 vom 5.2.2000, „Nur im Notfall etwas zugeben“.

8 Dieses Konto war nach SS-Hauptsturmbandführer Bruno Melmer benannt.

9 Vgl. Zusammenfassung des Gold-Report der „Bergier-Commission“ am 25.5.1998. www.uek.ch/d/m1/gold-dz.htm.

10 Unveröffentlichter Bericht der SNB v. 16.5.1946, Archiv SNB Zürich/Bern sowie Akten „Goldoperation der Hauptkasse“, altes Archiv der SNB, C 15. Die Goldpreise der SNB waren 1936-1939 auf 4639 sFr. Und von 1940-1945 auf 4870 sFr. Pro Kilo Feingold festgesetzt worden. Vgl. in: Rings, Werner, S. 8.

11 Umfang und Wert der Goldtransaktionen werden von einem amtlichen Schriftstück ausgewiesen, das bei den Akten des Departements für Auswärtige Angelegenheiten (damals „Eidgenössisches Politisches Departement“) im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern aufbewahrt wird. Schreiben des EPD an die Schweizer Gesandtschaft in Washington v. 26.11.1945, Bl. 2, SBA, 2001 (E) 2/560. Bestätigt wird der Betrag in der unveröffentlichten Denkschrift „Bericht der Direktion der Schweizerischen Nationalbank über den Goldverkehr der Schweizerischen Nationalbank mit der Deutschen Reichsbank während des Weltkrieges 1939/1945 (Archiv der Schweizerischen Nationalbank). Vgl. Rings, Werner, S. 9.

12 Vgl. Rings, Werner, S. 35/36.

13 Ebd., S.10.

14 Estimates by Britain’s Ministry of Economic Warefare and the Bank of England in: Henry, Marilyn, Switzerland, Swiss Banks, and the Second World War, International Perspectives 38, American Jewish Committee 1998.

15 Vgl. Rings, Werner, S. 38.

16 Vgl. Arnoult, Pierre, Les Finances de la France et l’Occuptation allemande (1940-1944), S. 195-197.

17 Rings, Werner, S. 38/39

18 Dritter Tätigkeitsbericht der deutschen Waffenstillstandsdelegation für Wirtschaft, Paris/Wiesbaden, Mikrofilm NAW, T-120, Roll 712. Vgl. Rings, Werner, S.12.

19 Ausführlicher und spannend beschrieben in: Rings, Werner, Raubgold aus Deutschland, Kapitel 1: Der Raub des Goldes.

20 Vgl. Rings, Werner, S. 10.

21 Vgl. ebd., S. 15.

22 Rings, Werner, S. 17.

23 Vgl. Arnoult, Pierre, Les Finances de la France, S. 244.

24 Rings, Werner, S. 17.

25 Rings, Werner, S. 20.

26 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

27 Vgl. Maissen, Thomas, Verschlungene Wege des Raubgolds, Internationale Transaktionen und Reparationen (1938-1951), www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten/schatten961116.htm

28 Vgl. Hausner, Gideon, Die Vernichtung der Juden, S. 235 ff.

29 Vgl. Kopper, Christopher, Klage ohne Beweise in: Die Zeit, Nr. 25/1998

30 Eine Analyse einer Einschmelzaktion geraubter niederländischer Goldgulden im Jahre 1943 bei der preußischen Münze hält fest, dass 37'000 Gramm Feingold aus dem SS-Hort beigefügt wurden. Von den so hergestellten Barren wurden 83% an die Schweizerische Nationalbank, der Rest an Italien verkauft. Vgl. Eizenstat-Report, www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm

31 Unter monetärem Gold verstanden die Alliierten Gold, das den Zentralbanken unrechtmäßig entwendet wurde. Im Unterschied dazu stammte „nicht monetäres Gold“ von Zivilpersonen. Vgl. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

32 Walter Funk im Juni 1943, Politisches Archiv des AA, Bonn, Staatssekretär Schweiz, Bd. 3, Ministerialdirektor Clodius, Aufzeichnung über den Stand der Wirtschafverhandlungen mit der Schweiz v. 3.6.1943 in: Rings, Werner, S. 1.

33 Vgl. Maissen, Thomas, Verschlungene Wege des Raubgolds, Internationale Transaktionen und Reparationen (1938-1951), www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten/schatten961116.htm

34 Vogler, Robert, Der Goldverkehr der Schweizer Nationalbank 1939-1945 in: Geld, Währung und Konjunktur, Quartalsheft Schweizerische Nationalbank, 1/1985, S. 70.

35 Vgl. Zusammenfassung des Gold-Report der „Bergier-Commission“ am 25.5.1998. www.uek.ch/d/m1/gold-dz.htm.

36 Vgl. Vogler, Robert, S. 70.

37 Zitiert in SNB, 1946a, Beilage zu Annlage IV. Vgl. In: Vogler, Robert, S. 71.

38 According to the British Foreign Office report of September 1996 in: Henry, Marilyn, Switzerland, Swiss Banks, and the Second World War, International Perspectives 38, American Jewish Committee 1998.

39 Maissen, Thomas, Die Nationalbank im Gegenwind, Die Lieferungen von deutschem Raubgold in die Schweiz in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten960916.htm

40 SNB, 1946a, Anlage VI/1. Vgl. In: Vogler, Robert, S. 73.

41 Vgl. Zusammenfassung des Gold-Report der „Bergier-Commission“ am 25.5.1998. www.uek.ch/d/m1/gold-dz.htm.

42 Vgl. Smith, Arthur, Hitler’s Gold, The Story of the Nazi War Loot, S. 68.

43 Der Name leitete sich davon ab, dass den Naziraubgeldern ein sicherer Hafen verwehrt werden sollte. Die Ziele waren u. a. Deutschland daran zu hindern, Vermögenswerte in neutrale Länder zu verschieben; sicherzustellen, dass deutsche Gelder für den Wiederaufbau Europas und Reparationszahlungen an die Alliierten verfügbar sein würden; die Rückerstattung des von den Nazis im besetzten Europa gestohlenen Eigentums an die rechtmäßigen Besitzer. Vgl. Eizenstat Report. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

44 Eizenstat Report www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

45 Eizenstat Report www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

46 Vgl. Arthur, Smith, Hitler’s Gold, (Chapter 5, The Gold Pot).

47 Ihre Mitglieder waren: Albanien, Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Ägypten, die USA, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Indien, Luxemburg, Norwegen, Neuseeland, Niederlande, die Tschechoslowakei, Südafrika und Jugoslawien.

48 Vgl. Smith, Arthur, Hitler’s Gold, S. 115.

49 Vgl. Eizenstat-Report. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

50 Botschaft (1446), Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung des in Washington abgeschlossenen Finanzabkommens vom 14.6.1946. Vgl. In: Vogler, Robert, S. 77.

51 Vgl. Henry, Marilyn, Switzerland, Swiss Banks, and the second World War, International Perspectives 38, American Jewish Committee 1998.

52 The Alliies had Safehaven intelligence reports and captured Reichsbank records, but they still had no firm idea of the amount of gold that Germany had shipped to Switzerland or the extend of German assets. Vgl. Eizenstat-Report. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

53 Eizenstat-Report Vgl. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

54 Vgl. Smith, Arthur, Hitler’s Gold, S. 115.

55 An examination of the problem showed generally that on the one hand the total values of the possilble ‚private claims‘ provable by documentary evidence would be small in comparison with governmental claims for the restitution of looted national gold reserves, and on the other hand, that the total number of ‚private claims‘ likely to be presented to the Commision, if allowed at all, might run into many thousands, „ was the rationale given in a July 10, 1947, memo written by Sir Desmond Morton, the British commissioner to the TGC. Vgl. Henry, Marilyn, Switzerland, Swiss Banks, and the second World War, International Perspectives 38, American Jewish Committee 1998.

56 Vgl. Smith, Arthur, S. 92.

57 Vgl. Maissen, Thomas, Verschlungene Wege des Raubgolds, Internationale Transaktionen und Reparationen (1938-1951), www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten/schatten961116.htm

58 Vgl. Smith, Arthur, S. 131.

59 Vgl. Smith, Arthur, S. 136.

60 Vgl. Eizenstat-Report. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

61 Vgl. Maissen, Thomas, Die Bücher werden geschlossen, Rückgabe von Hitlers Raubgold nach 53 Jahren beendet in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten/schatten980909.htm

62 Vgl. Eizenstat-Report. www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm.

63 Vgl. Maissen, Thomas, Die Bücher werden geschlossen, Rückgabe von Hitlers Raubgold nach 53 Jahren beendet in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten/schatten980909.htm

64 Vgl. Rings, Werner, S. 184.

65 Vgl. Der Goldraub in den bayrischen Alpen in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten/scha981020fem.htm

Abkürzungsverzeichnis

BIZ: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel

FED: Foreign Exchange Depository

IARA: Interalliierte Reparationsagentur

NZZ: Neue Züricher Zeitung

SNB: Schweizerische Nationalbank

TGC: Tripartite Gold Commission

Literaturverzeichnis

Arnoult, Pierre: Les Fiances de la France et l’Occupation allemande (1940-1944), Paris 1951

Boelcke, Willi A.: Die Kosten von Hitlers Krieg, Kriegsfinanzierung und finanzielles Kriegserbe in Deutschland, 1933-1948, Paderborn 1985

Boelcke, Willi A.: Die Finanzpolitik des Dritten Reiches, Eine Darstellung in Grundzügen in: Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred u.a. (Hrsg.): Deutschland 1933-1945, Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, 2. ergänzte Auflage, Bonn 1992, S. 95-118

Bower, Tom: Das Gold der Juden, Die Schweiz und die verschwundenen Nazi-Milliarden,
1. Auflage, London 1997,

Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred u.a. (Hrsg.): Deutschland 1933-1945, Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, 2. ergänzte Auflage, Bonn 1992

Hausner, Gideon: Die Vernichtung der Juden, München 1979

Henry, Marilyn: Switzerland, Swiss Banks, and the Second World War, International Perspectives 38, American Jewish Committee (AJC) 1998

Rings, Werner: Raubgold aus Deutschland, Die „Golddrehscheibe“ Schweiz im Zweiten Weltkrieg, Zürich 1996

Sayer, Ian/Botting, Douglas: Nazi Gold, London 1984

Smith, Arthur: Hitler’s Gold, The Story of the Nazi War Loot, Oxford 1989

Vogler, Robert: Der Goldverkehr der Schweizerischen Nationalbank mit der Deutschen Reichsbank 1939-45 in: Geld, Währung und Konjunktur, Quartalsheft Schweizerische Nationalbank, 1/1985, S. 70-78

Zeitungen:

taz-Magazin Nr. 6060 vom 5.2.2000, Artikel: „Nur im Notfall etwas zugeben“

Die Zeit, Nr. 25/1998 darin: Kopper, Christopher: Klage ohne Beweise

Internetrecherche:

Eizenstat-Report in: www.parlament.ch/internet98/E/Nachrichtenlose_Vermoegen/summary.htm

Holocaust Assets June 1998 Supplement: U.S. and Allied Wartime and Postwar Relations and Negotiations With Argentina, Portuga., Spain, Sweden, and Turkey on Looted Gold and German External Assets and U.S. Concerns About the Fate of the Wartime Ustasha Treasury in: www.stat.gov/www/regions/eur/rpt_9806_ng_summhtml.html

Maissen, Thomas, Die Nationalbank im Gegenwind, Die Lieferungen von deutschem Raubgold in die Schweiz in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten960916.htm

Maissen, Thomas, Verschlungene Wege des Raubgolds, Internationale Transaktionen und Reparationen (1938-1951) in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten961116.htm

Maissen, Thomas, Die Bücher werden geschlossen, Rückgabe von Hitlers Raubgold nach 53 Jahren beendet in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten980909.htm

Der Goldraub in den bayrischen Alpen in: www.nzz.ch/online/02_dossiers/schatten980909.htm

Zusammenfassung des Gold Report der „Bergier-Commission“ am 25.5.1998 in: www.uek.ch/d/m1/gold-dz.htm

 

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