Artikel vom 20. September 2001
© 2001 fhi
Erstveröffentlichung

Sascha Weigel

Das Verhältnis der Individualrechte zum Gemeinwohlgedanken im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

 
A. Einleitung
B. Entwicklungen
I. Geistesgeschichtliche Entwicklungen
II. rechtshistorische Entwicklungen
III. Vorgeschichte und Redaktionsgeschichte des ALR
C. Hauptteil:
I. Einleitende Begriffsbestimmung anhand des Gesetzes
II. Individualrechte und Gemeinwohl im Privatrecht
III. Begrenzungen der Individualrechte im Polizeyrecht
IV. Individualrechte und Gemeinwohl im "Staatsrecht"
D. Zusammenfassung

A. Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht anhand der wichtigsten Regelungen im ALR das Verhältnis zwischen Gemeinwohl und Individualrechten. Insbesondere erschien es nötig, auf das preußische Grundverständnis vom Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft einzugehen, um die damaligen Inhalte dieser Normen herausarbeiten zu können. 1
Es wurde folgendermaßen vorgegangen: Zunächst wird das ALR in die größeren historischen Zusammenhänge gestellt, um die grundsätzlich möglichen Alternativen sichtbar zu machen, die Rückschlüsse auf das Verständnis von Staat und Individuum zulassen. Jeweilige geistesgeschichtliche und rechtsgeschichtliche Entwicklungen, die die Fragestellung zu erhellen vermögen, werden entsprechend dargestellt, so dass im Anschluß anhand des Gesetzestextes das Verhältnis heraus gearbeitet werden kann. Es wurde der Weg vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Konkreten zum Grundsätzlichen gewählt. 2



B. Entwicklungen

I. Geistesgeschichtliche Entwicklungen

Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten trat 1794 in Kraft. Seine Vorgeschichte geht bis zu den Anfängen des 18. Jahrhunderts zurück.1 Geistesgeschichtlich fällt dieser Prozeß in die Hochzeit der "Aufklärung". Auf die Frage, was denn die "Aufklärung" sei, antwortete Immanuel Kant mit seinen bekannten Worten 1784: 3
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere audem! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“2 4
Vernunftgebrauch war also die Maxime, mit der sich die Menschheit die Welt neu zu erklären erhoffte. Ursache dieses Prozesses war die Auflösung der traditionellen Strukturen oder auch Autoritäten. In den Religionskriegen des 17. Jahrhunderts konnte der Eindruck entstehen, dass die religiöse Lebenseinstellung und Lebensdeutung nicht mehr oder zumindest nicht unbedingt den Königsweg zur Glückseligkeit darstellte, wenn sie gleichsam solches Leid über ganze Völker bringen konnte. "Die Religion" als bisher maßgeblich anerkanntes Ordnungsinstrument der Gesellschaft wurde mehr und mehr diskreditiert. 5
Dieser Prozeß wurde verstärkt, als die Naturwissenschaften neue, vor allem aber andere Wahrheiten und obendrein noch logisch beweisbare "verkündeten". Insbesondere Galileo Galilei (LD: 1564-1642), der das Weltbild des Kopernikus (LD: 1473-1543) beweisen konnte, hatte an dieser Entwicklung maßgeblichen Anteil. 6
Als die logisch-mathematische deduktive Denkmethode, mit der sich den Naturgesetzen genähert wurde, durch Descartes (LD: 1596-1650) und Hobbes (1588-1679) auf die menschliche Gesellschaft übertragen wurde, wirkte das Erlebnis der vernunftgeleiteten Welterklärung im Zeitalter der Religionskriege als antriebsstarker Motor auch für die Rechtsbegründung. Der Einfluß religiösen Glaubens nahm zugunsten vernünftiger - bisweilen in glaubensähnlichen Formen verstiegenen - Überzeugungen ab.3 Am Ende dieses Prozesses konnte sich das Naturrecht mit der "Aufklärung" zum "profanen Vernunftrecht" verbinden.4 7
Bemerkenswert daran war, dass sich die Menschen mehr und mehr in den Mittelpunkt ihres Weltbildes und Handelns stellten - statt einen "überirdischen Gott", und dies dadurch angestoßen wurde, dass sie die Erde, aus dem Zentrum ihrer (weltlichen) Vorstellung zugunsten der Sonne verdrängten. 8
Das Individuum rückte näher ins Zentrum menschlicher Wahrnehmung, es beginnt allmählich die Individualisierung, da sich jeder seines eigenen Verstandes bedienen sollte. Deshalb galt es gesellschaftlich nunmehr als wichtigste Aufgabe, einen abstrakten Konsens dieser Individuen zu finden, damit der Gesellschaftsaufbau begründet und der Zusammenhalt der Gesellschaft gewährleistet wird. Hier hat der Gedanke vom Gesellschaftsvertrag seinen Ausgangspunkt, da sich ein jeder seiner Vernunft bedienen konnte. Doch stellt sie eine "formale Kategorie"5, eine menschliche Eigenschaft dar, der sich naturgemäß besser oder schlechter bedient werden kann. Jedenfalls unterscheidet sie sich von göttlicher Offenbarung und einer Welterklärung mittels biblischer Texte. Aber diese Distanzierung war zunächst das aufklärerische Ziel. Allerdings unterliegt die Vernunft vielfältigen Einflüssen jeglicher Art. Erst die Reflexion, der ständige Versuch rationalen Denkens, der öffentliche Diskurs legt den vernünftigen Kern der individuellen Überzeugung frei. Jedoch kann diese nie abschließend sein, da es dazu umfassender Kenntnis aller oder auch nur aller denkbaren Positionen bedarf. Und selbst dann kann nicht mit Sicherheit von einer vollkommen rational begründeten Überzeugung die Rede sein. Vernunft ist damit keine vollendete Befindlichkeit, sondern ein menschliches, vielmals allzumenschliches Vermögen. Letztlich ist Vernunftgebrauch ein nie endender Prozeß; Sie ist nicht, sondern wird. Dem entsprach die darauf aufbauende Wahrnehmung, dass die Ahnen noch nicht so aufgeklärt waren, wie die jetzige Generation und dass Eliten aufgeklärter als das gemeine Volk waren. Hier setzt die Bildungspädagogik auch mittels des Gesetzes an. Doch lag zunächst die "Leistung der Aufklärung", das qualitativ Neue eben darin, dass sie als Ausgangspunkt allen Denkens den Gebrauch der menschlichen Vernunft proklamierte und damit grundsätzlich von der Bildungsfähigkeit aller ausging. Gleichwohl war dies an und für sich ein wertneutraler Ausgangspunkt. 9

II. Rechtshistorische Entwicklungen

Indem die Religion allgemein und die Kirche insbesondere durch die Religionskriege und Reformation in ihrer Autorität schwer erschüttert wurden, wurde der Weg freigelegt, Gesellschaften auf anderen Grundlagen aufzubauen. Die Entwicklung des Naturrechts sowohl aus sozialethischem Antrieb wie bei Hugo Grotius (LD: 1583-1645) als auch aus der neuscholastischen Philosophie in Spanien6 durch Francisco Suarez (LD: 1548-1617) und Francisco de Vitoria (LD: 1483/93-1546) konnte sich fruchtbar mit dem mathematisch-logischem Denken der Naturwissenschaften7 und den erkenntnistheoretischen Fortschritten bei Descartes8 zu einem rein sozialen Recht bei Samuel Pufendorf (1632-1694) verbinden. Insbesondere befassten sich die Gelehrten im Zeitalter des Zerfalls der alten Ordnung mit staatlichen Ordnungssystemen und ihrer neuen vernünftigen Begründung. Hauptmerkmal aller naturrechtlichen Staatsmodelle war die Konstruktion des "Gesellschaftsvertrages" aus einem Naturzustand heraus, um die Menschen an Gesetze zu binden. Dieser Konstruktion bedurfte es, weil nunmehr die göttliche Bindung an die Gesetze wegfiel. Letztlich sollte der Vertragsgedanke helfen, das Verhältnis zwischen weltlich-positivem Recht und Naturrecht zu klären. Nach allen Modellen entscheiden die einzelnen Menschen, sich vertraglich zu binden. Wie dies von statten geht, aus welchem Zustand heraus und aus welchen Motiven, wird unterschiedlich beantwortet: 10

1. John Locke (LD: 1632-1704) und der englische Liberalismus

Für Locke waren die Menschen im Urzustand gleiche und freie Wesen, vor allem vernunftbegabt.9 Bereits diese Vernunft bindet die Menschen und besagt, da alle gleich und frei sind, dürfe keinem Leid zugefügt werden. Nicht aus Furcht oder Verzweiflung entschließen sie sich zum Gesellschaftsvertrag, sondern aus einem Willen zur Optimierung ihrer Freiheit und ihres Eigentums.10 Damit ist der Staatszweck, die Freiheit und das Eigentum jedes Einzelnen zu schützen, gegeben. Für Locke ist das Eigentum die durch Arbeit verwirklichte Freiheit.11 11
Da Locke das Wohl des Individuums in der Sicherung der Freiheit und des Eigentums sah, er schließlich vom Individuum ausgehend den Staatszweck bestimmte, war es nur folgerichtig, dass der Vertrag kündbar war, falls die oberste Gewalt gegensätzlich handelt. Die Regierung war ihm lediglich ein Mittel, so dass er sie in zwei rivalisierende Teile spalten konnte, um die Macht aufzuteilen. Er teilte sie in Exekutive und Legislative.12 Da beide in einem geordneten Verfahren zusammenarbeiten mußten, folgerte Locke aus dem Konsens des Gesellschaftsvertrages, dass das Mehrheitsprinzip als rechtmäßiger Verfahrensgrundsatz funktionieren sollte.13 12
Im Übrigen wurde später die Zweiteilung der Staatsgewalt durch Montesquieu (LD: 1689-1755), der stark von dem britischen Außenminister Viscount Bolingbroke und dessen „balance of power“-Gedanken14 beeinflußt worden war15, zur modernen Gewaltenteilungslehre weiterentwickelt.16 13

2. Thomas Hobbes (LD: 1588-1679) und der Absolutismus

Thomas Hobbes' prägende Erfahrungen entstammen den schweren Erschütterungen der Herrschaft der Stuarts, der folgenden Restauration und bürgerkriegsähnlichen Situation.17 Hobbes gilt mit seinen Schriften "de cive" (1642) und insbesondere "Leviathan"18 (1651) als erster Staatsphilosoph des Absolutismus.19 Ausgehend davon, dass "der Mensch des Menschen Wolf ist", versuchte Hobbes mit Hilfe des Staates Struktur, Ordnung und Sicherheit in die menschliche Gesellschaft zu bringen. Dazu benutzte er die geometrisch-mathematische Denkmethode der Naturwissenschaftler.20 Ordnung und gesellschaftliche Sicherheit seien nur durch Zwang möglich. Das haben ihm seine Erfahrungen gezeigt. Die Sicherung des gesellschaftlichen Friedens ist nicht umsonst zu haben: Der Preis war die endgültige und vollkommene Selbstentmachtung des Einzelnen zugunsten eines einzigen zukünftigen absoluten Herrschers durch einen Vertrag.21 Dieser stellt Verbindungs- und Unterwerfungsvertrag zugleich dar. Einen Vertrag zur Ausübung der übertragenen Macht läßt Hobbes außen vor.22 Zwar findet bei Hobbes der Grundsatz "pacta sunt servanda" kaum moralischen Halt23, doch konsequent vom Staatszweck ausgehend, steht dem Einzelnen kein Widerstandsrecht zu24. Alle Macht wurde vom Individuum abgegeben, so dass der Vertrag mithin unkündbar war. Nur so, meinte Hobbes, sei der Staatszweck, Sicherung des Gesellschaftsfriedens und der Krieg aller gegen alle zu vermeiden, erreichbar. Nicht absolute Macht, sondern das gesellschaftliche Wohl standen im Vordergrund. Anders als Locke, dachte Hobbes den Staat vom Gesamtgesellschaftlichen her. Ist allerdings einmal der Staat geschaffen worden, gelten die Gesetze kraft Autorität und nicht Wahrheit, kraft Wille oder Gewohnheit.25 Das unterscheidet ihn wiederum von Christian Wolff. 14

2. Thomas Hobbes (LD: 1588-1679) und der Absolutismus

Wolff bedient sich wie Hobbes der mathematisch-demonstrativen Methode in seiner Staatszwecklehre26, wobei jene bei Wolff nur ein kleiner Ausschnitt eines geschlossenen Systems aller Wissensgebiete darstellt. Für Wolff ergibt sich aus seinem philosophischem Menschenbild, wonach der Lebenssinn eines Jeden moralische Entfaltung und Vervollkommnung sei,27 dass dies auch Aufgabe und Zweck des Staates darstellt. Im Naturzustand verpflichtet nämlich das Naturrecht zur Vervollkommnung.28 Doch die individualistische Lebensweise verhinderte es.29 Daher würden sich die Menschen zu einer staatlichen Gemeinschaft zusammenfinden. Denn nur das Streben nach moralischer Vervollkommnung führt zur Glücksseligkeit, dem Antrieb allmenschlichen Handelns. Daraus ergibt sich für Wolff zwingend die Frage nach der staatlichen Regulierungsmacht und inwieweit der Einzelne für staatliche Ziele verpflichtet werden darf, wenn dies der moralischen Vervollkommnung dient.30 Da das Ziel eines jeden moralische Vervollkommnung sei, diese aber individualistisch nicht zu erreichen ist und daher die staatliche Gesellschaft gegründet wird, sei es die Pflicht des Staates, das Wohl der Bürger, die moralische Vervollkommnung, zu fördern31 Das heißt nicht nur Schutz der Rechtsgüter des Individuums wie bei Locke; Ordnung, Sicherheit und Ruhe wie bei Hobbes, sondern auch die Wohlfahrt zu fördern, ist Staatszweck. Vorrangig sogar, denn erst daraus ergibt sich alles Weitere. Das ist der philosophische Unterbau des des sog. „Wohlfahrtsstaates“. Dafür stellt Wolff einen umfangreichen Pflichten- und Verhaltenskatalog auf, so dass von privater Lebensgestaltung oder individueller Selbstverwirklichung keine Rede sein kann, mithin kein Vorläufer des Liberalismus des 19. Jahrhunderts gegeben ist. Das folgt bereits daraus, dass der Liberalismus individualistisch ist und diese Erscheinung bei Wolff gerade überwunden oder doch zumindest nicht weiter vorangetrieben werden sollte. Vielmehr wirkte sich Christian Wolff auf den aufgeklärten Absolutismus in Preußen des 18. Jahrhunderts aus, wo Friedrich der Große im gleichen Sinne dachte: 15
„Der Gesellschaftsvertrag... ist eigentlich eine stillschweigende Übereinkunft aller Staatsbürger, mit gleichem Eifer an der allgemeinen Wohlfahrt mitzuwirken. Hieraus entspringt für jeden Einzelnen die Pflicht, nach Maßgabe seiner Mittel, seiner Talente und seines Standes zum Wohl des gemeinsamen Vaterlandes beizutragen.“32 16
Anders als von Hobbes, der den Gesellschaftsvertrag als Zwangsmaßnahme begriff, verstanden Wolff und Friedrich der Große ihn als Mittel zur Vervollkommnung des an sich unvollkommenen Individuums. 17

III. Vorgeschichte und Redaktionsgeschichte des ALR

Von seinem Regierungsantritt 1713 an ist der als "Pietistenförderer" und "Soldatenkönig" bekannt gewordene Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) bestrebt, durch Vereinheitlichung des Rechts die Landesteile zusammenzufassen. Am 18. Juni 1714 ergeht eine Kabinettsorder nach Halle an den dortigen Rechtsgelehrten Christian Thomasius (LD: 1655-1728), eine Reformgesetzgebung auszuarbeiten.33 Doch dieser lehnte wegen grundsätzlicher Bedenken ab.34 18
Nach mehr als dreißig Jahren und einem Königswechsel, ergreift Friedrich II. (1740-1786) erneut Initiative und erläßt an seinen Kanzler Samuel Cocceji (LD: 1679-1755) am 30. 12. 1746 eine Kabinettsorder, nach der er die Gesetze rational und verständlich sowie vernunftrechtlich begründet sehen will. Doch der Tod Coccejis sowie der Zweite und Dritte Schlesische Krieg35 (1756-1763) vereitelten den erneuten Versuch, die Gesetzgebung auf die neuen geistigen Grundlagen zu stellen.36 19
Wiederaufgenommen wurden die Coccejischen Reformversuche, nachdem der reformfeindliche Großkanzler von Fürst, der Cocceji gefolgt war, über die Müller-Arnold-Affäre37 zu Fall gekommen war.38 Den Posten bekam daraufhin Johann Heinrich Casimir Graf von Carmer (LD: 1721-1801), der durch erfolgreiche Prozeßreformen in den schlesischen Gebieten von sich Reden gemacht hatte. Mitsamt seinen Mitarbeitern Carl Gottlieb Svarez (LD: 1746-1798) und Ernst Ferdinand Klein (LD: 1744-1810) unterstellten sie sich den Wünschen des Königs, an deren Ende ein umfassendes Kodifikationswerk stehen sollte. Diese Männer waren nicht nur philosophisch-aufgeklärt geschult worden, sondern verstanden sich auch als Aufklärer, jedoch moderat, nicht revolutionär, tief beseelt von der grundsätzlichen Bildungsfähigkeit aller, wenngleich als pflichtbewußte Beamte im Dienste der Monarchie. Was die Kodifikatoren antrieb, bringt Svarez selbst auf den Punkt: 20
"Vermöge der Freiheit seines Willens ist er [der Mensch, A.d.V.] fähig, sich in seinen Handlungen nach vernünftigen Beweggründen zu bestimmen, das, was der Verstand als gut erkannt hat, zu begehren und das, was dieser als schädlich und böse verwirft, zu verabscheuen. Je heller nun sein Verstand, je ausgebreiteter seine Kenntnisse und Einsichten sind, je richtiger, je freier seine Begehrungsvermögen und je mehr es dem Einfluß der Vernunft untergeordnet ist, desto mehr nähert sich der Mensch dem großen Zweck seines Daseins, seiner Glückseligkeit."39 21
1787 / 1788 wurde der Entwurf eines Gesetzbuches für die Preußischen Staaten veröffentlicht, so dass sich Gelehrte und Interessierte äußern konnten und es ausdrücklich sollten. Die eingegangenen Monita wurden in den nächsten Jahren gesichtet und ausgewertet, so dass 1791 das Allgemeine Gesetzbuch für die Preußischen Staaten vorgelegt werden konnte. Der neue Monarch Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) publizierte es am 20. März 1791. Es sollte am 1. Juni in Kraft treten. 22
Doch "besann" sich der Regent vorher eines anderen, wohl nicht ganz ohne Einflüsterungen seines einflußreichen Beraters Johann Christoph von Wöllner (LD 1732-1800)40, mehr aber noch unter den unmittelbaren Eindrücken der Französischen Revolution, die nunmehr im eigenen Blute zu waten begann. Friedrich Wilhelm II. suspendierte das Gesetzeswerk auf unbestimmte Zeit 23
Allerdings scheinen die französischen Ereignisse Friedrich Wilhelm II. gar nicht so sehr erschrocken, sondern lediglich in seiner Einschätzung „der Aufklärung“ bestätigt zu haben: Seit jeher bestanden deswegen größere Differenzen zwischen ihm und seinem aufklärerischen Onkel Friedrich dem Großen41, so dass es nicht verwundert, den neuen Regenten als Mitglied des antiaufklärerischen Geheimordens der Gold- und Rosenkreuzer vorzufinden. Ebenfalls Mitglieder waren eben jener Vertrauter von Wöllner, der einigen Vermutungen nach gar der "Unbekannte Oberste"42 war, sowie ein zweiter Minister: Hans Rudolf von Bischoffwerder (LD 1741-1803). Dieser Orden war eine politische Vereinigung, der insbesondere personal- und innenpolitisch Einfluß zu nehmen beabsichtigte, um die vorhandenen absolutistischen, aber mehr und mehr in Frage gestellten Strukturen zu stärken.43 Zumindest beim AGB gelang dies - zunächst. 24
Dennoch war es von Carmer und seinen Mitstreitern vergönnt - nach einigen inhaltlichen und sprachlichen Änderungen im AGB -, das Gesetzbuch durchzusetzen, zumal es die Justiz ungeachtet allem anzuwenden begonnen hatte: Am 1. Juni 1794 trat das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten in Kraft. Im Übrigen löste kurz darauf ein Rosenkreuzer von Carmer auf dem Posten des Großkanzlers ab.44 25

C. Hauptteil:

I. Einleitende Begriffsbestimmung anhand des Gesetzes

1. Die Individualrechte

Der Inhalt dieser Rechte wird ausdrücklich und zusammenhängend in den §§ 82 ff der Einleitung zum ALR genannt. Sie bringen das neue "aufgeklärte Weltbild" zum Ausdruck, aber auch die traditionellen Stellungen innerhalb einer Gesellschaft: Sowohl durch die Geburt als auch durch den damit einhergehenden Stand in der Gesellschaft begründen sich die allgemeinen Rechte des Menschen. Durch die nun folgenden Handlungen und Begebenheiten, die dieser Mensch vollziehen wird und diesem Menschen begegnen werden, kann er weitere (besondere) Rechte erwerben, insoweit das positive Gesetz solche anknüpft, § 82. 26
Damit gründen die allgemeinen Rechte auf der natürlichen Freiheit, die dem Menschen an und für sich zukommt, § 83; die besonderen Rechte hingegen auf dem persönlichen Verhältnis zum Staat, § 84, das allerdings durch die Gesetze festgelegt ist, § 85. 27

2. Das Gemeinwohl (§ 74 Einl ALR45)

Der Begriff "Gemeinwohl" stellt zunächst in seiner beabsichtigten Unschärfe den Zweck des Staates dar, §§ 73 ff Einl ALR46. Inhaltlich füllt sich der Begriff mit Blick auf den II. 13. ALR, in dem § 2 besagt, dass die "äußere und innere Ruhe und Sicherheit... zu erhalten" die "vorzügliche Pflicht" des Staatsoberhauptes sei, in dem sich die "Rechte und Pflichten des Staates" (§ 1) vereinigen. § 13 II. 13. ALR faßt die drei Grundmomente des "Gemeinwohls" nochmals zusammen, in dem er von der allgemeinen "Ruhe, Sicherheit und Ordnung" spricht. Ebenso §§ 2, 3 II. 6. ALR. 28
Die Sicherheit bezieht sich sowohl auf den Körper der Person, ihre Ehre und Recht, als auch speziell auf ihr Vermögen, wie in den Grundsatznormen §§ 1, 2 II. 17. ALR ausgeführt ist. Zu den Aufgaben der Staatsdiener und folglich auch zum Staatszweck im Allgemeinen erklärt das ALR neben der "Beförderung der Sicherheit und der guten Ordnung" auch den "Wohlstand des Staates", vgl. II. Teil 10. Titel ALR. 29

II. Individualrechte und Gemeinwohl im Privatrecht

1. Vorüberlegungen

Zwar stellte das Naturrecht in erster Linie eine Methode zur Begründung47 rechtlicher Fragen dar, um insbesondere das Rechtsherkommen auf neue Grundlagen zu stellen (s.o.), dennoch wurde über inhaltliche Alternativen nachgedacht. 30
Seit jeher war das Privatrecht Teil der staatlichen Ordnung; keine konnte auf es verzichten. Erst recht mit Beginn des 16. Jahrhunderts, als der bürgerliche Kapitalismus sich Bahn zu brechen begann, waren privatrechtliche Regelungen unverzichtbar. Und stets befand es sich im Spannungsfeld zwischen dem autonomen Individuum, das sein Recht geschützt wissen wollte und der Gemeinschaft, die auch für jedes einzelne Individuum Leistungen erbrachte, und so zu Ansprüchen gegen jene Individuen berechtigt gewesen schien.48 Als die westeuropäischen Gesellschaften sich zu verweltlichen begannen, individualisierten sie sich gleichsam. Erster Höhepunkt dieser sog. "Verweltlichung" war die Aufklärung: Ihr Wahlspruch von Kant, sich seines Verstandes zu bedienen und ihn gleichsam zur letzten moralischen und sittlichen Instanz zu erheben, war symptomatisch dafür. Dennoch stellten Naturrechtsphilosophen das Privatrecht als staatsunabhängigen Normenkomplex für Streitverhältnisse unter Privaten zur grundsätzlichen Disposition. 31
Vor allen Leibniz (1646-1716): Seine Idealvorstellungen mündeten im Bereich des einstigen Privatrechtsverkehr in einen ausgeprägten Fürsorgestaat. Alles Erwirtschaftete steht dem gemeinen Nutzen zu.49 Es steht in der Obhut des Staates, also auch in dessen Verfügungsgewalt. Der Anteil an der Arbeit und der daraus resultierende Erfolg, wird vom Staat zugeteilt. Leibniz beschrieb letztlich ein Klosterleben, in dem statt der Geld- und Rechtsbeziehungen, wie sie auch damals bereits Lebenstatsache waren, das gegenseitige Wohlwollen und die gegenseitigen Wohltaten existierten50. Doch Leibniz erkannte im gleichen Atemzug dessen Undurchführbarkeit. So entschied er sich für eine auf privatrechtlichen Konflikten gegründeten Gesellschaft, in der diese Konflikte entsprechend geregelt sind. Lediglich innerhalb dieser Rahmenbedingungen erklären die Gesetze die Menschen als gleich und frei. So sorgen die Menschen in Eigenverantwortung ihre Bedürfnisse zu befriedigen - durch Arbeit und Austausch. Den Menschen werden Risiken und Chancen zugesprochen. Ihrer Verantwortung obliegt es, arm oder reich zu werden oder auch „Glück oder Unglück“ zu erfahren – je nach Lebenseinstellung. 32
Dennoch arbeitet Leibniz einige Prinzipien aus seiner Optima Respublica in diese Gesellschaft ein: So will er die Freiheit da begrenzt sehen, wo sie für sich selbst zu gebrauchen unnütz, aber für einen anderen schädlich sei. Positiv gewendet folgt aus diesem Prinzip ein weiteres: Hilfe zu leisten, wird da zur Pflicht, wo es einem selbst nicht zum Schaden gereicht, aber einem Bedürftigen Hilfe zukommt. Das ist das, was später Svarez "Prinzip des Wohlwollens" nennen wird.51 Es schaltet das Prinzip des Egoismus der Eigentümer zugunsten der (begrenzten) Kooperation der Rechtsgenossen aus. In diesem Sinne geht Leibniz den Mittelweg zwischen absoluter und individualistischer Eigentümergesellschaft, die der Liberalismus später im Kapitalismus des 19. Jahrhunderts verwirklichen auf der einen Seite, und dem klösterlich-kommunistischen Gottesstaat auf der anderen Seite. Samuel Pufendorf (LD: 1632-1694) nimmt diesen Gedanken späterhin auf und systematisiert ihn. Bezeichnend dafür ist, dass zu seiner Lehre von den Pflichten gehörte, dem anderen zu helfen, soweit er es ohne eigene Einbuße tun kann.52 Einige Jahre später knüpft Johann Gottlieb Heineccius (LD: 1681-1741) ebenfalls an diesen Mittelweg an.53 33
Die Alternative zu dieser sozialpflichtigen Privatrechtskonzeption schlug Christian Thomasius ein. Für ihn ergab sich aus dem (vermeintlich) sittlich-moralisch Richtigen nicht zwingend deren gesetzliche Fixierung bzw. Durchsetzung. Für ihn waren Gesetze, insbesondere privatrechtliche, Freiheitsgewährungen und Rechtsgüterschutz gegenüber Eingriffen von Außen. Sein System des Privatrechts erklärte die Menschen frei und gleich, soweit sie ihre Rechte und Güter positiv gebrauchen. Dies war noch ganz auf der Linie Leibniz‘ und Pufendorfs. Damit waren Handlungen, die gegen diese Freiheit und Gleichheit verstießen, nicht nur unmoralisch, sondern auch gesetzlich zu verbieten. Die Abkehr von Leibniz und Pufendorf nimmt Thomasius aber bei denjenigen Handlungen vor, zu denen die Moral verpflichtet. Diejenigen gehören eben nicht zum Recht. Zu ihnen zählen "zwischenmenschlichen Hilfs- und Beistandspflichten, alle Regeln der Liebesethik und der Dankespflichten"54, also jegliche Regeln zur Herstellung solidarischer Verhältnisse und positiver Mitmenschlichkeit, die Thomasius dem Bereich des decorum55 zuordnete und die nicht rechtlich durchgesetzt werden können und dürfen. Insofern trennt Thomasius das, was moralisch zu unterlassen, also Recht ist von dem, was moralisch geboten erscheint.56 34
Zwischen diesen beiden Konzeptionen konnten die Kodifikatoren des ALR prinzipiell wählen. 35

2. Die Absichten des Gesetzebers

"Sicherheit des Eigentums und der Rechte für jeden einzelnen durch die vereinten Kräfte aller, ungestörter Gebrauch der natürlichen Freiheit eines jeden, soweit damit die Sicherheit und Freiheit der übrigen bestehen kann, Erleichterung der Mittel und Gelegenheiten zur Beförderung des Privatwohlstandes durch Veranstaltungen zur Ausbildung des Verstandes und Herzens, wodurch allein Neigung und Bereitwilligkeit zur Erfüllung der Pflichten des Wohlwollens erreicht werden kann - das sind die großen und wichtigen Ziele der bürgerlichen Gesellschaft"57. 36
Die Grundeinstellung Svarez', die wohl auch für die Regelungen des Privatrechts gelten darf, zeigt eine unentschiedene Haltung der Kodifikatoren zwischen diesen beiden Polen auf. Zum einen ist von "Freiheit und Sicherheit" und von "bürgerlicher Gesellschaft" die Rede, was bereits auf die liberale Gesellschaft des 19. Jahrhunderts weist, allerdings wird im gleichen Gedankenzug die (wohlwollende) Hilfe des Staatswesen genannt, die Svarez nötig erscheint, um des Bürgers „Verstand und Herzen“ auszubilden, so dass er die "Pflichten des Wohlwollens" anzunehmen vermag.58 37
Bei aller Freiheit der Bürger und Sicherheit des Privateigentums, die Svarez verwirklicht sehen wollte, darf das Interesse des Gemeinwohls nicht nur nicht vernachlässigt werden, sondern ist sogar durch staatliche Bildung und Förderung eines jeden Einzelnen erst der Garant für jene Freiheiten und Sicherheiten. Die Freiheit des (Privat-) Rechts ist ohne die Pflicht zum wohlwollenden Handeln nach Svarez gar nicht denkbar. Andererseits sieht Svarez allein in der Freiheit und Sicherheit des Individuums sowie seiner Rechte, die einzige Möglichkeit, dass es auch bereit und fähig ist, die "Pflichten des Wohlwollens" zu erfüllen. Kurz; hier äußern sich offenbar Leibniz und Pufendorf zusammen in Gestalt von Svarez. Doch Svarez verschiebt die Schwerpunkte. Während Leibniz in sein grundsätzlich „liberales“ Privatrecht soziale Prinzipien einarbeitet, geht Svarez vom Gemeinschaftsgedanken aus. Im ersten Fall wird dem Gemeinwohlgedanken mit Gesetzen in der schrankenlos-liberalen Gesellschaft Platz geschaffen, im zweiten Fall wird er erst mit „liberalen“ Gesetzen eingeschränkt. Es werden – als notwendig erkannte - Freiheiten gegeben, nicht ohnehin bestehende eingeschränkt. 38
Die Unentschiedenheit kommt auch an anderer Stelle zum Ausdruck, bei der Svarez von Grundsätzen des Thomasius ausging. Ebenso wie dieser sah er von der gesetzlichen Durchsetzbarkeit moralischer Pflichten ab, also Regeln zur Herstellung solidarischer Verhältnisse und positiver Mitmenschlichkeit, weil sie eben nur von der Moral vorgeschrieben seien59. Würden sie gesetzlich befohlen werden, unterhöhlten sie deren Wahrhaftigkeit, wie Svarez an Beispielen chinesischer Gesetze zur Höflichkeit, die zur Heuchelei verkommen, zu beweisen suchte. Dennoch brachte ihn die Analyse des Naturzustandes, der zunächst an Locke erinnert, zum gegenteiligen Ergebnis: 39
„In diesem Zustand der natürlichen Freiheit und Gleichheit könnten die Menschen sehr glücklich sein, wenn sie alle aufgeklärt und wohlwollend wären.“60 40
Doch erkennt Svarez auch die menschlichen Sinne und Leidenschaften, die bereits Hobbes übertrieben dargestellt hatte, an und sieht sie als Ursache für den Krieg aller gegen alle. Svarez verbindet beide menschliche Eigenschaften, Vernunft und Leidenschaft, sozusagen die Erkenntnisse von Locke und Hobbes und schlußfolgert im Sinne Wolffs. Wohlwollendes Verhalten aller ist das Ziel, Aufklärung durch (maßvolle) Gesetze und Anstalten des Staates das Mittel. 41

3. Lösungen im ALR

a. Diese Unentschiedenheit im Grundsätzlichen hatte zur Folge, dass im Kernbereich des Privatrechts, den Rechten und Pflichten aus dem Eigentum, die Pflichten sehr genau geregelt wurden. In § 29 I. 8. ALR finden wir eins der Prinzipien Leibniz' wieder. Die Norm besagt, dass der Staat das Privateigentum seiner Bürger einschränken kann, wenn dadurch ein erheblicher Schaden von anderen abgewendet wird oder anderen ein beträchtlicher Vorteil verschafft wird, beides aber ohne jeden Nachteil des Eigentümers geschehen kann. 42
Bemerkenswert an dieser Regelung ist insbesondere, dass der Staat das Eigentum lediglich dann einschränken kann, wenn dem Eigentümer kein Nachteil droht. Die Einschränkung des Eigentums an und für sich wird folglich als Nachteil weder anerkannt noch als solcher überhaupt gesehen. Das ergibt sich außerdem daraus, dass von einer Entschädigung für den Eigentümer keine Rede ist. Denn eine solche ist vom Staat nur zu leisten, wenn dem Eigentümer ein Schaden droht. 43
b. Dass Individualrechte mit dem Gemeinwohl kollidieren, scheint außerhalb der Vorstellungen des ALR zu liegen. Vielmehr widerspräche die Ansicht, ein Recht auf etwas zu haben, geschweige denn dieses durchsetzen zu können, wenn bei dessen Gebrauch ein anderer oder das Gemeinwohl zu leiden hätten, dem Grundverständnis des ALR. Das zeigt sich auch im Vertragsrecht im I. 5. § 70 ALR: Verträge, die keinem der Vertragspartner einen Vorteil bringen, müssen vom Richter auf Antrag dessen, der einen Nachteil erleidet, aufgehoben werden. Dasselbe Prinzip; ein Recht, dessen Durchsetzung keinen Nutzen bringt, muß aufgegeben werden, wenn dem anderen ein Schaden droht.61 Doch betrachtet man die Normen im Überblick, scheint sich das ALR gar nicht mit der Frage aufgehalten zu haben, zu wessen Gunsten entschieden wird, zugunsten des Rechts des Individuums auf Schutz seiner Rechte oder zugunsten des Gemeinwesens. Dass das ALR diesen Konflikt nicht sieht bzw. anerkennt, hat sich bereits unter a. gezeigt. Hier wird ebenfalls erkennbar, beachtet man, dass nirgends - auch außerhalb des Privatrechts nicht - von "Rechten des Gemeinwesens" die Rede ist.62 Nur solche würden in Konflikt mit Individualrechten treten (können). Insoweit hat das Wohl des Gemeinwesens keinen Vorrang vor Individualrechten, denn das Gemeinwesen und dessen Wohl - nicht dessen Rechte (!) - muß "befördert" (Einl § 74 ALR) werden, nicht aufgrund von Rechten, sondern weil es schlicht einer Art „innerer Richtigkeit“ entspricht. Es erscheint dem ALR als Selbstverständlichkeit, dass die eigenen Rechte an das Gemeinwohl gebunden sind63. Dass diese Selbstverständlichkeit dennoch gesetzlich festgeschrieben wurde, was insofern nicht selbstverständlich ist, ist nicht viel mehr als ein Zugeständnis an die Tatsächlichkeiten des Lebens. Denn das einzelne Individuen eben nicht zum Wohle des Gemeinwesens auf eigene "Rechte" verzichten mochten, war für die Kodifikatoren ebenso Realität wie Unvernunft. Vielmehr sollte das gesetzte Recht neben Publikations- und Klarstellungsfunktion gleichsam die zugewiesene Erziehungsfunktion erfüllen bzw. schlicht über die als vernünftig festgelegten Maßstäbe aufklären.64 44

III. Begrenzungen der Individualrechte im Polizeyrecht

Die polizeiliche Grundsatznorm befindet sich als § 10 im zweiten Teil des 17. Titels: 45
„Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zur treffen, ist das Amt der Polizey.“ 46
Ein leicht abgewandelter Wortlaut und anderes Verständnis sind heute noch als polizeiliche Eingriffsermächtigung maßgebend65, so dass der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung grundrechtliche Einschränkungen zur Folge haben können. Doch beabsichtigten die Kodifikatoren eine größere Spannweite der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als es heute als rein gefahrabwehrende Norm der Fall ist. So führte denn Svarez auch in seinen Kronprinzenvorträgen aus: 47
„Zu Einschränkungen [der Individualrechte, A.d.V.], welche auf die Abwendung gemeiner Gefahren und Beschädigungen abzielen, hat der Staat ein stärkeres Recht als zu solchen, wodurch bloß der Privatwohlstand, die Bequemlichkeit, der angenehme Lebensgenuß pp. befördert werden sollen.“66 48
Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine liberale und individualistische Auslegung der Norm zugrunde gelegt.67 Insofern kommt auch hier der wohlfahrtliche Zweck des ALR, der die Individualrechte an das Gemeinwohl bindet, zum Ausdruck. Für das Verhältnis zwischen Gemeinwohl und Individualrechten ist die Norm aber in einem weiteren Sinne erhellend. Denn hier wird die grundlegende Verknüpfung der Intensität des staatlichen Eingriffs mit dem Freiheitsschutzgedanken eingeführt. Die Art und Weise des staatlichen Eingriffs hat sich an der Art und Weise der Gefahr für das gemeine Wohl zu orientieren. 49
„Nur die Erreichung eines überwiegenden Guts für das Ganze kann den Staat berechtigen, die Aufopferung eines minderen Guts von dem einzelnen zu fordern. Solange das Übergewicht nicht evident ist, muß es bei der natürlichen Freiheit bleiben.“68 50
Insofern will Svarez durchaus ein frühes „Übermaßverbot“ für staatliche Eingriffe verankert wissen, so dass letztlich die Individualrechte und das Gemeinwohl, wenn schon nicht entgegengesetzt, so doch in ihrer Verknüpfung gelockert werden. 51

IV. Individualrechte und Gemeinwohl im "Staatsrecht"

1. § 22 Einl. ALR

§ 22 Einl ALR: „Die Gesetze des Staats verbinden alle Mitglieder desselben, ohne Unterschied des Standes, Ranges und Geschlechts.“ 52
Die Norm hat ein bewegte Geschichte erlebt und erscheint im ALR in sprachlich abgemilderter Form. Im Entwurf zum AGB war noch von einer "Gesetzesunterworfenheit" und nicht bloßen „Gebundenheit“ die Rede.69 Nichtsdestotrotz bleibt auch in der endgültigen Fassung das "Oberhaupt des Staates", wie der Monarch lapidar im 13. Titel des II. Teils des ALR bezeichnet wird, an die Gesetze gebunden. Diese allgemeine Gesetzesgebundenheit gleicht dem auch heute noch gültigen Grundsatz vom "Vorrang des Gesetzes"70, ja führt ihn ins positive Recht erst ein. Ob deshalb von einem "Markstein der deutschen Verfassungsgeschichte"71 die Rede sein kann, ist dennoch fraglich. Denn eine materielle Einschränkung und damit ein Mehr an Schutz für individuelle Rechte geht mit § 22 der Einleitung des ALR nicht einher. Das ergibt sich aus dem originär staatsrechtlichen 13. Teil des zweiten Titels, in dem in § 6 dem Monarch die unumschränkte Gesetzgebungsgewalt zugestanden wird. Der "Vorrang des Gesetzes" besagt lediglich und vorerst nur, dass gemäß vernunftrechtlicher Prinzipien der Staat auf Gesetze gründet. Über deren Inhalt wird insoweit kein Wort verloren. § 22 Einleitung ALR vermag materiell demnach nicht die monarchische, also staatliche (Gesetzgebungs-) Macht einzuschränken, was auch Svarez des Öfteren betonte.72 Allenfalls, aber immerhin hatte er eine gewisse Verifizierungsmöglichkeit und Bürokratisierung zur Folge. 53
Damit ist der Monarch zwar an die momentanen Gesetzen gebunden, ist aber in seiner Gesetzgebungsmacht nicht eingeschränkt. Materiell unbegrenzter Handlungsspielraum blieb sein eigen. 54
Der § 22 der Einleitung beinhaltet zudem ein Weiteres: Alle Mitglieder des Staates seien vor dem Gesetz gleich. Indes, hier ist zu differenzieren: Was die besonderen Rechte angeht, gelten sie für jedes Staatsmitglied entsprechend seines Standes in der Gesellschaft (s.o.). Dass sich die Menschen an die - für sie - geltenden Gesetze zu halten hätten, ist allerdings eine banale Aufforderung und entspricht seit jeher dem Wesen von Gesetzen. Die Frage nach der Gleichheit aller im Hinblick auf die „natürliche Freiheit“ und der allgemeinen Rechte führt so zum Problem von staatsunabhängigen „Freiheitsrechte“ im ALR. 55

2. Freiheitsrechte im ALR

Fraglich ist, ob im ALR bereits Freiheitsrechte iSd amerikanischen oder französischen Erklärungen der Menschen- Bürgerrechte enthalten sind. Einen entsprechenden zusammenfassenden Katalog enthält das ALR nicht. Doch lassen sich aus den nahezu 20.000 Paragraphen solche mit entsprechendem Wortlaut herausfiltern. Ob ihnen auch ein entsprechender Inhalt zugesprochen werden kann, ist zu untersuchen: 56

a. Religionsfreiheit
In §§ 1 ff II. 11. ALR wird umfassend die Religionsfreiheit festgeschrieben. Dies entspricht ureigenen naturrechtlichen und aufklärerischen Intentionen, doch ist fraglich, ob in Preußen das „Prinzip der Toleranz“ aus einem liberalem Verständnis hervorging. Allenfalls dies könnte es nahelegen, auch die Inhalte der Normen mit denen von Freiheits- und Grundrechten gleichzusetzen. 57
Seitdem am Weihnachtsabend 1613 der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund (1608-1619) zum Calvinismus übergetreten war73, war das Glaubensband zu seinen protestantischen Untertanen zerrissen. Gegen die Ratschläge seiner Geheimräte, die innen- und außenpolitischen Schaden kommen sahen, vollzog der brandenburgische Kurfürst diesen durchaus ungewöhnlichen und riskanten Schritt. Da es ihm nicht gelang, sein Territorium samt Untertanen "nachzuziehen", mußte die dauerhafte Spaltung zu erheblichen Spannungen führen.74 58
Im Folgenden entluden sich allerdings diese Spannungen nicht, so dass eine Entscheidung für oder gegen die eine oder andere Glaubensrichtung ausblieb. Das Land blieb vorerst religiös gespalten. Dieser Gegensatz zwischen calvinistischer Staatselite und protestantischem Adel löste sich nach und nach in Distanz auf. Beachtet man den bis dato enormen Einfluß der protestantischen Adelsschicht, war die jetzige Distanz zu den politischen Handlungszentralen erstaunlich. Doch hatte der Gegensatz nicht nur politische Folgen für den Adel, sondern für das religiöse Leben in Preußen allgemein, so dass Schilling zusammenfassend sagen kann: 59
"Je länger er (der Gegensatz, Anm. d. A.) bestand, desto deutlicher ergab sich aus dem Unterschied zwischen der Konfession der Untertanen und der des Herrscherhauses ein Zwang zur Toleranz und zur rational-säkularen Gestaltung des Staates als einer überkonfessionellen Institution, die sich gleichwohl oder gerade deshalb sittliche und moralische Kräfte der Religion anzueignen vermochte. Das war in der Tat 'Zwang' zur Toleranz und nicht 'Einsicht'. Die vielgerühmte Toleranz des preußischen Staates, die in Deutschland lange Zeit ihresgleichen suchte, war ja nicht aus einem Willen geboren, verschiedenen Kirchen gleiche Rechte zu gewähren oder gar moderne Gewissensfreiheit für die Untertanen einzuführen; sie war politische Notwendigkeit, in die sich die ersten calvinistischen Hohenzollern schicken mußten "75. 60
Endgültig gelang es erst Friedrich II. (1740-1786) die bestehende Kirchenhoheit des Staates nicht mehr aus einer bestimmten Konfession, sondern aus der Gebietsherrschaft (Territorialsystem76) heraus zu begründen. So wurde aus einer selbst verschuldeten Not eine vielgerühmte Tugend, doch war und blieb es eine staatlich verordnete Toleranzpolitik. Dass jeder in religiösen Fragen nach seiner Fasson selig werden konnte, wie es Friedrich II. zu sagen pflegte77 und im ALR zum Ausdruck kam, folgte nicht aus liberaler Gesinnung, sondern war ein "Prinzip der Staatsräson"78. 61
Diese sich im Gesetz niedergeschlagende religionssoziologische Entwicklung in Preußen legt es nah, weder mit moderner Terminologie von Freiheits- oder gar Grundrechten zu reden, noch deren moderne Inhalte als vom Staatswesen unabhängige und durch ihn latent gefährdete Lebenstatsachen im ALR gewährleistet zu sehen.79 Die Religionsfreiheit im ALR, die in ihrer Reichweite durchaus erheblich und in diesem Sinne modern war, wurde von diesem preußischen Staat erst gegeben, nicht trotz des preußischen Staates anerkannt und durchgesetzt.80 62

b. Allgemeine Handlungsfreiheit
Aus Einl §§ 82 ff, insbes § 83 ALR könnte eine allgemeine Handlungsfreiheit iSd Art 2 I GG gesehen werden, da "die natürliche Freiheit, sein eigenes Wohl ohne Kränkung der Rechte eines anderen, suchen und befördern zu können" gewährleistet wird. Doch weist Schwennicke zutreffend darauf hin, dass diese Norm lediglich unter Privaten uneingeschränkte Geltung beanspruchen konnte.81 Denn die in § 83 benannte "natürliche Freyheit", "auf der sich die allgemeinen Rechte gründen", ist an den Staatszweck, das "gemeine Wohl", gebunden, ist an ihn gekoppelt und von ihm abhängig. Die "natürliche Freyheit" entbehrt damit einer eigenständigen Bedeutung dem Staat gegenüber.82 Insofern ist in der Einleitung eine "Freiheit durch den Staat" gegeben worden, aber nicht eine "Freiheit vom Staat"83. 63
Im Übrigen begegnet man dieser Einstellung gegenüber individueller Freiheiten, die anderorts liberal, wenn auch nicht freiwillig als „Grundrechte“ anerkannt wurden, auch in anderweitigen Ausführungen von Svarez. Pressefreiheit sei auch eine Freiheit, die zugestanden werden sollte, soweit es dem Gemeinwohl zuträglich oder doch zumindest nicht abträglich ist.84 64

3. §§ 73, 74 der Einleitung

§ 73: " Ein jedes Mitglied des Staats ist, das Wohl und die Sicherheit des gemeinen Wesens, nach dem Verhältnis seines Standes und Vermögens, zu unterstützen verpflichtet." 65
§ 74: "Einzelne Rechte und Vorteile der Mitglieder des Staats müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Kollision) eintritt, nachstehen." 66
In diesen Grundsatznormen tritt das gleiche Grundverständnis vom Verhältnis zwischen Individualrechten und Gemeinwohl offen zutage, das bereits in „spezielleren Normen“ festgestellt wurde: § 74 ist eine "muß"-Vorschrift.85 Sobald Rechte des Einzelnen dem Gemeinwohl unzuträglich sind, treten sie zurück. Dabei ist zu beachten, dass nicht Rechte des Einzelnen mit Rechten des Gemeinwohls kollidieren. Es „kollidieren“ lediglich Rechte des Einzelnen mit Pflichten dieses Einzelnen zur Gemeinschaftsförderung, gleichwohl die Norm im zweiten Halbsatz von "Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls" spricht. 67
Fraglich ist, wie und warum es zu dieser Kopplung der individuellen Rechte an das Gemeinwohl und dem zwingenden Zurücktreten der einen hinter das andere kam. Da die individuellen Rechte und Pflichten stets und ohne Prüfung hinter das Gemeinwohl zurücktreten mußten, könne anstatt von Rechten von individuellen Freiheiten gesprochen werden, die dem Einzelnen gewährt wurden. Denn die „staatlichen Aufklärer“ sahen in individuellen Rechten grundsätzlich nicht einen Anspruch, der sich im Widerspruch mit dem Gemeinwohl befindet und in einem streitenden Ausgleichsverfahren (Abwägung) mehr oder minder befriedigt werden müßte. Wie die Formulierung, „wenn zwischen beyden ein wirklicher (!) Widerspruch besteht“, zeigt, war das Landrecht generell skeptisch, dass ein solcher Widerspruch tatsächlich auftreten könne. Das erklärt sich insbesondere aus dem damaligen Verständnis von „aufgeklärten Gesetzen“. Denn solche Gesetze waren in einem „zwingenden Denkverfahren“ gefunden worden. Da sie doch rational und nach den Gesetzen der Logik erkannt worden waren, seien sie ebenso wie naturwissenschaftliche Gesetze grundsätzlich unumstößlich. 68
Dieser Irrtum ergab sich aus der Verbindung der Aufklärung als Reaktion auf die religiöse Welterklärung mit der wissenschaftlichen Naturerforschung. Allein, so wie den klassischen Naturwissenschaftlern die Erfahrung der Relativität der Naturgesetze fehlte, die erst die Moderne Physik mit Einstein und insbesondere Heißenberg86 brachte, so war der Glaube an die Vernunft als einziges und richtiges Mittel zur Lösungsfindung für gesellschaftliche „Gesetze“ ungebrochen. Insofern glaubten sie an die reine unbedingte Vernunft, die gesellschaftliche Gesetze mit ebenso großen Anspruch auf die einzige Richtigkeit und Absolutheit findet wie naturwissenschaftliche Gesetze. Die Erfahrung der historischen Bedingtheit von Rechtssätzen und Wertvorstellungen, die in einem ständigen Prozeß, geradezu in einer ständigen Abfolge von Krisenerscheinungen und deren Überwindungen – nicht viel Anderes scheint die Geschichte, insbesondere aber der Liberalismus zu sein. – neu koordiniert werden müssen, war den Aufklärern fremd. Nun war es bereits damals ein bekannte Tatsache, dass es alternative Staatsformen sowohl in der Geschichte, als auch in der Gegenwart gab, doch diese erschienen eben deswegen als mehr oder minder „unvernünftig“ – zumindest für Preußen. Bereits daran zeigt sich die historische Bedingung der Tradition, der auch Aufklärer nicht entkommen. 69
Aus diesem grundsätzlichen (Miß-) Verständnis gesellschaftlicher Gesetze, war es gleichwohl in der Vorstellung zwingend, dass die vernünftigerweise zu gewährenden Rechte bzw. Freiheiten des Individuums nicht dem Gemeinwohl entgegenstehen könnten. Denn da der Staat (vom Monarchen) auf vernünftige Grundsätze gestellt worden war und vernünftiges Denken rationale, logische und daher zwingende Ergebnisse hervorbrachte, könne gleich den Wissenschaften von der Natur kein Widerspruch denkbar sein – andernfalls habe man unvernünftig gedacht. In einer Monarchie allerdings, in der sich der Monarch als aufgeklärt ansah, mußte es zu einem „aufgeklärten Absolutismus“ mit deutlicher Erziehungsaufgabe (Wolff!) kommen. Das hatte natürlich Erscheinungen zur Folge, die auch anderorts als modern und wegweisend angesehen worden waren. Zum Beispiel die Politik in Fragen des Glaubens. Diese Folgen sind aber aus einem anderen gesellschaftlichen Prozeß („Reform von Oben“) hervorgegangen, nicht aus einem liberalen Streit, der bestenfalls einen Ausgleich der Interessen bringt, schlimmstenfalls die Umkehr der Machtverhältnisse. 70
Da der Monarch, wenn auch auf vernünftiger Basis, so doch unabhängig das Gemeinwohl bestimmen konnte, konnten ausschließlich in diesem Rahmen die Rechte der Individuen bestehen, .d. h. Freiheiten dem Individuum gewährt werden. Zwischen beiden war ein Widerspruch nicht denkbar. Das zeigt sich gesetzlich vor allem in der mangelnden Abwägung in § 74 Einl ALR. Insofern ist es bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Gemeinwesen und den Individuen durchaus irreführend, von Rechten des Individuums zu sprechen. Verstanden wurde darunter – auch noch in der realen Gesellschaft - der (dem Gesellschaftsvertrag vorgelagerte) Begriff der natürlichen Freiheit, die jedem Individuum zustand. Diese Freiheit kann auch nicht durch den Akt des Gesellschaftsvertrages eingeschränkt oder abgegeben werden. Denn, ob nun Naturzustand oder Gesellschaft, das private Eigentum wurde als Tatsache anerkannt. Doch als streitbares Recht wurde es „in den preußischen Absolutismus nicht mitgenommen“, sondern als Freiheit, die, solange es nicht dem Gemeinwesen entgegenstand, vom Gemeinwesen gewährt wurde. Das zeigt sich auch daran, dass die Einschränkung des Eigentums zum Wohle des Gemeinwesens keinen Entschädigungsanspruch nach sich zog, sondern erst der daraus entstehende Schaden für den Eigentümer gab ihm einen solchen (s.o.).87 71

4. §§ 75 der Einleitung

§ 75: „Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird, zu entschädigen gehalten.“ 72
Diese Normen positivieren das Prinzip der staatlichen Entschädigungspflicht bei Aufopferung individueller Rechte zugunsten des Gemeinwohles.88 Das ist der Grundsatz. Der Anspruch verjährt nach dreißig Jahren.89 73
Späterhin wurde dieser Grundsatz aus praktischen Bedürfnissen erweitert, so dass der Anspruch auch gegeben war, wenn zwar „die besonderen Rechte des Einzelnen nicht mit dem Interesse des Staatsganzen, wohl aber mit dem Interesse einer größeren oder kleineren Gemeinschaft innerhalb des Staates in Widerspruch gerathen“90 war. 74
Allerdings war der § 75 ALR nicht anwendbar, wenn eine Einschränkung der Individualrechte durch ein allgemeines Gesetz erfolgte.91 Denn in den Gesetzen spricht der „Landesherr zu seinen Unterthanen“ und „wenn dieser es erforderlich gefunden hat, eine Maßregel der inneren Verwaltung unmittelbar durch einen Akt der Gesetzgebung anzuordnen, und wenn hierbei ein Bedürfnis vorhanden gewesen ist, dem Privatinteresse vorzusehen, ist die Verpflichtung zum Schadensersatze aus dem Staatsvermögen besonders festgesetzt worden“92. D. h. eine Entschädigungspflicht aus § 75 ALR entstand bei bloßen Verwaltungsmaßregeln, sonst nur, wenn es in dem entsprechenden einschränkenden Gesetz speziell festgesetzt wurde. Für den Anspruch aus Verwaltungsmaßregeln galt ferner, dass sie rechtmäßig gewesen ein müssen, ansonsten war der Anspruch nicht auf § 75 Einl ALR stützbar.93 Wiederum zeigt sich, dass zwischen den Individualrechten und dem Gemeinschaftsinteresse grundsätzlich kein Widerspruch anerkannt worden war. Das Gemeinschaftsinteresse begrenzt schlicht die Freiheiten des Individuums in durchaus absoluten, wenn auch nach „vernünftigen“ oder besser säkularen Maßstäben. Im theoretischen Sinne also nicht (unbedingt) willkürlich. Die Begrenztheit des Entschädigungsanspruchs in der Praxis, macht deutlich, dass sich der preußische „aufgeklärte Absolutismus“ keineswegs den liberalen Gedanken eines John Locke verpflichtet hatte, der das Gemeinwesen ausgehend vom Individuum verstanden wissen wollte. 75

D. Zusammenfassung

Die Frage des Verhältnis zwischen Gemeinwohl und Individuum im 18. und 19. Jahrhundert berührt die Frage nach der Entwicklung moderner Grundrechten. Sie stehen dem Individuum in der Gesellschaft zu, ohne dass es sich für die Ausübung rechtfertigen müsse.94 Lediglich die staatliche Gewalt muß sich rechtfertigen, wenn sie Grundrechte einschränkt. Da gemeinschaftliche Normen das absolut uneingeschränkt gedachte Grundrecht per Definition einschränken, stehen die Grundrechte dem Staat stets spannungsgeladen gegenüber. Der Staat als Gemeinschaft stellt für das individuelle Grundrecht eine latente Bedrohung dar. Der daraus folgende Prozeß der Abwägung, des Widerstreits, der letztlich zum Ausgleich für beide Seiten führen mag, ist dem ALR grundsätzlich fremd. 76
Die individuellen Rechte des ALR sind an das Gemeinwohl gekoppelt worden und nur in dessen Rahmen bestanden sie. Streitig war allenfalls die Reichweite der vernünftigerweise zu gewährenden Freiheit für das Individuum. Der Ausgangspunkt dabei war für das ALR das Wohl der Gemeinschaft. Es wurde nicht „individualistisch gedacht“, also vom Einzelnen ausgehend wie im Liberalismus, der das Gemeinschaftsmoment erst mit dem Gedanken von der Nation „bereitstellen“ konnte. 77
Die Tatsache, dass die staatliche Gemeinschaft auch oder vielmehr gerade im aufgeklärten Absolutismus für das Individuum geschaffen worden war (Vervollkommnung des Einzelnen!), sollte darüber nicht täuschen. 78
Sicher prägte dieses Gesellschaftskonzept, das im Allgemeinen Landrecht für Preußen seinen klarsten Ausdruck fand, den weiteren Fortgang der Geschichte, allein durchsetzen konnte es sich nicht. Das blieb dem individualistischen Liberalismus zusammengeschweißt vom Gedanken der Nation vorbehalten. 79

Fußnoten:

1 siehe dazu unter B. III.

2 Kant, Immanuel: Was ist Aufklärung? erschienen in der Dezember-Nummer der „Berliner Monatsschrift“ 1784, hier zitiert aus: Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen, Hg. Erhard Bahr. Stuttgart 1996, S. 9.

3 dazu Menger: Verfassungsgeschichte, Rn 151

4 siehe dazu unter B. II.

5 Möller: Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 322.

6 vgl. nur Hirschberger: Geschichte der Philosophie II, S. 72 ff, 76 ff.

7 Insbesondere durch Galilei (LD: 1564-1642), der an Kepler (1571-1630) anschließt. Einflußreich waren auch der Chemiker Robert Boyle (1627-1691) sowie I. Newton (1643-1727).

8 vgl. „Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahreitsforschung“ von 1637, Stuttgart 1961, dazu auch Hirschberger, Geschichte der Philosophie II, S. 92 f; Rebstein: Allgemeines zur philosophischen Rechts- und Staatslehre, in: Volkssouveränität und Freiheitsrechte, S.9 ff.

9 Locke: Über die Regierung, II. – Der Naturzustand, TNr. 4, S. 4 f;Vgl. auch Menger: Verfassungsgeschichte, Rn 154; Die Vernuftbegabung folgt als Umkehrschluß aus dem „Kriegszustand“ (III.), TNr. 16 f, S. 14 f.

10 Locke: Über die Regierung, VIII. – Die Entstehung politischer Gesellschaften, TNr. 95, S. 73.

11 Hattenhauer: Europäische Rechtsgeschichte, S. 397; zum Ganzen auch Reibstein: John Locke, in: Volkssouveränität und Freiheitsrechte, S. 75, 80; Schwan: Politische Theorien, S. 157, 198 f.

12 Locke: Über die Regierung, XII. – Die legislative, exekutive und föderative Gewalt des Staates; TNr. 143 ff, S. 111 ff. Die föderative Gewalt braucht hier nicht ausgeführt werden; ausfrl. Reibstein: John Locke, in: Volkssouveränität und Freiheitsrechte, S. 75, 81 ff.

13 Locke: Über die Regierung, VIII. – Die Entstehung politischer Gesellschaften, TNr. 96 ff, S. 74 f.

14 Dieser Terminus fand erstmals 1714 im Friedensvertrag von Utrecht – Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714 ) – positiven Niederschlag.

15 dazu nur Schulze: Staat und Nation, S. 88 ff.

16 ausfrl. Menger: Verfassungsgeschichte, Rn 157 ff.

17 dazu, Kluxen, in:Handbuch der Europäischen Geschichte, Band 4, S. 357 ff.

18 nach dem alttestamentarischen (Meeres-) Ungeheuer: Hiob 3.8, 40.25; Psalm 74.14; Jesaja 27.1.

19 Hattenhauer: Europäische Rechtsgeschichte, S. 393.

20 dazu:Diesselhorst, Systemdenken bei Hobbes, S. 10.

21 Leviathan, II. 17., S. 151, 156 f.

22 Hattenhauer: Europäische Rechtsgeschichte, S. 394.

23 dazu Diesselhorst, Systemdenken bei Hobbes, S. 19 ff; Reibstein: Thomas Hobbes, in: Volkssouveränität und Freiheitsrechte II, S. 25, 30 f.

24 Leviathan, II. 21., S. 187, 195.

25 Leviathan, II. 26., S. 228, 229. siehe auch Senn: Rechtsgeschichte, S. 202.

26 vgl. Repgen: Wolff, Christian, in: Juristen, S.656, 657.

27 Buchholz in HRG 5, Wolff, Christian, 1514.

28 Thoman: Christian Wolff, in: Staatsdenker, S. 257, 259.

29 vgl. Hagen Hof: Wolff, Christian, in: Kleinheyer / Schröder, S. 315, 319.

30 vgl. Hellmuth: Naturrechtsphilosophie und Bürokratischer Werthorizont, S. 31.

31 so bereits, Jellinek: Allgemeine Staatslehre, S. 243; vgl. Buchholz in HRG 5, Wolff, Christian, 1514 f.

32 vgl. Friedrich der Große: Briefe über die Vaterlandsliebe von 1779, abgedruckt in: Friedrich der Große und die Philosophie, S. 110, 115, 118 f.

33 Wieacker: Privatrechtsgeschichte, S. 328, Schlosser, Grundzüge, S. 96

34 ausfrl. dazu Lieberwirth: Christian Thomasius und die Gesetzgebung, in: Rechtshistorische Schriften, S. 121, insbes. 131 ff.

35 dazu Möller: Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 21 ff; Schulze: Kleine deutsche Geschichte, S. 67 ff; zur europa- und weltpolitischen Dimension des „Siebenjährigen-Krieges“, Kluxen, Kurt sowie Wagner, Fritz, in: Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 4, S. .357 ff. und S. 46 ff.

36 vgl. Kleinheyer: Das Allgemeine Landrecht, S. 5; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 328

37 dazu Sendler: Friedrich der Große und der Müller Arnold, in: JuS 1986, 759-763; Diesselhorst: Prozesse des Müller Arnolds, S. 52 ff.

38 Hattenhauer, Einführung, S. 4; Conrad: Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 387; Wieacker: Privatrechtsgeschichte,S. 329, .

39 Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 154 f.

40 dazu von Bissing: Friedrich Wilhelm II. S. 142 f.

41 Hattenhauer: Einführung, S. 10.

42 Möller: Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 506; DBE 10, S. 557 f.

43 siehe auch Sheehan: Ausklang des Alten Reiches, S. 267 ff.

44 von Bissing: Friedrich Wilhelm II., S. 152.

45 Abgekürzt werden die Normen des ALR nach Paragraphen; Einleitung/Teil, Titel, zitiert.

46 zur Entstehungsgeschichte der Normen ausfrl. Schwennicke, Entstehung der Einleitung, S. 299 ff.

47 vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 258, 266, 274.

48 ausfrl. Luig: Ungestörter Gebrauch der Freiheit, S. 17, 21.

49 vgl Schneider: G.W. Leibniz, in: Staatsdenker, S. 197, 219 f; Luig: Privatrecht des ALR, S. 255, 258; ders.: Ungestörter Gebrauch der Freiheit, S. 17, 22.

50 vgl. Küchenhoff in HRG 2: Leibniz, G.W., Spalte 1799.

51 bspw. Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 5, 8, vgl. aber auch 643.

52 S. von Pufendorf: Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, Buch 1, Kap. 9, § 2, S. 86; vgl Luig: Samuel Pufendorf, in: Juristen - Ein biographisches Lexikon, S. 506, 507

53 Johann Gottlieb Heineccius: Grundlagen des Natur- und Völkerrechts (1737), Kap. VII, § 174, S. 133, Hg. Christoph Bergfeld (in: Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, Bd. 29, Frankfurt/Main - Leipzig 1994

54 Luig, Klaus in HRG 5, "Thomasius", S. 186, 194.

55 dazu: Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 286 f.

56 dazu: Kaufmann in Kaufmann / Hassemer, S. 55; zur ethischen Begründung dieser Trennung, Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 316, der diese Trennung gleichsam als "Sackgasse...und...ethische Verarmung des Naturrechts" (S. 317 f) begreift. dazu stellungnehmend: Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 286 ff.

57 Svarez: Vorträge über Recht und Staat; S. 643 f.

58 vgl. Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 643 f.

59 vgl. Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 5 (XII, XIII).

60 vgl. Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 8 f (XV).

61 Im Übrigen wird dieses Prinzip im I. 5. § 378 ALR ausgedehnt , so dass sich ein Vertragspartner auch auf ungünstige Änderungen der tatsächlichen Lage berufen kann.

62 Auch nicht in der Einl § 74 ALR, wo von "Rechten und Pflichten ("des Einzelnen" ist gedanklich zu ergänzen) zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls" gesprochen wird.

63 iE ebenso Luig: Privatrecht des ALR, 255, 270 f.

64 Weitere einschlägige Normen, die das Verständnis von Gemeinwohlgedanke und Individualrechten erklären könnten, sind von Luig, in: Ungestörter Gebrauch der Freiheit, S. 17, 30 f aufgezählt. würden aber zur Aufgabenstellung keine weitere Erhellungen beitragen.

65 vgl. nur § 17 I BerlASOG.

66 Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 40.

67 erstmals im sog. „Kreuzberg-Urteil“: PrOVG E 9, 353-384 (1882), Nachdruck in DVBl 1985, 219-226.

68 Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S.39.

69 vgl. auch Schwennicke: Entstehung der Einleitung, S. 218 ff

70 Merten: Rechtsstaatsidee, 109, 118.

71 Merten: Rechtsstaatsidee, 109, 119.

72 vgl.bspw. Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 229; aA: offenbar Merten: Rechtsstaatsidee, 109, 119.

73 vgl. DBE 5, S. 338; siehe wunderbar erzählend, Rogge: brandenburgische Kurfürsten, S. 247 ff; auch Haffner: Preußen ohne Legende, S. 117 f; allgemein zur Ausbreitung des Calvinismus in Westeuropa: Iserloh, in: Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. IV, S. 420 ff.

74 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 312; Schilling: Höfe und Allianzen, S. 380 f; aA wohl Uhlhorn/Schlesinger in Gebhardt, Bd. 13, S. 340.

75 Schilling: Höfe und Allianzen, S. 383.

76 dazu Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 295; von Campenhausen: Staatskirchenrecht, S. 21

77 vgl. zB Friedrich der Große: Das politische Testament, S. 44; auch Schieder, Theodor: Friedrich der Große, S. 290 mwN; vgl. auch Menger, Rn 147.

78 Schilling: Höfe und Allianzen, S. 385; aA offenbar Conrad: Das Allgemeine Landrecht, S. 24.

79 aA wohl Kleinheyer: Das Allgemeine Landrecht, S. 20.

80 vgl. die Ausführungen von Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S.509 f.

81 Schwennicke, Entstehung der Einleitung, S. 373.

82 so auch: Klippel / Pahlow: Freiheit und aufgeklärter Absolutismus, S. 215, 252; aA Conrad, Das Allgemeine Landrecht, S. 15.

83 auf diese griffige Formel brachte es: Stolleis: Untertan - Bürger - Staatsbürger, S. 84.

84 Svarez: Vorträge über Recht und Staat, S. 43, 44.

85 so Rehbein: Entscheidungen, S. 99, 100.

86 Heißenbergsche Unbestimmtheitsrelation.

87 vgl. § 29 I. 8. ALR; Striethorst: Archiv für Rechtsfälle, S. 320, 322

88 vgl. Koch: Kommentar in Anmerkungen, S. 58, Anm. 84 I.

89 vgl. Koch: Ergänzungen und Erläuterungen, S. 105, § 75, E. 1).

90 vgl. Rehbein: Entscheidungen, S. 105, 107 f.

91 vgl. Rehbein: Entscheidungen, S. 99, 100; Koch: Kommentar in Anmerkungen, S. 58, Anm. 84 I. 1.; Nachschlagewerk, S. 51, Nr. 29 für allgemeine Polizeiverordnungen, Nr. 73, 77.

92 vgl. Rehbein: Entscheidungen, S. 99, 100.

93 vgl. Nachschlagewerk, S. 62, Nr. 70.

94 Pieroth/Schlink: Grundrechte, Rn 43, 44.

 

Literaturverzeichnis:

- Bissing, V. M. Frhr. von: Friedrich Wilhelm II. - König von Preußen. Ein Lebensbild, Berlin 1967.

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- Conrad, Hermann: Deutsche Rechtsgeschichte - Band II. Neuzeit bis 1806, Karlsruhe 1966.

- ders.: Die geistigen Grundlagen des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794. (AG für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswissenschaften, 77) Köln – Opladen 1958.

- ders.: Das Allgemeine Landrecht von 1794 als Grundgesetz des friderizianischen Staates. Vortrag vor der Berliner Juristischen Gesellschaft vom 25. Juni 1965, Berlin 1965.

- Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE): Hg. Walther Killy und Rudolf Vierhaus, München 1997

(zitiert: DBE, Bd., S.)

- Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten. Eine biographische Einführung in die Geschichte der Rechtswissenschaft, Hg. Kleinheyer, Gerd / Schröder, Jan, 3. Auflage, Heidelberg 1989.

(zitiert: Bearbeiter in Kleinheyer / Schröder)

- Diesselhorst, Malte: Die Prozesse des Müller Arnolds und das Eingreifen Friedrichs des Großen, (Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, 129), Göttingen 1984.

- ders.: Die Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes. Stuttgart 1968.

- Friedrich der Große: Das politische Testament von 1752, Neuauflage Stuttgart 1987.

- ders.: Friedrich der Große und die Philosophie. Texte und Dokumente, Hg. Bernhard Taureck, Stuttgart 1986.

- Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte (TB-Ausgabe), Hg. Herbert Grundmann, 7. Auflage, München 1999.

(zitiert: Bearbeiter in Gebhardt, Bd.)

- Haffner, Sebastian: Preußen ohne Legende, 2. Auflage, München 1998.

- Handbuch der Europäischen Geschichte, Hg. Theodor Schieder, Band 4, Stuttgart 1968.

(zitiert: Bearbeiter in Handbuch der Europäischen Geschichte)

- Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1971-1998.

(zitiert: Bearbeiter in HRG, Bd., Stichwort, Spalte)

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(zitiert: Bearbeiter: Stichwort, in: Juristen)

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(zitiert: Bearbeiter in Kaufmann / Hassemer)

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(zitiert: Kapitelname, Textnummer, Seite der Ausgabe)

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