Artikel vom 21. Mai, 2002
© 2002 fhi
Erstveröffentlichung

Christian Sperber:

Die Wahl des Papstes im Mittelalter

Gliederung
I. Einleitung
II. Das Papstwahlverfahren vor seiner institutionellen Verfestigung
1. Die frühmittelalterliche Wahl
2. Papstwahlen und Papsttum unter römischer und byzantinischer Herrschaft
III. Die Entwicklung des Papstwahlverfahrens in der "klassischen Zeit"
1. Papstwahlverfahren und Papsttum im Zeitalter der Kirchenreform
1.1 Die Vorgeschichte
1.2 Das Papstwahldekret In nomine Domini
1.3 Die neue geistliche Elite: Die Kardinäle
2. Die Einführung des Mehrheitswahlrechtes
2.1 Die Vorgeschichte
2.2 Licet de vitanda
3. Die Einführung des Konklaves
3.1 Die Vorgeschichte
3.2 Die Konklaveordnung Ubi periculum
IV. Literatur- und Quellenverzeichnis

I. Einleitung

Für jede Organisation mit hierarchischer Struktur, und als eine solche läßt sich die römisch-katholische Kirche sicher beschreiben, stellt ein Wechsel an der Spitze einen Moment potentieller Krise dar. Die Entscheidung, wer künftig das wichtigste Amt erhalten, wer also der nächste Papst werden soll, bestimmt zum Teil schon die Entwicklung der folgenden Jahre. Getroffen wird diese Entscheidung schon immer in einer Wahl; sie steht am Anfang jeder päpstlichen Regierung. Nicht überraschen dürfte, dass der Begriff ‚Wahl‘ in der knapp 2000jährigen Geschichte des Papsttums durchaus voneinander abweichende Vorgänge bezeichnet.

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Gegenstand dieser Arbeit ist die Wahl des Papstes im Mittelalter. Bemüht man sich die Geschichte der Papstwahl in Abschnitte zu unterteilen, so ergeben sich für die Zeit des Mittelalters zwei Perioden: Die Zeit bis gut 1000 nach Christus, die auf die Ausbildung der später gültigen Wahlordnung geringen Einfluß hatte, und die Zeit des 11.-13. Jahrhunderts, in der sukzessive bereits die wesentlichen Elemente des heutigen Papstwahlverfahrens geschaffen worden sind. Horst Fuhrmann nennt die zweite Periode die „klassische Zeit“.1

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II. Das Papstwahlverfahren vor seiner institutionellen Verfestigung

1. Die frühmittelalterliche Wahl

In einer Wahl wird der künftige Papst bestimmt. Der Entscheidungsprozeß läßt sich aber natürlich nicht auf einen ‚Wahl-Akt‘ beschränken, zumal dieser selbst anfangs noch ziemlich unbestimmt ist. Im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte galt für die Wahl des Bischofs von Rom dasselbe wie für die jedes anderen Bischofs, wie auch zu sagen ist, dass der Papst2 in dieser Zeit immer zuallererst der Bischof von Rom ist.3

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Als Ideal und Norm darf die oft zitierte Stelle aus einem Brief Leos des Großen (440-461) gelten: All die dürfen nicht für einen Bischof gehalten werden, qui nec a clericis sunt electi, nec a plebibus expetiti, nec a comprovincialibus episcopis cum metropolitani iudicio consecrati.4 Und schon bei Coelestin I. (422-432) hieß es: Nullus invitis detur episcopus. Cleri, plebis et ordinis consensus ac desiderium requiratur.5

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Bei der electio eines Bischofs war also die Beteiligung von „Klerus und Volk“ (clerus et populus) vorgeschrieben. Electio bezeichnet dabei stets ein Mehrfaches: Diskussion über mögliche Kandidaten, Einflußnahme des weltlichen Machthabers, Wahlversammlung, Zustimmung des Volkes, Bestätigung der Wahl durch weltliche Machthaber oder den kirchlichen Oberen.6 (Letzteres entfällt bei der Erhebung eines Metropoliten; so natürlich auch bei der Wahl des Bischofs von Rom.)

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Wenn es auch in Quellen für das erste Jahrtausend heißt, dass clerus et populus an der Bischofs/Papstwahl beteiligt waren, so bleibt die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens meist verborgen. Man darf vermuten, dass die Meinungsbildung schon früh Angelegenheit einer kleineren Gruppe (Klerus und/oder Adel) war.7 Je nach den aktuellen Machtverhältnissen, die zur Zeit der jeweiligen Papstwahl in Rom herrschten, legten diese dann bis in die Zeit der Kirchenreform den Ausgang der Wahl fest. Das Volk, die Gemeinde, hatte zu akklamieren. Doch auch eine solche Wahl ist für die Zeitgenossen kanonisch.8 Unkanonisch wird eine Wahl erst dann, wenn ein Kandidat einer Gemeinde wider ihren Willen aufgenötigt wird, er also nicht deren acclamatio erhält.9 Einem non optatus darf man sich sogar widersetzen.10 Denn anerkennen mußten den Vorsteher alle, die ihm nachher untergeben sein sollten.11 Es wird somit klar, dass es sich bei frühmittelalterlichen Wahlen um einen Vorgang sui generis handelt. Man darf also natürlich nicht von einem modernen, hier anachronistischen Verständnis von ‚Wahl‘ ausgehen. Anschließend an Paul Schmid stellt Hans-Georg Krause fest, „dass die kirchlichen Wahlen vor dem Investiturstreit keineswegs ‚freie‘ Wahlen von Klerus und Volk im modernen Sinne waren und dass sie dennoch als frei und kanonisch, d.h. als damit den Vorschriften der Kirchenväter und Kanones übereinstimmend empfunden und bezeichnet wurden.“12

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Schwer zu fassen ist ein etwaiger Einfluß der Nachbarbischöfe.13 Sie waren an der Papsterhebung jedenfalls insoweit beteiligt, als mindestens drei von ihnen14 den neuen Bischof von Rom weihen mußten. Sicher seit Bonifatius I. (418-422), vielleicht schon früher, ist der Bischof von Ostia ein Konsekrator. Die beiden anderen waren anfangs vielleicht noch nicht festgelegt. Im siebten Jahrhundert werden dann auch die Bischöfe von Albano und Porto genannt. Der Hauptkonsekrator ist der Bischof von Ostia. Nach dem Ordo Romanus (OR) 40 A15 ist er durch das Sprechen des Weihegebetes und den Besitz des Palliums deutlich von den anderen abgesetzt.16

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Die kirchliche Wahl zielt bis ins 12. Jahrhundert auf unanimitas17, das heißt auf eine einhellige Festlegung auf einen Kandidaten in einer förmlichen Bezeugung des Gesamtwillens der Wählerschaft.18 Obwohl immer wieder zwiespältige Bischofs- oder Papstwahlen erfolgten, hielten die Wähler an dieser Wunschvorstellung fest.19 Dahinter stand nicht heuchlerische Beschönigung der Wirklichkeit, sondern ein moralisches Postulat, das in religiösen Überzeugungen wurzelte. Verwiesen sei hier auf die Abschiedsrede Christi nach Joh. 17, 21-23: „So wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, so wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins sind und die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast.“ Die unitas ecclesiae verbürgte die unitas civitatis Dei. So wie die Jünger Christi eins sein sollen, so soll auch in der Kirche Einigkeit herrschen, denn Spaltungen führen immer zum Unglauben. In scissura mentium Deus non est.20 Meinungsvielfalt oder die abweichende Meinung erscheint der alten Kirchen als Quelle der Zwietracht, als ein Werk des Teufels.21 Die unanimitas dagegen ist Garant und Zeichen der Rechtgläubigkeit. So wie also die Einmütigkeit des Volkes auf die Einheit Gottes verweist und Folge der von ihm ausgehenden Inspiration ist, so ist bei einer einmütigen Wahl nicht so sehr das Tun der Menschen ausschlaggebend, sondern Gott selbst ist am Werk. Er ist es, der einen Amtsträger bestimmt, während die Wähler ihn nur in gemeinsamer Anstrengung finden. Menschen sind nur die Werkzeuge Gottes.22 Der Erwählte ist, so heißt es häufig, a Deo vocatus.23 Unanimitas ist daher wichtig, solange die Legitimierung der Macht nicht auf weltlicher Delegation, sondern auf göttlicher Herrschaftsübertragung gründete.

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Am eindrucksvollsten manifestiert sich die unanimitas in der Wahl per inspirationem. Ganz spontan, ohne vorherige Beratung und Debatten, einigen sich die Wähler auf einen Kandidaten. Diese Einigung wird dadurch sichtbar, dass alle diesem einen akklamieren. Der Wille Gottes hat die Gedanken aller Menschen auf den von ihm Erwählten gelenkt.24

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Dabei beziehen sich Formulierungen wie concorditer eligere, pari consensu ac concordia eligere, unanimes conclamaverunt u.a. nicht auf den Gesamtvorgang einer stets mehrphasigen Wahl, sondern auf das Resultat. Unanimitas bestand bei einer Wahl dann in der Zustimmung der gesamten Wählerschaft zur Entscheidung, die von einem Einzelnen oder einer kleinen elitären Gruppe getroffen worden war. Während des Verfahrens kann es also durchaus divergierende Meinungen gegeben haben.25 Die Einmütigkeit der Wähler wird „auch in den kürzesten Wahlberichten betont“, sie war das „sicherste Unterpfand einer kanonischen Erhebung, die schönste Bürgschaft für die Erfüllung der alten Forderung: ne invitis detur episcopus.“26

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Aber gelegentlich dürfte die behauptete unanimitas die wahren Verhältnisse nicht richtig wiedergeben. Die einmütige Erhebung ist das Ideal und zugleich ein gewichtiges Argument des neuen Amtsträgers gegen etwaige Kontrahenten. Zumindest die Parteigänger des jeweils Erhobenen dürften Abweichungen im Wahlverfahren nicht berichtet haben.27 Zudem kann in einer Wahlversammlung Einmütigkeit herrschen, gerade weil die Gegner abwesend sind.28

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Dass die Wahlen nicht immer einmütig erfolgen, ist nicht verwunderlich, ging es doch um ganz reale machtpolitische Interessen. Seit Papst Gregor I. (590-604), so schreibt Thomas Noble, „the Church had become de facto the key power in Italy.“29 Die römische Kirche war der größte Landbesitzer in Italien. In Rom war es die Kirche, die karitative Aufgaben (Witwen, Waisen, Häftlinge) und auch weite Teile der Rechtsprechung an sich gezogen hatte.30 Und unter Kaiser Justinian I. (527-565) – dies gilt dann für die ganze sog. byzantinische Epoche des Papsttums - wurden die Bischöfe in die Reichsverwaltung eingebunden, sie übernahmen nun auch Aufgaben der allgemeinen Verwaltung. Der Bischof erhielt in seiner Stadt ein gesetzliches Aufsichtsrecht über alle Behörden und Ordnungen des kommunalen Lebens, er wirkte mit bei der Wahl der städtischen Behörden, nach der Pragmatischen Sanktion von 554 sogar bei der Wahl der Pronvinzialstatthalter.31 Ja eigentlich dominierte der Papst „die weltlichen Belange Roms, des Dukates und schließlich großer Teile Italiens.“32 Da der Papst v.a. auch in der Stadt Rom große Macht hatte, war der Posten auch für den lokalen Adel sehr interessant.

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Bei Konflikten um die Papstwahl organisieren sich die Parteien daher oft nicht nach der Zughörigkeit zu den Laien oder dem Klerus (wie auch später sich beide Gruppen nicht als monolithische Blöcke gegenüberstanden). Man forderte noch nicht die libertas ecclesiae, bzw. sah sie auch nicht bedroht. Je nach aktueller Lage verbündete man sich mit denen, die ähnlich gelagerte Vorstellungen oder Interessen hatten.33 Natürlich stammten die Päpste oft aus den einflußreichen Familien. Laikale und geistliche Elite hatten oftmals den gleichen sozialen Hintergrund. Der römische Klerus rekrutierte sich im Mittelalter gewöhnlich aus der gehobenen Mittelschicht und aus der Oberschicht. Es bestand daher eine soziale Distanz zwischen Klerus und dem einfachen Volk. Vor allem seit dem 5. Jahrhundert wurde die Familienzugehörigkeit wichtig, die geistliche Karriere wurde von den verwandtschaftlichen Verhältnissen mitbestimmt.34

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Doch nicht nur der soziale Hintergrund der geistlichen bzw. laikalen Elite war gleich. Als Kleriker mußte man nicht einen völlig anderen Lebensweg als die Laien beschreiten. Denn der Zölibat, im strengen Sinne des Wortes verstanden als Ehelosigkeit des Klerus, spielte im Mittelalter nur eine Nebenrolle.35 Von höheren Klerikern, also von Diakonen, Presbytern und Bischöfen wurde vom Tag ihrer Weihe an geschlechtliche Enthaltsamkeit verlangt.36 Ein zu Weihender aber mußte nicht ‚jungfräulich‘ (realiter also zumindest ledig) sein, sondern er konnte auch verwitwet oder verheiratet sein. Nur Männer, die in zweiter Ehe lebten, durften nicht in den höheren Klerus aufgenommen werden (Digamieverbot). Natürlich war auch eine Heirat nach Empfang einer höheren Weihe nicht mehr erlaubt (Keuschheitsgebot).37 Da also ein Heiratsverbot erst ab Empfang einer höheren Weihe bestand, gab es auch verheiratete Diakone, Priester und Bischöfe.38 Zudem war für die jeweiligen Weihen ein Mindestalter vorgeschrieben. Für höhere Weihen lag dies nach „der eigentlichen Familienphase.“ Die zu Weihenden hatten ihr aktives Familienleben praktisch hinter sich.39 Die Kinder waren schon gezeugt. So konnte auch mit Silverius (536-537) der Sohn eines Vorgängers namens Hormisdas (514-523) Papst werden.40

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Darüberhinaus sei der Vollständigkeit halber noch auf ein weiteres Verfahren zur Bestimmung eines neuen Papstes hingewiesen: Die Designation eines Nachfolgers durch den noch lebenden alten Papst. Bei den seit dem 5. Jahrhundert nachweisbaren Versuchen41 von Päpsten zur Designation ihrer Nachfolger, hatte nur Felix IV. (III.) (526-530) Erfolg.42 Papst Bonifatius II. (530-532) war in einem Prozeß gezwungen, sich als reus maiestatis zu bekennen, da er contra canones gehandelt habe, als er den Diakon Vigilius zum Nachfolger bestellte.43

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Da der Ausgang einer Papstwahl immer von den aktuellen Machtverhältnissen in Rom beeinflußt war, bei der Wahl durch clerus et populus also „fremdem Einfluß Tür und Tor geöffnet“44 war, kann v.a. für das Frühmittelalter45 der Wahlakt nicht isoliert betrachtet werden, das Papstwahlverfahren also nicht aus seinem historischen Kontext herausgelöst werden. Die jeweiligen Machthaber in Rom müssen berücksichtigt werden. Deutlich wird diese Ansicht auch in der Papstgeschichte Bernhard Schimmelpfennigs. Schon die Kapitelüberschriften dort betonen die Zugehörigkeit des Papsttums zu einem politischen Herrschaftsbereich. Damit will der Autor herausstellen, dass das Papsttum in seiner Existenz und Funktion bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts weitgehend von politischen Faktoren geprägt worden ist, die es selbst nur geringfügig beeinflussen konnte. 46

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Im Folgenden sollen nicht phänomenologisch einzelne historische Papstwahlen aneinandergereiht werden; es wird sich auf die Zeit der römischen und byzantinischen Herrschaft, andererseits auf die sog. ‚klassische Epoche‘ beschränkt.

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Die römische und byzantinische Kaiserzeit ist deshalb besonders interessant, da hier die Päpste mit dem antiken bzw. byzantinischen Kaisertum einer wirklichen ‚Universalgewalt‘ gegenüberstanden. Anders als z.B. zu dem ‚nur‘ auf Macht gegründeten Anspruch der römischen Adelsfraktionen auf die Besetzung des Bischofsstuhls bzw. die Beeinflussung des episcopus Romanae ecclesiae, handelte es sich hier um eine politische Größe, die über ein ideologisches und rechtliches Konzept verfügte. Berücksichtigt man die sich allmählich entfaltende päpstliche Ideologie – ob ihr nun eine ‚konsequente Entfaltungsidee‘47 eingeboren war, oder sie sich eher diskontinuierlich und akzidentiell entwickelte – so stehen sich zwei verschiedene Interpretationen über das Amt des römischen Bischofs gegenüber.

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2. Papstwahlen und Papsttum unter römischer und byzantinischer Herrschaft48

Die „Konstantinische Wende“, die sich im sog. Mailänder Toleranzedikt (313) verdichtet, aber eher einen zeitlichen Prozeß meint – das Edikt war religiös und politisch seit langem vorbereitet, ebenso verging noch etliche Zeit, bis es zur vollen Auswirkung kommt – ist einer „der wirklich großen Einschnitte der Welt- und Kirchengeschichte.“49 Das Ende der Verfolgungen, seine Tolerierung und schließlich seine Förderung (seit 391 ist das Christentum Staatsreligion, alle heidnischen Kulte werden verboten) ‚bezahlte‘ das Christentum dadurch, dass es von nun an unter staatlichen Einfluß geriet. Denn mit dem Kaisertum kam ein obrigkeitliches Moment, ein kirchenfremdes Element in die Kirche. Es wirkte hier die alte rex et sacerdos Idee nach, welche schon die heidnischen Kaiser mit der Übernahme des Pontifex-Titels wahrgenommen hatten und die nun auch die christlichen Kaiser aufgriffen. Der religiöse Herrschaftsanspruch, wie er in der rex et sacerdos Betitelung zum Ausdruck kam, ist im Christentum aber nur partiell zu verwirklichen: Es existiert ja ein spezielles Priestertum. Der Kaiser kann weder Sakramente vermitteln, noch Weihen vornehmen. Er muß also auf andere Weise seine Funktion als „Priesterkönig“ realisieren.50

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Er machte dies in der Konzilsberufung und in der Bischofsbestellung, in der Sorge um die ‚wahren‘ Dogmen51 und in der Mission. Alles sonstige, was ein Herrscher selbst nicht vollziehen durfte, war Aufgabe eines abhängigen Episkopats, eines Landes- bzw. Hofbischofs. Die byzantinischen Kaiser haben denn auch im Patriarchen von Konstantinopel niemand anderen als ihren Hofbischof gesehen. 52 Der Kaiser war Herr des Reichs wie auch der Kirche; er war basileus kai hiereus. Ihren Gipfelpunkt erreichte die byzantinische Kirchenhoheit mit Justinian I. (527 – 565).

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Es gab auf kirchlicher Seite natürlich auch eine andere Interpretation über das Verhältnis von Herrscher und Kirche. Im Anschluß an Mt. 22, 21 (Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist) schrieb Ambrosius: „Dem Kaiser gehören die Paläste, dem Bischof die Gotteshäuser.“53 In Fragen der kirchlichen Lehre solle der Kaiser keine Entscheidungsgewalt haben. Der Kaiser solle sich vielmehr auf weltliche Aufgaben beschränken, den kirchlichen Bereich dagegen als den Bereich Gottes respektieren. Der Kaiser stehe nicht über der Kirche, sondern in der Kirche und müsse sich in all seinem Tun vor den von der Kirche verkündeten göttlichen Geboten verantworten: „in Glaubenssachen [...] [sprechen] die Bischöfe über die christlichen Kaiser, nicht aber die Kaiser über die Bischöfe Recht“54. In Fortsetzung dieser „Trennung“ formulierte Papst Gelasius I. (+496) seine Zwei-Gewalten-Lehre: „Zwei sind es nämlich [...], durch die an oberster Stelle diese Welt regiert wird: die geheiligte Autorität der Bischöfe und die kaiserliche Gewalt.“ Beim „Empfang der himmlischen Sakramente“, sei der Kaiser „eher der demütig Nehmende, nicht aber der Befehlende [...]. In diesen Dingen“, so der Papst weiter, „seid ihr demnach vom Willen der Priester abhängig und dürft sie nicht eurem Willen unterjochen.“55 Gelasius wollte eine Kompetenzenscheidung oder auch eine ‚Arbeitsteilung‘, die beiden Gewalten sollten nebeneinander stehen und zugleich sich ergänzen, bei gleichwohl größerem Gewicht der ‚geheiligten Autorität der Bischöfe‘.56 Doch diese päpstliche Ideologie konnte sich im Westen noch lange nicht wirklich durchsetzen.57

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So bestand für Karl d. Gr. die Aufgabenteilung darin, dass er „die heilige Kirche Christi nach außen gegen den Einbruch der Heiden und die Vernichtung durch die Ungläubigen mit den Waffen“ verteidigt und „nach innen durch die Anerkennung des katholischen Glaubens“ festigt, während der Papst „wie Moses (2. Mose 17, 8-13) mit zu Gott erhobenen Händen“ seinen Kriegsdienst unterstützen soll.58 Das heißt: also auch Lenkung der inneren Glaubensangelegenheiten durch den König.59 Er bestellte und bestimmte weiterhin die Synoden. Karl entschied auf der Frankfurter Synode von 794 über den Bilderstreit, ebendort erklärte er sich zum letztentscheidenden Richter des kirchlichen Instanzenweges: wenn der Metropolit mit seinen Suffraganen nicht zu entscheiden wisse, wolle er selbst urteilen. Nicht zu Unrecht, so Arnold Angenendt, habe man Karl einen ‚Justinian des Westens‘ genannt.60

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Im Osten konnte sich die päpstliche Ideologie überhaupt nicht durchsetzen. Nach der eusebianischen Reichstheologie war der Kaiser „die autoritative Spitze der Kirche. Dass er Konzilien einberuft, Streitigkeiten schlichtet, Bischöfe einsetzt und verbannt, ist keine Einmischung, sondern sein gutes Recht, mehr noch seine Pflicht.“61 Prinzipiell war aus kaiserlicher Sicht die römische Kirche und somit der Papst im Römer- und Byzantinerreich nur ein Teil der Reichskirche. Es lag an den Kaisern, inwieweit sie ihre Machtstellung realisierten.62 Das Konzil von Chalkedon 451 gliederte das byzantinische Reich geistlich in fünf Patriarchate: Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem. Rechtlich waren sie einander gleichgestellt, Amtsgewalt hatten sie nur in ihrem jeweiligen Bezirk. Kaiser Justinian hat die Entwicklung der Pentarchie bestätigt und die kirchenrechtliche Oberhoheit der fünf Patriarchate staatsrechtlich verankert. Die fünf Patriarchen wachten gemeinsam über die apostolische Lehre, die sie verkündeten. Die Pentarchie verbürgte die Einheit der Kirche und der apostolischen Tradition.63 Der Bischof von Rom hatte, da er seinen Sitz an der alten Reichshauptstadt64 hat, einen Ehrenvorrang.65 Die höchste Autorität in der Reichskirche hatte die ökumenische (d.h. Reichs-) Synode, einberufen vom Kaiser als vicarius Christi/Domini, der der eigentliche Herr der Kirche war und die Verantwortung für die Orthodoxie trug.66

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Der Kaiser nahm aber selten direkten Einfluß auf die Papstwahl. Bei zwiespältigen Wahlen entschied der Hof 366 und 418, wer nun der römische Bischof sein sollte.67 Und als im Jahr 498 der „gesamte römische Klerus und der Senat (...) in zwei Parteien gespalten“ war, wußte man „keinen anderen Ausweg, als sich an die Staatsregierung zu wenden“. 68 Der Ostgotenkönig Theoderich sollte die Entscheidung treffen. 24
Nach der Rückeroberung Roms und weiter Teile Italiens durch die Byzantiner und der Neuorganisation Italiens, verstärkte sich durch die sog. pragmatische Sanktion von 554 die staatlich-kirchliche Verflechtung dadurch, dass die Bischöfe Italiens befugt wurden, bei der Einsetzung lokaler Staatsbeamter mitzuwirken. Wenn Päpste dieser Epoche die Administration Roms immer mehr bestimmten, war dies am Anfang wohl so vom justinianischen Recht intendiert. Aus der Verantwortung des Kaisers für die Kirche und aus den zivilen Aufgaben der Bischöfe ergab sich, dass die Regierung auf die Besetzung vor allem der wichtigsten Bistümer Einfluß nehmen wollte und mußte.69 Justinian I. regelte die Bischofswahl in einem Gesetz, demzufolge der Klerus und die weltlichen Spitzen der Bischofsstadt drei Kandidaten vorschlagen sollten, von denen einer durch den Ordinationsberechtigten ausgesucht werden sollte. Für den Patriarchensitz sollte eine Synode drei Kandidaten vorschlagen; der Kaiser entschied dann, wer von diesen neuer Bischof werden sollte. Bei der Papstwahl übte der Kaiser entweder selbst sein Bestätigungsrecht aus - dies führte aber allein aufgrund der Entfernung zu längeren Vakanzen - oder er übertrug es dem Exarchen in Ravenna. Über den Ablauf der damaligen Papstwahl gibt der Liber Diurnus70 Auskunft. In diesem Kanzleibuch der römischen Kurie liegen für den Schriftverkehr mit den Behörden in Angelegenheiten der Papstwahlen Formeln vor, die jeweils dem einzelnen Fall und der aktuellen Lage angepaßt werden konnten.71 Ein Schreiben wendet sich an den Kaiser. Es ist zugleich Wahlprotokoll, Bitte um Bestätigung der Wahl und Bitte um Erlaubnis zur Weihe. Ein weiteres ist inhaltlich ähnlich, wendet sich aber an den Exarchen. Es wurde dann verwendet, wenn der Exarch die Rechte des Kaisers bei der Papstwahl wahrnahm. In einem dritten Schreiben zeigen der Erzpriester, der Erzdiakon und der primicerius der Notare der römischen Kirche, die im Dreierkolleg die Interimsgeschäfte führten72, dem Exarchen den Tod des letzten Papstes an. Die Neuwahl, die nach einer Anweisung Bonifatius III. im Jahre 607 erst drei Tage73 nach Beisetzung des verstorbenen Papstes durchgeführt werden sollte, „geschah durch den Klerus, den Adel und das Volk von Rom in einer nicht mehr bekannten Weise“. 74 Das Wahlprotokoll wurde dem ravennatischen Exarchen und/oder dem oströmischen Kaiser, je nachdem ob der Kaiser sein Approbationsrecht selbst wahrnahm, vorgelegt, und erst nach dessen Ratifizierung, also nach Bestätigung der Wahl durfte der Gewählte, der vorher noch seinen Glauben zu bekennen hatte, geweiht werden.

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Setzte der dogmatisch meist sehr empfindliche byzantinische Kaiser Zweifel in die Rechtgläubigkeit des neuen Papstes, so zitierte er ihn nicht selten nach Konstantinopel und prüfte ihn meist in persönlichem Gespräch. Der letzte Papst, der sein "Examen der Rechtgläubigkeit" am Kaiserhof hat ablegen müssen, war Konstantin I. (708-715), und der letzte Papst, der beim byzantinischen Amtswalter in Italien, dem Ravennater Exarchen, um eine Wahlbestätigung nachsuchte, war Gregor III. (731-741).75

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Dass man nicht ungestraft die Rechte des Kaisers übergehen konnte, zeigt das Schicksal Martins I. (649-653/655). Dieser hatte sich 649 ohne kaiserliche Approbation weihen lassen. Der damalige Exarch sollte ihn daher festnehmen, empörte sich aber gegen den byzantinischen Kaiser und ließ sich selbst als Kaiser ausrufen. Von den Byzantinern wurde Martin I. daraufhin der Kollaboration beschuldigt. Wegen seiner Weihe ohne kaiserliche Billigung wurde ihm 653 nach Gefangennahme von Konstans II. der Prozeß gemacht. Als Hochverräter wurde er zum Tode verurteilt. Begnadigt, starb er später auf der Krim in der Verbannung.76

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Doch schon bald sollten sich die Machtverhältnisse in Byzantinisch-Italien verändern. Bezeichnend dafür ist der gescheiterte Disziplinierungsversuch des Kaisers Justinian II. (685-95, 705-11) infolge theologischer Streitigkeiten. Papst Sergius I. (687-701) weigerte sich, die Canones des Quinisextums 691-92 (= das zweite Trullianische Konzil) zu akzeptieren. Der Beamte Zacharias wurde nach Rom geschickt, um den Papst zu verhaften und nach Konstantinopel zu bringen. Doch statt dessen flüchtete sich der Beamte, vom Volk bedroht, in den Lateranpalast, versteckte sich unter dem Bett des Papstes und bat diesen um Schutz.77 Die Distanzierung der Päpste78 zeigt sich auch im Liber Pontificalis. Vor 731 sind die Mitteilungen über die Papstwahlen selten und kurz. Von den einundneunzig Päpsten wird die Wahl nur in fünf Viten erwähnt. Für die Autoren, so kann man vermuten, war die Wahl nicht mitteilenswert. Doch mit der Wahl Gregors III. ändert sich dieser Befund. Von nun an bis zu Hadrian II. (867-872), mit ihm endet der Liber Pontificalis, wird in jeder Vita die Wahl erwähnt. Dabei wird nun auch die göttliche Inspiration und die unanimitas der Wähler hervorgehoben. Die Weihe tritt dagegen in den Hintergrund. Nach Philip Daileader zeigt sich darin das Emanzipationsstreben der römischen Bischöfe von Byzanz. Gerade in einer Zeit zunehmender Spannungen leiteten die Päpste ihre Legitimität und Autorität von ihrer Wahl ab, die ja zu dieser Zeit vom byzantinischen Kaiser unabhängig war.79

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III. Die Entwicklung des Papstwahlverfahrens in der „klassischen Zeit“

1. Papstwahlverfahren und Papsttum im Zeitalter der Kirchenreform

1.1 Die Vorgeschichte: Die Rolle Heinrichs III. bei den Papsterhebungen seiner Zeit

Für die Geschichte der Kirche und des Reiches von höchster Bedeutung war die Förderung der Kirchenreform durch Heinrich III. Seit 1044 hatten sich die Verhältnisse in der Stadt Rom zusehends verkompliziert. In diesem Jahr wurde Papst Benedikt IX. im September nach 12jährigem Pontifikat abgesetzt. Zwar war er gegen die Vorschriften des Kirchenrechts mit 18, statt frühestens mit 30 Jahren80, Papst geworden, doch ist das Ende seines Pontifikats wohl auf eine Adelsrevolte durchaus herkömmlichen Zuschnitts zurückzuführen.81 Getragen wurde der Aufstand von einzelnen Adelskreisen, die der Vormachtstellung der Tuskulaner ein Ende setzen wollten.82

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Deren Gegner erhoben im Januar 1045 den Bischof von Sabina als neuen Papst (Silvester III.). Gegen ihn konnte sich Benedikt IX. anfänglich gut behaupten. Doch noch im gleichen Jahr verzichtete er auf die Papstwürde, aber nicht zugunsten Silvesters, sondern zugunsten eines Verwandten, der den Namen Gregor VI. annahm. Dieser erhielt die Unterstützung der ehemaligen Anhänger Benedikts IX. erst, nachdem er ihnen Geld gezahlt hatte. Sie sahen das als legitime Entschädigung für ihren ‚Blutzoll‘ und ihre noch bestehenden ‚Interessen‘.83 Nach längeren Verhandlungen erhielt er auch die Anerkennung der Parteigänger Silvesters, der seinerseits dafür Bischof von Sabina bleiben durfte. Als König Heinrich III. zur Kaiserkrönung nach Italien zog, war das Schisma eigentlich bereits beseitigt, jedenfalls amtierte von drei geweihten Päpsten nur einer. Gregor VI. war in Rom unbestritten.

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Dennoch wurde 1046 auf der Synode von Sutri die Erhebung Silvesters III. für ungültig erklärt. Gregor VI. galt den Synodalen als Simonist. Da er die Synode nicht vom Gegenteil überzeugen konnte, verzichtete er auf seinen Anspruch.84 Auf der Synode von Rom im gleichen Jahr wurde Benedikt IX. abgesetzt und auf Vorschlag Heinrichs III. Bischof Suidger von Bamberg als Clemens II. zum Papst gewählt.85 Die Motive des Königs lassen sich nur vorsichtig vermuten. Nach Herrmann wollte der König die Kaiserkrone nicht von einem Papst empfangen, der möglicherweise als illegitim bezeichnet werden konnte.86 Für Tellenbach ist dies zweifelhaft, da noch sechs Wochen vor der Synode von Sutri zwischen dem König und Gregor VI. ein Treffen stattfand, das frei von allen Animositäten gewesen zu sein schien, evtl. simonistische Umtriebe dieses Papstes das Verhältnis also nicht belastet hatten. Nach Tellenbach stand für Heinrich III. die Absicht im Vordergrund, der Reform in Italien zum Durchbruch verhelfen.87 Denn wenn das Papsttum seine Rolle als Leitung der Kirche erfüllen sollte, mußte es aus den innerrömischen Adelskämpfen herausgelöst werden.88 Kurz nach seiner Wahl krönte Clemens II. Heinrich III. zum Kaiser, außerdem wurde er von den Römern zum Patricius Romanorum ausgerufen. Dieser Titel war seit der Kaiserkrönung Karls d. Gr. nicht mehr geführt worden, weil die Befugnisse eines Patricius in denen des Kaisers enthalten zu sein schienen. Erst im 11. Jahrhundert, als die in der Konstantinischen Schenkung ausgesprochene Verleihung der kaiserlichen Herrschaftsrechte in Rom an den Papst ernst genommen wurde89, erschien es nötig, den Patricius-Titel erneut zu vergeben, mit der Befugnis, bei der Papstwahl die Stimmführerschaft wahrzunehmen.90

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Nach dem Tod Clemens II. noch 1047 erschien am Hof eine römische Gesandtschaft. Ihnen nannte Heinrich III. Poppo von Brixen als seinen Kandidaten. Als Damasus II. amtierte er aber nur drei Wochen.91 Wieder erschien eine römische Gesandtschaft. Da er den von den Römern nominierten Halinard von Lyon ablehnte, bestimmte der Kaiser erneut den nächsten Papst. Mit Bruno von Toul folgte als Leo IX. wieder ein Reichsbischof92 als Papst. Erst sein Pontifikat brachte den Durchbruch der Kirchenreform in Rom. Er konnte dies unter anderem dadurch erreichen, dass er wichtige Posten an reformerisch gesinnte Männer, die z.T. mit ihm aus Burgund und Lothringen gekommen waren (z.B. Hugo Candidus, Humbert von Moyenmoutier), übertrug.93 Heinrich III. erwies sich als der wichtigste Verbündete bei der Kirchenreform, da er zusammen mit den reformerischen Kreisen die Kontinuität der ‚Bewegung‘ über den Tod eines Papstes hinaus gewährleistete. Und auch als Leo IX. 1054 starb, war der Einfluß des Kaisers auf das Papsttum noch nicht zu Ende. Eine römische Gesandtschaft (unter der Leitung des Archidiakons Hildebrand) forderte ihn auf, in seiner Eigenschaft als Patricius einen neuen Papst zu designieren. Gebhard von Eichstätt wurde als Viktor II. zum Papst erhoben. 1056 starb Heinrich III., im folgenden Jahre Viktor II.

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Bis an sein Lebensende hatte Heinrich III. auf die Papsterhebungen überragenden Einfluß. Clemens II. war auf seinen Vorschlag hin erhoben worden. Die drei folgenden Päpste hatte er designiert. Schmid stellte in diesem Zusammenhang die Frage, ob man bei diesen Vorgängen überhaupt noch von ‚Papstwahlen‘ sprechen könne, oder ob es sich hier nicht einfach um Einsetzungen des Papstes durch Heinrich III. handelte. Nur anachronistisches Denken unterstelle hier einen Widerspruch. Denn die „Nomination des Königs läßt immer noch Raum für die Wahl des Klerus und Volkes.“94 Und nach dem „Urteil der Zeit“, wurde auch allen vier Päpsten eine kanonische Wahl zuteil. Der König hat den Papst benannt, aber Klerus und Volk haben ihn dann gewählt; der Wille des Königs war entscheidend; die Form aber, in der sein Wille erfüllt wurde, war die Wahl des Klerus und Volkes.95 Die bereitwillige acceptio eines vom König Erhobenen durch Klerus und Volk galt als kanonische, eigentliche und wirkliche Wahl.96

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Die drei folgenden Päpste sind vom Kaiser im Einvernehmen mit römischen Gesandtschaften bestimmt worden. Sie kamen also von auswärts nach Rom und bedurften, um im Sinne der Zeit als kanonisch gewählt zu gelten, der Zustimmung des römischen Klerus und Volkes. Allen drei Päpsten ist ein feierlicher Empfang zuteil geworden mit Prozessionen und Akklamationen. Nach Gussone kann man sich das in etwa so vorstellen: In der Peterskirche stellte sich der Kandidat der Gemeinde vor, betonte seine Unwürdigkeit und sein Zögern bei der Annahme des Amtes. Die Menge äußerte in dreimaligem freudigen Zurufen ihre Zustimmung zu diesem Kandidaten und vollzog somit die kanonische Wahl.97

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Der weitgehende Einfluß Heinrichs III. war keineswegs als Bevormundung empfunden worden. Mit dem Tod des Kaisers hatte das Papsttum nicht etwa seine lang ersehnte Freiheit erlangt, sondern seine wichtigste Stütze verloren.98 Papstwechsel konnten nun wieder prekär werden. Und so mußten nach dem Tod Viktors II. die Reformer in Rom schnell handeln, um eine mögliche Einflußnahme der römischen Adelsparteien zu verhindern. Man bat die Kaiserin Agnes nicht um einen Vorschlag. Dies ist also nicht als Konfrontation zu werten.99 Der neue Papst Stephan IX. war ein Bruder Gottfrieds, des Herzogs von Spoleto, dem seinerzeit mächtigsten Mann in Mittel- und Norditalien. Stephan IX. wollte aber keinen Bruch mit dem deutschen Königshof; dort erschien dann auch eine römische Delegation unter Führung Hildebrands, um nachträglich um die Zustimmung der Kaiserin zu bitten, die auch gewährt wurde. Aber diese Delegation war noch nicht aus Deutschland zurück, als der Papst starb. Da die Reformpartei durch die Abwesenheit Hildebrands gelähmt war, ergriffen die Tuskulaner die Gelegenheit, ihrerseits einen Papst einzusetzen. Kardinalbischof Johannes II. von Velletri wurde von der Adelspartei als Benedikt X. erhoben.

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Die aus Rom geflohenen Reformer einigten sich dagegen, eventuell infolge einer Designation durch Stephan IX.100, unter Führung der Kardinalbischöfe und unter dem Schutz Herzogs Gottfrieds in Florenz auf den aus Burgund stammenden Bischof Gerhard von Florenz als neuen Papst. Die offizielle Wahl fand jedoch erst einige Zeit später in Siena statt.

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In der Zwischenzeit hatte man nämlich eine Gesandtschaft an den deutschen Hof geschickt, die um eine förmliche Designation des Kandidaten nachsuchen sollte und diese auch erreicht hat. Mit der in der brisanten politischen Situation für notwendig erachteten Rücksichtnahme auf die Regentin hatten die Reformer den Anspruch des deutschen Königs auf eine wesentliche Mitwirkung bei der Papstwahl auch für den noch unmündigen Heinrich IV. anerkannt.101 Im Januar des folgenden Jahres konnte Nikolaus in Rom einziehen und in St. Peter inthronisiert werden, nachdem eine militärische Aktion des Herzogs Gottfried den Weg freigemacht hatte.

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1.2 Das Papstwahldekret In nomine Domini

Zu Ostern 1059 fand im Lateranpalast eine große Synode statt, die u.a. das Papstwahldekret In nomine Domini102 (im folgenden: Pwd) beschloß.

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Gemäß dem Pwd sollen sich bei einer Papstwahl zuerst die Kardinalbischöfe sorgfältig beraten, dann sind die Kardinalkleriker zu dieser Beratung hinzuzuziehen; danach sollen der übrige Klerus und das Volk der Wahl zustimmen. Der künftige Papst soll möglichst aus der römischen Kirche stammen, findet sich hier keine geeignete Persönlichkeit, ist auch ein auswärtiger Kleriker wählbar. Kann die Wahl nicht in Rom stattfinden, wird den Wählern das Recht gegeben, die Wahl an einem von ihnen bestimmten Ort vorzunehmen; dem König wird debitus honor et reverentia garantiert. Ist die Inthronisation des Gewählten in Rom nicht möglich, so kann er auch ohne diese sicut papa die Kirche regieren und über deren Güter verfügen.

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Auszugehen ist bei einer Beschäftigung mit dem Pwd, das als Synodalkonstitution überliefert ist103, immer noch von Hans-Georg Krauses 1960 erschienener Dissertation ‚Das Papstwahldekret von 1059 und seine Rolle im Investiturstreit‘. In der Forschung herrscht zu einzelnen Problemen aber kein Konsens. Es liegt zum Pwd eine geradezu uferlose Literatur vor. Im Folgenden wird sich auf die Punkte Anlaß/Intention von In nomine Domini und sogenannter Königsparagraph beschränkt und hierzu ein äußerst knappen Literaturbericht geliefert.

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Zu 1. Die neuere Forschung ist der These Krauses, dass das Pwd u.a. zur nachträglichen Sanktion der Erhebung Nikolaus‘ II. diente, weitgehend gefolgt.104 Denn dessen Erhebung widersprach „in verschiedener Hinsicht völlig der Tradition“105, während Benedikt X. „auf dem Boden der kirchlichen schriftlichen und praktischen Tradition“ gestanden habe.106

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Gerhard war nämlich zum römischen Bischof nicht in Rom, sondern - wahrscheinlich am 6. Dezember oder kurz zuvor - in Siena107 gewählt worden. Eben weil ihm seine künftige Bischofsstadt nicht zugänglich war, da dort Benedikt X. herrschte. Also sollte im Notfall, wenn eine pura, sincera atque gratuita electio fieri in urbe non possit108, eine Wahl auch außerhalb Roms stattfinden können. Zudem soll der electus (...) sicut papa auctoritatem obtineat regendi sanctam Romanam ecclesiam et disponendi omnes facultates illius109 und zwar schon vor der Inthronisation: Nikolaus hatte Anfang 1059 bereits vor seiner Inthronisation in Sutri eine Synode gehalten, war aber erst am 24. Januar inthronisiert worden. Benedikt hatte dagegen, wie bisher üblich, erst nach seiner Konsekration, die ja unmittelbar auf die Wahl gefolgt war, die Regierung übernommen.110

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Nikolaus war nur von der Mehrzahl der Kardinalbischöfe und wenigen anderen römischen Emigranten, Benedikt X. dagegen vom römischen Klerus und Volk erhoben worden. Kurz, Benedikt war – in traditioneller Sicht - kanonisch gewählt111. Für die Reformer war wichtig zu zeigen, dass die Erhebung Benedikts X. irregulär war. Denn nur eine vakante cathedra Petri konnte neu besetzt werden. Dies gelang dadurch, dass die Reformer die Mitwirkung der Kardinalbischöfe zum entscheidenden Kriterium einer kanonischen Wahl erklärten. Und eben dies war der einzige Vorteil, den man in Florenz gegenüber Benedikt für sich reklamieren konnte. Der Kardinalbischof Johannes II. von Velletri hatte nur noch einen weiteren Kardinalbischof auf seiner Seite112, die Mehrheit hatte sich für Bischof Gerhard von Florenz entschieden. Nach In nomine Domini soll die Wahlhandlung wie folgt ablaufen: inprimis cardinales episcopi diligentissima simul consideratione tractantes, mox sibi clericos cardinales [Kardinalpresbyter; C.S.] adhibeant, sicque reliquus clerus et populus ad consensum nove electionis accedant, ut, nimirum ne venalitatis morbus qualibet occasione subripiat, religiosi viri praeduces sint in promovendi pontificis electione, reliqui autem sequaces.113

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Zurecht hat Friedrich Kempf herausgestellt, dass der ordo electionis zwar einen dreistufigen Wahlakt vorsieht, es Nikolaus II. und den Synodalen aber v.a. auf die übergeordnete Stellung der Kardinalbischöfe ankam. Indem man den Kardinalbischöfen letztendlich die Entscheidung zusprach, schuf man eine hierarchische Instanz, die die Wahl fest in der Hand hielt.114 Weil die römische Kirche nämlich wegen ihres Primats super se metropolitanum habere non potest, cardinales episcopi proculdubio metropolitani vice funguntur, qui videlicet electum antistitem ad apostolici culminis apicem provehunt.115 Petrus Damiani hielt denn auch Benedikt X. für einen Simonisten, weil er trotz der Proteste, dem Widerstand und Bannfluch der anwesenden Kardinalbischöfe mit Waffengewalt inthronisiert worden sei.116

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Hier zeigt sich die Wichtigkeit des Papstwahldekrets. Denn wenn es auch die Wahl Nikolaus’ nachträglich legitimieren sollte, so ist doch viel wichtiger, dass damit die künftigen Papstwahlen kirchenrechtlich geregelt wurden. Vorgänge wie die Erhebung Benedikts X. sollten nicht mehr vorkommen, das Pwd wurde erlassen futuris casibus prudenter occurrere.117 Der Machterhalt der Reformer und damit die Fortdauer der Kirchenreform, wobei die Kardinalbischöfe die wichtigsten Träger dieser Reformpolitik waren118, sollte gesichert, der Einfluß des römischen Adels, der noch vor kurzem mit Benedikt X. einen Papst erhoben hatte, zurückgedrängt werden.

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Zu 2. : In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch die Frage nach der Einbeziehung des deutschen Königs. Diese ist im sog. Königsparagraph119 geregelt. Die Wahl sollte erfolgen, salvo debito honore et reverentia dilecti filii nostri Henrici, qui in praesentiarum rex habetur et futurus imperator Deo concedente speratur, sicut iam sibi concessimus, et successorum illius, qui ab hac apostolica sede personaliter hoc ius impetraverint.120

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Vor allem dieser Passus des Pwd hat schon traditionell großes Interesse v.a. deutscher Mediävisten hervorgerufen. Zumal seit der Dissertation Krauses verstärkte sich die Diskussion. Doch ein Konsens hat sich nur bedingt eingestellt.

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Krause kam hinsichtlich des sog. Königsparagraphen durch eine Untersuchung der damaligen Wortbedeutungen121 von salvo und honor zu dem Ergebnis, dass die in Eligant autem... vel... assumatur verkündeten Rechte „durch ein Recht, das aus einer anderen Rechtsquelle stammt, das schon unabhängig vom Dekret vorhanden ist und durch das Dekret in keiner Weise angetastet, beeinträchtigt oder gar beseitigt werden soll“ beschränkt werden.122 Und zwar beschränkt durch den honor regis et futuri imperatoris. Dabei handle es sich bei honor nicht um irgendeine ‚Ehre‘, sondern um ein „tatsächliches, Inhalte umfassendes Recht (...), um ein Recht des Königs und Kaisers, das ihm Kraft seines Kaiseramtes zukommt, das im Königtum begründet ist, um ein ungeschriebenes, in der theokratischen Herrschaftsvorstellung wurzelndes Gewohnheitsrecht.“123 Der kaiserliche Vorbehalt sei deshalb vom ordo electionis getrennt aufgeführt, da der Kaiser kein kanonischer Wahlfaktor sei. Deshalb aber widerspreche dieses dem Kaiser eingeräumte Recht auch nicht einer kanonischen Wahl. „Kanonische Wahl und kaiserliche Einflußnahme im Hinblick auf die Person des Kandidaten schliessen (!) sich“ nicht aus.124 Für Krause hatte das Pwd schließlich „nicht Beseitigung oder Minderung, sondern kirchliche Sanktionierung des kaiserlichen Gewohnheitsrechts gebracht“125. Für Hans-Erich Feine war es ein Hauptverdienst Krauses, nachgewiesen zu haben, „dass es sich hierbei um ein nicht streng rechtlich formuliertes kaiserliches Konsensrecht zur Papstwahl gehandelt hat, wie es seit jeher unter wechselnden Formen die deutschen Kaiser ausgeübt hatten, in dem Sinn, dass kein Papst ohne Zustimmung des Kaisers den päpstliche Stuhl besteigen [...] dürfe.“126 Die Behauptung Hermann Jakobs’, dass die Neuordnung, die durch den ordo electionis erfolgte, keine Auswirkungen auf das Kaiserrecht habe, da kanonische Wahl und kaiserliche Einflußnahme stets auf verschiedenen Ebenen lagen, eine Realisierung des Kaiserrechts von der Potenz des Herrschers abhing, wurde energisch von Friedrich Kempf widersprochen. Für alles, was die Papstwahl betraf, „sollte letztlich die kirchliche Autorität [die Kardinalbischöfe; C.S.] zuständig sein. Das althergekommene kaiserliche Konsensrecht dürfte die unter Nikolaus II. tagende Synode einerseits für nicht einfachhin widerrufbar, andererseits nicht für unbedingt und immer bindend gehalten haben.“127 Gegen Krause, der die Phrase sicut iam sibi concessimus ... hoc ius impetraverint128 als Anerkennung eines sowieso bestehenden Rechtes interpretiert129, betont Kempf, dass „das Einschalten des Papstes [...] dem Kaiserrecht die Möglichkeit, als unwiderruflich, unbedingt gültig zu erscheinen [nahm]. Ein Privileg konnte durch Mißbrauch verwirkt, oder, wenn seine Beachtung dem Privilegierenden aus besonderen Ursachen großen Schaden brachte auch einmal übergangen worden“130. Eine weitere Deutung des sog. Königsparagraphen liefert Herbert Grundmann. Ein wie auch immer geartetes Mitwirkungsrecht sei Heinrich IV. konzediert worden. Und dasselbe „haben Heinrichs Nachfolger vom päpstlichen Stuhl personaliter [...] zu erlangen, um gleich ihm debito honore et reverentia bei künftigen Papstwahlen respektiert zu werden.“ Die Kaiserkrönung genüge dafür nicht und sei andererseits auch nicht Voraussetzung dafür. Motivation der Reformer zu dieser Gewährung sei gewesen, „ein von römischen Laien übertragenes oder gar vererbliches Patricius-Recht bei der Papstwahl künftig auszuschließen und doch den damals gegen die Römer unentbehrlichen Rückhalt am deutschen Hof nicht zu verlieren“ und so „ersetzen es die Reformer im Pwd durch ein vom Papst jeweils ad personam gewährtes oder zu gewährendes Recht des deutschen Königs oder Kaisers, irgendwie bei der neu geregelten Papstwahl beteiligt zu sein, nicht völlig dabei übergangen zu werden.“131

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Uneinheitlich ist demnach auch die Einschätzung, die die neuesten Lexika bieten. Nach Gatz ist das den deutschen Herrschern verbliebene Mitwirkungsrecht unklar, oberste Instanz waren nun freilich die Kardinalbischöfe. Nach Georg Schwaiger wurde dem deutschen König lediglich ein Konsensrecht zugestanden, das jede Partei in ihrem Sinne auslegen konnte. Jedenfalls marginalisierte, so Goez, das Pwd auf Dauer die Mitwirkung des Königs bzw. Kaisers.132

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Immerhin herrscht darüber Konsens, dass das Pwd, wie auch die Synode überhaupt, sich nicht explizit gegen den deutschen Hof richtete. Die Synode wird auch nicht mehr als Auftakt des Investiturstreits interpretiert.133

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Der zweite Aspekt des Pwd, der eine ausgedehnte Forschungskontroverse ausgelöst hat, ist die Frage nach dem/den Verfassern des verfälschten Pwd, und damit zusammenhängend, die nach dem Entstehungszeitraum und die nach den Motiven der/des Fälschers. Praktisch alle sinnvollen Möglichkeiten wurden von irgendeinem Forscher schon vertreten. Da die Verbreitung des gefälschten Pwd nicht hinter der echten zurücksteht, müßte man sich eigentlich ebenso intensiv mit dieser Version beschäftigen. Hier soll ein Verweis auf Rudolf Schieffer genügen, der vorsichtig konstatiert, dass die verfälschte Version darauf angelegt zu sein scheint, „die Rechte des Königs zu betonen und den Vorrang der Kardinalbischöfe unter den geistlichen Wählern zu nivellieren.“134 Nachdrücklich muß man betonen, dass die Verbreitung des Pwd oder auch nur die Kenntnis davon in einem eklatanten Mißverhältnis zu der Aufmerksamkeit steht, das ihm von Forschern entgegengebracht wurde und wird. Erst der Streit „um die Rechtmäßigkeit des Pontifikats, zu dem Hildebrand 1073 ohne Zutun Heinrichs IV. aufgestiegen war, wurde und blieb ein wesentliches Element in dem Ringen von Regnum und Sacerdotium, das die nächsten Jahrzehnte erfüllte, und erst dieser Zusammenhang war es, der dem Papstwahldekret Nikolaus’ einen gewissen Nachruhm eingetragen hat.“135 Zudem wurde das Pwd nie buchstäblich und vollständig angewendet.136

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1.3 Die neue geistliche Elite: Die Kardinäle

Etymologisch geht der Begriff ‚Kardinal‘ zurück auf lat. cardo: Angelpunkt und davon abgeleitet cardinalis.137 Beide Begriffe sind etwa seit dem Jahr 500 im kirchlichen Sprachgebrauch nachweisbar. Cardo bezeichnet dabei die Bischofskirche, cardinalis einen dieser Kirche zugeordneten Kleriker (in Abgrenzung zu anderen Klerikern Roms). Zuerst wurden Diakone als diaconi cardinales (6. Jh.) bezeichnet, mit der Neuorganisation der Seelsorge in Rom seit der ersten Hälfte des 8. Jahrhundert treten auch presbyteri cardinales auf, im selben Jahrhundert auch episcopi cardinales: sieben Nachbarbischöfe, die seit dem 8. Jahrhundert auch gottesdienstliche Aufgaben an der Lateranbasilika wahrnahmen. Allerdings ist eine solche Bezeichnung äußerst selten. Erst seit dem Pwd von 1059 verbreitete sich allmählich der Begriff. Vor der Epoche des Reformpapsttums hatten die römischen Kardinäle als solche noch keine Funktion oder gar Jurisdiktion in der Gesamtkirche. Ihre Bedeutung qua cardinalis blieb auf Stadtrom beschränkt. Zu dieser Zeit gibt es daher noch lokale Kardinalate wie z.B. in Aachen, Köln, Trier, die aber mit dem Aufstieg des römischen Kardinalats zu gesamtkirchlicher Bedeutung allmählich verschwinden.

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Dieser Aufstieg des römischen Kardinalats setzt mit Leo IX. ein und wird beschleunigt durch das Pwd von 1059 (in dem die Kardinaldiakone aber noch nicht genannt werden), das eine neue Epoche der Papstwahl einleitet, eben auch dadurch, dass es den Kardinalbischöfen eine herausragende Stellung zukommen läßt. Die Gleichsetzung der Kardinalpresbyter erfolgte aber schon bald: Nämlich während der Auseinandersetzung der Päpste Gregor VII. und Urban II. mit Wibert – Clemens III. (1080-1100). Die Einebnung der Kardinalordines ließ die bevorzugte Stellung der Kardinalbischöfe vergessen. Im verfälschten Pwd wird nicht mehr zwischen Kardinalbischöfen und –presbytern unterschieden. Unter den cardinales sind nun auch die Kardinaldiakone mitgemeint.138 Die völlige Gleichstellung der drei ordines wurde spätestens unter Urban II. erreicht. Die nur gelegentlich bezeugten Kardinalsubdiakone finden sich seitdem nicht mehr.139

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Im Rahmen der Kirchenreform steigt die Macht der Päpste, das Papsttum löst sich aus den lokalen Bindungen und realisiert nun seinen universalen Anspruch. Im Rahmen dieser Entwicklung erhöht sich auch die Bedeutung der Kardinäle. Statt liturgischer Aufgaben stand von nun an für die Kardinäle die Mitwirkung an der Kirchenleitung im Vordergrund . Die drei Kardinalordines wurden zum wichtigsten Instrument des Papstes bei der Führung der Kirche, und ihre Körperschaft (rechtlich seit 1100) galt „als der sichtbare Beweis für die ekklesiologische These, dass das Papsttum nichts anderes als ein allumfassender Episkopat sei.“140 Das Kardinalskollegium unterstützte den Aufstieg des Papsttums auch als eine bald Kontinuität gewährende Institution über den Tod eines Papstes hinaus. Durch die Wahl des neuen Papstes meist aus ihrer Mitte, generiert sich die Kirchenspitze quasi selbst.

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2. Die Einführung des Mehrheitswahlrechtes

2.1 Die Vorgeschichte

1130 oblag dem Kardinalsgremium erstmals die alleinige Papstwahl.141 Dabei delegierten die Kardinäle ihr Wahlrecht an acht ihrer Kollegen (die Kompromissare), ein Verfahren, das man electio per compromissum142 nannte. Die Vorteile dieses Verfahrens lagen darin, dass der Wählerkreis genau begrenzt und klein war, so dass die Verhandlungen erleichtert wurden und das Ideal der unanimitas eher zu erreichen war. Diese Abstimmungsart wurde v.a. verwendet, wenn man eine schwierige Wahl erwartete. Zuerst ist dieses Verfahren 1119 in einem italienischen Kloster nachweisbar. Das Problem im Jahre 1130 war jetzt nicht, wie man aus heutiger Sicht vermuten würde – da es zwei Kandidaten gab –, dass jeder 4 Stimmen erhalten hätte. Fünf Kardinäle stimmten nämlich für Innocenz II., drei für Anaklet (II.), den späteren Gegenpapst. Doch es gab damals noch keine Regelung, wer bei einer schismatischen Wahl nun als regulärer Papst anzuerkennen sei. So suchten beide Päpste auch die Anerkennung König Lothars II. Nicht aber in der Meinung, ihm damit ein Recht zur Entscheidung der zwiespältigen Wahl einzuräumen, sondern um „sich des Gegners durch die Macht des deutschen Königs zu entledigen.“143

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Ein ähnliches Problem ergab sich 1159 bei der Wahl Alexanders III.144 In Vorverhandlungen hatten sich die Kardinäle auf einen genaueren Modus geeinigt: Nur eine einhellig erfolgte Wahl sollte gelten. Von anfangs drei Kandidaten, die um die Stimmen warben, ließ sich immerhin einer zum Verzicht bewegen. Die Entscheidung sollte in einem Skrutinium fallen, dem neben der electio per compromissum zweiten verbreiteten Wahlverfahren.145 Dabei wählen die Kardinäle Skrutatoren aus, die einzeln und geheim die Stimmen der anderen einsammelten, aufschrieben und dann vor der Gesamtheit der Wähler veröffentlichten. Aber auch diese Wahl fiel zwiespältig aus. Die Mehrheit wählte Alexander III., eine Minderheit Viktor IV.146 Hatte auch Alexander, wie seinerzeit Innocenz II. zweifellos die Mehrheit der Kardinäle auf seiner Seite, so war dies nach der damaligen Wahlordnung noch nicht ausschlaggebend. Die Anhänger Viktors verwiesen darauf, dass sie meliorem et saniorem partem darstellten. Dieses Argument entsprang der Überzeugung, dass man die Stimmen nicht nur zählt, sondern auch wiegt. Das Problem ist natürlich, dass man die sanitas der jeweiligen Partei nicht messen konnte, bzw. jede Partei diese für sich in Anspruch nahm. Und so war man, wie schon Paul Schmid sagte, bei der Wahl „auf dem toten Punkte“. Zum Nachgeben wurde eine der Parteien nicht durch eine rechtliche Norm veranlaßt, sondern erst durch „die Aussichtslosigkeit der eigenen Sache.“147

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In der Salierzeit148 hatte bei einer Doppelwahl ein vom Kaiser einberufenes Konzil über die Legitimität des einen oder anderen Prätendenten entschieden; dieses Recht nahm auch Friedrich Barbarossa in Anspruch. Aber seit Gregor VII. galt ein Konzil nur mehr durch die Konvokation des Papstes autorisiert; es galt der Satz, dass der Papst von niemanden gerichtet werden dürfe, es sei denn, er versündige sich gegen den Glauben. Die Päpste erkannten für sich keine übergeordnetere Instanz mehr an. Schon im Schisma von 1130 hatte sich eine neue Möglichkeit dadurch abgezeichnet, dass das offenkundige Übergewicht einer Oboedienz bereits die Rechtmäßigkeit ihres Prätendenten bestätigte. Alexander III. beschritt diesen Weg und hat den „Schiedsspruch“ des Kaisers nicht anerkannt und sich schließlich durchgesetzt.

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2.2 Licet de vitanda

Nachdem das Schisma mit dem von Friedrich Barbarossa gestützten Gegenpapsttum beendet war und Alexander III. seinen Frieden mit dem Kaiser gemacht hatte, trat 1179 in Rom das dritte Laterankonzil zusammen. Die Akten des Konzils sind nicht erhalten, weswegen man den Verhandlungsgang nicht nachverfolgen kann, es liegen also nur die Ergebnisse vor.

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„Von bleibender Bedeutung ist der Kanon 1 Licet de vitanda, der die Regeln der Papstwahl modifiziert; er ist heute noch in Kraft.“149 Er führt für die Wahl des Papstes das Mehrheitsprinzip ein. Der längst übliche Brauch, dass nur die Kardinäle allein und ohne Unterschied des Ordo als Papstwähler fungieren, wird nicht explizit herausgestellt oder gar gerechtfertigt. Zwischen den Kardinälen wird nicht differenziert, eine wie auch immer geartete Mitwirkung anderer Kleriker oder von Laien wird einfach nicht erwähnt. Wenn nun unter den anwesenden Kardinälen über den als Nachfolger einzusetzenden Papst keine völlige Eintracht hergestellt werden kann, so soll der der Nachfolger werden, qui a duabus partibus fuerit electus et receptus,150 eine geringere Mehrheit reicht nicht. Zuwiderhandelnde sollen der Exkommunikation verfallen. Ausdrücklich wird auch darauf hingewiesen, dass die Zweidrittelmehrheit151 nicht für die anderen Kirchen gelten solle: Ex hoc tamen nullum canonicis constitutionibus et aliis ecclesiasticis praeiudicium generetur, in quibus maioris et sanioris partis debet sententia praevalere, denn in Zweifelsfällen kann, im Gegensatz zur Wahl des Nachfolgers auf der cathedra Petri ja ein kirchlicher Oberer entscheiden.152

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Das Mehrheitswahlrecht tritt hier zum erstenmal im kirchlichen Bereich für das Mittelalter auf.153 Über die Herkunft dieser Bestimmung lassen sich aber nur Vermutungen anstellen. In italienischen Kommunen begegnet das Mehrheitswahlrecht erst im 13. Jahrhundert. Die Vorstellung von der Zweidrittelmehrheit als besonders qualifizierter Mehrheit wiederum geht wohl auf das römische Recht zurück und war dort Kriterium der Beschlußfähigkeit einer Wahlversammlung; diese war nur gegeben, wenn zwei Drittel der Wahlberechtigten anwesend waren. Während dies von den Kanonisten nicht rezipiert wurde, eine Mindestzahl von Wählern wurde nicht vorgeschrieben - eine noch so kleine Minderheit der Wahlberechtigten war bereits beschlußfähig - entwickelten sie die Auffassung, dass der Vereinigung von zwei Dritteln einer Gemeinschaft dem letzten Drittel gegenüber eine stark gesteigerte juristische Kraft zukomme; „ja sie besaß die Kraft des Ganzen.“154 Sicherlich war es das Vorbild von Licet de vitanda, dass Innocenz III. hinsichtlich einer strittigen Bischofswahl in Capua 1199 die Aussage machte, dass zwei Drittel eines Kapitels das ganze Kapitel darstellten. Kanonisten des 13. Jahrhunderts vertraten dann die Meinung, dass ein Drittel gegenüber von zwei Dritteln zu vernachlässigen sei.

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Die Regelung hat sich insgesamt wohl bewährt. Nach dem Ende des Alexander III.-Viktor IV. Schismas 1177 sollte es für 200 Jahre keine weitere Spaltung geben. Dabei wurde der Wahlmodus des Kompromisses meist dann gewählt, wenn sich die Wähler anfangs nicht auf eine Person einigen konnten. Als Kompromissare wurden meist diejenigen Kardinäle bestellt, die als Nachfolger im Gespräch waren, aber aus irgendwelchen Gründen keine Aussicht hatten, die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erlangen.155 Dass die Wahlen trotzdem nicht immer rasch vonstatten gingen, lag auch daran, dass das Papsttum nach seinem Aufstieg seit dem Ende des 11. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Faktor der europäischen Politik geworden war. Je nach ihrer Familienangehörigkeit, ihren Interessen oder Überzeugungen nahmen die Kardinäle in politischen Fragen auch unterschiedliche Positionen ein. So gab es während des englisch-französischen Kampfes eine englische und eine französische Partei an der Kurie. In der Zeit der Auseinandersetzung mit Friedrich II. eine Partei, die strikt die päpstlichen Ansprüche wahren wollte, neben einer Partei, der das Vorgehen Gregors IX. gegen den Staufer zu aggressiv war, bzw. die den Schwerpunkt der Interessen mehr auf innerkirchliche Angelegenheiten legen wollte. Ende der fünfziger Jahre spaltete der deutsche Thronstreit das Kollegium.156 Den Kurs der Politik konnten die Kardinäle nun durch evtl. Teilhabe an der Regierung bzw. Beratung des Papstes, v.a. aber mit der Wahl des künftigen Papstes beeinflussen. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bildung der verlangten qualifizierten Mehrheit oft lange hinzog.

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3. Die Einführung des Konklaves

3.1 Die Vorgeschichte

Dieses Problem hat man freilich schon früh erkannt. Vermutlich unter dem Eindruck der nicht unproblematisch verlaufenen Wahl Innocenz’ III. 1198157 verfaßte Alanus Anglicus zu Beginn des 13. Jahrhunderts einen Kommentar zu Licet de vitanda, wobei er sich mit der Frage beschäftigte, wie zu verfahren sei, wenn sich die angestrebte Zweidrittelmehrheit nicht einstelle. (Quod ergo fiet, si nullo modo due partes possunt consentire?) Sein Vorschlag wies durchaus in die Zukunft: veniant Romani et includant cardinales in conclavi et compellant eos consentire.158 Die Idee der Einschließung zur Wahlhandlung, das Konklave (ital.: mit dem Schlüssel, d.h. verschlossen) war nun nicht ohne Vorbild. Schon seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert wählten die oberitalienischen Kommunen ihren podestà; als ältestes Konklave ist das venetianische des Jahres 1172 bekannt.159 1241 kam es nach dem Tod Gregors IX., des erbitterten Gegners Friedrichs II., zum ersten Konklave in der Papstgeschichte.160 Für die Feinde des Kaisers in Rom war es wichtig, den Stuhl Petri möglichst schnell wieder zu besetzen, um den Kampf energisch weiterzuführen. „Nachdem die guelfischen Elemente“, so Olga Joelson, „in der Stadt die Oberhand gewonnen hatten und auf Seiten des Papstes gegen Friedrich kämpften, war es für sie eine Lebensfrage, dass auch der neue Papst den Kampf fortsetzte und nicht etwa auf Kosten der Stadt Frieden mit dem Kaiser schließe.“161 Um nun die Wahl zu beschleunigen, griff der in der Stadt herrschende Senator Matteo Rosso zu einem drastischen Mittel. Er sperrte die in Rom anwesenden Kardinäle im sogenannten Septizonium ein.162 Nach einem zweimonatigen Konklave unter menschenunwürdigen Bedingungen hatte man sich auf den Bischof von Sabina geeinigt, der als Coelestin IV. Papst wurde.

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Wohl von den traumatischen Erfahrungen dieser Wahl geprägt, versuchte der nächste Papst, Innocenz IV. (1243 – 1257), die Papstwahl genauer zu regeln. Nach dem Kanon Quia frequenter sollten die Kardinäle, ohne Einwirkung von Laien, nach der Beerdigung des verstorbenen Papstes noch am Sterbeort zur Neuwahl schreiten. Auf die abwesenden Kardinäle brauchten sie nicht zu warten. Die Zweidrittelmehrheit wurde insofern modifiziert, als die Stimme des Gewählten nicht mitgerechnet werden durfte, eine Selbstwahl also nicht zulässig war. Der Kanon erlangte aber nicht Gesetzeskraft.163

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Das längste und für die Zukunft wichtigste Konklave aber war das nach dem Tode Clemens’ IV. im November 1268.164 Erst im September 1271 erfolgte die Wahl. Im Kompromißverfahren einigten sich die sechs als Kompromissare bestimmten Kardinäle auf den Archidiakon von Lüttich, der als Gregor X. im April 1272 in Rom zum Papst geweiht wurde.165

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3.2 Die Konklaveordnung Ubi periculum

Papst Gregor X. führte mit der Dekretale Ubi periculum auf dem 2. Konzil von Lyon 1274 das Konklave als rechtliches Erfordernis ein.166

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Die Wahl soll in der Stadt vorgenommen werden, in der der letzte Papst gestorben ist. Dabei sollen die cardinales praesentes nur zehn Tage auf die abwesenden Kardinäle warten. Danach beginnt die Wahl ohne Rücksicht auf noch fehlende Wähler. Während der Wahl bewohnen die Wähler zusammen unum conclave, das hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen wird. Ein Kardinal, der anwesend ist, aber sich nicht mit in das Konklave begibt, verliert sein Wahlrecht. Unter der Strafe der Exkommunikation wird der Kontakt über Boten oder Briefe zwischen Außenstehenden und Wählern verboten. Nur ein Fenster soll offengelassen werden, durch das man den Kardinälen die nötigen Lebensmittel reichen kann. Ist nach drei Tagen noch keine Wahl erfolgt, erhalten die Konklavisten nur noch je eine Mahlzeit zu Mittag und Abend. Nach weiteren fünf Tagen werden sie auf Brot, Wein und Wasser gesetzt. Später eintreffende Kardinäle können sich noch an der Wahl beteiligen, müssen aber den aktuellen Stand der Verhandlungen anerkennen und sich der im Konklave geltenden Ordnung unterwerfen.167 Die Wahl ist die einzige Aufgabe der Kardinäle, mit anderen Angelegenheiten sollen sie sich nur befassen, wenn die necessitas adeo urgens incideret. Während der Wahl sollen die Kardinäle keine Einkünfte de camera papae, noch andere der Kirche während der Vakanz zufallenden Erträge erhalten. Deren Verwendung bleibt der Entscheidung des künftigen Papstes reserviert. Die Einhaltungen dieser Vorschriften sollen die Obrigkeit der jeweiligen Stadt, in der die Wahl stattfindet, überwachen.

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Es ist oft betont worden, dass Gregor X. die Konstitution vor allem wegen der Vorkommnisse, die mit seiner Wahl zusammenhingen, erließ. Durch die klare Regelung der Wahlmodalitäten sollten die „endlosen Beratungen und Auseinandersetzungen“ im Vorfeld einer Wahl beendet werden, v.a. sollte sie ja schon zehn Tage nach dem Tod des letzten Papstes beginnen. Vorher war nur die Zweidrittelmehrheit für eine gültige Wahl unangefochten geblieben.168 Durch die Isolation der Wähler sollte auch eine Einflußnahme von außen verhindert werden. Vor allem aber sollte mit dem Entzug der kirchlichen Einkünfte eine Bereicherung der Kardinäle unterbunden werden. Denn nachdem das Kardinalkolleg das alleinige Wahlrecht für den Papst erlangt hatte, war sein Aufstieg ja noch nicht zu Ende. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts schloß man daraus, dass das Kolleg allein zuständig sei für die Vertretung des Papstes während der Sedisvakanz. Ihnen wurden fast alle Rechte und Einkünfte des summus pontifex zugestanden. Diese Rechte verloren sie aber, wenn wieder ein Papst vorhanden war. Daraus folgte die menschliche Reaktion, dass ihnen jede Motivation zu einer raschen Neuwahl genommen war. Die Kardinäle hatten „eigentlich keinen Anlaß [...] schnell die Wahl eines neuen Papstes vorzunehmen.“169 Daher sollten, so schlug Humbert de Romans schon vor Ubi periculum vor, durante vacatione nihil possent Cardinales de bonis Papae vel Ecclesiae Romanae in suos usus convertere, et quod nulla possint interim servitia vel dona recipere.170

67
Die Regelungen von Ubi periculum, die die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Kardinäle so empfindlich einschränken, konnte Gregor X., der selbst nie Kardinal gewesen war, gegen den Widerstand der Kardinäle mit Hilfe der anwesenden Bischöfe nur aufgrund geschickten Taktierens auf dem Konzil durchsetzen.171

68
Das Konklavedekret blieb aber umstritten. Es wurde bei der Wahl Innocenz’ V. 1276 angewandt, vielleicht auch bei der Hadrians V. im gleichen Jahr. Noch unter dem Eindruck des rigorosen Konklaves, das zu gesundheitlichen Schäden einzelner Wähler geführt haben soll und aufgrund des Drucks der Kardinäle, wurde Ubi periculum von Hadrian V. zunächst suspendiert, der ebenfalls 1276 gewählte Johannes XXI. hat es bald nach seiner Erhebung förmlich ausgesetzt. Coelestin V. hat es wieder in Kraft gesetzt, bevor es von dessen Nachfolger „Bonifaz in den Liber sextus aufgenommen wurde und seither – mit einigen Modifizierungen – geltendes Recht geblieben ist.“172

69
Natürlich gab es in der folgenden Zeit noch Änderungen des Papstwahlverfahrens. Aber mit den drei hier vorgestellten Verfügungen sind schon alle wesentlichen Elemente entwickelt, die auch heute noch jede Papstwahl bestimmen. Wahlberechtigt sind alleine die Kardinäle (In nomine Domini), als gewählt gilt nur, wer Zweidrittel der Stimmen auf sich vereinigt (Licet de vitanda), und noch heute findet die Wahl in einem Konklave statt (Ubi periculum).

70
Und so liegt vielleicht doch ein wenig Wahrheit in den etwas pathetischen Worten Horst Fuhrmanns: „Nahezu jede Vorschrift ist einmal Antwort auf eine besondere und zu einer Reform zwingenden Situation gewesen, die sich im Verlaufe irgendeiner Wahl ergeben hat, und die jahrhundertelange Erfahrung ließ auf solche Art eine Wahlordnung von unvergleichlicher Ausgewogenheit entstehen. [...] Geschichtliche Ereignisse haben die heutige Papstwahlordnung geprägt: sie ist gleichsam ein Werk historischer Vernunft.“173 71

IV. Literatur- und Quellenverzeichnis

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Fußnoten:

1 Horst Fuhrmann, Die Wahl des Papstes – Ein historischer Überblick, in: GWU 9 (1958) S. 762-780, hier S. 764.

2 Als erster römischer Bischof nannte sich Siricius (384-398) Papst. Nach Fuhrmann, Die Wahl, S. 765, ist eigentlich erst ab jetzt die Nomenklatur ‚Papst‘-Wahl angemessen.

3 Nach und nach vollzog sich „der Ausbau der universalen Geltung des Papsttums in der Doktrin, immer mehr freilich auf die lat. Kirche des W[estens] beschränkt“. Bis zum Schisma von 1054 war in der Christenheit wohl unbestritten, dass Rom den ersten Sitz der Christenheit innehatte. Doch bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts trat das Papsttum „nur in wenigen Einzelfällen in Erscheinung“ (Georg Schwaiger, Papstwahl, in: LexMA VI (1993) Sp. 1669). Für die meisten Gläubigen war der Papst damals, so Gerd Tellenbach (Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (Die Kirche in ihrer Geschichte; 2/1) Göttingen 1988, S. 65) „eine erhabene, fast legendäre Gestalt in weiter Ferne“. Man dürfe daher nicht zu früh das Papsttum als eine Instanz auffassen, die die Kirche regiere, und die eine eigene, über die einzelnen Pontifikate hinausreichende „Kirchenpolitik“ zu treiben vermag. Man dürfe nicht aus späterer Zeit auf die frühere Zeit zurückprojizieren (ebd., S. 65 f). Erst um die Mitte des 11. Jahrhunderts nahm das Papsttum Abschied „von stadtrömischer Enge“, und schickte sich an, „die Kirchen und Völker des Abendlandes nun wirklich unter seine Verfügungsgewalt zu nehmen“ (so Werner Goez, Papa qui et episcopus, in: AHP 8 (1970) S. 27-59; Zitat S. 59). Vgl. auch Anm. 55.

4 Ep. ad Rusticum Narbonnensem episcopum 458/459, Const. I, 539 (zitiert nach Paul Schmid, Der Begriff der kanonischen Wahl in den Anfängen des Investiturstreits, Stuttgart 1926, S. 7).

5 Ep. 4, c. 5, PL 50 434 (zitiert nach Robert Benson, A Study in Medieval Ecclesiastical Office, Princeton 1968, S. 25. Dort sind auch noch zwei weitere, ähnliche ‚Leo-Stellen‘ angeführt). Nach Benson spiegelt sich in diesem dictum „the basic assumption underlying electoral theory throughout the Early Middle Ages“ (ebd.).

6 Werner Maleczek, Abstimmungsarten. Wie kommt man zu einem vernünftigen Wahlergebnis ? in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. von Reinhard Schneider und Harald Zimmermann (VuF 37) Sigmaringen 1990, S. 87. Vgl. dazu auch Schmid, S. 14f.

7 Ebd., S. 88.

8 Vgl. Schmid, S. 13. Zur Akklamation bei kirchlichen Wahlen siehe Maleczek, S. 89 f, Anm. 42 und 43.

9 Ebd., S. 19f. Die von Schmid angeführten Texte stammen zwar aus dem frühen 11. Jahrhundert, geben aber noch die traditionelle Sichtweise vor dem Investiturstreit wider. Eine Akklamation kann auch verweigert werden, vgl. Nikolaus Gussone, Thron und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert. Zur Beziehung zwischen Herrschaftszeichen und bildhaften Begriffen, Recht und Liturgie im christlichen Verhältnis von Wort und Wirklichkeit (Bonner Historische Forschungen; Bd. 41) Bonn 1978, S. 68.

10 Vgl. Schmid, S. 22, mit einem Coelestin-Zitat.

11 So heißt es bei Leo I.: qui praefaturus est omnibus, ab omnibus eligatur (PL 54 634; zitiert nach Benson, S. 25, Anm. 8. Dort auch der Hinweis, dass es sich hier um ein altes römisches Rechtsprinzip handelt.)

12 Ders., Das Papstwahldekret von 1059 und seine Rolle im Investiturstreit (Studi Gregoriani VII) Rom 1960, S. 30.

13 Da „gänzlich im Dunkeln“ liegt, wie die Papstwahl in den ersten christlichen Jahrhunderten „wirklich ausgesehen haben mag“, kann auch Fuhrmann (Die Wahl, S. 765) nur feststellen, dass die Wahl „unter Beteiligung der benachbarten Bischöfe vollzogen“ wurde. Gemäß der „Apostolischen Tradition“ hatten sie zumindest anfangs großen Einfluß. Siehe dazu Gussone, S. 67, 68 Anm. 191 und S. 69. Ein Scrutinium, also eine Prüfung des Ordinanden auf seine kanonischen Eigenschaften, mußte der zukünftige Papst wohl nicht absolvieren. Vgl. Klemens Richter, Die Ordination des Bischofs von Rom. Eine Untersuchung zur Weiheliturgie (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen; Bd. 60) Münster 1976, S. 18. Ob man seit dem dritten Jahrhundert auch mit einer Kooptation des Bischofs von Rom durch die Nachbarbischöfe rechnen muß (wenn es ein solches je gegeben hat: vgl. dazu den ‚Totalverriß‘ durch Friedrich Lotter: Designation und angebliches Kooptationsrecht bei Bischofserhebungen. Zu Ausbildung und Anwendung des Prinzips der kanonischen Wahl bis zu den Anfängen der fränkischen Zeit, in: ZRG KA 59 (1973) S. 112-150), kann ich nicht beurteilen. Mir ist zumindest nichts dahingehendes bekannt. Allgemein war dieses Verfahren aber nach Dietrich Claude(Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, in: ZRG KA 49 (1963) S. 1-75, v.a. S. 5-7) in dieser Zeit verbreitet. Vgl. auch Reinhard Schneider, Wechselwirkungen von kanonischer und weltlicher Wahl, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. von Reinhard Schneider und Harald Zimmermann (VuF 37) Sigmaringen 1990, S. 135-171, hier: S. 138-140. Coelestin I. und v.a. Leo d. Gr. haben sich für die Wahl durch Klerus und Volk eingesetzt und somit auch ein Kooptationsrecht abgelehnt (ebd., S. 11-13). In Rom galt also ein - wie auch immer geartetes - Kooptationsrecht der Nachbarbischöfe seit diesem Zeitraum als unkanonisch und wurde deshalb wohl auch nicht angewandt.

14 Mit der Weihepraxis dreier Konsekratoren will man nach Klemens Richter, S. 15 f, die apostolische Sukzession gewährleisten. Drei Konsekretoren forderte z.B. auch das Konzil von Nicaea (325).

15 Er ist überliefert in zwei Handschriften des 9. Jahrhunderts. (Ebd., S. 13, Anm. 61.)

16 Ebd., S. 18.

17 Der Gedanke, dass die Wahlen einmütig sein sollen, ist der „tragende Gedanke und liegt allen Wahlen der Zeit zugrunde“ (Schmid, S. 42).

18 Das folgende nach Maleczek, S. 81-87 (er untersucht auch die weltlichen Wahlen) und Schmid, S. 42-44. Eigentlich bleibt aber auch noch später unanimitas das Ideal. Denn auch als bei der Bischofswahl das Mehrheitswahlrecht eingeführt wurde, sollte die unanimitas in der electio communis, die in Vorformen schon im 12. Jahrhundert faßbar ist, sichtbar werden, vgl. Maleczek, S. 84.

19 Eine Synode unter Papst Symmachus (498-514) verfügte im Jahre 499 für den Fall, dass keine Einstimmigkeit erreicht werden kann, die Mehrheit entscheidet. Nach Krause, S. 32 ist diese Bestimmung eher als „ein Nachklang der Antike“ aufzufassen. Die antike Wahl mit Stimmabgabe des einzelnen und Stimmenzählung wird dann aber abgelöst von „der mittelalterlichen Wahl“, die eher „irrationale[n] Charakter“ hat. Diese Verfügung prägt also nicht die Wahlen der hier besprochenen Epoche, erst im 12. Jahrhundert findet sich wieder das Mehrheitsprinzip bei kirchlichen Wahlen. Zur Papstwahlgesetzgebung der Synode von 499 vgl. Erich Caspar, Geschichte des Papsttums, Bd. 2, Das Papsttum unter byzantinischer Herrschaft, Tübingen 1933, S. 89.

20 Gregor d. Gr., Homiliae in Evangelia 22, 4, PL 76 1176; zitiert nach Maleczek, S. 81.

21 Vgl. Maleczek, S. 81.

22 Vgl. Maleczek, S. 82.

23 Vgl. Schmid, S. 44, Anm. 135.

24 Vgl. Ebd., S. 47-49; Maleczek, S. 87.

25 Vgl. Maleczek, S. 88, ferner Schneider, S. 170.

26 Schmid, S. 42 f. Für die Papstwahl finden sich etliche Nachrichten über eine einhellige Wahl im Liber Diurnus und im Liber Pontificalis. Einige Stellen sind aufgeführt bei Maleczek, S. 84, Anm. 18. Vor 731 werden Wahlen auch als weniger einmütig beschrieben, vgl. Philip Daileader, One will, one voice, and equal love: papal elections and the Liber Pontificalis in the early Middle Ages, in: AHP 31 (1993) S. 11-31, S. 15 f.

27 Natürlich ist dies eine ‚Binsenweisheit‘. Darum ‚macht‘ der Historiker ja Quellenkritik.

28 So wurde Leo VIII. nach verschiedenen Berichten una voce, uno consensu et una volutate, communi sensu erhoben. Die Texte sind zitiert bei Harald Zimmermann, Parteiungen und Papstwahlen in Rom zur Zeit Kaiser Ottos des Grossen, in: Otto der Große, hg. von Harald Zimmermann (WdF 450) Darmstadt 1976, S. 325-413, hier S. 326 f. Doch, so Zimmermann (S. 329), falle es schwer, „an die völlige Einmütigkeit der Wahl zu glauben, wenn man den Fortgang der Ereignisse kennt.“ Für das Jahr der Wahl 963 lassen sich drei Parteien in Rom feststellen: Die Anhänger Johannes XII., der zum Zeitpunkt der Wahl nicht in Rom war, die Leos VIII. und die des späteren Benedikt V. (S. 333, 380f) Der Nachfolger Leos VIII., der 965 starb, wurde Johannes XIII. Die Wahl erfolgte den Quellen zufolge einmütig, schien aber zumindest nicht einfach gewesen zu sein. Erst nach einer Vakanz von über einem halben Jahr, wurde er zum Papst erhoben, schon zehn Wochen nach seiner Inthronisation wurde er durch eine stadtrömische Revolte gestürzt. (S. 382). Zweifelhaft scheint auch die berichtete unanimitas bei der Wahl Papst Benedikts III (855-858), vgl. dazu Daileader, S. 27.

29 Ders., The Republic of St. Peter. The Birth of the Papal State (680-825), Philadelphia 1984, S. 9.

30 Vgl. ebd., S. 10-12.

31 Vgl. Caspar, S. 325.

32 Bernhard Schimmelpfennig, Das Papsttum. Grundzüge seiner Geschichte von der Antike bis zur Renaissance, Darmstadt 3 1988, S. 87. Der byzantinische Kaiser konnte seinen Herrschaftsanspruch über die von ihm beanspruchten Teile Italiens und Rom zunehmend weniger realisieren, vgl. Noble, S. 21-60.

33 Vgl. Schmid, S. 39 f.

34 Z.B. die sog. Griechenpäpsten: Dazu und zum neuen Amts- und Militäradel siehe Schimmelpfennig, Das Papsttum, S. 66. Vgl. auch Wolfgang Reinhard, Nepotismus. Der Funktionswandel einer papstgeschichtlichen Konstanten, in: ZKG 86 (1975) S. 145 – 185.

35 Vgl. Stefan Heid, Zölibat in der frühen Kirche. Die Anfänge einer Enthaltsamkeitspflicht für Kleriker in Ost und West, Paderborn 1997, S. 12.

36 Also nicht von Ostiariern, Lektoren, Exorzisten, Akoluthen und Subdiakonen. Ob die Versuche Leos I. (440-461) Erfolg hatten, auch die Subdiakone zum Zölibat zu zwingen, ist nicht bekannt, vgl. Schimmelpfennig, Das Papsttum, S. 32. Seit dem 2. Trullianischen Konzil vollzieht sich in der östlichen Kirche eine davon abweichende Entwicklung; vgl. Heid, S. 285 ff.

37 Vgl. Heid, S. 260 f.

38 Vgl. ebd., S. 264.

39 Vgl. ebd., S. 297 f.

40 Vgl. Reinhard, S. 148.

41 Vgl. dazu Caspar, S. 129, insbesondere auch Anm. 6 und S. 194 f..

42 Vgl. Erwin Gatz, Papstwahl, in: TRE 25 (1995), S. 696.

43 So heißt es im Liber Pontificalis: Vgl. Le liber pontificalis, Bd. 1, hg. von Louis Duchesne, Paris 1955, S. 281; Stelle bei Fuhrmann, Die Wahl, S. 766. Zum mißlungenen Designationsversuch des Bonifatius II. vgl. Caspar, S. 197f.

44 Horst Fuhrmann, Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II., München 1998, S. 59.

45 Natürlich gibt es später auch Parteiungen. Vgl. z.B. für die Papstwahlen im 13. Jahrhundert: Joelson, Olga: Die Papstwahl des 13. Jahrhunderts bis zur Einführung der Conklaveordnung Gregors X., Berlin 1928, passim.

46 Ders., Das Papsttum S. 16.

47 Vgl. Arnold Angenendt ,Princeps imperii – Princeps apostolorum. Rom zwischen Universalismus und Gentilismus, in: Arnold Angenendt und Rudolf Schieffer, Roma – Caput et Fons. Zwei Vorträge über das päpstliche Rom zwischen Antike und Mittelalter, Opladen 1989, S. 17 charakterisiert so Walter Ullmanns Standpunkt.

48 Ich vernachlässige also die Ostgotenherrschaft.

49 Ernst Dassmann, Kirchengeschichte II/1. Konstantinische Wende und Reichskirche, Stuttgart 1996, S. 16.

50 Vgl. Angenendt, S. 12. Es ist aber umstritten, ob man deshalb von „Caesaropapismus“ sprechen sollte. Dieser weithin akzeptierte Terminus wird von Wolfgang Hage (Das Christentum im frühen Mittelalter (476-1054). Vom Ende des weströmischen Reiches bis zum west-östlichen Schisma (Zugänge zur Kirchengeschichte; Bd. 4) Göttingen 1993, S. 11-15) abgelehnt. Man könne dieses Staatskirchenwesen nicht so bezeichnen, da ja das Patriarchenamt nicht aufgelöst wurde. Das byzantinische Selbstverständnis definiere dieses Nebeneinander kaiserlicher und patriarchaler Gewalt als Symphonia. Freilich blieb dies Theorie. Die tatsächliche Macht in der Kirche besaß die jeweils stärkere Persönlichkeit, und das war zumeist der Kaiser.

51 Z.B. Justinian I.: Zu den christologischen Streitigkeiten und den Eingriffen des Kaisers vgl. die fast polemisch zu nennende Arbeit von Hans-Georg Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich (Die Kirche in ihrer Geschichte; Band I) Göttingen 1980, S. 15-32. Wesentlich kürzer, aber um mehr Ausgeglichenheit bemüht: Dassmann, S. 205-210.

52 Nach Angenendt blieb auch „im Westen (...) diese Organisation, während des Mittelalters und noch in der Neuzeit, das Modell herrscherlicher Kirchenhoheit.“ Zitat S. 13, siehe auch S. 21, 34.

53 In einem Brief an seine Schwester Marcellina: Ep. 20, 19. Zitiert nach Dassmann, S. 80.

54 So in einem Brief an Kaiser Valentinian II.: Ep. 21,1/4. Zitiert nach Dassmann, S. 81.

55 In einem Brief an Kaiser Anastasius: Ep. 8. Zitiert nach Dassmann, S. 187f.

56 Vgl. Angenendt, S. 50.

57 Vgl. ebd., S. 13, 21, 34.

58 Karl d. Gr. an Leo III: Ep. 93. Übersetzung zitiert nach Hage, S. 95. In gewisser Weise erinnert dies an Justinians I. Formulierung, nach der die Bischöfe „zu immerwährendem Beten für die Kaiser verpflichtet sind“, während die „hingebendste Sorge um die wahren Dogmen“, also die Sorge um die Orthodoxie, ganz in den Händen des Kaisers liegt (vgl. Justinian I. an Epiphanius von Konstantinopel, zitiert nach Hage, S. 11 u. 14).

59 Interpretation nach Angenendt, S. 33. Auf S. 34 ein Verweis auf Alkuins De trinitate, das er Karl widmet, der es prüfen und den Priestern empfehlen möge, denn des Kaisers Weisung habe in der Verkündigung des Gotteswortes priesterliche Kraft.

60 Ebd., S. 28, 33.

61 Eine kurze Zusammenfassung der Ansichten Eusebius’ bei Dassmann, S. 59-61; das Zitat auf S. 60.

62 Die Chance der Päpste war, dass Rom nicht mehr die Hauptstadt war. Im spätantiken römischen Reich residierten die Herrscher im Westen gewöhnlich in Mailand oder Ravenna; dort ist dann in der Zeit der byzantinischen Herrschaft auch der Sitz des Exarchen, des Stellvertreters des Kaisers für die von Byzanz beherrschten Teile Nord- und Mittelitaliens. Im byzantinischen Reich lag Rom nur noch an der Peripherie. Die kaiserliche Herrschaft wurde dort auch zunehmend prekär. (Vgl. Noble, S. 21-60)

63 Vgl. Ferdinand Gahbauer, Die Pentarchietheorie. Ein Modell der Kirchenleitung von den Anfängen bis zur Gegenwart (Frankfurter Theologische Studien; Bd. 42) Frankfurt/M. 1993, S. 71 f.

64 Sehr pointiert äußert sich dazu Gunther Wolf (Die Anfänge des sogenannten „Konziliarismus“ als Indiz eines Bewußtseinswandels zur Zeit Kaiser Friedrichs II., in: ZRG 75 (1989) S. 155-176; S. 156 f.): „Was den römischen Bischof freilich aus dem Kreis der ‚Väter‘ heraushob, war weit weniger die subsidiäre (...) Petrus-Tradition und Sukzession (...), als vor allem die Qualität seiner Residenz in der alten Welthauptstadt Rom. nicht umsonst sind es später die pseudoisidorischen Fälschungen, die im Mittelalter unter Hinweis auf die Überlassung Roms durch Kaiser Konstantin an Papst Silvester I. realiter Ansprüche begründen halfen.“

65 Nach Patriarch Nikephoros I. von Konstantinopel (~750-828) kann ohne die Zustimmung Roms kein Dogma zustande kommen, vgl. Gahbauer, S. 118. Es wird aber nicht von allen Autoren Rom der Jursidiktionsprimat zugestanden. Andere betonen die Gleichrangigkeit der fünf Patriarchen; vgl. Gahbauer, S. 107, 124f, 159, 161, 173. Darauf deutet ja auch die Verfechtung der Idee von der petrinischen Triarchie durch Rom hin, die sich v.a. gegen Konstantinopel richtet, vgl. Gahbauer, S. 390-397. In Rom glaubte man „aufgrund der petrinischen Verheißung zur Führung der Gesamtkirche bestimmt zu sein“. Doch die geschichtliche Entwicklung hat gezeigt, „dass sich die an den politischen Machtverhältnissen orientierte Gliederung der Kirche [in fünf Patriarchate; C.S.] durchgesetzt hat. Die östlichen Patriarchate haben zu keiner Zeit an einen Zusammenschluß, weder untereinander noch unter der Führung Roms, gedacht. Ein Lehr- und Juristiktionsprimat des römischen Bischofs über die Gesamtkirche hat niemals eine ernsthafte Chance gehabt“ (Dassmann, S. 184).

66 Vgl. Hage, S. 11.

67 Vgl. Schimmelpfennig, Das Papsttum, S. 34.

68 Caspar, S. 88. Man hat auf römischer Seite die Unhaltbarkeit dieses Prozederes wohl erkannt. 499 beschloß eine römische Synode für die Papstwahl das Mehrheitsprinzip. Doch diese Regelung fand keinen Eingang in die Praxis. Vgl. Anm. 19.

69 Vgl. Caspar, S. 621.

70 Hans Foerster (Hg.), Liber Diurnus Romanorum Pontificium, Bern 1958, S. 111-117 (Hs V), S. 209-215 (Hs C), 316-326 (Hs A).

71 Vgl. Gussone, S. 143 f. Der LD gehört mit „zu den umstrittensten Quellen des früheren MA“. Immerhin, so Hans-Henning Kortüm (Liber Diurnus, in: LexMA Bd. V (1991) Sp. 1942-1943), wird man aber „von einer großen Nähe der ‚Bibliotheksh[andschriften]‘ V, C und A zu den in der päpstl[ichen] Kanzlei tatsächl[ich] verwendeten Gebrauchsh[andschriften] ausgehen müssen“. Und, so Hans Anton, Der Liber Diurnus in angeblichen und verfälschten Papstprivilegien des frühen Mittelalters, in: Fälschungen im Mittelalter III. Diplomatische Fälschungen (I) (MGH Schriften; Bd. 33, III) Hannover 1988, S. 115-142; hier S. 120, im „7. und 8. Jahrhundert ist der uns überlieferte Liber Diurnus von der päpstlichen Kanzlei tatsächlich benutzt worden“ (auf den Seiten 115-121 ein kurzer Überblick über die höchst kontroverse Forschung). Wegen dieser unsicheren Quellenlage wurde auf die in Konstantinopel und in anderen Bischofstädten übliche Praxis hingewiesen.

72 Dies gilt wohl seit dem späten 6. Jahrhundert; vgl. Schimmelpfennig, Das Papsttum, S. 68.

73 Während derer man sich vielleicht durch Fasten auf die Wahl vorbereitete; vgl. Schmid, S. 48, Anm. 154.

74 Zitat und das folgende nach Fuhrmann, Die Wahl, S. 766. Fuhrmann bringt die drei Schreiben, die im LD überliefert sind, in eine logische Reihenfolge und ergänzt sie mit aus der Geschichte bekannten Ereignissen. Also: Todesanzeige, Wahl, Übersendung des Wahlprotokolls, eventueller Test auf Rechtgläubigkeit durch den Kaiser am Kaiserhof, Weihe. Dies erscheint plausibel, ist aber, aufgrund der unsicheren Quellenlage (LD), eine Konstruktion. Ich bin mir nicht sicher – ich weiß darüber auch zuwenig – ob man diese einzelnen Quellen, über deren Entstehenszeitpunkt und deren reale Verwendung man keine präzisen Aussagen treffen kann, einfach addieren, aneinandersetzen kann. Zu einzelnen Wahlen an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert vgl. Gussone, S. 144f., der den LP auswertet.

75 Vgl. auch Noble, S. 49.

76 Vgl. Schimmelpfennig, Das Papsttum, S. 62 und Caspar, v.a. S. 553f, 566-572.

77 Vgl. Caspar, S. 633; Noble, S. 16f., auf S. 18 das Scheitern des Exarchen Theophylact gegenüber Papst Johannes VI.

78 Es ist hier nicht der Ort, um die zunehmende Ablösung Italiens vom Kaiserreich zu beschreiben, vgl. dazu Caspar, S. 643ff. und Noble, S. 19-60. Immerhin sei darauf verwiesen, dass dieser Prozeß, wie Noble , S. 9 schreibt „was by no means solely the work of the papacy and of the Lateran bureaucracy. It was a product of Italy’s seventh-century social transformation [...] in the eighth century the papacy led, but did not drive, Italy out of the Byzantine Empire.“

79 Vgl. Daileader, S. 14-20, unb. S. 18.

80 Darauf weist Wilfried Hartmann, Der Investiturstreit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte; Bd. 21) München 1993, S. 7 hin. Auf der gemeinsam von Benedikt VIII. und Konrad II. geleiteten Synode von Ravenna 1014, war das Mindestalter für die Diakone auf 25, das der Presbyter und Bischöfe auf 30 festgesetzt worden. Daneben hatte diese Kirchenversammlung noch weitere für die Gesamtkirche wichtige Reformpunkte auf dem Programm, so Bestimmungen gegen Simonie, gegen die Abgaben bei Kirchenweihen sowie gegen die Veräußerung kirchlicher Geräte. Klaus-Jürgen Herrmann, Das Tuskulanerpapsttum (1012-1046) (Päpste und Papsttum; Bd. 4) Stuttgart 1973, S. 31.

81 Man könnte dies als einen Rückfall des Papsttums in die Verhältnisse des sog. ‚saeculum obscurum‘ interpretieren. Die Zeit des ‚Adelspapsttums‘, d.h. der Epoche der stärksten Einflußnahme der großen Familien auf das Papsttum wird heute allerdings in der Forschung einer Revision unterzogen. Das Bestreben, die Erfolge des Reformpapsttums zu verherrlichen, führte wohl dazu, die vorherige Zeit in um so dunkleren Farben zu schildern, auf dessen Hintergrund sich dann die Zeit der Kirchenreform in um so helleren Farben abhob. Vgl. Tellenbach, S. 122, 136f.

82 Hier und für das folgende vgl. Herrmann, S. 151ff.

83 So die Interpretation Herrmanns. Hartmann, S. 10 folgt dem nicht: Benedikt IX. habe seinem Verwandten die Würde verkauft. Nach Schimmelpfennig, Das Papsttum, S. 128 ist unklar, ob das Geld als Entgelt für den Rücktritt oder ob es zur Besoldung von Bendikts Truppen diente.

84 Hier allerdings bleibt für Johannes Laudage, Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert (Beihefte zum AKG; H. 22) Köln 1984, S. 7f unter Verweis auf einschlägige Stellen bei Wazo von Lüttich, Gregor VII. und des De ordinando pontifice fraglich, „ob der Papst wirklich aus eigener Einsicht seine Inthronisation für ungültig erklärte oder durch Heinrich III. zur Selbstabsetzung gezwungen wurde.“ (Zitat S. 7)

85 Dies und das folgende nach Hartmann, S. 10f, Colin Morris, The Papal Monarchy. The Western Church from 1050 to 1250 (Oxford History of the Christian Church) Oxford 1989, S. 79ff und Tellenbach, S. 121ff.

86 Vgl. Hartmann, S. 10.

87 Doch ist dies nicht der Anfang: Benedikt VIII. bemühte sich zusammen mit Kaiser Heinrich II. auch kirchliche Mißstände auszumerzen. Die Synoden von Ravenna 1014 (siehe Anm. 82) und Pavia 1022 faßten Beschlüsse über die unehelichen Nachkommen im Konkubinat lebender Priester. (Herrmann, S. 36f; Laudage, S. 84-86) In dieser Epoche, wie für die Zeit davor, war der Papst vor allem noch Bischof von Rom. Doch es mehrten sich schon die Anzeichen für die allmähliche Leitung der Universalkirche durch den Papst. Einfluß nahm v.a. Benedikt VIII. Vgl. z.B. den Hammersteiner Eheprozeß und den Konflikt mit Aribo von Mainz (Herrmann, S. 74ff), den Palliumsstreit mit der englischen Kirche (ebd., S. 108ff) und die Exemption des cluniazensischen Klosterverbandes (ebd., S. 133ff). Die von Heinrich installierten Reformpäpste, nach Herrmann, bauten zielstrebig die Erfolge der tuskulanischen Kirchenpolitik aus und ernteten schließlich dort, wo jene mit Eifer gesät hatten. (Ebd., S. 46) Dieser enthusiastischen Wertung, die wohl auch mit der Hochschätzung des eigenen Dissertationsthemas zusammenhängen dürfte, wird man aber nicht unbedingt folgen wollen.

88 Vgl. Tellenbach, S. 123.

89 So Hartmann, S. 10. Der früheren Auffasssung, dass Otto III. die Konstantinische Schenkung als Fälschung erkannt/betrachtet habe, folgt nicht mehr Kurt Zeilinger, Otto III. und die Konstantinische Schenkung. Ein Beitrag zur Interpretation des Diploms Kaiser Ottos III. für Papst Silvester II. (DO III. 389), in: Fälschungen im Mittelalter II. Gefälschte Rechtstexte/Der bestrafte Fälscher (MGH Schriften; Bd. 33, II) Hannover 1988, S. 509-536. Er habe sie als nicht mehr rechtsgültig betrachtet, aber nicht als Fälschung verworfen (ebd., S. 536).

90 Dies betonte schon Schmid, S. 63; vgl. auch Morris, S. 84, Tellenbach, S. 123. Die Bedeutung des Patriziats für den Einfluß der deutschen Herrscher auf die Papstwahl wird von Krause geringer veranschlagt, was natürlich mit seiner These zusammenhängt, dass sich der Einfluß auf den honor et reverentia regis et futuri imperatoris gründe. Für die Wahl Nikolaus’ II. finde ich seine Argumentation durchaus überzeugend, dies stellt aber auch die Thesen der oben angegeben Literatur bezüglich der Papsterhebungen unter Heinrich III. in Frage (vgl. dazu auch Walter Ullmann, Die Machtstellung des Papstes im Mittelalter. Idee und Geschichte, Graz 1960, S. 368: „Bemerkenswert dabei war, dass sich Heinrich III., der treu an den konstitutionellen Regeln festhielt, sich selbst von den Römern das Amt eines Patricius übertragen ließ. Dieses Amt sollte ihm die Handhabe für eine direkte Ernennung der Päpste bieten.“). Denn Heinrich IV. muß doch schon 1058 und 1059 eine Würde und ein Recht hinsichtlich der Papstwahl gehabt haben, das ihm die Reformer im sog. Königsparagraphen zugestanden. Die Patriziatswürde aber erhielt er erst 1061; vgl. Krause, S. 105-108 und S. 255: „Das Recht selbst aber, das im Pwd Heinrich IV. zugebilligt wird, ist ohne Ausnahme von gregorianischer wie von antigregorianischer Seite (...) mit dem von Heinrich III. geübten Recht identifiziert worden.“

91 Nach dem Tod Clemens II. war Benedikt im November 1047 restituiert worden. Das ‚unbestreitbar ruhige Pontifikat‘ dauerte mehr als acht Monate und zeigt, dass die Tuskulanerpartei noch einen großen Einfluß hatte, vgl. Herrmann, S. 160ff. Nach dem Tod Leos IX. versuchte der hartnäckige Benedikt noch einmal den verlorenen Papsttuhl zu behaupten, was ihm aber nicht gelang. Aber immerhin hat er es so als einziger auf drei Eintragungen in das Annuario Pontificio gebracht; siehe Fuhrmann, Die Päpste, S. 285; zum Problem der Rechtmäßigkeit der einzelnen Amtszeiten: ebd., S. 279, 282.

92 Alle vier von Heinrich III. ernannten Päpste haben ihr Bistum behalten. Sie waren papae qui et episcopi. Das alte Translationsverbot schien ihnen wohl nicht verletzt, da sie zu dieser Zeit schon eine „tiefe Ungleichheit des bischöflichen und des päpstlichen Amtes“ empfanden. Clemens II. fühlte sich wohl als Bamberger, aber nicht als römischer Ortsbischof. Die Aufgaben eines römischen Stadtbischofs traten hinter der Funktion als Hirt der gesamten Christenheit zurück. Siehe dazu Goez, Papa, S. 49f. Weitere papae qui et episcopi ebd. auf S. 29. Aufgegeben wurde diese Praxis, da die gleichzeitige Ausübung beider Ämter unpraktikabel und zu belastend war (ebd., S. 50). Somit blieb sie ein Übergangsphänomen.

93 Zur personellen Erneuerung v.a. der Rom benachbarten Bistümer vgl. Hans-Walter Klewitz, Die Entstehung des Kardinalkollegiums, in: ZRG KA 25 (1936) S. 115-221, S. 134f.

94 Schmid, S. 64.

95 Vgl. ebd., S. 58f.

96 Vgl. ebd., mit Quellen: für Clemens II. S. 60f, für Damasus II. S. 68, für Leo IX. S. 73ff, für Viktor II. S. 93f.

97 Gussone, S. 216f.

98 Vgl. Krause, S. 57.

99 Ebd., S. 59.

100 Vgl. Joachim Wollasch, Die Wahl des Papstes Nikolaus II., in: Adel und Kirche. Gerd Tellenbach zum 65. Geburtstag, hg. von J Fleckenstein und K Schmid, Freiburg 1968, S. 205-220; hier: S. 219f. Das Weitere nach Egon Boshof, Die Salier 21992, S. 177f und Krause, S. 81ff.

101 Vgl. Boshof, S. 178.

102 Ludwig Weiland (Hg.), MGH Const I, Nr. 382, S. 538ff (echte Fassung), Nr. 383; S. 541ff (verfälschte Fassung); neu hg. von Detlev Jasper, Das Papstwahldekret von 1059. Überlieferung und Textgestalt (Beiträge zur Geschichte des Mittelalters; Bd. 12) Sigmaringen 1986, S. 98-119 (echte und verfälschte Fassung parallel gedruckt). Dt. Übersetzung von Manfred Lautemann, in: ders. et al. (Hg.), Geschichte in Quellen Bd. 2: Mittelalter, S. 258-259.

103 Vgl. Jasper, S. 4, Anm. 10.

104 Ebd., S. 81-85 (auf S. 81 der Hinweis auf Paul Scheffer-Boichhorst, der schon 1879 in ‚Die Neuordnung der Papstwahl durch Nikolaus II. Texte und Forschungen zur Geschichte des Papstthums im 11. Jahrhundert‘, Strassburg 1879, S. 104 auf die Apologie Nikolaus‘ hinwies). Vgl. z.B. die neueren Arbeiten von Erwin Gatz, Papstwahl, S. 696; Werner Goez, Papstwahl, in: LThK 7 (1998) Sp. 1352-1353, hier 1352; Morris, S. 92; Boshof, S. 178; Rudolf Schieffer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots für den deutschen König (MGH Schriften; Bd. 28) Stuttgart 1981, S. 48f. Unerklärlich bleibt, wie Schieffer Krauses Ansicht durch die Arbeiten von Wollasch und v.a. von Dieter Hägermann, Untersuchungen zum Papstwahldekret von 1059, in: ZRG KA 56 (1970) S. 157-193 bestätigt sehen kann.

105 Krause, S. 141. Aber nicht insofern, als Gerhard nicht der römischen Kirche entstammte. Denn es waren schon vor Gerhard von Florenz Auswärtige römische Bischöfe geworden. Man braucht nur an die von Heinrich III. designierten Bischöfe Suidger von Bamberg, Poppo von Brixen, Bruno von Toul und Gebhard von Eichstätt denken; für das Nicht-Zutreffen des Translationsverbotes (seit der Zeit des Reformpapsttums) bei der Übernahme der cathedra Petri durch einen Bischof siehe Goez, Papa).

106 Ebd., S. 81. Die davon abweichende Interpretation Hägermanns im ersten Teil seines Aufsatzes (S. 157-176) konnte sich nicht durchsetzen: Die Kanonizität der Erhebung Nikolaus‘ II. sei, so Hägermann, von niemanden angezweifelt worden, weshalb eine nachträgliche Rechtfertigung auch nicht nötig sei, (S. 160). Die Erhebung ähnele vielmehr der Stephans IX. (v.a. S. 163f, 167).

107 Der Termin der Wahl nach Krause, S. 65ff. Jasper, S. 42, Anm. 160, bezweifelt den Zeitpunkt, nicht aber den Wahlort. Er tritt angesichts der für die Reform bedrohlichen Situation für einen Zeitpunkt vor dem 6.12.1058 ein.
Ebenfalls nicht durchgesetzt hat sich Hägermann mit einer weiteren Interpretation, nach der die Einigung der in Florenz versammelten Reformer auf Gerhard als Wahl zu werten sei. Anschließend habe die Regentschaft diese Wahl gebilligt: „Damit aber war Gerhard von Florenz Elekt. Eines weiteren Wahlganges bedurfte es nicht“ (Der Termin ist insofern wichtig, als die Wahl ja nach opinio communis nach der Zustimmung, nach Hägermann vor der des deutschen Hofes stattfand). Gewichtiger erscheint mir der Hinweis auf die acceptio in Rom (ebd., S. 169ff). Aber anders als Hägermann wird man sich entscheiden müsssen: wenn die acceptio, um mit Schmid zu argumentieren, konstitutiver Bestandteil einer Erhebung, mit ihr eine Wahl erst endgültig vollzogen ist, dann wäre auch Nikolaus II. schließlich doch in Rom gewählt worden. Die Analogie zu den von Heinrich III. designierten Päpsten wäre meiner Meinung nach durchaus zu sehen: die kaiserlichen Kandidaten wurden nicht auch schon außerhalb Roms gewählt, sondern eben nur designiert. Wenn man so argumentiert, (Hägermann, S. 170f), dann fand aber in Florenz eben eine Designation, aber keine Wahl, wie Hägermann, S. 168f behauptet, statt. Aber dem widerspricht letztendlich doch das Selbstverständnis der Reformer. Denn Gerhard war für sie kein designatus, sondern ein electus. Für Gussone, S. 233, war die Inthronisation mit der Wahl durch Klerus und Volk verbunden, allerdings vermeldeten die Quellen „das nicht ausdrücklich“. Doch eine solche – die Wahl Nikolaus’ konventionell erklärende – Interpretation widerspricht eben dem Selbstverständnis der reformerischen Kardinalbischöfe (s.o.).

108 Jasper, S. 105.

109 Ebd., S. 106.

110 Gerhard hatte als electus, so Friedrich Kempf (Pier Damiani und das Papstwahldekret von 1059, in: AHP 2 (1964) S. 73-89; hier S. 73) lapidar, nach seiner Wahl „die Gewalt des römischen Bischofs“ inne. Nach Benson, S. 43 repräsentiert die auctoritas regendi et disponendi „the sum of those papal powers which were not purely priestly“; ebenso Walter Ullmann (Zum Papstwahldekret von 1059, in: ZRG KA 68 (1982) S. 32-51; hier S. 41) - für diesen ist der Beginn des Pontifikats Gregors VII. ein glücklicher Umstand, da man hier „in höchst selten anzutreffende[r] Weise [...] der Umsetzung des abstrakten Rechtssatzes in konkreter Gestalt“ begegne. Mit dem Beispiel Hildebrand-Gregors konstatiert Ullmann, S. 42f, für (§8) eine Unterscheidung zwischen der potestas iurisdictionis und der potestas ordinis. Letztere erhielt Gregor erst nach seiner ordinatio canonica, die nicht die Wahl, sondern die Weihe des Papstes zum Bischof meine. Ich verstehe aber nicht, was dies für Gerhard-Nikolaus, der doch schon Bischof war, bedeutet. Für die Dekretisten des 12. Jahrhunderts ist es selbstverständlich, dass die reine Wahl „can [not] confer sacramental power (...) everything depends on the prior status of the newly elected pope. If he was only a priest before his elevation, he gains only jurisdictional authority by virtue of the election, but if he was already a bishop at the time of his election, he can immediately use both his jurisdictional and his sacramental powers.“ (Benson, S. 161). Noch aber führte, worauf Gussone, S. 234, ohne nähere Präzisierung für die Zeit Nikolaus’ hinweist, der electus noch nicht seinen päpstlichen Namen, und die Fülle der päpstlichen Gewalt blieb weiterhin an die Inthronisation gebunden Allerdings würde die Tendenz sichtbar, die „alte Bedeutung der Inthronisation, die eng mit der älteren Form der kanonischen Wahl verbunden war, herabzumindern“. Aber wenn der electus nach Ullmann schon die päpstlichen Herrschaftsbefugnisse ausüben durfte (regere), war dann die Inthronisation doch wohl nicht zur Erlangung der ‚vollen apostolischen Gnadengewalt‘ (Ullmann, S. 43) nötig. Oder sollte man bei mittelalterlichen Rechtssetzungen nicht zu formalistisch argumentieren und mehr auf die Symbolhaftigkeit einzelner Handlungen abstellen?

111 Vgl. Krause, S. 83. Dagegen hat sich Hägermann, S. 171f gewandt.

112 Vgl. Tellenbach, S. 126.

113 Jasper, S. 101-103.

114 Kempf, S. 75ff. Krause, S. 82f.

115 Japser, S. 104.

116 Vgl. Kempf, S. 80. Zum Einfluß Petrus Damianis auf das Papstwahldekret siehe die Literaturübersicht bei Stephan Freund, Studien zur literarischen Wirksamkeit des Petrus Damiani. Anhang: Johannes von Lodi, Vita Petri Damiani (MGH Studien und Texte; Bd. 13) Hannover 1995, S. 4-11

117 Jasper, S. 101.

118 Vgl. Klewitz, S. 135ff. Denn bis „das Kollegium der Kardinalpresbyter in gleicher Weise innerlich erneuert“ war, dauerte es ungleich länger, da „ein viermal so großer Kreis erfaßt werden mußte“ (ebd., S. 162). Vgl. Jasper, S. 77: „Als das Pwd beschlossen wurde, bestand, soweit wir wissen, allein die Gruppe der Kardinalbischöfe weitgehend aus Reformern.“

119 Krause hat zurecht die übliche Paragrapheneinteilung des Pwd kritisiert. Die von Scheffer-Boichhorst eingeführte und von Weiland für die Edition in den MGH übernommene Einteilung des Textes in Paragraphen habe „inhaltlich zusammengehörige Sätze auseinandergerissen und sogar Satzteile losgelöst und verselbständigt.“ (S. 73). Entscheidend ist diese Erkenntnis auch für den sog. Königsparagraphen (MGH Edition: §6): Es handelt sich hier nämlich nicht um einen selbständigen Satz, sondern um einen Ablativus absolutus, der vom vorhergehenden Eligant autem...vel...assumatur abhängt. „Das Königsrecht bezieht sich folglich auf die Person des künftigen Papstes, nicht auf den Akt der kanonischen Wahl, den ordo electionis.“ (S. 74)

120 Jasper, S. 104-105.

121 Dem Ergebnis widerspricht Wolfgang Stürner in „Salvo debito honore et reverentia“. Der Königsparagraph im Papstwahldekret, in: ZRG KA 54 (1968) S. 1-56 für die salvo-Formel auf S. 5-8, für honor auf S. 8-20. Da dem die Forschung hier (ebenso wie in der Beziehung des Nebensatzes sicut concessimus auf Heinrichs zukünftiges Kaisertum) nicht folgt, verzichte ich auf eine Referierung dieses Aufsatzes (vgl. die Kritik von Hägermann, S. 174f, Anm. 56 und Herbert Grundmann, Eine neue Interpretation des Papstwahldekrets von 1059, in: DA 25 (1969) S. 234-236).

122 Krause, S. 88. Vgl. zur Krauseschen Interpretation auch die begeisterte Zustimmung von Hermann Jakobs, Das Papstwahldekret von 1059. Bericht über ein neues Buch, in: HJb 83 (1964) S. 351-359, zur Interpretation des sog. Königsparagraphen v.a. die S. 354-356.

123 Ebd., S. 93.

124 Ebd., S. 95. Mit Verweis auf die Praxis unter Heinrich III. Alle von ihm designierten Päpste sind für die Zeitgenossen kanonisch gewählt, vgl. dazu Schmid, S. 57-94.

125 Ebd., S. 256.

126 Ders., Zum Papstwahldekret Nikolaus` II. In nomine Domini von 1059, in: Hans-Erich Feine, Reich und Kirche. Ausgewählte Abhandlungen zur deutschen und kirchlichen Rechtsgeschichte, hg. von Friedrich Merzbacher, Aalen 1966, S. 219-229.

127 Ders., Rezension zu Harald Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, in: AHP 6 (1968) S. 443-446, hier S. 444.

128 Wie Anm. 120.

129 Krause, S. 101.

130 Ders., S. 83. Als Beispiel die Wahl Alexanders II.: Dem Papst, während der Vakanz den Kardinalbischöfen, blieb eine „letzte Freiheit gegenüber dem kaiserlichen Konsensrecht vorbehalten.“ So auch Hägermann, S. 173f: Das königliche Mitwirkungsrecht habe seinen Ursprung nicht in der Gewohnheit oder gar im Patriziat (das hat Krause allerdings auch nicht behauptet), sondern in einem freiwillig gewährten Privileg Nikolaus’ II. zugunsten Heinrichs IV. und seiner Nachfolger, die für ihre Person diese Zusicherung vom Papst erlangen müssen. (Das allerdings richtet sich entschieden gegen Krause). Zu den Thesen von Wolfgang Stürner siehe Anm. 121.

131 Ders., 236. Die Arbeit richtet sich vor allem gegen Stürners „Salvo debito honore et reverentia“, aber auch gegen Krauses Interpretation des sog. Königsparagraphen. Der Lesart, dass der Herrscher seinen Anspruch auf Mitwirkung bei der Papstwahl persönlich bestätigen lassen mußte, folgt Boshof, S. 179.

132 Erwin Gatz, Papstwahl, in: TRE 25 (1995) S. 696 – 699; Werner Goez Papstwahl/I. Geschichte, in: LThK 7 (1998) Sp. 1352-1353; Georg Schwaiger, Papstwahl, in: LexMA VI (1993) Sp. 1691 – 1693.

133 Vgl. dazu z.B. Schieffer, Die Enstehung, S. 48-52. Dazu abweichend, eine Außenseiterposition vertretend: Laudage, S. 205ff; zum Pwd v.a. S. 210ff.

134 Ders., Rechtstexte des Reformpapsttums und ihre zeitgenössische Resonanz, in: Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters. Vier Vorträge, gehalten auf dem 35. Deutschen Historikertag 1984 in Berlin, hg. von Hubert Mordek, Sigmaringen 1986, S. 51-69, Zitat S. 55. Zur Interpretation der Verfälschung siehe Jasper, S. 7-9 (kurzer Forschungsüberblick), S. 69-88 und Wolfgang Stürner, Das Papstwahldekret von 1059 und seine Verfälschung. Gedanken zu einem neuen Buch, in: Fälschungen im Mittelalter II. Gefälschte Rechtstexte/Der bestrafte Fälscher (MGH Schriften; Bd. 33, II) Hannover 1988, S.157-190.

135 Ebd., S. 54.

136 Vgl. ebd.: 1061, nach dem Tode Nikolaus’ II., und 1073, nach dem des Alexander II., standen schwere Zerwürfnisse der römischen Reformer mit dem deutschen Hof einer Realisierung des sog. Königsparagraphen im Wege, während des wibertinischen Schismas wurde dies sowieso obsolet. Dies zeigt aber auch, dass man nicht von irgendwelchen statischen Rechten sprechen kann. Eventueller Einfluß realisierte sich immer in konkretem geschichtlichen Kontext. Um mit einer Spekulation abzuschließen, könnte man behaupten, dass der realpolitische Gehalt des sog. Königsparagraphen bei einem (auch in Italien) machtvollen, ambitionierten Herrscher ganz andere Dimensionen als bei einem eher zurückhaltenden König gehabt hätte. Vgl. auch Gussone, S. 239ff.

137 Das folgende nach Carl Fürst, Cardinalis. Prolegomena zu einer Rechtsgeschichte des römischen Kardinalskollegiums, München 1967, S. 59ff; ders., Kardinal, in: LexMA V (1991) Sp. 950-52; Erwin Gatz, Kardinal/Kardinalskollegium, in: TRE 17 (1988) S. 628-635. Der Interpretation von Michel Andrieu und Stephan Kuttner, derzufolge cardinalis ein Attribut für Bischöfe, Priester und Diakone sei, die ihren Dienst an einer Kirche leisten, an der sie angestellt (incardinati), auf deren Titel sie aber nicht geweiht sind, folgt auch nicht Agostino Bagliani, in: Machtfülle des Papsttums (1054-1274), hg. von André Vauchez (Die Geschichte des Christentums. Religion×Politik×Kultur; Bd. 5) Freiburg 1994, S. 82.

138 Vgl. Goez, Papstwahl, Sp. 1352.

139 Vgl. Carl G. Fürst, Kardinal, in: LexMA V (1991) Sp. 951

140 Ebd., S. 82f.

141 Vgl. Goez, Papstwahl, Sp. 1352. Das Folgende nach Maleczek, S. 109-110. Auf Seite 109 der Hinweis, dass hier vielleicht die deutsche Königswahl von 1125 als Modell gedient habe.

142 Im Kanon 24 des IV. Laterankonzils (1215) heißt es dazu: ... eligendi potestas aliquibus viris idoneis committatur qui vice omnium, ecclesiae viduatae provideant de pastore. (Carl Mirbt/Kurt Aland, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus. Bd. I: Von den Anfängen bis zum Tridentinum, Tübingen 6 1967, S. 513.) Der Kanon sollte zwar die Bischofswahl regeln und bezog sich nicht auf die Papstwahl, wurde aber dort analog (bis auf die Zweidrittelmehrheit) angewandt, vgl. dazu Paul Herde, Die Entwicklung der Papstwahl im dreizehnten Jahrhundert. Praxis und kanonische Grundlagen, in: ÖAKR 32 (1981) S. 11 – 41, S. 13 und Bernhard Schimmelpfennig, Papst- und Bischofswahlen seit dem 12. Jahrhundert, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. von Reinhard Schneider und Harald Zimmermann (VuF 37), Sigmaringen 1990, S. 173 – 195, S. 181 der darauf hinweist, dass in späteren Wahlanleitungen der Kanon bei der Papstwahl nicht gelten sollte; doch zeigten die Abläufe der Wahlen, dass sie nur durch die 1215 genannten drei Wahlarten Skrutinium, Kompromiß oder Inspiration entschieden wurden) Diese kurze Fassung des Kanons ließ zwar, so Maleczek, S. 112, viele Fragen offen. Aber schon vorher hatte Innocenz III. präzisierende Bestimmungen in Dekretalen erlassen: So müssen z.B. alle Wahlberechtigten auf ihr Wahlrecht zugunsten der Kompromissare verzichten.

143 So Paul Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Bd. I: System des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, Berlin 1869, S. 263.

144 Vgl. Maleczek S. 115.

145 Kanon 24 (Mirbt, wie Anm. 142): ...praesentibus...assumantur tres de collegio fide digni, qui secreto et singulatiim voces cunctorum diligenter exqueriant, et in scriptis redacta mox publicent in communi... . Unklar ist, ob die Stimmabgabe den Skrutatoren gegenüber anfangs mündlich erfolgte. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts erfolgte sie durch einen versiegelten Stimmzettel. Mit der Geheimhaltung des Votums dürfte es nicht weit her gewesen sein. Bei dem kleinen Wählerkreis der Kardinäle wurden wohl schon in der Beratung die einzelnen Präferenzen deutlich, vgl. Herde, S. 13.

146 Vgl. Benson, S. 150-156.

147 Vgl. Schmid, S. 52-56, Zitate S. 53f und Maleczek, S. 118-124.

148 Das Folgende nach Odilo Engels, Die Staufer, Stuttgart 61994, S. 81ff.

149 Heinrich Appelt, Die Papstwahlordnung des III. Laterankonzils (1179), in: Ecclesia Peregrinans (FS Josef Lenzenberger zum 70. Geburtstag), hg. von Karl Amon u.a., Wien 1986, S. 95-102, S. 95. Eine Entscheidungsart, bei der die Stimmen gezählt werden, setzt natürlich einen definierten, klar abgegrenzten Wählerkreis voraus. Die Gesamtzahl der Kardinäle ist aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt, vgl. Goez, Papstwahl, Sp.1352.

150 Mirbt, S. 305. Im übrigen gibt sich, darauf wies schon Hinschius, S. 266 hin, Licet de vitanda als Ergänzung von In nomine Domini.

151 Bei dem Wahlverfahren des Skrutiniums konnte bei Verfehlen der Zweidrittelmehrheit, durch einen sogenannten accessus diese doch noch erreicht werden. In einer Art Nachwahl konnten die Kardinäle sich, entgegen ihrer ursprünglichen Stimmabgabe, nachträglich der Majorität anschließen. Dieses Verfahren, das wohl schon im 13. Jahrhundert üblich war (vgl. Herde, S. 15), wurde 1904 durch Comissum Nobis wegen der Gefahr simonistischer Praktiken verboten.

152 Ebd. Die Papstwahl müssen die Kardinäle selbst regeln, da es eben bei einer Sedisvakanz in Rom keinen Oberen gibt. Nach In nomine Domini nehmen die Kardinäle ja bei der Papstwahl eine quasi-metropolitane Stellung ein.

153 Das folgende nach Maleczek, S. 103f und Herde, S. 12.

154 Herde, S. 12.

155 So Joelson S. 13.

156 Vgl. Joelson, 17, 20, 47, 57 und passim.

157 Vgl. Karl Wenck, Das erste Konklave der Papstgeschichte. Rom August bis Oktober 1241, in: QFIAB 18 (1926) S. 101-170, S. 105.

158 Ebd., S. 106f, Anm. 8.

159 Vgl. Fuhrmann, Die Wahl, S. 772.

160 Vgl. Wenck, S. 111f. Das folgende nach S. 112ff. Bernhard Schimmelpfennig (Papst- und Bischofswahlen, S. 178) verweist auf die wörtliche Bedeutung von Konklave. Der Ausdruck meine ein ‚verschließbares Gemach‘. So verstanden habe es schon in den Jahren 1216 und 1227, wenn nicht sogar schon im 12. Jahrhundert ein Konklave gegeben. Die Papstwähler selbst verwendeten den Begriff erstmals 1271 selbst.

161 Dies., S. 26.

162 Zu den Geschehnissen während der ‚Klausur‘, insbesondere auch den beiden Wahlen siehe ebd., S. 29-35.

163 Vgl. Herde, S. 17. Er wurde aber angeführt, um darauf hinzuweisen, dass man schon vor 1274 die Notwendigkeit sah, die bisherigen Papstwahlbestimmungen zu ergänzen. Nach 1274 durfte man sich auch weiterhin selbst wählen. Die Nichtigkeit der Selbstwahl wurde erst 1621 in Aeterna Patris festgeschrieben. Die 1945 erlassene Regelung Vacantis Apostolicae Sedis, ordnet an, dass ein Kandidat eine Zweidrittelmehrheit plus eine Stimme benötigt. Die vorher übliche Prüfung des Stimmzettels des Gewählten bei einer genauen Zweidrittelmehrheit ist also nicht mehr nötig, vgl. Carl Fürst, Papstwahl, in: HDRG 4 (1984) Sp. 1488-1495, hier Sp. 1491f.

164 Vgl. Joelson, S. 80ff.

165 Vgl. ebd., S. 97ff. Auf S. 99 in Anm. 60 findet sich ein knapper Lebenslauf des Theodald Visconti.

166 Mirbt, S. 454f. Zum Konzil siehe Burkhard Roberg, Das Zweite Konzil von Lyon [1274] (Konziliengeschichte; Reihe A, Darstellungen) Paderborn 1990, zur Konklavekonstitution die Seiten 293-309.

167 Er muß also wohl das vereinbarte Wahlverfahren einhalten, und, wenn die Inklausulierten schon auf Mager-Kost gesetzt sind, erhält er auch nur Brot, Wein und Wasser.

168 Vgl. Herde, S. 20, dort auch das Zitat.

169 Reinhard Elze, Sic transit gloria mundi. Zum Tod des Papstes im Mittelalter, in: DA 3 (1978) S. 1 – 18, S. 14.

170 Opus tripartitum III, cap. 2; zitiert nach Roberg, S. 295.

171 Siehe dazu Roberg, S. 295-307.

172 Ebd., S. 309. Einen relativ ausführlichen Ereignisablauf liefert Herde, S. 22-35. Die Papstwahl nach einem Zeremonienbuch vom Ende des 14. Jahrhunderts schildert Schimmelpfennig, Papst-und Bischofswahlen, S. 183ff.

173 Ders., Die Wahl, S. 763.

 

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Diese Seite ist vom 21. Mai, 2002