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Andreas Heusler

Ausbeutung und Disziplinierung. Zur Rolle des Münchner Sondergerichts und der Stapoleitstelle München im Kontext der nationalsozialistischen Fremdarbeiterpolitik

1.Vorbemerkung
2.Das Sondergericht München
3.Die Stapoleitstelle München
4.Schlußbetrachtung

1. Vorbemerkung

Die Untersuchung von Polizeiexekutive und Justiz in ihrer Funktion als Überwachungs- und Disziplinierungsinstrument des totalitären NS-Staats steckt bislang noch in den Anfängen. Während die Bedeutung der Gestapo durch instruktive Grundlagenforschungen zunehmend erhellt wird,1) sind unsere Kenntnisse über die einzelnen Justizorgane, insbesondere aber über die NS-Sondergerichte, nach wie vor defizitär. Eine Gesamtdarstellung dieses speziellen Gerichtszweigs liegt nicht vor. Zwar vermitteln rechtshistorische Überblicksdarstellungen einen Eindruck von diesem speziellen Gerichtszweig2), da jedoch nur wenig aussagekräftige Einzeluntersuchungen zu den örtlichen Sondergerichten, ihrer Verfahrenstätigkeit und Urteilspraxis vorliegen, fällt es den Autoren schwer, den Stellenwert der Sondergerichte für die nationalsozialistische "Rechtsordnung" zu akzentuieren. Die Sondergerichte werden daher häufig sehr unterschiedlich, mitunter auch widersprüchlich beurteilt.3) Zu Recht ist in diesem Zusammenhang der "desolate Forschungsstand zur eigentlichen Justiztätigkeit im Nationalsozialismus" zu kritisieren4), der eine differenzierte Betrachtung der Sondergerichte erschwert und irreführenden Bewertungen Vorschub leistet. Abhilfe schaffen könnte hier nur eine verstärkte Verlagerung der Forschungsschwerpunkte zu den örtlichen Sondergerichten selbst.5)1
Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen das Sondergericht München und die Stapoleitstelle München im Kontext des nationalsozialistischen Ausländereinsatzes.6) Dieser war, wie Ulrich Herbert in seiner grundlegenden Studie gezeigt hat7), von höchst widersprüchlichen Vorgaben geprägt, die sich im wesentlichen auf den Zielkonflikt zwischen kriegswirtschaftlicher Notwendigkeit, polizeilicher Gefahrenabwehr und rassistischer Diskriminierung zuspitzen lassen. An dieser Stelle interessiert vor allem das Spannungsfeld zwischen dem rüstungstechnisch und kriegswirtschaftlich unverzichtbaren Einsatz ausländischer Arbeitskräfte und den daraus resultierenden Schwierigkeiten für die Sicherheitsgrundsätze des NS-Systems, seiner Funktionselite in Polizei und Justiz. 2

2. Das Sondergericht München

Die Gründung der Sondergerichte geht zurück auf eine durch die NS-Regierung im Frühjahr 1933 veranlaßte Notverordnung des Reichspräsidenten.8) In allen 25 Oberlandesgerichtsbezirken wurden Sondergerichte eingesetzt. Die wachsende Geschäftstätigkeit dieser Gerichte machte jedoch schon bald die Einrichtung zusätzlicher Senate erforderlich, so daß ihre Gesamtzahl bis 1942 auf über 70 Sondergerichte anstieg.9) Aufgaben und Zielsetzungen dieser Gerichte, von Freisler auch als "Panzertruppe der Rechtspflege" bezeichnet10), sind bekannt. Sie dienten zunächst der Abwehr und Ausschaltung oppositioneller Strömungen und bereits frühzeitig auch der Unterdrückung individueller regimekritischer Äußerungen in der Bevölkerung. Dazu wurde die Bindung des Richters an geschriebenes Recht schrittweise aufgehoben und durch die Verpflichtung auf den Führerwillen als höchsten Ausdruck gesellschaftlich-staatlicher Rechtssetzung ersetzt. Die richterliche Spruchtätigkeit wurde zunehmend durch Staats- und Parteiorgane beeinflußt und gesteuert.11) Es war nun nicht mehr allein die Verletzung verbindlich vorgegebener Rechtsgüter, die im Nationalsozialismus die Justizmaschinerie in Gang setzte, sondern mehr und mehr Abweichungen von einer diffusen überrechtlichen Norm, die sich am Mythos der Unverletzlichkeit der Volksgemeinschaft orientierte. Diese Grundsatznorm war "elastisch" und eröffnete die Möglichkeit der Umdeutung und weitgefaßten Interpretation. Der rechtsstaatliche Grundsatz "nulla poena sine lege" wurde im Interesse eines totalitären und allumfassenden Machtanspruches in das beherrschende Prinzip "nullum crimen sine poena" umgewandelt.12)3
Gleichzeitig erlebte die ordentliche Justiz einen außerordentlichen Bedeutungsverlust durch die zunehmende Verlagerung von Kompetenzen auf die Sondergerichte sowie auf SS, Gestapo und Polizei. Die Einführung strafrechtlicher Spezialnormen (Heimtückegesetz, Gewaltverbrecherverordnung, Volksschädlingsverordnung, Polenstrafrechtsverordnung usw.) erleichterte den Sondergerichten ihre Aufgabe, wobei besonders die Volksschädlingsverordnung in den Kriegsjahren zur wichtigsten Sonderrechtsverordnung wurde. Vor allem nach Kriegsausbruch ersetzen in zunehmendem Umfang Sondergerichtsverfahren und Polizeiexekutive die "ordentlichen" Gerichtsverfahren. Verfahrensrechtliche Sonderregelungen ermöglichten eine rasche und unkomplizierte Aburteilung der Angeklagten. Auf das übliche, von der NS-Führung als lähmend empfundene Procedere der "ordentlichen" Justiz, brauchte keine Rücksicht genommen werden. Der richterliche Ermessensspielraum war durch das Fehlen klar umrissener Tatbestandsmerkmale außerordentlich weit gespannt und erlaubte bereits bei geringfügigen Delikten die Verhängung härtester Strafen bis hin zur Todesstrafe. Ob ein Angeklagter vor ein Sondergericht oder ein ordentliches Gericht gestellt wurde, lag im Ermessen der örtlichen Staatsanwaltschaft, die aufgrund der Zuständigkeitsverordnung vom November 193813) nahezu jedes Delikt vor die Sondergerichte bringen konnte. Im Interesse eines "kurzen Prozesses" wurden die Verteidigungs- und Berufungsrechte der Angeklagten in erheblichem Umfang beschnitten. Gegen die Urteile der Sondergerichte konnten die Angeklagten keine Rechtsmittel einlegen, die Urteile wurden sofort rechtskräftig. Durch das Instrument der Nichtigkeitsbeschwerde konnte jedoch das Reichsgericht unerwünscht "milde" und "ungerechte" Urteile auf Antrag der örtlichen Staatsanwaltschaft jederzeit aufheben und an die Vorinstanz zur neuerlichen Verhandlung zurückverweisen.14)4
Wichtigste Handlungsgrundlage der Sondergerichte war zunächst das Heimtückegesetz vom 20.12.1934.15) Die in den folgenden Jahren erlassenen Spezialnormen erweiterten jedoch den sondergerichtlichen Zuständigkeitsbereich, so daß diese Gerichte in zunehmendem Umfang auch Verfahren der "ordentlichen Justiz" an sich zogen und ab 1940 nicht mehr nur politische Straftaten im weitesten Sinne verhandelten, sondern auch weite Bereiche der mittleren und schweren Kriminalität (Diebstahl, Raub, Betrug, Mord) bearbeiteten.16) In den Jahren 1939/40 vollzog sich schließlich ein erkennbarer Wandel hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der Sondergerichte. Unter dem "Kriegstrafrecht" änderten sich nicht nur Straftatbestände und Strafzumessungspraxis der Gerichte, auch die Zusammensetzung der Angeklagten änderte sich. Die Zahl der Frauen stieg ebenso an wie die Zahl der ausländischen Angeklagten, die sich wegen Verstoß gegen Bestimmungen und Rechtsnormen verantworten mußten, die, wie etwa die Polenstrafrechtsverordnung, z.T. eigens für diesen Personenkreis geschaffen worden waren. Vor allem gegen die ausländischen Arbeiter und Arbeiterinnen in München wurden während des Krieges zahlreiche Sondergerichts- und Amtsgerichtsverfahren angestrengt, obwohl angesichts der kriegsbedingten Personalnot auch in der Justiz die Gerichtstätigkeit erheblich erschwert wurde.17)5
Erkennbar ist dabei die Neigung, ausländische Straftäter bevorzugt den weitaus strengeren Sondergerichten zu überstellen. Während der Kriegsjahre kam es in München zu nur 69 Amtsgerichtsverfahren gegen insgesamt 88 ausländische Angeklagte18), während die Zahl der ausländischen Angeklagten vor dem Sondergericht fast fünfmal so hoch war. Hier wird nicht nur die Verschärfung der "Strafrechtspflege" und der Bedeutungsschwund der "ordentlichen" Gerichte während der Kriegsjahre als Ganzes deutlich. Sichtbar wird auch der übersteigerte Sanktionierungsbedarf gegenüber ausländischen Straftätern und die strenge Auslegung des verfahrensrechtlichen Ermessenspielraumes durch die Justiz. Es besteht kein Zweifel, daß die "Ausländereigenschaft" der Beschuldigten sowohl bei der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit als auch bei der richterlichen Strafzumessung eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat. 6
Zu beachten ist freilich, daß bestimmten Ausländergruppen selbst diese "Rechtsfähigkeit" abgesprochen wurde und damit deren Lebensrisiken bedrohlich erhöht wurden. Gemäß einer Vereinbarung zwischen Himmler und Reichsjustizminister Thierack vom September 1942 sollten künftig Juden, Zigeuner, Polen und "Ostarbeiter" der Strafgewalt der SS unterworfen werden. Zur Begründung für diesen Schritt merkte Thierack an, daß "die Justiz nur in kleinem Umfang dazu beitragen kann, Angehörige dieses Volkstums auszurotten."19) Der Kompetenzkonflikt, der sich daraus zwischen der "ordentlichen" Gerichtsbarkeit und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) entspann, konnte letztlich Himmler für sich entscheiden20), wie auch auf der lokalen Ebene der Zugriff der Justizbehörden auf polnische und sowjetische Straftäter nur noch in einigen wenigen Einzelfällen möglich war. Dies führte in der Praxis zu absurden Strafkonstellationen. So wurde ein bei der Reichspost beschäftigter "Ostarbeiter", der auf Veranlassung eines Tschechen ein Päckchen mit Zigaretten von einem Laufband gestohlen hatte, bereits kurz nach seiner Festnahme in das KZ Dachau überstellt, während der Anstifter der Tat in relativer Sicherheit im Untersuchungsgefängnis auf sein Verfahren vor dem Sondergericht wartete.21)7
Die Übernahme von Polen und "Ostarbeitern" in die Polizeiexekutive spiegelt sich auch in den Münchner Sondergerichtsverfahren. Allein 62,4 % aller Angeklagten sind der Großgruppe der Westarbeiter (Franzosen, Belgier, Holländer) zuzurechnen, obwohl deren Anteil an der Münchner Ausländerpopulation insgesamt weniger als ein Viertel ausmachte. Dagegen traten Polen und "Ostarbeiter" - in München die beiden größten Ausländergruppen - in den Sondergerichtsverfahren so gut wie überhaupt nicht in Erscheinung. 8
Betrachtet man die Straftatbestände, deren sich ausländische Angeklagte vor dem Sondergericht zu verantworten hatten, fällt vor allem der hohe Anteil an Eigentums- und Kriegswirtschaftsdelikten auf. Schwer- und Gewaltkriminalität (Raub, Raubmord, Notzucht) fielen demgegenüber kaum ins Gewicht, wie überhaupt kriminelle Substrukturen in Form von organisierter und Bandenkriminalität in der Münchner Ausländerpopulation zwar nachweisbar, aber dennoch nur als Randphänomen einzuordnen sind. 9

Tabelle 1
Sondergericht München: Straftatbestände der ausländischen Angeklagten, 1940-194522)

10
1940 1941 1942 1943 1944 1945 insges. in %
Diebstahl - 18 34 65 109 21 247 56,9
Versuchter Diebstahl - - 1 1 2 - 4 0,9
(Sach-)Hehlerei - 1 1 9 18 10 39 9,0
Kriegswirtschaftsvergehen - - 2 6 22 7 37 8,5
Raub - - 1 - 4 - 5 1,2
Raubmord - - - 3 3 - 6 1,4
Plündern - - - 2 5 6 13 3,0
Fundunterschlagung - - - - 1 - 1 0,2
Betrug - - - - 5 1 6 1,4
Verb.Umgang m.Kgf. - 1 18 32 1 - 52 12,0
Körperverletzung 2 2 2 - 1 - 7 1,6
Heimtückerede 1 1 3 1 1 - 7 1,6
Notzucht 1 1 - - - - 2 0,5
Begünstigung - - - - 2 - 2 0,5
Nötigung - - - - 2 - 2 0,5
Urkundenfälschung - - - - 1 - 1 0,2
Versuchter Totschlag - - - - 1 - 1 0,2
Erregung öff. Ärgern. 1 - - - - 1 1 0,2
Wehrkraftzersetzung - - - 1 - - 1 0,2
insgesamt 4 25 62 120 178 45 434 100,0
Eine inhaltsanalytische Auswertung der Sondergerichtsakten ergibt einen bemerkenswerten Befund. Zum einen richteten sich die von Polizei und Justiz verfolgten Eigentumsdelikte der Ausländer nahezu ausschließlich nach außen, also gegen deutschen Besitz. Auffallend selten wurde kriminelles Verhalten in den Binnenmilieus der Münchner Ausländerpopulation selbst zum Gegenstand der Ermittlungs- und Strafakten. Bei Eigentums- und Gewaltkriminalität zwischen Ausländern war, wie es scheint, das Ermittlungs- und Strafinteresse der deutschen Behörden eher schwach ausgeprägt. Solange sich die kriminellen Aktivitäten der Ausländer auf die eigenen Kreise beschränkten und nach außen nicht in Erscheinung traten, unternahm die Polizei nur in wenigen Fällen etwas. Überhaupt interessierten sich die deutschen Behörden nur dann für die informellen Substrukturen, die spezifischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen, die sich als Abbild der Organisation des nationalsozialistischen Arbeitseinsatzes vor allem in den Lagern herausbildet hatten23), wenn dadurch der allgemeine "Rechtsfriede" und das sogenannte "gesunde Volksempfinden" gestört wurden und durch das delinquente Verhalten der Ausländer die öffentliche Ordnung unmittelbar bedroht schien. Solange sich Terror, Unterdrückung und Ausbeutung für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar in den abgeschlossenen Ausländermilieus abspielten, hielt sich der nationalsozialistische Polizeiapparat zurück. 11
Die Dominanz von Eigentumskriminalität - die sich bei genauerer Betrachtung der Einzelfälle als klare Form der Klein- und Beschaffungskriminalität erweist - stand in engem Zusammenhang mit der Lebenslage der ausländischen Arbeitskräfte. Je desolater die Versorgungssituation, d.h. je größer die Schwierigkeiten bei der Subsistenzsicherung, um so stärker die Neigung durch Aneignung fremden Besitzes die eigene Benachteiligung aufzuheben. Die überaus strengen Strafen für derartige Formen der "Hungerkriminalität" standen in keinem Verhältnis zur Schwere der Tat. Zu berücksichtigen ist freilich auch, daß das Leben in einer Situation permanenter gesellschaftlicher Ächtung, physischer Ausbeutung und dauerhafter Bedrohung nicht unbedingt zur Schärfung des Unrechtsbewußtseins und zur Akzeptanz rechtlicher Normen beigetragen hat. Darüber hinaus ist die Frage zu stellen, ob die Betroffenen ihr eigenes "Unrecht"-Handeln überhaupt als solches erkennen konnten und in den überaus umfangreichen nationalsozialistischen Normenkatalog einordnen konnten. Denn Informationsdefizite, Sprach- und Verständnisprobleme waren bei den ausländischen Arbeitskräften allgegenwärtig. Durch Nichtwissen - weil der Zugang zu wesentlichen, existentiell wichtigen Informationen verbaut war - verschärften sich die Lebensrisiken der Ausländer, was aber an der strafrechtlichen Behandlung und Würdigung ihres Verhaltens kaum etwas änderte. Schließlich hatte der Münchner Polizeipräsident noch im Dezember 1943 in einer mangelnden Informationspolitik gegenüber den Ausländern keineswegs ein Versäumnis erblickt. Vielmehr sei "eine Belehrung der Ausländer über die Bestimmungen der veröffentlichten Ausländerpolizeiverordnung (...) nicht vorgeschrieben. Jeder Ausländer hat sich über die von ihm einzuhaltenden Vorschriften selbst zu vergewissern. Dazu hat er bald nach seiner Ankunft Gelegenheit (Lagerführer, Dolmetscher, Kameraden, polizeiliche Erfassung, Französische Dienststelle zur Betreuung französischer Arbeiter in München)."24)12
Uninformiert blieben die Ausländer auch meist in den Gerichtsverhandlungen, da ihnen oft kein Dolmetscher zur Verfügung stand. In die richterliche Urteilsfindung und Strafzumessung flossen Erfahrungs- und Informationsdefizite ebenso wenig ein wie die persönlichen Lebensumstände des Angeklagten. Dagegen spielte die Ausländereigenschaft des Angeklagten in den meisten Gerichtsverhandlungen als verschärfendes Strafmoment eine entscheidende Rolle. Nur äußerst selten wurden strafmildernde Gründe in Rechnung gestellt. So bei einem in Paris aufgewachsenen, des Diebstahl beschuldigten Ungarn, dem die Herkunft aus einer Stadt zugute gehalten wurde, "in der die Begriffe Recht und Ordnung nicht so scharf ausgeprägt sind wie in Deutschland".25) Bei zwei Tschechen, die sich mit einem Landsmann geprügelt hatten, wurde vom Sondergericht im Oktober 1940 strafmildernd die Angehörigkeit zum "tschechischen Volkskörper" gewürdigt, "bei dem Raufhändel und Messerstechereien als nicht außergewöhnliche und ernstzunehmende Straftaten gelten; sie selbst haben auch ihr Vergehen als nicht sehr schwerwiegend empfunden, die immerhin vorhandene Verschlagenheit ihrer Tat entspringt mehr ihrem slawischen Volkscharakter, als einer besonders persönlichen Bösartigkeit". Dennoch hielt das Gericht "nachdrückliche Strafen für notwendig, um auch den Landsleuten der Angeklagten klar zu machen, daß es keineswegs angängig ist, im Deutschen Reich etwa tschechische Zustände einzuführen".26)13
Dies waren, wie gesagt, Einzelfälle. Gewöhnlich wurde die Anwesenheit und Beschäftigung im "Reich" von den Richtern nicht als Zwangsmaßnahme, als fremdbestimmte Lebensplanung durch den NS-Staat gewertet, sondern als besondere Gnade Deutschlands, deren sich der Angeklagte unwürdig gezeigt hatte. Der Zynismus der Richter kannte bei dieser Art von Charakteranalyse und Rechtsfindung kaum Grenzen. In den meisten Urteilsbegründungen des Sondergerichts finden sich Formulierungen, die eine besondere Sorgfaltspflicht der ausländischen Zivilarbeiter gegenüber ihrem "Gastland" behaupteten. So notierte der Richter im Fall mehrerer französischer Zivilarbeiter, die sich des Einbruchsdiebstahls und verschiedener Schwarzmarktdelikte schuldig gemacht hatten: "Die Angeklagten sind Ausländer, die dankbar dafür hätten sein müssen, daß sie in Deutschland Arbeit und Brot gefunden haben. Statt dessen haben sie sich wochen- und monatelang von der Arbeit gedrückt, sich mit dunklen Geschäften befaßt und schließlich skrupellos den Rechtsfrieden unserer ohnehin bis zum äußersten belasteten Heimat gebrochen. Dafür müssen sie hart bestraft werden."27)14
Faktoren, die strafmildernd in die Überlegungen der Sondergerichte eingingen, gab es nur wenige. War der Angeklagte ohne Vorstrafen, hatte er ein Geständnis abgelegt, sich vor Gericht "anständig" aufgeführt und war noch relativ jung, konnte er mit Strafmilderung oder der Anrechnung der U-Haft auf die Gesamtstrafe rechnen. Hatte er aus Verzweiflung, Dummheit oder Unkenntnis gehandelt, war dies für die Strafzumessung meist irrelevant. 15

Tabelle 2
Sondergericht München: Strafmaß der ausländischen Angeklagten, 1940-1945

16
1940 1941 1942 1943 1944 1945 insgesamt
M F M F M F M F M F M F M F
Gefängnisstrafen
< 12 Monate - - 4 - 19 1 12 4 14 4 5 - 54 9 63
13-24 Monate - - 1 - 5 - 9 1 10 - 1 - 26 1 27
25-36 Monate - - - - - - - - 1 - - - 1 - 1
37-48 Monate - - - - 1 - - - - - 1 - 2 - 2
49-60 Monate - - - - - - 1 - 2 - - - 3 - 3
> 60 Monate - - - - - - - - 2 - - - 2 - 2
Zuchthausstrafen
< 12 Monate - - 1 1 2 - 4 - 7 - 1 - 15 1 16
13-24 Monate 1 - 4 1 10 - 23 3 27 1 6 - 71 5 76
25-36 Monate 1 - 6 - 5 1 12 - 28 5 5 1 57 7 64
37-48 Monate - - 2 - 2 - 12 1 13 1 7 - 36 2 38
49-60 Monate 1 - - - 1 - 2 - 19 - 4 - 27 - 27
> 60 Monate - - - - 3 - 8 - 12 - 1 - 24 - 24
Straflager 1 - 1 - 5 - 7 1 2 - - - 16 1 17
Todesstrafe - - 3 - 2 - 11 - 13 1 6 - 35 1 36
Verfahren. eingest. - - - - 1 - - - 5 - 2 1 8 1 9
Sich.- Verwahr. - - - - - - 1 - - - - - 1 - 1
Freispruch - - 1 - 3 1 6 1 8 2 3 1 21 5 26
insgesamt 4 - 23 2 59 3 109 11 164 14 42 3 401 33 434
Die Spruchtätigkeit des Münchner Sondergerichts war außerordentlich hart. Von allen Urteilen wurden nur 22,6 % als Gefängnisstrafen ausgesprochen. Dagegen wurden in über 60 % aller Fälle meist mehrjährige Zuchthaus- bzw. Straflagerstrafen verhängt. Lediglich 6 % aller Angeklagten wurden freigesprochen. Dagegen wurden 36 Todesurteile (8,3 %) ausgesprochen, von denen die meisten durch die "Fallschwertmaschine" im Gefängnis Stadelheim vollstreckt wurden. Die Angeklagten hatten kaum eine Möglichkeit, auf den Verlauf des Verfahrens Einfluß zu nehmen. Ihre Situation vor Gericht war vor allem gekennzeichnet durch ihre Ahnungs- und Hilflosigkeit. Die meisten Betroffenen waren sich, wie es scheint, der Ernsthaftigkeit ihrer Lage nicht bewußt. Der Verhandlungen wurden meist im Schnellverfahren durchgezogen; Beweisaufnahme und umfangreiche Zeugenbefragungen waren den Sondergerichten ohnehin nicht vorgeschrieben und auch eine eingehende strafrechtliche Würdigung des Angeklagten, seiner persönlichen Lebensumstände, der Tat und ihrer Hintergründe unterblieb regelmäßig. Da in fast allen Fällen ein Dolmetscher die Stellungnahmen der Justizvertreter und des Angeklagten übersetzen mußte, verkürzte sich die an Sachfragen orientierte reine Verhandlungsdauer zusätzlich ganz erheblich. Das Münchner Sondergericht ist von daher vor allem als Schnellgericht zu bezeichnen. 17
Nicht unproblematisch war auch die Frage der Übersetzungen. Bei den Dolmetschern handelte es sich nur selten um Fachdolmetscher, die mit der juristischen Materie vertraut waren, sondern oft um Volksdeutsche oder Studenten. Daß hier regelmäßig Vermittlungs- und Übersetzungsfehler vorkamen, liegt auf der Hand. Soweit die Angeklagten dies überhaupt erkennen konnten, war es ihnen kaum möglich, entsprechende Korrekturen zu fordern. Nur in sehr wenigen Fällen machten ausländische Angeklagte Übersetzungsfehler zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens.28)18
Auffällig ist, daß nur rund 18,9 % aller Angeklagten den Beistand eines Rechtsanwaltes suchten. Immerhin war den Angeklagten vor dem Sondergericht die Wahl eines Verteidigers freigestellt - eine Möglichkeit von der immerhin die weit überwiegende Mehrheit der deutschen Angeklagten Gebrauch machte. Nur bei ausländischen Angeklagten, die eines Kapitalverbrechens beschuldigt wurden, für das die Todesstrafe zwingend vorgeschrieben war, wurde durch das Gericht ein Pflichtverteidiger bestellt.29) Dies war bei 12,7 % aller Angeklagten der Fall. Mehr als zwei Drittel aller ausländischen Angeklagten (68,4 %) verzichteten - wohl aus Unkenntnis oder auf Grund fehlender Mittel - auf die Beiziehung eines Verteidigers. Betrachtet man die soziale Stellung derjenigen, die sich einen Rechtsbeistand nahmen, so fällt auf, daß es sich dabei vor allem Angeklagte aus mittleren und gehobenen Sozialschichten handelte (Facharbeiter, Absolventen einer Mittelschule oder eines Gymnasiums, Studenten und Akademiker). Dagegen sind die meisten der Beschuldigten ohne Rechtsbeistand der Sozialgruppe ohne Berufsausbildung oder mit niedrigem Schulabschluß zuzurechnen. Diese Betrachtung ist insofern interessant, da sie Rückschlüsse auf die Bewältigungsstrategien der Ausländer in Krisensituationen zuläßt und Zusammenhänge mit der Sozialstruktur aufzeigt. Die Entscheidung für einen Wahlverteidiger war vor allem deshalb von Bedeutung, weil dieser in nahezu zwei Drittel aller Fälle in der Lage war, daß Strafmaß nicht unerheblich zu beeinflussen, zumindest aber häufig ein geringeres Strafmaß, als von der Staatsanwaltschaft beantragt, erreichen konnte. Dagegen entsprach das Gericht in rund 60 % aller Fälle ohne Verteidiger dem meist sehr strengen Antrag der Staatsanwaltschaft. Hier wird deutlich, daß ein gehobenes Bildungsniveau auch soziale Kompetenz begründete, die wiederum die Bewältigung von Krisensituationen erleichtern konnte und für die Selbstbehauptung in speziellen Problemfeldern des Ausländereinsatzes von entscheidender Bedeutung war. 19

3. Die Stapoleitstelle München

Die Akten der Münchner Stapoleitstelle für die Kriegsjahre sind zum größten Teil verloren. Die Rekonstruktion des staatspolizeilichen Überwachungs- und Maßnahmenapparates und seiner Bedeutung für den Arbeitseinsatz ist daher nur ansatzweise möglich. Trotz der Überlieferungslücken kann aber deutlich gemacht werden, daß die örtliche Stapoleitstelle im Rahmen des Ausländereinsatzes eine Schlüsselstellung innehatte und mit Kontrolle und Strafe außerordentlich tief in die Lebensbedingungen der Münchner Ausländerpopulation eingriff.30)20
Seit Herbst 1933 residierte die Bayerische Politische Polizei (die spätere Stapoleitstelle München) im Wittelsbacher Palais an der Brienner Straße.31) In den Parkanlagen des Anwesens wurde 1934 zusätzlich ein Haftraumgebäude errichtet, das durch einen unterirdischen Gang mit dem Hauptgebäude verbunden war. Dieser Zellentrakt umfaßte 22 Zellen für insgesamt 52 Häftlinge und war, wie sich bald herausstellen sollte, erheblich unterdimensioniert. Bis weit gegen Kriegsende umfaßte der Zuständigkeitsbereich der Münchner Stapoleitstelle die Regierungbezirke Oberbayern und Schwaben. Erst 1944 wurde die Außenstelle Augsburg eigenständig und aus dem Amtsbezirk der Münchner Stapoleitstelle ausgegliedert.32) Im April 1944 wurde die Münchner Gestapo-Zentrale durch einen Luftangriff schwer beschädigt. Einige Gestapo-Referate - darunter auch das für den Arbeitseinsatz zuständige Referat II E - wurden in Räume der Polizeikaserne an der Dietlindenstraße ("Hansaheime") verlegt. Nachdem auch hier Bombenschäden einen geordneten Dienstbetrieb behinderten, kam das Referat II E im August 1944 in die Theresienstraße 4.33)21
Es ist als sicher anzunehmen, daß in München der von anderen Stapoleitstellen bekannte Behördenaufbau und Geschäftsverteilungsplan in gleicher Weise galt.34) Zuständig für den allgemeinen Arbeitseinsatz war 1943 innerhalb der Abteilung II das Referat II E, das sich in mehrere Sachgebiete aufgliederte, darunter die in diesem Zusammenhang wichtigen Unterabteilungen II E (A) - Ausländer, II E (R) - Ostarbeiter, II E (P) - Polen und Protektoratsangehörige sowie II E (K) - Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen 22
Die Aufgabengebiete dieser Unterabteilungen sind bekannt; über die Personalstärke besitzen wir jedoch keine konkreten Anhaltspunkte. Von dem Sachgebiet "Ostarbeiter" (II E (R)) wissen wir lediglich, daß hier 10 bis 12 Mitarbeiter tätig waren. Da darunter auch Schreibkräfte und Dolmetscher fielen, wird man einen Kernbestand von vielleicht sechs Gestapo-Beamten ansetzen können. Diese hatten das gesamte Gebiet der "Ostarbeiter"-Kriminalität abzudecken. Vor dem Hintergrund einer Großgruppe von rund 39.000 "Ostarbeitern" im Amtsbezirk der Stapoleitstelle München Ende 1943 war dies eine geradezu lächerlich kleine Personaldecke, die einmal mehr zeigt, daß die Gestapo tatsächlich personell so schwach besetzt war, daß sie mit einer flächendeckenden Realisierung ihrer Überwachungs-, Kontroll- und Strafaufgaben vollkommen überfordert war.35) Vermutlich war es aber gerade diese personelle Unterdeckung, die dem Abschreckungsprinzip innerhalb der Gestapo-Tätigkeit besondere Bedeutung zuwies. Je schwieriger die Durchführung staatspolizeilicher Aufgaben, umso stärker wurde der Präventivcharakter staatspolizeilicher Maßnahmen betont und umso brutaler gestaltete sich das Auftreten der NS-Schergen im Einzelfall. Die personellen Defizite wurden durch Terror kompensiert. 23
Leiter der Münchner Gestapo wurde im Frühjahr 1942 der damals 34 Jahre alte Jurist Oswald Schäfer.36) Seiner Dienststellung und seiner persönlichen Natur nach war Schäfer ein geradezu klassischer "Schreibtischtäter", ein freundlicher und gewissenhafter Spitzenbeamter, der schnell Karriere gemacht hatte und der den Vollzug unangenehmer, schmutziger Aufgaben vorzugsweise an nachgeordnete Sachgebietsleiter delegierte. Von Augenzeugen wurde Schäfer als korrekt und höflich beschrieben; mit den Häftlingen, die im Zellentrakt untergebracht waren und die hier unter den Mißhandlungen und Brutalitäten von gefühllosen Schlägern litten, hatte er keinen Kontakt.37)24
Leiter des Referats II E war der promovierte Geologe Richard Lebküchner38) Im Gegensatz zu Schäfer war Lebküchner weder bei seinen Vorgesetzten noch bei seinen Untergebenen besonders beliebt. Von Gestapo-Mitarbeitern wurde Lebküchner als "Streber" bezeichnet. Das Verhältnis zwischen dem ehrgeizigen Lebküchner und dem jüngeren, gleichwohl beruflich erfolgreicheren und menschlich beliebteren Schäfer war offensichtlich gespannt. Ganz besondere Abneigungen gegen Lebküchner empfanden die Häftlinge in der Briennerstraße, bei denen Lebküchner als "der Tyrann der Gestapo München" galt39) und die ihn mit dem bezeichnenden Beinamen "Münchner Nero" belegt hatten. Lebküchner, der allgemein als außergewöhnlich streng und grausam galt, soll die als "Kurzbehandlung" bezeichnete Prügelstrafe eingeführt haben und leitete zahlreiche Exekutionen von Polen und "Ostarbeitern". 25
Eine der zentralen Aufgaben der Münchner Gestapo war die "Bekämpfung von Disziplinwidrigkeiten" ausländischer Arbeitskräfte zur "Erhaltung der Staatssicherheit". Ihr Hauptaugenmerk richtete die Behörde dabei auf die sogenannte "Arbeitssabotage", worunter insbesondere Streikaktionen, die Verübung von Sabotageakten sowie das weite Feld der Arbeitsvertragsbrüche (Arbeitsverweigerung, pflichtwidriges Fernbleiben von der Arbeit, Flucht usw.) gezählt wurden.40) Lag in leichteren Fällen und bei geringfügigen Verstößen gegen den Betriebsfrieden etc. die Disziplinargewalt beim "Betriebsführer", dem zur Gewährleistung der Arbeitsdisziplin und zur Maßregelung "widerspenstiger Gefolgschaftsmitglieder" ein umfangreicher Katalog von Sanktionen und Strafen zur Verfügung stand, so mußte in schweren Fällen grundsätzlich die Gestapo eingeschaltet werden. Arbeitsvertragsbrüche wurden über die Arbeitsämter verfolgt, die von sich aus und von Fall zu Fall entschieden, ob staatspolizeiliche Maßnahmen einzuleiten waren. Ein Eingreifen der Gestapo war jedoch zwingend vorgeschrieben "1. bei allen Kapitalverstößen gegen Arbeitsdisziplin und -frieden, 2. bei Gefahr im Verzuge, 3. in allen Fällen, in denen der Arbeitssabotage politische Motive zu Grunde liegen und 4. in allen Fällen des Arbeitsvertragsbruchs auf Antrag des Reichstreuhänders der Arbeit (...) auch wenn der Tat politische Motive nicht zugrunde liegen". In diesen Fällen lag es im Kompetenzbereich der Gestapo, den Strafrahmen der anzuwendenden "staatspolizeilichen Maßnahmen" festzulegen. Diese wurden je nach "Schwere des Falles" abgestuft in "1. Unterschriftliche Verwarnung unter gleichzeitiger Androhung schärfster Maßnahmen im Wiederholungsfalle, 2. Polizeihaft auf die Dauer bis zu 21 Tagen, 3. Polizeihaft und Einweisung in das Arbeitserziehungslager bis zu 56 Tagen, 4. Schutzhaft und Einweisung in ein Konzentrationslager auf längere Zeit".41)26
Im Hinblick auf ausländische Delinquenten wurden darüber hinaus zusätzliche Gruppendifferenzierungen wirksam. 1942 erfolgte durch das RSHA die Einteilung der ausländischen Arbeitskräfte in fünf Gruppen. Die damit verbundenen unterschiedlichen Behandlungsvorschriften kamen auch in der Schärfe der jeweils anzuwendenden "staatspolizeilichen Maßnahmen" zum Ausdruck. Die Einteilung der Ausländer erfolgte - wenig überzeugend - nach sachlich unvereinbaren Kriterien. Bei den Italienern dominierten außenpolitische Rücksichten, bei Polen dagegen rassenbiologische Diffamierungen. Bis zum Badoglio-Verrat bildeten die italienischen Zivilarbeiter - obwohl von der NS-Definition her als "fremdvölkisch" einzustufen - auch im Einflußbereich der Gestapo eine besonders privilegierte Großgruppe, da sie lediglich 2 Tage in Polizeihaft behalten und nicht in Arbeitserziehungslager eingewiesen werden durften, sondern schnellstmöglich den italienischen Behörden zu übergeben waren.42) An zweiter Stelle der Ausländerhierarchie standen die Arbeitskräfte "germanischer Abstammung", also Dänen, Skandinavier, Holländer und Flamen, die den Deutschen - da "rassemäßig gleichartig" - weitgehend gleichgestellt waren. Als Arbeitskräfte "fremdvölkischer Abstammung" galten vor allem Franzosen und Belgier (Wallonen). Eine eigene Kategorie bildeten schließlich die Staatsangehörigen befreundeter und neutraler Staaten sowie die sogenannten "Protektoratsangehörigen", während polnische Arbeitskräfte - und später auch die "Ostarbeiter" - auf Grund rassischer Diskriminierung am unteren Ende der Ausländerhierarchie standen. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen war bei Arbeitsvertragsbrüchen durch Polen sofort die Gestapo einzuschalten, die "entsprechende Maßnahmen" einleitete.43) "Bei der Anwendung staatspolizeilicher Maßnahmen gegen arbeitsunwillige und widersetzliche Polen (...)" waren, so die Stapoleitstelle München, "die Maßnahmen sofort zu treffen und so zu gestalten, daß sie eine rasche und nachhaltige Wirkung verbürgen. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, daß die Polen entsprechend ihrer primitiven Mentalität und niedrigen Kulturstufe vielfach nur auf Maßnahmen reagieren, die diesem Tiefstand entsprechen. In besonders krassen Fällen von Arbeitssabotage ist gegen die Betreffenden (...) Schutzhaft und Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen".44)27
Ähnlich scharf wurden auch die Strafbestimmungen für Menschen aus den besetzten sowjetischen Gebieten definiert, für die nach Anlaufen des "Ostarbeiter"-Einsatzes bei jeder Stapoleitstelle ein eigenes "Russen-Referat" eingerichtet wurde. In der Regel, so die Anweisung des RSHA vom Februar 1942, sei gegen sowjetrussische Straftäter "nur mit harten Maßnahmen, d.h. Einweisung in ein Konzentrationslager oder Sonderbehandlung" vorzugehen. Grundsätzlich sollte auch der Geschlechtsverkehr mit deutschen Frauen mit der Todesstrafe, der Geschlechtsverkehr mit anderen Ausländern durch Einweisung in ein Konzentrationslager bestraft werden.45)28
Dagegen unterstanden Kriegsgefangene "in jeder Hinsicht", also selbst bei originären Stapo-Delikten wie Arbeitssabotage und verbotenem Geschlechtsverkehr, dem zuständigen Stalag und waren damit dem Zugriff der Gestapo weitgehend entzogen.46) Eine Ausnahme bildeten hier wiederum die sowjetischen Kriegsgefangenen, die auf der Grundlage des von Heydrich als Chef des RSHA herausgegebenen berüchtigten "Einsatzbefehls Nr.8" vom 17.Juli 1941 in großem Umfang durch Kommandos der Sipo und des SD "ausgesondert" und der "Sonderbehandlung" zugeführt wurden.47) Ziel dieser Maßnahme war die "Säuberung der Gefangenenlager, in denen Sowjetrussen untergebracht sind". Die Durchführung der Aktion erfolgte mit "vernichtender Effizienz" (Christian Streit). Allein im Zuständigkeitsbereich der Stapoleitstelle München wurden zwischen September und November 1941 einige tausend Kriegsgefangene aus dem Stalag Moosburg überprüft und etwa 500 Rotarmisten auf dem Schießplatz des Konzentrationslagers Dachau ermordet.48)29
Diese bedrückenden Vorgänge verweisen unmißverständlich auf den gewissenlosen Verfolgungseifer und unerbittlichen Vernichtungsdrang der Münchner Gestapo-Zentrale - ein historisches Faktum, das in Anbetracht der quellenmäßig nur schwer zu dokumentierenden Geschäftstätigkeit der Münchner Dienststelle und der überaus nachlässigen justiziellen Aufarbeitung auch der Münchner Gestapoverbrechen allzuleicht aus dem Blickfeld gerät. An der Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener war die Münchner Gestapo aktiv beteiligt, da das Einsatzkommando, das in Moosburg die Aussonderung vornahm, direkt von der Stapoleitstelle abgeordnet worden war. Die mit äußerster Brutalität vollzogenen Massenerschießungen wurden hingegen von SS-Mannschaften des Lagers Dachau durchgeführt.49)30
Zu den wichtigsten Tätigkeiten des Gestapo-Abteilungsleiters Lebküchner gehörten im Rahmen des Arbeitseinsatzes die "Bekämpfung von Disziplinwidrigkeiten" ausländischer Arbeitskräfte und die Verfolgung krimineller Delikte von Polen und "Ostarbeitern". Deren Bestrafung war nach der bereits erwähnten denkwürdigen Übereinkunft zwischen Himmler und Thierack aus der ordentlichen Strafrechtspflege herausgenommen und mit Wirkung zum 1. Januar 1943 der Polizeiexekutive übertragen worden.50) Bei leichteren Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin war es Aufgabe des Referats II E in eigener Zuständigkeit die entsprechenden vom RSHA dafür vorgesehenen Strafmaßnahmen anzuordnen.51) Meist handelte es sich dabei um vorübergehende Polizeihaft im Gestapogefängnis (bis zu 21 Tagen) oder um die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager (bis zu 8 Wochen). Zu diesem Zweck wurden in München zwei AEL eingerichtet: Im August 1941 ein Männer-AEL in München-Moosach und im Sommer 1942 ein Frauen-AEL in Berg am Laim.52) Die dort praktizierten "Erziehungsmaßnahmen" sahen folgendermaßen aus: Täglich zehn bis zwölf Stunden "strenge Arbeit" (Außenarbeiten, Rodungen, Erdarbeiten, Bahnbau, besondere Innenarbeiten usw.) um den Arrestanten "ihr disziplinwidriges Verhalten eindringlich vor Augen zu führen, sie zu geregelter Arbeit zu erziehen und anderen dadurch ein abschreckendes und warnendes Beispiel zu geben".53) Da die räumlichen Kapazitäten der Polizeigefängnisse und Arbeitserziehungslager bald nicht mehr ausreichten, wurde von der Gestapo um die Jahreswende 1943/44 im Konzentrationslager Dachau zusätzlich eine eigene, separate Polizeihaftabteilung eingerichtet, in die vor allem die zahlreichen "Ostarbeiter", die man im Verlauf von Razzien und größeren Polizeiaktionen festgenommen hatte, eingeliefert wurden.54)31
Wenn der Beschuldigte dringend an seinem Arbeitsplatz benötigt wurde und eine längere Polizei- oder AEL-Haft deswegen nicht angebracht war, wurde die sogenannte "Kurzbehandlung" angewandt; dabei handelte es sich, so Lebküchner später, um "eine angemessene und beschränkte Zahl von Stockhieben".55) Diese züchtigende Form der Bestrafung bei kleineren Verfehlungen gegen die Arbeitsdisziplin war in München, wie es scheint, eine gängige Praxis, die auf die Initiative Lebküchners zurückging. Dieser war auch später zu einer kritischen Selbstreflexion seines Handelns unfähig; an der Rechtmäßigkeit seines Handelns hatte er keinerlei Zweifel: "Über die Rechtmäßigkeit dieser Behandlung habe ich mir wenig Gedanken gemacht. Ein Grund dafür waren die Umstände der damaligen Zeit. Es war mir bekannt, daß auch andere Völker zum Teil heute noch Prügelstrafen anwenden, z.B. die Engländer, Amerikaner und verschiedene Südost-Staaten. Zu bedenken ist auch, daß die ausländischen Arbeiter, die mit uns in Berührung kamen, durchwegs den minderwertigsten Teil der damals in Deutschland eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte darstellte, auf die eine andere Strafe keinen Eindruck gemacht hätte. (...) Die Höchstzahl der Schläge war 25 und sollte nur von Mitgefangenen verabreicht werden. (...) Die Schläge erfolgten auf das bekleidete Gesäß."56)32
Opfer der Prügelstrafe, die im Keller des Wittelsbacher Palais mit einem Ochsenziemer vollzogen wurde, waren ausschließlich männliche "Ostarbeiter" und Polen. An Frauen durfte die Prügelstrafe ebensowenig vollzogen werden, wie an Westarbeitern oder Tschechen.57) Geprügelt wurde in drei Härte-Stufen: Stufe I bis 25 Stockhiebe, Stufe II bis 50 Stockhiebe und Stufe III bis 75 Stockhiebe.58) Lebküchner bestritt später, "daß bei diesen Prügelstrafen Ausschreitungen vorgekommen sind. Die Leute, die geschlagen worden sind, haben sich natürlich gewehrt, wenn sie Prügel bekamen. Aus diesem Grund wurde auch (...) ein Bock angefertigt, an dem die Leute festgebunden wurden. Auf diese Weise wurde auch ermöglicht, daß keine Ausschreitungen vorkommen konnten."59)33
Offenbar gab es zum Vollzug der Prügelstrafe im Wittelsbacher Palais ein Schlägerkommando, das sich vor allem aus osteuropäischen Dolmetschern zusammensetzte. Dem besonders berüchtigten Schläger Josef L. hatten die Häftlinge den Spitznamen "Henker" gegeben. Ein ehemaliger Häftling gab später zu Protokoll: "Vom Juli 1942 bis Kriegsende war ich mit Unterbrechung im Wittelsbacher Palais als Häftling untergebracht und wurde dort als Schuhmacher verwendet. (...) Als Schuhmacher habe ich auch die bekannten Peitschen aus Leder reparieren müssen. (...) Auf alle Fälle wurden die Peitschen immer wieder von anderen Personen gebracht. Bekannt war mir aber, daß die Peitschen zum Schlagen der Menschen benützt wurden. Zum Teil sah man auch noch Blut an den Lederresten. Die Enden der Peitschen waren immer vollständig ausgefranst. Ich habe die Peitschen wieder genäht."60)34
In zwei Erlassen vom 23. Oktober und 5. November 1942 hatte das RSHA die Stapoleitstellen von der Übertragung der Strafverfolgung bei Polen und "Ostarbeitern" in die Zuständigkeit der Polizeiexekutive unterrichtet und darauf aufmerksam gemacht, daß "Polen und Angehörige der Ostvölker" als "fremdvölkische und rassisch minderwertige Menschen (...) aus staatspolizeilichen Erwägungen völlig anders als deutsche Menschen zu behandeln sind". Im Vordergrund stünden dabei nicht "justizmäßige Sühne" sondern polizeiliche Gefahrenabwehr".61) Ein Pole oder Sowjetrusse, so das RSHA im Juni 1943, stellte allein auf Grund seines Daseins eine Gefahr für die deutsche Volksordnung dar. Daher käme es nicht so sehr darauf an, "für eine von ihm begangene Straftat eine angemessene Sühne zu finden als darauf, ihn an einer weiteren Gefährdung der deutschen Volksordnung zu hindern".62) In der Regel bedeutete dies "Schutzhaft", im schlimmsten Fall "Sonderbehandlung". In München war es Lebküchners Aufgabe, dem RSHA über den Fall zu berichten, eine Strafe vorzuschlagen und diesen Antrag entsprechend zu begründen. Die Letztentscheidung über KZ-Einweisung oder Exekution lag beim RSHA, das kurze Zeit später - meist in Einklang mit dem Vorschlag der Stapoleitstelle - Weisung über die Aburteilung des Delinquenten gab. Lebküchner veranlaßte daraufhin das weitere; Hinrichtungen leitete er meist selbst. Nach den Ermittlungen der bundesdeutschen Justizbehörden wurden im Amtsbezirk der Stapoleitstelle München insgesamt mindestens 36 "Ostarbeiter" und Polen im Rahmen der "Sonderbehandlung" ermordet. Die ersten Hinrichtungen an polnischen Landarbeitern wurden bereits im Jahr 1940 vollzogen.63) Meist fanden diese Exekutionen in der Nähe des Tatorts oder des Wohnlagers des Todeskandidaten statt. Die Vollstreckung erfolgte stets durch den Strang. Zur Abschreckung wurden während oder nach der Hinrichtung die Landsleute des Gestapo-Opfers zum Richtplatz geführt wo ihnen eröffnet wurde, daß auch sie mit gleicher Strafen zu rechnen hätten, wenn sie solche oder vergleichbare Straftaten begehen würden.64) Nach einer Anweisung des RSHA sollten die Exekutionen von Mithäftlingen vollstreckt werden. Diese sollten dafür mit einem Geldbetrag von fünf Reichsmark oder mit Zigaretten belohnt werden.65) Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen wurden zahlreiche Hinrichtungen von einem Dachauer Häftlingskommando durchgeführt.66)35

4. Schlußbetrachtung

Das Sondergericht München führte während des Krieges rund 4.750 Verfahren gegen etwa 6.300 Angeklagte durch. Darunter befanden sich 1.090 ausländische Angeklagte. Allein durch vom Sondergericht verhängte Freiheitsstrafen und Todesurteile wurden der Kriegswirtschaft im Oberlandesgerichtsbezirk etwa 5.600 Angeklagte als potentielle Arbeitskräfte vorübergehend oder dauerhaft entzogen.67) Auch durch Amts- und Landgerichte wurden Gefängnisse und Zuchthäuser so stark gefüllt wie noch nie zuvor. Aus der Sicht nationalsozialistischer Ordnungspolitiker und Sicherheitsfanatiker wirkten Justiz und Polizei als Korrektiv, dienten gerichtliche Urteile und Strafmaßnahmen der Polizeiexekutive angesichts einer bedrohlichen Massenpräsenz ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen der "polizeilichen Gefahrenabwehr". Ganz abgesehen von dem vielfach erschütternden individuellen Leid, das durch das NS-Unrechtssystem über die Betroffenen gebracht wurde, wirkte die rigorose Strafrechtspraxis der Gerichte auf den Ausländereinsatz kontraproduktiv, denn sie schmälerte die Grundgesamtheit derjenigen Arbeitskräfte, auf die Arbeitsverwaltung und Unternehmen zugreifen konnten. Die Strafrechtspraxis des Nationalsozialismus und die disziplinarischen Maßnahmen der Polizeiexekutive bildeten zwar kein prinzipielles Gefahrenmoment für Rüstungsproduktion und Arbeitseinsatz, tendenziell beeinträchtigten sie aber angesichts einer äußerst angespannten Arbeitskräftesituation die kriegswirtschaftlichen Zielvorstellungen. Kontraproduktiv wirkte die NS-Strafjustiz auch deshalb, weil die weit überwiegende Mehrheit der Normenverstöße und Straftaten ausländischer "Täter" nicht aus einem eindeutig kriminellen Antrieb, sondern aus einer existentiellen Notlage heraus zur unmittelbaren Subsistenzsicherung erfolgte. Eine wirkungsvolle Kriminalitätsbekämpfung wäre daher durch eine Verbesserung der Lebenslage der ausländischen Männer und Frauen möglich und weit erfolgreicher gewesen, als durch eine unerbittliche Polizeiexekutive und Strafjustiz.. 36

Die polizeilichen Ermittlungsunterlagen zeigen, daß sich die Polizeidienststellen bei ihrer Arbeit vornehmlich auf eigene Erkenntnisse oder auf Anzeigen bzw. Denunziationen aus dem Wohn- und Arbeitsumfeld der Beschuldigten stützen mußten, daß dagegen Anzeigen von Arbeitgebern eher selten waren und gewöhnlich nur bei besonders schwerwiegenden Eigentumsdelikten vorgebracht wurden. Die Angst, wertvolle Arbeitskräfte durch polizeiliche bzw. gerichtliche Maßnahmen zu verlieren, war zu groß. Anklagebehörden und Gerichte waren zudem nur selten bereit, den Firmen entgegenzukommen und für unentbehrliche Arbeitskräfte eine bedingte Strafaussetzung anzuordnen. Erst als gegen Kriegsende auch die Rüstungs- und Wehrmachtsdienststellen befristete Strafaussetzungen befürworteten, kamen die Gerichte in Einzelfällen den Unternehmen entgegen. Und auch die Staatsanwaltschaften konnten den Zielkonflikt zwischen einer rigorosen Strafverfolgung und den beängstigenden Entwicklungen des Arbeitseinsatzes nicht länger ignorieren. Im Mai 1943 notierte der Münchner Generalstaatsanwalt: "Ein zeitbedingt unerfreuliches Kapitel ist nach wie vor der Strafvollzug. Es wird immer schwieriger, die Erfordernisse eines entschiedenen Strafvollzugs mit jenen der Kriegswirtschaft in einen befriedigenden Einklang zu bringen."68) Vor diesem Hintergrund gewinnen Gerichtswesen und Polizeibehörden eine Bedeutung, die über eine rein rechtsgeschichtliche Betrachtung hinausweist. Polizei und Justiz wurden zu einer mittelbar relevanten kriegswirtschaftlichen Einflußgröße, deren Wirkkraft nicht zu unterschätzen ist.69)37


Fußnoten:

1 Robert Gellately, The Gestapo and German Society: Enforcing Racial Policy 1933-1945, Oxford University Press 1990; deutsch: Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933-1945, Paderborn/München/Wien/Zürich 1993; Gerhard Paul / Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Die Gestapo. Mythos und Realität, Darmstadt 1995.

2 So z.B. Hinrich Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, München 1981, S.94-108; Diemut Majer, Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems. Führerprinzip, Sonderrecht, Einheitspartei, Stuttgart 1987, S.185ff..

3 Vgl. etwa Hubert Schorn, Der Richter im Dritten Reich, Frankfurt/Main 1959, S.110; Bernd Schimmler, Recht ohne Gerechtigkeit. Zur Tätigkeit der Berliner Sondergerichte im Nationalsozialismus, Berlin, S.7; Peter Hüttenberger, Heimtückefälle vor dem Sondergericht München 1933-1939, in: Martin Broszat / Elke Fröhlich / Anton Grossmann (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd.IV, München 1981, S.435-526; Peter Hüttenberger, Heimtückefälle vor dem Sondergericht München 1933-1939, in: Martin Broszat / Elke Fröhlich / Anton Grossmann (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd.IV, München 1981, S.435-526.

4 So Klaus Bästlein, Als Recht zu Unrecht wurde. Zur Entwicklung der Strafjustiz im Nationalsozialismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 13-14, 24.März 1989, S.3.

5 Dazu bisher: Werner Johe, Die gleichgeschaltete Justiz. Organisation des Rechtsweges und Politisierung der Rechtssprechung, dargestellt am Beispiel des Oberlandesgerichtsbezirks Hamburg, Frankfurt/Main 1967; Otto Gritschneder, Unbekannte Akten aus der NS-Zeit. Priester vor dem Sondergericht München und die bayerische Justiz, in: Oberbayerisches Archiv, 107 (1982); Hans Schütz, Justiz im "Dritten Reich". Dokumentation aus dem Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg, Bamberg 1984; Hinrich Rüping, Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus. Literatur zum Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollzugsrecht mit ihren Grundlagen und einem Anhang: Verzeichnis der veröffentlichten Entscheidungen der Sondergerichte, München 1986; Rainer Schröder, "... aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!" Die Urteile des OLG Celle aus dem Dritten Reich, Baden-Baden 1988; Klaus Bästlein, Die Akten des ehemaligen Sondergerichts Kiel als zeitgeschichtliche Quelle, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, (1988) 113, S.157-211; Ingo Müller, Nationalsozialistische Sondergerichte. Ihre Stellung im System des deutschen Strafverfahrens, in: Martin Bennhold (Hg.), Recht und Nationalsozialismus - Beiträge zur historischen Kontinuität, Köln 1989, S.17-34; Anna Blumenberg-Ebel, Sondergerichtsbarkeit und "politischer Katholizismus" im Dritten Reich, Mainz 1990; Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hg.), Strafjustiz im totalen Krieg. Aus den Akten des Sondergerichts Bremen 1940 bis 1945, Band 1. Bearbeitet von Hans Wrobel unter Mitarbeit von Ilka Renken, Bremen 1991.

6 Ausführlich zu Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz Andreas Heusler, Ausländereinsatz. Zwangsarbeit für die Münchner Kriegswirtschaft 1939-1945, München 1996.

7 Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politk und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin / Bonn 1985.

8 RGBl. 1933 I., S.135; vgl. Hüttenberger, Heimtückefälle, S.436f.

9 Klaus Bästlein, Als Recht zu Unrecht wurde, S.17.

10 Freisler am 24.10.1939, Bundesarchiv (im folgenden BA) R 22/4158.

11 Erinnert sei hier vor allem an die Richterbriefe des Reichsjustizministeriums, die seit 1942 der Rechtsprechung konkrete Verfahrensanleitungen an die Hand gaben; dazu Heinz Boberach (Hrsg.), Richterbriefe. Dokumente zur Beeinflussung der deutschen Rechtssprechung 1942-1944, Boppard 1975.

12 Vgl. dazu den instruktiven Überblick bei Rüping, Grundriß, S.94-108.

13 RGBl. 1938 I., S.1632. § 14.

14 Vgl. Ingo Müller, Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, München 1989, S.135ff.

15 RGBl. 1934 I., S.1269.

16Bästlein, Als Recht zu Unrecht wurde, S.7.

17 Vgl. dazu die stereotypen Klagen in den Berichten des Münchner OLG-Präsidenten und des Generalstaatsanwaltes an das Reichsjustizministerium, StAM OLG 133.

18 Nach den Akten des Amtsgerichts München, StAM Amtsgericht München. Für das Landgericht München sind keine Verfahren gegen ausländische Angeklagte nachweisbar.

19 Schreiben von Reichsjustizminister Thierack an Bormann vom 13.10.1942, zitiert nach: Herbert, Fremdarbeiter, S.244f.; vgl. auch Institut für Zeitgeschichte, Archiv (im folgenden IfZ-Archiv) Dok. PS 682.

20 Dazu Herbert, Fremdarbeiter, S.244ff.

21 StAM Staatsanwaltschaft 13154.

22 Zusammengestellt nach den Akten des Sondergrichts München im Staatsarchiv München.

23 Vgl. Herbert, Fremdarbeiter, S.355.

24 Aktennotiz Polizeipräsident München vom 20.12.1943, Stadtarchiv München (im folgenden MStA) Ausländeramt 7.

25 StAM Staatsanwaltschaften 11160; der Angeklagte erhielt eine 3-monatige Gefängnisstrafe.

26 StAM Staatsanwaltschaften 9595; die beiden Angeklagten wurden zu 5 bzw. 3 Jahren Zuchthaus verurteilt.

27 StAM Staatsanwaltschaften 13943.

28 Vgl. StAM Staatsanwaltschaften 10257, 10302.

29 Beispielsweise bei Straftaten nach § 1 der Gewaltverbrecherverordnung vom 5.12.1939, RGBl. I 1939, S.2378.

30 Vgl. dazu die Meldungen wichtiger staatspolizeilicher Ereignisse Nr.6 vom 14.11.1941 und Nr.5 vom 14.1.1942, IfZ-Archiv MA 442/1 und die leider nur fragmentarisch erhaltenen Tages- und Monatsberichte der Stapoleitstelle München für die Jahre 1939 bis 1941, StAM Gestapo 58 und Bayerisches Hauptstaatsarchiv 73709.

31 Zur Geschichte und Tätigkeit der BPP/Stapoleitstelle München nunmehr Ludwig Eiber, Polizei, Justiz, Verfolgung in München 1933 bis 1945, in: München "Hauptstadt der Bewegung". Katalog zur Ausstellung im Münchner Stadtmuseum (22.10.1993-27.3.1994), München 1993, S.235-244.

32 Vgl. dazu die Aufstellung im Erhebungsbogen "Schlüsselmäßige Stellenverteilung auf die Staatspolizei(leit)stellen" vom 1.9.1941, BA R 58/856.

33 StAM Staatsanwaltschaft 17439/1-2.

34 Dazu und zum folgenden Reinhard Mann, Protest und Kontrolle im Dritten Reich. Nationalsozialistische Herrschaft im Alltag in einer rheinischen Großstadt, Frankfurt/Main 1987, S.153ff.

35 Vgl. Gellately, Gestapo.

36 Oswald Schäfer, geb. 1908 in Hamburg, arbeitete nach Beendigung seines Studiums 1935 im Geheimen Staatspolizeiamt Berlin. Nach einer kurzen Dienstzeit bei dieser Dienststelle und im Reichsinnenministerium, Hauptamt Sipo - als Referent für den späteren Reichsbevollmächtigten in Dänemark Werner Best - wurde er im Herbst 1937 zum Leiter der Stapoleitstelle Wesermünde-Bremerhaven ernannt. Im Frühjahr übernahm er die Leitung der Stapoleitstelle Reichenberg und wechselte schließlich im Frühjahr 1942 nach München. Schäfer war NSDAP-Mitglied seit 1933, SS-Mitglied seit 1936. Zuletzt bekleidete er den Rang eines Obersturmbannführers (Angaben nach Strafsache beim Landgericht München I gegen Schäfer und Dr.Lebküchner, AZ: 1 Ks 2-3/50 - im folgenden: Strafsache Schäfer / Lebküchner). Gegen Schäfer lief nach Kriegsende mindestens ein Ermittlungsverfahren und ein Strafverfahren vor dem Landgericht München I wegen Beihilfe zum Totschlag, das im Revisionsverfahren bis vor den Bundesgerichtshof gebracht wurde (teilweise dokumentiert in: Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1966, Bd.XII, bearbeitet von Adelheid L. Rüter-Ehlermann u.a., Amsterdam 1974, S.602-633).

37 Nur so ist es zu erklären, daß im Strafverfahren gegen Schäfer / Lebküchner auch zahlreiche prominente Persönlichkeiten, darunter der französische Diplomat Francois-Poncet, der Münchner Oberbürgermeister Scharnagl und auch der Vater der Geschwister Scholl sowie der BMW-Vorstand Zipprich eidesstattliche Erklärung zu Gunsten von Schäfer abgegeben haben.

38 Richard Lebküchner wurde 1902 in Neuenstadt geboren und studierte in Göttingen und München Geologie. Nach seiner Promotion 1928 war er zwei Jahre lang Assistent am Geologischen Institut der Universität Königsberg; 1931 verlor er diese Stellung - angeblich aus politischen Gründen - und konnte auch in der Folgezeit in seinem Beruf nicht unterkommen. Im selben Jahr trat er der NSDAP und der SS bei. Im Dezember 1933 wurde er Mitarbeiter der damals neu organisierten preussischen Gestapo. Lebküchner war hier bis 1942 tätig und wurde im April des Jahres zur Münchner Stapoleitstelle versetzt. Im Rang eines Kriminalrats leitete er hier bis Kriegsende das Referat II E; nach: Strafsache Schäfer/Lebküchner.

39 StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

40 Runderlaß Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle München: "Bekämpfung der Arbeitsunwilligkeit und -Sabotage" vom 11.9.1940, StAM Gestapo 74; Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle München, Grundsätze zur Bekämpfung der Arbeitssabotage und staatsfeindlicher Bestrebungen in Betrieben, Anlage 1 zur Rundverfügung vom 28.3.1942, IfZ-Archiv MA 554, danach auch das Folgende.

41 Lediglich bei "Schutzhaft" war der Vorgang dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin zur Entscheidung vorzulegen.

42 Vgl. Brunello Mantelli, Von der Wanderarbeit zur Deportation. Die italienischen Arbeiter in Deutschland 1938-1945, in: Ulrich Herbert (Hg.), Europa und der "Reichseinsatz". Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938-1945, Essen 1991, S.69f.

43 Grundlage bildeten hier vor allem die Polen-Erlasse vom 8.3.1940, dazu Herbert, Fremdarbeiter, S.74ff; vgl. auch Dienstanweisung Ausländeramt München vom 25.8.1940, MStA Ausländeramt 6.

44 Geheime Staatspolizei, Grundsätze (wie Anm. 40).

45 Erlaß RFSSuChdDtP vom 20.2.1942, zitiert nach Herbert, Fremdarbeiter, S.156.

46 Geheime Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle München, Verfahrensgrundsätze bei Arbeitsverweigerung, Arbeitssabotage, Flucht und Wiederaufgriff ausl. Arbeiter u. Kriegsgefangener, o.D. (aus dem Aktenkontext Jahreswende 1942/43), IfZ-Archiv MA 554.

47 IMT Dok, NO-3414, auszugsweise abgedruckt bei Hans-Adolf Jacobsen, Kommissarbefehl und Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener, in: Hans Buchheim / Martin Broszat / Hans-Adolf Jacobsen / Helmut Krausnick, Anatomie des SS-Staates, Bd.2, München 1989, S.200-204; vgl. auch Christian Streit, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945, Stuttgart 1978, S.87-105.

48 Dieser Vorgang ist im Beweisstück R-178, IMT Bd.38, S.419-498, dokumentiert.

49 Vgl. dazu die Aussage von Josef T. vom 13.10.1950 und dessen schriftliche Darstellung der Vorgänge vom 13.10.1950, Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen HPSSF Eberstein wegen Beihilfe zum Mord, AZ: 1 Js Ge. 119-125/50.

50 Schreiben Reichsjustizminister Thierack an Bormann vom 13.10.1942, bei Herbert, Fremdarbeiter, S.244f.; Rundschreiben der Stapoleitstelle München vom 30.12.1942, MStA Ausländeramt 6; vgl. auch Protokoll einer Aussprache Thieracks mit Goebbels vom 14.9.1942, IfZ-Archiv Dok. PS 682

51 Aussage Josef A. vom 7.1.1949, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

52 Andreas Heusler, Zwangsarbeit in der Münchener Kriegswirtschaft 1939-1945, München 1991, S.107ff.

53 Rundschreiben der Stapoleitstelle München vom 31.3.1942, IfZ-Archiv MA 554.

54 Aussage Anton B. vom 9.12.1948, StAM Staatsanwaltschaften 6682; Aussage Ilse S. vom 17.6.1950, StAM Staatsanwaltschaften 6689.

55 Aussagen Richard Lebküchner vom 24.6.1949, 17.2 / 18.2.1949 und 4.4.1952, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2; Aussage Elisabeth S. vom 8.3.1950, ebd.

56 Aussage Richard Lebküchner vom 24.6.1949, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

57 Aussagen Richard Lebküchner vom 24.6.1949 und 17.2 / 18.2.1949, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2; Aussage Elisabeth S. vom 8.3.1950, ebd.

58 Urteil Schwurgericht beim Landgericht München I vom 29.5.1951, Justiz und NS-Verbrechen. Bd.XII, S.617.

59 Aussage Richard Lebküchner vom 7.10.1949, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

60 Aussage Mieczyslaw K. vom 28.12.1948, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

61 Zitiert nach Herbert, Fremdarbeiter, S.245.

62 Zitiert nach Herbert, Fremdarbeiter, S.246.

63 Eidesstattliche Erklärung des früheren HPSSF Eberstein, Staatsarchiv Nürnberg KV Anklage Interrogations E 3.

64 Aussage Lebküchner vom 24.6.1949, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

65 Aussage Schäfer vom 13.1.1954, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2.

66 Schreiben Generalstaatsanwalt an das Bayerische Justizministerium vom 18.5.1951, StAM Staatsanwaltschaften 17439/1-2; vgl. auch Ermittlungsverfahren gegen Oswald Schäfer und Richard Lebküchner, AZ: 1 Js 877/60.

67 Nach Andreas von Schorlemmer, Das Sondergericht München als Bestandteil der Strafjustiz 1939 bis 1945. Rechtsgrundlagen, ausgewählte Probleme und eine statistische Auswertung seiner Spruchtätigkeit, unveröffentl. Magisterarbeit, Universität München 1985.

68 Lagebericht des Generalstaatsanwalts München an den Reichsjustizminister vom 31.5.1943, Staatsarchiv München (im folgenden StAM) OLG 133.

69 Vgl. auch Gerhard Paul / Alexander Primavesi, Die Verfolgung der "Fremdvölkischen". Das Beispiel der Staatspolizeistelle Dortmund, in: Gerhard Paul / Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Die Gestapo. Mythos und Realität, Darmstadt 1995, S.388-401.

 

Articles Jan. 15, 1998
© 1998 fhi
ISSN: 1860-5605
First publication
Jan. 15, 1998

  • citation suggestion Andreas Heusler, Ausbeutung und Disziplinierung. Zur Rolle des Münchner Sondergerichts und der Stapoleitstelle München im Kontext der nationalsozialistischen Fremdarbeiterpolitik (Jan. 15, 1998), in forum historiae iuris, https://forhistiur.net1998-01-heusler