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Hanjo Hamann (Bonn)*

Richter im Internet Editionsbericht zur Digitalisierung der Geschäftsverteilungspläne der deutschen Bundesgerichte seit dem Zweiten Weltkrieg

I. Einleitung

1Die freie Verfügbarkeit amtlicher Rechtstexte in Deutschland schreitet voran. Nachdem die Bundesgesetze und -verordnungen seit 25.11.2005 unter www.gesetze-im-internet.de, die Verwaltungsvorschriften seit 27.11.2007 unter www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de und die neueren Entscheidungen der Bundesgerichte seit 27.1.2016 unter www.rechtsprechung-im-internet.de verfügbar sind, folgte im Februar 2017 mit www.richter-im-internet.de ein neues Informationsportal zu den Zuständigkeiten und Personalien der deutschen Bundesjustiz. Damit liegt ein neues Korpus von Forschungsdaten digitalisiert vor, das für die (Rechts-)Geschichte gleichermaßen nützlich sein wird wie für die Politikwissenschaft, Soziologie und andere empirische Sozialwissenschaften.

2Der vorliegende Editionsbericht stellt das Portal einer breiteren Fachöffentlichkeit vor (II.), berichtet über die beiden Teilphasen seiner Erarbeitung (III., IV.) und erläutert die Chancen und Probleme, die sich aus seiner Nutzung ergeben können.

II. Das Informationsportal www.Richter-im-Internet.de

1. Gegenstand und Informationsangebot

3Das Portal www.Richter-im-Internet.de enthält frei zugängliche Daten zur Zuständigkeit und Personalbesetzung des Bundesverfassungsgerichts, der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes (Bundesgerichtshof, -verwaltungsgericht, -finanzhof, -arbeitsgericht und -sozialgericht) sowie des Bundespatentgerichts. Diese Daten liegen in zwei verschiedenen Formaten vor, die in je eigenen Teilprojekten erarbeitet wurden und unter III. bzw. IV. näher darzustellen sind.

2. Nutzungspotential

4Die bereitgestellten Daten eröffnen verschiedene Zugänge zur Erforschung der neueren Justizgeschichte:

5Zum einen lässt sich für jeden Spruchkörper (Senat) der deutschen Bundesgerichte nachschlagen, welche Richter und juristischen Zuständigkeiten ihm zu Beginn eines bestimmten Geschäftsjahres zugewiesen waren. Diese Informationen ergaben sich bisher lediglich aus Druckfassungen der sog. Geschäftsverteilungspläne, die seit dem Zweiten Weltkrieg jährlich im amtlichen Verkündungsblatt „Bundesanzeiger“ (seit 1967 im Beilagenteil) veröffentlicht wurden, aber bisher nie auch nur an einer Stelle zusammengefasst waren. Nur für Jahre ab 2013 waren sie bislang überhaupt im Internet abrufbar,1 für weiter zurückliegende Zeiträume sind auch in Bibliotheken nur noch angejahrte Zeitungsbände (oft eingelagert in Außen- oder Tiefmagazinen) oder qualitativ minderwertige Mikrofiches verfügbar. Die wohl einzige private Initiative zur Retrodigitalisierung des Bundesanzeigers (www.recht.makrolog.de) geht bei Geschäftsverteilungsplänen bis 2003 zurück, bietet sie aber nur kostenpflichtig an. Im nun eingerichteten Portal lassen sich die Geschäftsverteilungspläne erstmals für alle verfügbaren Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg an jedem Arbeitsplatz mit Internetzugang abrufen, drucken und speichern.

6Der zweite Zugang erfolgt über eine maschinenlesbare Aufbereitung eines Teils der Daten: Die Personalbesetzung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen wurde vollständig in ein Tabellenformat überführt, das dank einer maschinenlesbaren Komponente auch mit der Datenimportfunktion jedes gängigen Statistikprogramms weiterverarbeitet und mit beliebigen anderen Datensätzen verknüpft werden kann. Dadurch lassen sich beispielsweise die sozialen Netzwerke innerhalb der Gerichte darstellen, Zitationsanalysen mit erheblich höherer Granularität als bisher durchführen oder andere quantitative Auswertungen vorbereiten oder anreichern. Damit wird den Bedürfnissen der empirischen Sozialforschung Rechnung getragen, deren bisherige Forschung zur deutschen Nachkriegsjustiz aufgrund der schlechten Datenlage „noch deutlich im Dunkeln“ stattfand.2

3. Projektrahmen und Finanzierung

7Die sogleich näher darzustellenden Teilprojekte fanden im Zeitraum September 2016 bis März 2017 statt. Sie wurden wissenschaftlich durch einen Beirat von vier Vertretern betroffener Disziplinen (Medienlinguistik, Sozioinformatik, Politikwissenschaft, Rechtsgeschichte) begleitet und durch zwei weitere Wissenschaftler aus Informatik und Rechtsgeschichte in einzelnen Fragen der Durchführung beraten.3

8Finanziert wurde das Projekt durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und den Wikimedia Deutschland e.V. im Rahmen des ersten Durchgangs ihres gemeinsamen Fellow-Programms „Freies Wissen. Wissenschaft offen gestalten“, zusätzlich unterstützt durch die Forschungsgruppe Computer Assisted Legal Linguistics (CAL²) der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der auch der Autor angehört (www.cal2.eu).

III. Teilprojekt 1: Digitalisierung der Geschäftsverteilungspläne

9Im ersten Teilprojekt sollten alle öffentlich erhältlichen Geschäftsverteilungspläne aufgefunden, digitalisiert und im Internet als pdf-Dateien verfügbar gemacht werden, um zunächst den reinen Lesezugriff auf die inzwischen auch in Bibliotheken nur noch mühsam erhältlichen Geschäftsverteilungspläne zu erleichtern und den durch Materialverfall beim Zeitungspapier drohenden Datenschwund aufzuhalten.

1. Fundstellen-Rekonstruktion der publizierten Geschäftsverteilungspläne

10Die Fundstellen der veröffentlichten Geschäftsverteilungspläne sind nirgends zentral erfasst. Deshalb mussten sie im ersten Schritt rekonstruiert werden. Eine Suche im frei zugänglichen Teil des Internet fördert lediglich die Pläne seit 2013 zutage, die unter www.bundesanzeiger.de veröffentlicht wurden.

11Für frühere Jahre führt der Bundesgerichtshof als einziges Bundesgericht eine öffentlich einsehbare Fundstellenliste seiner eigenen Pläne.4 Nachfrage bei den übrigen Gerichten ergab, dass nur ein weiteres Gericht über die Fundstellen seiner Geschäftsverteilungspläne Auskunft erteilen kann: Das Bundessozialgericht, das dank seiner frühen Beteiligung an der juris-Datenbank die Fundstellen dort eingespeist hatte. Auch dort fehlt allerdings die Fundstelle des BSG-Geschäftsverteilungsplans von 1977, die bisher nicht rekonstruiert werden konnte.

12Für die anderen drei obersten Gerichtshöfe (Bundesfinanzhof,5 -arbeits- und  -verwaltungsgericht) konnten Fundstellen nur deshalb zum Teil rekonstruiert werden, weil seit 1967 alle obersten Gerichtshöfe ihre Geschäftsverteilungspläne gesammelt in einem jährlichen Sonderheft (Beilage) des Bundesanzeigers veröffentlichen, so dass die Fundstellenliste des BGH auch für diese Gerichte weiterhalf. Für die Jahre 1991 und 1992 jedoch fehlte der Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichts in dieser Sammelbeilage, weil er „wegen der Errichtung eines neuen Senats“ bzw. „wegen der demnächst vorgesehenen Wahl von Richtern am Bundesarbeitsgericht“ bei Redaktionsschluss noch nicht verfügbar gewesen und durch den Vermerk „wird deshalb zu einem späteren Zeitpunkt im Bundesanzeiger veröffentlicht“ ersetzt worden war. Diese späteren Fundstellen im Hauptteil des Bundesanzeigers konnten durch den Bundesanzeigerverlag später nachrecherchiert und ermittelt werden.

13Die verbleibenden beiden Gerichte – Bundesverfassungs- und -patentgericht – veröffentlichen ihren Geschäftsverteilungsplan erst seit 1994 (BVerfG) bzw. 1996 (BPatG) in der bereits erwähnten Sammelbeilage zusammen mit den fünf obersten Gerichtshöfen. Für die Zeiträume davor ließen sich keine konkreten Fundstellen ermitteln oder von den Gerichten auf Nachfrage benennen.

14Damit lagen zuletzt knapp 73 % der benötigten Fundstellen vor, wobei die Abdeckung zwischen den sieben Gerichten von 36 % bis 99 % schwankte:

GerichtGrün-dungs-jahrGerichts-jahrebis inkl. 2017Fundstellen bekannt seitZahl bekannter FundstellenAbde-ckungs-rate6
BGH
1950
68
1951
67
98,5 %
BSG
1954
64
19547
63
98,4 %
BAG
1954
64
1967
51
79,7 %
BVerwG
1953
65
1967
51
78,5 %
BFH
1950
68
1967
51
75,0 %
BPatG
1961
57
1996
22
38,6 %
BVerfG
1951
67
1994
24
35,8 %
Gesamt
453
329
72,6 %

15Tab. 1: Anzahl rekonstruierbarer Fundstellen für veröffentlichte Geschäftsverteilungspläne der Bundesgerichte, absteigend sortiert nach Abdeckungsrate (Anteil der Gerichtsjahre mit bekannter Fundstelle).

2. Digitalisierung von Geschäftsverteilungsplänen ins pdf-Format

16Von den 329 rekonstruierbaren Fundstellen erwies sich bei den 29 Geschäftsverteilungsplänen von BGH und BSG vor 1967 die Digitalisierung als prohibitiv schwierig: Diese Dokumente wurden im großformatigen Bundesanzeiger dreispaltig abgedruckt, auf inzwischen stark gealtertem und brüchigen Zeitungspapier, eingebunden in Großfolianten, die für handelsübliche Digitalisierungsgeräte zu groß und aufgrund von bindungsbedingten Papierwölbungen nicht in angemessener Qualität digitalisierbar sind. Einen anschaulichen Eindruck hiervon vermitteln die einzigen vier Geschäftsverteilungspläne dieses Formats, die gleichwohl digitalisiert wurden (BGH 1951/52, BAG 1991/92).

17Von den übrigen 298 Geschäftsverteilungsplänen, die in Bundesanzeiger-Beilagen veröffentlicht wurden, lagen 35 (= fünf Jahrgänge seit 2013) bereits digital im Internet vor, die übrigen 263 auf Papier in A4-Heftformat. Dafür waren sodann geeignete Digitalisierungsvorlagen zu suchen. Da gebundene Zeitungsbestände aufgrund der Mittelwölbung und des gealterten Papiers erhebliche Schwierigkeiten bereitet hätten und die alternativ verfügbaren Mikrofiches überwiegend unscharf oder verrauscht waren, wurden zunächst verschiedene Bibliotheken nach ungebundenen Archivbeständen der Bundesanzeiger-Beilagen angefragt. Da diese Suche erfolglos verlief und auch die Deutsche Nationalbibliothek die gedruckten Ausgaben nur in gebundener Form vorhält,8 musste letztlich auf die beim Verlag selbst noch verfügbaren ungebundenen Archivexemplare der Beilagen zurückgegriffen werden. Diese wurden aufgrund eines Werkvertrags ins pdf-Format digitalisiert und sogleich mit einer Texterkennung (OCR) behandelt, um das Markieren und Kopieren des enthaltenen Textes zu ermöglichen.

18Da der Digitalisierungsauftrag insgesamt 1.336 Seiten umfasste, waren vereinzelte Fehler unvermeidlich und mussten in einer zweiten Runde durch erneute Digitalisierung von zwölf fehlerhaft digitalisierten Seiten berichtigt werden. Zudem war die Beilage für das Jahr 1976 im Verlagsarchiv nicht mehr auffindbar und musste nachträglich aus Bibliotheksbeständen der Universität Mannheim digitalisiert werden.9

3. Ergänzung des Dokumentenbestands aus Gerichtsakten

19Um möglichst viele Geschäftsverteilungspläne zu erlangen, wurden sodann alle Bundesgerichte sowie die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats konsultiert. Dadurch konnten zwei weitere Quellen erschlossen werden:

20Beim Bundesgerichtshof wurden im Oktober 2016 die hausinternen Geschäftsverteilungspläne digitalisiert, die in den Anfangsjahren auf Schreibmaschine getippt, später per Computer gedruckt worden waren. Die nunmehr digitalisierten Pläne sollten rein internen Zwecken dienen („Eine Veröffentlichung der alten Geschäftspläne auf der Website des BGH ist nicht geplant. Intern werden weiterhin die Papierexemplare genutzt.“10) wurden aber auf Nachfrage zur Verfügung gestellt und konnten dafür genutzt werden, den BGH-Bestand um die Jahre 1953–1966 zu erweitern. Die sodann noch fehlenden Geschäftsverteilungspläne von 1951 und 1952 wurden aus einem gebundenen Bibliotheksexemplar des Bundesanzeigers abfotografiert; der erste Geschäftsverteilungsplan von 1950 scheint nie veröffentlicht worden zu sein, wurde seinerzeit aber in der Fachpresse zusammengefasst.11

21Für das Bundesverfassungsgericht konnte ein Mitglied des wissenschaftlichen Projektbeirats (Thomas Gschwend) Geschäftsverteilungspläne beisteuern, die er im Zuge seiner eigenen Forschung erhalten hatte. Der Bestand war sehr lückenhaft, da im BVerfG für die Jahre vor 1974 und für 1992/93 gar keine Geschäftsverteilungspläne und für die Jahre 1975–1983 nur noch solche des Zweiten Senats aufbewahrt worden waren.12 Immerhin konnten dadurch vollständige Geschäftsverteilungspläne für acht Jahre (1984–1991) nachgetragen werden.

22Die damit insgesamt 22 aus Gerichtsakten digitalisierten Geschäftsverteilungspläne von BGH und BVerfG wurden anschließend nachbearbeitet und ebenfalls mit Texterkennung behandelt.

4. Ergebnis

23Als Ergebnis des ersten Teilprojekts wurden 324 Geschäftsverteilungspläne im Umfang von je drei bis 26 Seiten (durchschnittlich neun Seiten) im pdf-Format digital zusammengeführt. Sie verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Gerichte:

GerichtGerichts-jahreGVPe verfügbar seitZahl verfüg-barerGVPeAbde-ckungs-rateSeiten-umfanggesamtSeitendurch-schnittlich
BGH
68
1951
67
98,5%
1.016
15,16
BAG
64
1967
51
79,7%
332
6,51
BSG
64
196713
50
78,1%
389
7,78
BVerwG
65
1967
51
78,5%
248
4,86
BFH
68
1967
51
75,0%
326
6,39
BVerfG
67
198414
32
47,8%
136
4,25
BPatG
57
1996
22
38,6%
342
15,55
Gesamt
453
324
71,5%
2.789
8,61

24Tab. 2: Anzahl und Umfang der zum 1.7.2017 unter www.Richter-im-Internet.de verfügbaren Geschäftsverteilungspläne (GVPe), sortiert wie Tab. 1.

25Diese Dokumente im Gesamtumfang von 2.789 Seiten wurden auf dem eigens eingerichteten Internetportal www.Richter-im-Internet.de für jedermann frei zugänglich zum Abruf bereitgestellt. Für die Gerichtsjahre, zu denen kein Geschäftsverteilungsplan erreichbar war, hält die Website alle Informationen vor, die von den Gerichten im E-Mail-Kontakt mitgeteilt worden waren; darunter fanden sich mehrfach Verweise auf anderweitige Veröffentlichungen (Chroniken, Festschriften, Entscheidungssammlungen, Verkündungsblätter), aus denen sich im Bedarfsfall wenigstens ein Teil der Zuständigkeits- oder Besetzungsdaten ermitteln ließe (vgl. bspw. Fn. 5 oben).

26Für die nachhaltige Datensicherung und bessere Verfügbarkeit wurden alle Geschäftsverteilungspläne nachlaufend als Forschungsdaten in das erste juristische Fachrepositorium eingestellt: Das sog. <intR>²Dok des Fachinformationsdienstes für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung (intr2dok.vifa-recht.de). Dort wurde jedem Geschäftsverteilungsplan zugleich ein persistenter, d.h. global eindeutiger und unveränderlicher, Dokument-Identifikator (DOI) auf Grundlage des Uploaddatums zugewiesen, wie bspw. DOI 10.17176/20170224-104127 für den BGH-Geschäftsverteilungsplan 2017.

IV. Teilprojekt 2: Aufbereitung der BGH-Senatsbesetzungen

27In einem zweiten Teilprojekt wurde anschließend ein vorher bestimmter Teil der Senatsbesetzungen (jeweils Abschnitt B der Geschäftsverteilungspläne) in einem maschinenlesbaren Format aufbereitet, das vor allem empirischen Sozialforschern für statistische Auswertungen dienen soll. Ausgewählt wurden die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs, aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung wie auch der guten Datenlage.

1. Übertragung der Senatsbesetzungen vom pdf- ins Tabellenformat

28Zunächst übertrugen Hilfskräfte die Senatsbesetzungen aus den pdf-Dokumenten manuell in ein Tabellendokument mit Spalten für Jahr und Senat sowie (für jeden Richter) Amtsbezeichnung,15 etwaige akademische Grade und Namenszusätze, Nach- und Vorname sowie etwaige Anmerkungen.16

29In dieser Tabelle wurde größter Wert auf Authentizität gelegt, weshalb die Übertragung 1:1 textkonkordant erfolgte und etwa festgestellte Fehler bzw. Unstimmigkeiten lediglich in einer zusätzlichen Tabellenspalte notiert wurden. Die Tabelle enthält also genau denselben Text wie die zugrundeliegenden Geschäftsverteilungspläne, nur überführt in eine explizite Tabellenstruktur und erweitert um die Spalte „editorische Anmerkungen“. Deshalb wurde sie als „Lesefassung“ bezeichnet und kann zum schnelleren Nachschlagen anstelle der Ausgangsdokumente verwendet werden.

30Diese Übertragung ergab insgesamt 5.123 Datensätze und nahm etwa 50 Arbeitsstunden der Hilfskräfte in Anspruch. Dabei wurden bereits erste offenkundige Tippfehler festgestellt und in den „editorischen Anmerkungen“ notiert.17 Häufig fielen Fehler aufgrund widersprüchlicher Genusbegriffe auf.18

31Soweit vereinzelt auch unterjährige Änderungen oder Neuerlasse von Geschäftsverteilungsplänen bekannt wurden, wurden diese mit dem Kürzel „ujÄ“ (unterjährige Änderung) in der Spalte „Editorische Anmerkungen“ notiert, aber nicht direkt in den Datenbestand übernommen, um den Jahresbeginn als alljährlichen Stichtag beizubehalten: Alle Senatsbesetzungen datieren mithin auf die erste Januarhälfte (1.–12.1.), mit Ausnahme der Jahre 1958 (19.2.) und 1968 (1.3.).19

2. Ergänzung um Daten aus NJW-Mitteilungen 1950–1952

32Für die Jahre von 1950 bis 1952 waren die Senatsbesetzungen auch in den veröffentlichten Geschäftsverteilungsplänen nicht enthalten. Deshalb wurde auf eine Tabelle zurückgegriffen, die beim Bundesgerichtshof hausintern aus den Entscheidungssammlungen der betreffenden Jahre rekonstruiert worden war und 142 Datensätze enthielt, also im Durchschnitt 9,47 Datensätze pro Senat und Jahr; dabei wurden 48 unterschiedliche Richter und zwei Richterinnen (Gerda Krüger-Nieland und Elisabeth Krumme) erfasst,20 die jeweils in bis zu drei21 verschiedenen Senaten pro Jahr tätig gewesen waren.

33Zusätzlich wurde für die Jahrgänge 1950–52 jedes Heft der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) durchgesehen, die in der Rubrik „Mitteilungen“ alle Neubesetzungen der BGH-Anfangsjahre veröffentlicht hatte.22 Daraus ergab sich ein Datensatz von 61 Bundesrichter(inne)n, die bis 1951 bestellt worden waren: 23 Strafrichter, 36 Zivilrichter und zwei Zivilrichterinnen (Krüger-Nieland / Krumme).

34Aus dem Abgleich der beiden Datenquellen ergab sich eine Überschneidung von 36 Personen, deren Benennung sowohl in der NJW mitgeteilt als auch in einer noch heute verfügbaren zivilrechtlichen Entscheidung dokumentiert wurde. 14 weitere Richter waren nur in den Entscheidungssammlungen, aber nicht in der NJW auffindbar, obwohl mindestens drei davon in beiden Quellen hätten auftauchen sollen.23 Umgekehrt benannten die NJW-Mitteilungen nur zwei Richter, deren Mitwirkung an keiner Entscheidung in den Jahren 1950–1952 belegt ist: Willi Geiger, der erstmals im Geschäftsverteilungsplan 1954 auftaucht (als Präsident des III. Zivilsenats) und Bundesrichter „Wolfhart“, zuvor Richter beim OGH Köln (so NJW 1950, 777), den es wahrscheinlich nie gab: Wolfhart war der Vorname des ebenfalls 1950 berufenen OGH-Richters „W. Werner“ (NJW 1950, 901), der in jenem Jahr im 1., 2., 3., und 4. Strafsenat tätig war.

35Mithin zeigt der Datenabgleich, dass die Senatsbesetzungen auch in den Anfangsjahren des BGH recht lückenlos erfasst worden zu sein scheinen und jedenfalls kein am BGH 1950–52 tätiger Zivilrichter übersehen wurde.

3. Abgleich mit den hauseigenen BGH-Festschriften

36Im Regelfall enthalten Geschäftsverteilungspläne lediglich die Amtsbezeichnung und den Nachnamen eines Richters, während andere individualisierende Daten fehlen und auch der Vorname allenfalls zur besseren Unterscheidbarkeit (und dann meist abgekürzt) vermerkt wird. Um also die einzelnen Namen wirklich unterscheidbaren Personen zuordnen zu können und verbleibende Fehler im Datensatz aufzuspüren, war eine weitere Datenquelle nötig.

37Hierfür dienten die beiden Festschriften, die beim Bundesgerichtshof anlässlich des 25. und 50. Gründungsjubiläums herausgegeben wurden (im Folgenden FS25 bzw. FS50).24 Sie enthalten einen „Statistischen Teil“ (FS25) bzw. „Personalien und Geschäftsstatistiken“ (FS50) mit einer fortlaufenden Tabelle aller Richter und ihrer jeweiligen Lebens- und Amtsdaten. Beide Tabellenwerke sind im Aufbau identisch, das spätere aktualisiert und erweitert lediglich das frühere. Ein manueller Stichprobenabgleich beider Tabellen ergab zwar einige Widersprüche, diese konnten aber zügig ausgeräumt werden.25

38Nach Klärung dieser Unstimmigkeiten wurde die „Personalien“-Tabelle in Anhang I.A der FS50 (S. 787–832) ausgewählt, um sie computergestützt mit den Senatsbesetzungsdaten abzugleichen. Da die Rohdaten zu dieser Tabelle weder beim Verlag noch bei den Herausgebern erhalten geblieben sind, musste sie manuell erneut digitalisiert werden. Diese Digitalisierung folgte denselben Grundsätzen wie jene im ersten Teilprojekt (oben III.2) und erforderte weitere 20 Hilfskraftstunden.

39Im Zuge der manuellen Übertragung vom pdf- ins Tabellenformat fielen weitere Fehler in der Festschrift auf, die diesmal direkt in der Tabelle korrigiert, aber durch einen Hinweis auf die Abweichung im Originaltext („i.O.“) in der Spalte „Anmerkungen, Sonstiges“ hervorgehoben wurden.26

40Anschließend wurde die Tabelle mit den zuvor digitalisierten Senatsbesetzungen automatisiert zusammengeführt. Dabei fielen nur noch drei Widersprüche auf:

411. Die Geschäftsverteilungspläne weisen für den VIII. Zivilsenat 1967–1976 einen Richter (bzw. 1978–1989 Vorsitzenden Richter) namens „Braxmaier“ aus, während die FS50 nur Wolfram „Braxmeier“ verzeichnet. Letztere Schreibweise verwendet nur der veröffentlichte (nicht dagegen der BGH-interne) Geschäftsverteilungsplan von 1977, einmalig nach Beförderung des Richters. Auch andere Quellen verwenden beide Schreibweisen,27 korrekt ist nach Auskunft aus dem BGH „Braxmaier“.28

422. Ebenfalls im VIII. Zivilsenat führen die veröffentlichten Geschäftsverteilungspläne 1994/95 den Richter Dr. (Wolfgang) Brunotte, der laut Festschrift bereits zum 31.3.1993 in den Ruhestand getreten war. Die beim BGH intern dokumentierten Geschäftsverteilungspläne führen Brunotte nur bis 1993, daher dürfte es sich in den veröffentlichten Geschäftsverteilungsplänen um Fortschreibungsfehler handeln.

433. Der in den Geschäftsverteilungsplänen von 1981 bis 1995 enthaltene Richter Teplitzky wird in der Festschrift Prof. Dr. Otto „Teplitzki“ geschrieben. Dabei handelt es sich nach Auskunft aus dem BGH um einen Tippfehler.29

4. Herstellung eines maschinenlesbaren Formats

44Die soweit ergänzte und berichtigte Lesefassung der Senatsbesetzungen wurde im letzten Schritt in ein maschinenlesbares Datenformat auf einem neuen Tabellenblatt überführt. Damit die Daten ohne erneute Prüfung mit Software weiterverarbeitet werden können, wurde die römische Senatszählung durch eine arabische ersetzt, unterschiedliche Schreibweisen („Freiherr“/„Frhr.“, „von“/„v.“) vereinheitlicht und die bisher in den „editorischen Anmerkungen“ vermerkten Fehler korrigiert.

45Schließlich wurde die Tabelle auf standardisierbare Informationen reduziert, die in sog. Indikatorvariablen (dummy variables) übersetzt wurden, d.h. Variablen, die nur die Werte 0 und 1 annehmen können. Deren enthält die maschinenlesbare Tabelle sechs: Je eine für den Professorentitel (prof), ehrenamtliche Doktorgrade (dr_hc), andere Doktorgrade (dr), Geschlecht (mann) sowie die Funktionen Senatsvorsitz (vorsitz) und stellvertretender Senatsvorsitz (stv_vorsitz).

5. Ergebnis

46Als Ergebnis des zweiten Teilprojekts wurden zwei Tabellendokumente verfügbar gemacht: „Senatsbesetzungen des BGH(Z) 1950–2017“ (gvp.xls, 1,25 MB) und „Personalien der BGH-Richter 1950–2000“ (fs50.xls, 0,2 MB). Beide Dokumente enthalten jeweils ein Tabellenblatt („Vorwort“) mit Lizenzhinweisen, Zitiervorschlag, Datenbeschreibung und editorischen Hinweisen, sowie zusammen insgesamt drei Tabellenblätter mit den eigentlichen Daten: Lesefassung der Geschäftsverteilungspläne; deren maschinenlesbare Fassung; sowie die digitalisierte und infolge des Abgleichs mit den Geschäftsverteilungsplänen korrigierte Fassung des Tabellenwerks aus der BGH-Festschrift (FS50), die zugleich um Mehrfachnennungen in den Untertabellen „Präsidenten“, „Senatspräsidenten“ und „Bundesrichter“ bereinigt wurde, also je Richter(in) nur einen Datensatz aufweist:

DateiTabellen-blattZeilenSpaltenDaten-sätzeStandcsv?
gvp.xls1, Lese-
fassung
5.968
9
5.265
2017
nein
2, maschinen-
lesbar
5.193
11
5.192
2017
156kB
fs50.xlsBGH-FS50
434
33
432
2000
55kB

47Tab. 3: Umfang der zum 1.8.2017 unter www.Richter-im-Internet.de verfügbaren Tabellenblätter.

48Die beiden letztgenannten Tabellenblätter wurden zudem als kommaseparierte Textdateien im UTF8-kodierten (unicode) csv-Format (comma-separated values) zur Verfügung gestellt, um die plattform- und softwareübergreifende Nutzbarkeit und Formatkompatibilität zu gewährleisten.

V. Zusammenfassung und Ausblick

49Das neue Portal www.Richter-im-Internet.de bietet ein gründlich aufbereitetes und mit allen bisher verfügbaren Datenquellen abgeglichenes Korpus von Geschäftsverteilungsplänen, in dem jedermann die Zuständigkeiten und Senatsbesetzungen der sieben Bundesgerichte seit dem Zweiten Weltkrieg nachschlagen kann. Die Senatsbesetzungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen wurden zudem in einem maschinenlesbaren Format zur Verfügung gestellt, um die empirische Sozialforschung an diesem Datensatz zu ermöglichen. Insgesamt stehen nun 324 Dokumente mit 2.789 Seiten im pdf-Format sowie drei Tabellenblätter mit insgesamt 10.889 Datensätzen frei als Forschungsdaten (open data) im Internet zur Verfügung.

50Im nächsten Schritt ist ein Abgleich der vorliegenden Daten mit den Wikimedia-Datenbanken beabsichtigt. So enthält Wikipedia eine „Liste der Richter am Bundesgerichtshof“,30 angelegt am 22. Juni 2013 von einem Referenten in der Landesdirektion Sachsen (Benutzer .Manu.). Diese Liste speist sich maßgeblich aus dem jährlichen „Handbuch der Justiz“ des Deutschen Richterbunds und wurde probehalber bereits mit den vorliegenden Daten zusammengeführt, woraus sich erhebliches Ergänzungspotential ergibt. Zudem enthält das Datenportal Wikidata zu den meisten deutschen Richtern Lebensdaten und weitere Kennnummern, die eine Verknüpfung mit anderen Datenquellen ermöglichen. Der Abgleich damit hat sich indes als technisch voraussetzungsvoll erwiesen und bedarf noch weiterer Abstimmung mit versierten IT-Fachleuten.

Articles Aug. 16, 2017
© 2017 fhi
ISSN: 1860-5605
First publication
Aug. 16, 2017