Zeitschrift Aufsätze

Hans-Peter Haferkamp

Recht als System bei Georg Friedrich Puchta

I. EinleitungII. Puchtas Disput mit Stahl 1838

1. Puchtas System der Rechte 1829

2. Stahls Kritik dieses Systems

3. Erkenntnistheoretische Dimension der Systemfrage

4. Überprüfung der Vorwürfe Stahls in Puchtas Systemprogramm aus dem Jahr 1829

5. Stahls zweiter Band der Rechtsphilosophie von 1833 und Puchtas schwache philosophische Grundlage seines Systems

III. Puchtas philosophische Vertiefungen 1837 - 1841 mittels Schellings Münchener Vorlesungen von 1828 bis 1834

1. Puchtas Betonung des logischen Schelling gegen Stahls antirationalen Schelling

2. Der 'Mystiker' Schelling als Zugangsproblem

3. Schellings dürftige Äußerungen zum Recht als Zugangsproblem

4. System als Zusammenspiel von positiver und negativer Philosophie

5. Freiheit als "Keim des Rechts"

6. "Entfaltung des Rechtsbegriffs in der Geschichte"

7. Bedeutung für Puchtas System der Rechte

8. Puchtas System der Rechte als neu konzipiertes Zusammenspiel von Freiheit und Notwendigkeit (ab 1837)

IV. Ergebnis

I. Einleitung

Wie bildeten die Juristen der historischen Schule ihre Systeme des Pandektenrechts? Für einen jedenfalls, der dieser sehr heterogenen Gruppe von Schülern Savignys zugerechnet wird, für Georg Friedrich Puchta, meint man dies seit langem zu wissen. Karl Larenz1 sprach im Zusammenhang mit Puchtas Rechtssystem von einer "Begriffspyramide". Puchta leite das gesamte Recht aus einem obersten, der Philosophie entnommenen Begriff ab, dem "kantische[n] Freiheitsbegriff". Damit sei es dieser Begriff, der über den Inhalt des Rechts entscheide. Nur was hieraus deduzierbar sei, sei Recht. Dieses Verfahren Puchtas entstamme, so Larenz, der Philosophie Christian Wolffs, also dem vorkritischen Naturrecht. Während Savigny gemeinhin zugebilligt wird, mit dem Vernunftrecht gebrochen zu haben, soll also bereits sein Schüler und Nachfolger in Berlin Puchta sich des "Rückfalls" in die alte Methode schuldig gemacht haben. Die damit zusammenhängenden Vorwürfe sind altbekannt: Indem Puchta solchermaßen das Recht der Logik unterworfen haben soll, also "Begriffsjurisprudenz" betrieb, wurde sein Recht formal, lebensfremd, mit einem Wort: ungerecht.

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Stimmt das?
Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es eines Blicks in die rechtswissenschaftlichen Systemdebatten des Vormärz. Im Zentrum der nachfolgenden Erörterungen steht ein Gespräch über die Frage des Rechtssystems zwischen Puchta und Friedrich Julius Stahl, welches gerade mit Blick auf die heutigen Vorwürfe besonders interessant ist und zugleich zeigt, wie intensiv man damals um diese Fragen gerungen hat. Stahls Kritik an Puchta ist dabei besonders aussagekräftig, weil er der erste war, der Puchtas System als zu logisch kritisierte. Er führte also ganz ähnliche Diskussionen wie Larenz, aber mit Puchta direkt. Hier konnte Puchta also antworten.

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II. Puchtas Disput mit Stahl 1838

1. Puchtas System der Rechte 1829

Der Streit zwischen Puchta und Stahl über das Rechtssystem erhielt in den 1830er Jahren vor allem durch seine Schärfe öffentliche Aufmerksamkeit. Puchta warf Stahls System der Rechtsverhältnisse 1838 vor, "in ein Meer schwankender Vorstellungen, unsicherer Begriffe, chamäleonartiger Behauptungen, und gränzenloser Träume" zu segeln2. Er reagierte damit auf eine vorhergegangene Fundamentalkritik Stahls an seinem System der Rechte. Puchta hatte dieses System der Rechte 1829 veröffentlicht3 und legte es auch seinen späteren Werken zugrunde4. Es war subjektiv ausgerichtet, als System der subjektiven Rechte. Oberster Grundsatz des Systems war Puchtas Rechtsbegriff. Puchta definierte die subjektiven Rechte als "die Unterwerfung eines Gegenstandes unter den rechtlichen Willen"5. Da der rechtliche Wille abstrakt auf Unterwerfung von Gegenständen gerichtet war, als solcher also immer gleich blieb, musste die Ausdifferenzierung des Systems an den durch ihn unterworfenen Gegenständen erfolgen. "Princip" seines Systems war also die "Verschiedenheit der Gegenstände"6. Puchtas Rechtssystem zielte nun darauf ab, alle Rechte der Privatrechtssubjekte unter fünf Gegenständen zu sammeln: Sachen, Handlungen, Personen außer uns, Personen, welche außer uns existiert haben, aber in uns übergegangen sind, und unsere eigene Person7. Blickt man auf Heises Pandektensystem von 1807, so verliert diese Anordnung ihre terminologische Verkleidung. Es ging zunächst um Sachenrecht, Obligationenrecht, weite Teile des Familienrechts und Erbrecht8. Neu war Puchtas Recht der Persönlichkeit, in dem er sein Besitzrecht verortete. Mit seinen Systembemühungen von 1829 nahm Puchta teil am Streit Savignys mit Hegels Meisterschüler Eduard Gans um die Rechtsnatur des Besitzes9. Dies soll hier nicht vertieft werden.

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2. Stahls Kritik dieses Systems

Stahl hatte seine Kritik an Puchtas System der Rechte 1833 daran festgemacht, dass Puchta an die Spitze seines Systems einen obersten Grundsatz gestellt hatte, seinen Rechtsbegriff. Stahl kritisierte dies als einen Rückfall in die "rationalistische Richtung"10 - ganz ähnlich wie Larenz dies später Puchta vorhielt. Unter diesem Sammelbegriff verstand Stahl nicht nur die vorkritischen Naturrechtssysteme. "Rationalistisch" waren für ihn darüber hinaus alle Systeme, die von einem obersten Grundsatz oder sonst von vorgefertigten Begriffen und nicht von der "Wirklichkeit" des Rechts ausgingen. Dieser Vorwurf traf gleichermaßen die Frühkantianer, die an einem obersten Prinzip als Anforderung an ein wissenschaftliches Recht festhielten11, wie die Hegelianer, die das Recht vom Begriff her konstruierten12. Beide Lager, in denen Stahl nun auch Puchta verortete, konnten diesem nicht gefallen. Wiederholt war Puchta Kantianern und Hegelianern entgegengetreten. Er hatte 1828 den apriorischen Konstruktionen vieler Kantianer "Verzicht auf das Wirkliche" vorgeworfen und scharf gegen das "öde, mechanische Construieren von Begriffen" polemisiert13. Seit 1826 hatte er zudem wiederholt das Bestreben der Hegelianer angegriffen, das Wirkliche auf das Notwendige zu reduzieren, also keinen Zufall im Recht anzuerkennen14. Puchta war sich mit Stahl also im Bekenntnis zu einer 'Wirklichkeit' einig, die nicht im 'Vernünftigen' aufging. Bloßer 'Rationalist" mochte er nicht sein.

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3. Erkenntnistheoretische Dimension der Systemfrage

Puchtas Systembemühungen haben damit von Anfang an das seit Kant heikle Spannungsverhältnis zwischen Begriff und Wirklichkeit im Blick gehabt. Bethmann-Hollweg brachte 1840 das Problem auf den Punkt, vor dem seit Kants Erkenntniskritik jeder Versuch stand, das positive, also wirkliche Recht als System zu begreifen.

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"Ist...[sc. die Darstellung des inneren Zusammenhangs] in der Jurisprudenz möglich? Verträgt ihr Stoff eine solche rationelle Behandlung, wie sie der Mathematik und den speculativen Wissenschaften eigen ist? Das Naturrecht oder die Rechtsphilosophie unzweifelhaft, eben als speculative Wissenschaft. Aber auch die positive Jurisprudenz ungeachtet ihres aus der Erfahrung entlehnten Stoffes"15?

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Stahls Angriffe gegen Puchta hatten genau hier Defizite zu finden geglaubt. Während Puchta den Inhalt des Systems aus der Wirklichkeit nehme, suche er den "Zusammenhang desselben a priori ... in leeren Abstraktionen"16. Wollte man einen, so Stahl, "inhaltslosen Begriff" der Rechte17 konsequent in Rechtssätzen verwirklichen, die der Erfahrung entnommen waren, musste es für ihn zu einem Auseinanderreißen zwischen Form und Stoff kommen. Zwei Irrtümer waren alternativ die Folge. Entweder bildete man unter Brechung der Empirie wirklichkeitsferne Systeme. Oder - und das war es, was Stahl Puchta vorhielt - man konnte seinen Vorsatz angesichts der eben nicht logisch-deduktiven Zusammenhänge im Recht schlicht nicht durchhalten. Stahl hielt Puchta die Unfähigkeit vor, "seiner eigenen Anforderung logischer Übereinstimmung treu" zu bleiben18. Genüsslich hielt Stahl Puchta Ordnungsbegriffe in dessen System entgegen, die nicht aus dem Rechtsbegriff ableitbar waren: "Erwerb, Verlust, Ausübung, Abtretung, Subjekt, Objekt":

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"Ein so buntes Gemisch von Scheidungsprincipien, das nicht in einem höhern Princip begründet ist, wird doch wohl nicht als eine logisch haltbare Anordnung gelten dürfen!"19

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Für Stahl war das Recht organisch, also durchaus strukturiert. Es war jedoch nicht logisch, also kein Verhältnis von Grund und Folge, sondern eben allumfassend verwoben und verwandt20.

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4. Überprüfung der Vorwürfe Stahls in Puchtas Systemprogramm aus dem Jahr 1829

Puchta hatte diese, von Savigny 1814 so wirkungsreich vorgegebene21 Eigenschaft des Rechts als Organismus freilich nie geleugnet. Bitter beschwerte er sich 1835 bei Savigny über die ihm unterstellte Naivität. Stahls Vorwurf, in seinem an einem obersten Grundsatz ausgerichteten System die Natur des Rechts verkannt zu haben, war ihm ein ganz "abgedroschene[r] Gedanke"22. Bereits 1829 hatte Puchta ein Spannungsverhältnis zwischen der organischen Eigenstruktur des Rechts und seiner systematischen Darstellung hervorgehoben.

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"In einem organischen Ganzen stehen alle Glieder in Wechselwirkung auf einander, je systematischer nun ein Recht ist, desto mehr muß dasselbe bey allen Rechtsverhältnissen der Fall seyn. Wer sich mithin in der Anordnung der Darstellung diesem Motive hingiebt, der giebt in demselben Augenblick auch eigentlich den Vorsatz, seine Darstellung zu ordnen auf".

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Er machte dies an einem Beispiel deutlich:
"Die Ehe z. B. gehört allerdings in die Lehre vom Eigenthum, von den Servituten, vom Pfandrecht, von den Obligationen, von der Verwandtschaft, von der väterlichen Gewalt, vom Erbrecht, denn in allen diesen Lehren muß von der Ehe die Rede seyn. Aber eine ganz andere Frage ist die: wohin sie selbst, als ein eignes, selbständiges Rechtsverhältniß gehöre?"23

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Das Recht in seiner wirklichen, organischen Struktur darzustellen, lief für Puchta darauf hinaus, dass man Alles mit Allem verknüpfte und auf hierarchische Beziehungen im Recht verzichtete. Damit war Puchtas Hauptziel nicht zu erreichen, die "Herrschaft über den Stoff"24. Beherrschen konnte man seines Erachtens die Masse der Rechtssätze nur durch ein hierarchisches, unter einem obersten Grundsatz geordnetes System. Puchta blieb ablehnend "gegen eine Anordnung (sofern sie sich als eine wissenschaftliche ausgiebt) welcher kein Princip zu Grunde liegt"25. Mit dieser Forderung lag Puchta wissenschaftstheoretisch durchaus auf der Ebene der Logiken seiner Zeit26. Kant selbst hatte in seiner transzendentalen Methodenlehre als System die "Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee" bezeichnet27. Die für Schelling und Hegel prägenden Diskussionen der Frühromantiker um Reinhold, Niethammer und Jacobi hatten, bei allem Unterschied in der Durchführung, am Erfordernis eines obersten Grundsatzes festgehalten28.

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Für dieses Festhalten am obersten Grundsatz musste Puchta angesichts des empirischen Stoffs jedoch den von Stahl benannten Preis zahlen. Darüber, dass sich das gesamte Recht nicht ohne Gewalt unter einen obersten Grundsatz zwingen ließ, machte sich Puchta keine Illusionen. Er differenzierte zu diesem Zwecke 1829 zwischen sog. "Grundverschiedenheiten", die logisch aus dem obersten Grundsatz folgten, und anderen Verschiedenheiten29. Er gestand ein, in seiner systematischen Arbeit immer wieder an einem Punkt zu stehen, wo eine Verschiedenheit der Rechte durch andere hereinlaufende Ursachen erzeugt werde, also eine Verschiedenheit vorliege, welche keine Grundverschiedenheit sei30. Hierzu ein Beispiel Puchtas: Die Unterwerfung einer Sache unter den Willen eines Individuums schaffe ein Sachenrecht. Diese Unterwerfung könne vollständig sein, Eigentum, oder partiell, als Recht an einer Sache. Diese Rechte an einer Sache konnten Unterwerfung von der Seite ihrer Benutzung, als Dienstbarkeiten, oder ihres Verkaufswerts, als Pfandrecht, sein. Die weiteren Unterteilungen, etwa der Unterschied zwischen Emphyteuse und Superficies, waren keine Grundverschiedenheit mehr, sondern folgten aus "andre[n] Quellen weiterer Untersuchung" 31.

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System war also Darstellung des positiven Rechts unter einem vom Betrachter gewählten Prinzip. Ein System konnte damit nie Abbildung des Rechtsorganismus, sondern nur seine Darstellung sein. Es gab also nicht nur ein richtiges System. Jedes System folgte dem Plan, der Perspektive des Betrachters. Brieflich erläuterte er dies 1831 gegenüber Savigny:

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"Ich vergleiche die systematische Darstellung mit der Zeichnung eines plastischen Kunstwerks, die von verschiedenen Seiten möglich ist. Die verschiedenen Standpuncte haben relative Vorzüge voreinander, von einem Standpunct aus kann z. B. das Ganze und seine einzelnen Partien sich vollständiger darstellen, als von dem anderen, während ein anderer vielleicht wieder einen eigenthümlichen Vorzug hat, und für gewisse Zwecke diensam seyn kann, aber keine Auffassung u. Darstellung ist absolut die wahre oder falsche." 32

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Puchta ordnete das Rechtsganze nach dem Aspekt: Unterwerfung von Gegenständen unter den rechtlichen Willen. Gaius hatte einen anderen Blickwinkel verfolgt. Er ordnete nach der Entstehung und Beendigung der Rechte. Für Puchta war auch dies ein legitimes wissenschaftliches System33.

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Übereinstimmend maßen damit Puchta und Stahl dem Recht eine organische Eigenstruktur zu. Ihre Auffassungen über das Rechtssystem differierten also in anderer Hinsicht. Puchta versuchte, die Rechtssätze möglichst weitgehend aus seinem Rechtsbegriff abzuleiten. Dies gab feste Zusammenhänge, also Rechtssicherheit. Eben so wichtig war jedoch ein zweiter, politischer Aspekt. Puchta versuchte den Nachweis, dass das Privatrecht aus der Willensmacht des Individuums, mithin aus der Privatautonomie ableitbar war. Damit wurde der Mensch, nicht der Staat zum Ausgangspunkt des Privatrechts. Diese politische Dimension wurde von Zeitgenossen sehr deutlich wahrgenommen. August Wilhelm v. Schröter machte als Kenner beider Autoren 1840 deutlich, dass die Differenz zwischen Stahl und Puchta "in der Scheidung des Privatrechts von dem öffentlichen Recht viele Nahrung gefunden"34 habe. Worum es ging, macht ein Blick auf die konkurrierende Konzeption Stahls deutlich. Stahl forderte: "das System muß sich auf Thatsachen gründen: nicht auf logische Cathegorien"35. Während Puchta den Inhalt seines Rechtssystems aus Rechtssätzen, also vor allem den römischen Quellen in strenger Quellenarbeit zog, suchte Stahl hinter den Rechtsnormen in den Rechtsverhältnissen nach dem Recht. Dem Recht lagen für ihn "Tatsachencomplexe" zugrunde, die durch die "Einheit ihres erzeugenden Triebes ein unauflösliches Ganzes bilden"36. In diesen Trieben suchte er eine rechtsbildende Kraft, ein "inneres Streben", das "Telos", beim Pfandrecht etwa den "Trieb, Sicherung für den Gläubiger durch Vermögensobjekte zu gewähren"37. Sein System trat mit dem Anspruch an, das organisch strukturierte Recht in seiner Selbstorganisation abzubilden, also den in der Wirklichkeit gegebenen Sinn zu erkennen. Den Zugang zu dem "Handeln der Urkräfte" ermöglichte ihm ein Rückgriff auf die vorrationale Bildung des "unbefangenen Gemüts". Die Wissenschaft war damit auf existenzielle Erfahrungen verwiesen38. In Stahls intuitiven, anschauenden Zugang zur Wirklichkeit lag zugleich ein deutlich religiöser Aspekt. Stahl deutete die Rechtsverhältnisse als Ausdruck göttlicher Gestaltung, als offenbarte, gottgewollte Ordnung.

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Für Stahl entstammte das Privatrecht der Ordnung Gottes, grob gesprochen also dem öffentlichen Recht. Für Puchta entstammte das Recht dagegen vorstaatlich der Freiheit des Menschen.

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5. Stahls zweiter Band der Rechtsphilosophie von 1833 und Puchtas schwache philosophische Grundlage seines Systems

Diese politische Differenz war jedoch nur ein Teil der Streitpunkte. Der bereits benannte v. Schröter ließ denn auch keinen Zweifel daran, dass "die letzten Gründe der abweichenden Richtungen viel tiefer in ganz anderen Grundlagen zu suchen sind."39 - und diese Grundlagen verwiesen in die Philosophie.

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Stahl hatte bei Gott eine Letztbegründung gefunden und diese Letztbegründung in seiner Rechtsphilosophie umfangreich philosophisch abgesichert. Puchta hatte demgegenüber sein System zwar von der menschlichen Freiheit her aufgebaut, jedoch gerade nicht behauptet, damit zugleich die Frage der Rechtsentstehung geklärt zu haben. In der Frage der Rechtsentstehung folgte Puchta vielmehr Savigny, dessen "Bewußtsein des Volkes" er 1826 wirkungsvoll in "Volksgeist" umgetauft hatte40. Philosophisch war dies aber eine bloße Behauptung und gerade Stahls Rechtsphilosophie war angetreten, Licht in das Dunkel des Volksgeistes zu bringen41. Puchta sah durchaus, dass sein "Volksgeist" einem philosophischen Nachweis nicht genügte. Hierzu bedürfe es jedoch, so meinte er 1825, "einer tieferen philosophischen Untersuchung über die Bestimmung des Uranfangs der geistigen Dinge überhaupt". Zu diesem Zeitpunkt reichte ihm "die Erkenntnis des Zusammenhangs mit dem Volk überhaupt hin"42.

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Nach Erscheinen der Rechtsphilosophie Stahls gab Puchta diese Zurückhaltung in philosophischen Fragen auf. 1838 betonte er offen, man irre, wenn man glaube, "es sey ein anderes als ein philosophisches Element, worin das Charakteristische der gegenwärtigen Jurisprudenz" und namentlich der historischen Schule liege43. In doppelter Hinsicht war Puchta durch Stahl 1833 herausgefordert worden. Er musste erklären, wie sein Volksgeist sich zu Gott verhielt. Machte er Gott zum unmittelbaren Urheber der Rechtssätze, so musste er die bestehenden Rechtssätze an diesem Maßstab messen. Recht wurde Ausdruck göttlicher Herrschaft. Puchtas wissenschaftlicher Zugriff auf das Recht war damit gefährdet. Stahls Blick in die tatsächliche Ordnung als Emanation des göttlichen Willens orientierte sich nicht an realen Tatsachen, sondern an den hierin versteckten göttlichen Entscheidungen. Diese konnten nach Stahl nur glaubend, nicht mit den Mitteln der Vernunft erkannt werden. Dies war der schwankende Boden, der Bereich der "gränzenlosen Träume"44, die Puchta in Stahls Rechtsdenken fürchtete und kritisierte, denn: Über Glaubensdinge ließ sich wissenschaftlich-rational nicht streiten.

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Um dem zu entkommen, musste Puchta erstens das Recht als menschliches Erzeugnis deuten, ohne freilich - tiefreligiös wie er war - eine Anbindung an Gott aufzugeben. Zweitens musste er hierzu in der zeitgenössischen philosophischen Landschaft nun deutlich Anker werfen, da er nicht hoffen konnte, selbständig einen tragfähigen philosophischen Gesamtentwurf liefern zu können.

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Mit dieser Aufgabe veränderte sich auch der Anspruch von Puchtas Rechtssystem. Hatte er es zuvor offen als eine von möglichen Darstellungsweisen des Privatrecht erachtet, so versuchte er nun nachzuweisen, dass die Ableitung des Rechts aus der menschlichen Freiheit seiner Natur entspreche, sein Rechtssystem also am einzig wahren Rechtsbegriff ansetzte, dem der menschlichen Freiheit als "Keim des Rechts".

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III. Puchtas philosophische Vertiefungen 1837 - 1841 mittels Schellings Münchener Vorlesungen von 1828 bis 1834

1. Puchtas Betonung des logischen Schelling gegen Stahls antirationalen Schelling

Halt fand diese Neufundierung von Puchtas Rechtsystem in der in München vorgetragenen Philosophie von Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling. Heikel war schon im Ausgangspunkt, dass auch Stahl sich für seine Rechtsphilosophie auf Schellings Münchener Vorlesungen gestützt hatte. Pucha setzte mit seiner Kritik an Stahl denn auch bereits hier an. Er hielt ihm entgegen, Schellings Philosophie sei weit entfernt, Stahls "nebelhaften, verschwimmenden, pseudopoetischen, überschwänglichen Anschauungen das Wort zu reden"45. Sein Vorwurf lief also schlicht darauf hinaus, Stahl habe Schellings in München vorgetragene Philosophie nicht verstanden. Auch Puchta hörte seit 1828 eifrig Schellings Vorlesungen46. Stahls Kritik an den logischen Systemen fand er so bei Schelling nicht wieder. Savigny erläuterte er 1835:

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"Schellings Meinung ist dieß ... nicht, und vielleicht ist dieß gemeint, wenn er sagte: Stahl habe sich die Sache etwas zu leicht gemacht"47.

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2. Der 'Mystiker' Schelling als Zugangsproblem

Wie Schelling und Logik zusammengehen sollen, leuchtet nun freilich nicht unmittelbar ein. Schellings Spätphilosophie steht im Geruch des Irrationalen. Der späte Schelling ist als Mystiker, Anhänger Jacob Böhmes und der Kabbala nachgerade verschrien48. Dieses, etwa von Heidegger49 und Jaspers50 existenzialistisch ausgemalte Bild des späten Schelling läßt kaum einen Zugang zum logischen Systembauer Puchta zu. Die bereits durch Zeitgenossen51 immer wieder gebrachten Hinweise auf eine enge Anbindung Puchtas an Schelling bereiten der Forschung daher seit langem52 Probleme. Mit Blick auf den späten Schelling brachte Schönfeld bereits 1930 die Schwierigkeiten auf den Punkt: "Wenn wir die hervorragend begrifflich-systematische Art Puchtas bedenken, so wundern wir uns, daß er sich mehr an Schelling als an Hegel gebunden fühlte"53.

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Der mystische Schelling hat eigene Traditionen. Schelling hatte seit 1815 nichts mehr veröffentlicht. Die Herausgabe seiner nachgelassenen Werke erfolgte erst zwischen 1856 und 186154. Wer Schelling nicht hören konnte, war in den dreißiger und vierziger Jahren auf Dritte verwiesen. Stahls Behauptung, aus diesen Vorlesungen zu schöpfen, konnte daher auf großes Interesse hoffen. Besonders Schellings Kritiker fanden in der bei Stahl deutlich werdenden antirationalen Tendenz viel Munition. Für Ludwig Feuerbach war 1835 nach Lektüre des zweiten Bandes von Stahls Rechtsphilosophie Schellings positive Philosophie als "die schwachsinnigste Mystik von der Welt" entlarvt55. Schnell verfestigte sich ein Bild: Schelling, so Heine, "erlosch im Kopf die Vernunft"56.

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Die seit etwa 15 Jahren zunehmend edierten Vorlesungsmitschriften aus der Münchener Periode haben in der jüngeren Schelling-Forschung zu einer Revision des 'Mystiker-Bildes' geführt. Besonders Stahls Rechtsphilosophie muss sich insofern Kritik gefallen lassen. Sie sei zu einer "bisher unversiegten Quelle von Mißverständnissen"57 geworden, meinte jüngst Walter E. Ehrhardt. Es lohnt sich also, Puchtas Replik gegen Stahl ernst zu nehmen und ohne fertiges Schelling-Bild Puchtas rechtsphilosophische Erwägungen mit Schellings Münchener Vorlesungen in ein Gespräch zu bringen.

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3. Schellings dürftige Äußerungen zum Recht als Zugangsproblem

Als ein Zugangshindernis für das Verhältnis Puchtas zu Schelling, erwies sich neben dem Bild des Mystikers Schelling auch die Tatsache, dass Schelling selbst sich vor seiner späteren Berliner Phase kaum mit dem Recht58 und schon gar nicht mit dem Privatrecht59 beschäftigte. Wie bisher weitgehend60 übersehen wurde, konnte sich Puchta gleichwohl gerade in Schellings Münchener Vorlesungen auch inhaltliche Anhaltspunkte für seine philosophische Grundlage holen. Als besonders ergiebig erwies sich Schellings Vorlesung über die Philosophie der Mythologie61, die Puchta 1828 hörte und in der Schelling als positive Philosophie die Entstehung und Entwicklung der verschiedenen Mythologien in den Völkern mit Blick auf ihren religiösen Gehalt untersuchte. Voller Begeisterung schrieb Puchta an Blume, mit der Bekanntmachung dieser Vorlesungen werde "eine neue Zeit für die Philosophie überhaupt beginnen", ja er lebe in der "frohen Hoffnung", dass damit "die in den Staub und Koth getretene, die zum Spielzeug für alte, und zum verderblichen Instrument für junge Kinder gewordene Philosophie wieder zu ihren Ehren, ja zu neuen Ehren" gelangen werde62.

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4. System als Zusammenspiel von positiver und negativer Philosophie

Wie Puchta Schelling zur philosophischen Fundierung seines Rechtssystems nutzen wollte, machte seine 1841 erschienene Enzyklopädie deutlich.

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Stahl hatte Schellings Kritik an Hegel zum Ausgangspunkt seiner Rechtsphilosophie genommen. Schelling hatte Hegel in München vielbeachtet wegen seines obersten Begriffs als Rationalisten kritisiert: "es läßt sich nimmermehr einsehen, wie es möglich sei, aus dem bloßen Begriff einen Übergang in die Natur wirklich zu finden"63. Stahl folgerte nun daraus, dass Systeme, die einen wirklichen Gegenstand wie das Recht betrachteten, niemals von einem obersten Grundsatz ausgehen dürften. Dies hatte Schelling jedoch keineswegs vertreten. Bereits 1827 hatte er klargestellt: "Den logischen Systemen mangelt nur das Positive, sie sind daher keineswegs durchaus falsch, sondern eben nur mangelhaft ... Jene logischen Systeme werden erst falsch, wenn sie das Positive ausschließen und sich selbst dafür ausgeben". Es ging also nicht um ein "anderes, sondern ein Mehr"64, und nur dies bezweckte Schellings in München vorgetragenes Zusammenspiel zwischen positiver und negativer Philosophie. Negative Philosophie versuchte das Endliche einerseits zu einem obersten Prinzip hin aufsteigend zu induzieren und andererseits von diesem herab als Implikat des obersten Prinzips zu erweisen65. Diese Deckung zwischen Prinzip und Stoff wurde durch Schellings positive Philosophie ergänzt, die versuchte, das oberste Prinzip in der geschichtlichen Entfaltung seiner Momente historisch nachzuweisen. Positive Philosophie war daher auch "historische Philosophie"66. Sie realisierte Schellings Einsicht in den absoluten Vorrang des Seins und arbeitete folglich "a posteriori"67.

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Genau dieses Zusammenspiel nahm Puchta nun, 1841, als Grundlage seines Rechtssystems auf. Bereits 1831 taucht diese Perspektive brieflich bei Puchta erstmals auf: "Meiner Meinung nach hat eine Philosophie des Rechts nur zwey Gegenstände 1) die ursprüngliche Entstehung des Rechts 2) die Geschichte seines Begriffs im ganzen Menschengeschlecht"68. Die Philosophie des Rechts war also Absicherung des Systems der Rechte durch positive, historische Philosophie im Sinne Schellings. Übereinstimmend untersuchte Puchta dann in den §§ 1 - 9 der "philosophischen Grundlage" seiner Enzyklopädie von 1841 diese beiden Punkte. Puchta versuchte also auf zwei Wegen, sein Rechtssystem abzusichern. Mit der Frage nach der ursprünglichen Entstehung des Rechts wurde sein Volksgeist, also die ursprüngliche Rechtsentstehung beleuchtet. Recht entstand nun nicht mehr einfach irgendwie von selbst, sondern konkreter durch menschliche Freiheit, menschliche Freiheit war für Puchta "Keim des Rechts.

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Mit der zweiten Frage, nach der Geschichte dieses Rechtsbegriffs im ganzen Menschengeschlecht, wurde nun nach dem Entwicklungsgesetz, dem das Recht folgte, gefragt. Puchta benannte als Prinzip der Selbstbewegung des Rechts die Gleichheit. Recht entstand also durch menschliche Freiheit und entwickelte sich unter dem Einfluss der Gleichheit, ohne diese Freiheit freilich aufzuheben.

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Es war damit ein Blick in die Geschichte, mit Schelling positive Philosophie, durch die Puchta versuchte, sein aus seinem Rechtsbegriff abgeleitetes Rechtssystem, mit Schelling negative Philosophie, philosophisch letztzubegründen. Es ergaben sich lange Gedankenketten, bei denen sich Puchta durchweg der unerhörten Anstrengung unterzog, von der höchsten Abstraktionsebene bis zum kleinsten Rechtssatz Zusammenhänge herauszuarbeiten.

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5. Freiheit als "Keim des Rechts"

Daneben stand eine zweite Perspektive, die nach der 'ursprünglichen Entstehung des Rechts' fragte. Hier wurde der Volksgeist auf sein Verhältnis zu Gott befragt. Puchta betonte, dass Stahl die Frage, "wie Christus und das Recht zusammenkommen"69 nicht beantwortet habe. Für die Frage nach der Entstehung des Rechts hatte Schelling in der benannten Mythologievorlesung einen wichtigen Hinweis gegeben, indem er auf die Parallele zwischen der Entstehung der Mythologie und der des Rechts hinwies: "Auf gleiche Weise [wie die Mythologie] werden die Gesetze vom Volk im Fortgang seines Lebens erzeugt"70. Puchta nahm diesen Hinweis auf. Schelling hatte die Mythologie als natürliche Religion von der Offenbarung als übernatürlicher abgegrenzt. Während die Offenbarung freie Tat Gottes war, entstand die Mythologie im Menschen. Sie war Teil eines auf Gott zulaufenden Prozesses, wurde aber zugleich vom Menschen, nicht von Gott gesetzt71. Puchta kam es auf diese Parallele besonders an. Er betonte nun, Recht sei "für die Menschen, welche der Erkenntnis seines Ursprungs noch nicht entfremdet sind, ein Theil der [natürlichen] Religion"72. Es gelange in "das menschliche Bewußtseyn ... auf dem natürlichen Weg eines eingeborenen Sinnes oder Triebes"73.

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Als natürlicher Prozess war das Recht damit nur indirekt göttlicher Steuerung unterworfen. In Schellings Worten: "Das Göttliche ist daher der Mythologie nicht ganz entfremdet, wenn auch nicht die Gottheit als solche darin ist"74. Für das Recht betonte Puchta, der "natürliche Weg" der Rechtsentstehung sei derjenige, "bey welcher der eigentliche Schöpfer sich verbirgt, und das Recht als eine Schöpfung des menschlichen Geistes erscheinen, ja es in seiner weiteren Entwicklung und Ausbildung eine menschliche Hervorbringung nicht bloß scheinen, sondern werden läßt"75. Das Recht wurde damit vom Menschen erzeugt, ohne seines göttlichen Ursprungs verlustig zu gehen:

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"Wollte Jemand meinen, gegen diese Ansicht den göttlichen Ursprung des Rechts vertheidigen zu müssen, der würde sie mißverstehen.... Wir stellen nicht in Frage, daß das Recht von Gott ist, dieß wäre eine Erniedrigung des Rechts. Die Frage ist nur, wie Gott das Recht hervorbringt. Wir behaupten dadurch, daß er die Recht erzeugende Kraft in die Natur der Völker gelegt hat"76.

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Wie brachten die Völker und Individuen nun das Recht hervor? Auch dies beantwortete Puchta ganz im Sinne Schellings. Recht entstand durch freie Tat, sei es durch das Volksganze beim Gewohnheitsrecht, durch Juristen beim Juristengewohnheitsrecht oder durch den Gesetzgeber. Menschliche Freiheit war "Keim des Rechts"77. Damit vollzog Puchta einen zentralen Gedanken Schellings nach. Schellings positive Philosophie interpretierte das geschichtlich-positive durchweg als Ausfluss menschlicher oder göttlicher Freiheit: "Positive Philosophie ... nenne ich diejenige, die bei Erklärung der Welt etwas Positives, Willen, Freiheit, Tat" annimmt"78.

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Um die menschliche Freiheit selbst positiv, also geschichtlich, abzusichern, nahmen Puchta und Schelling Rückgriff auf die Genesis, für beide die "älteste Urkunde, die wir besitzen"79. Der Sündenfall, als Abfall von Gott, hatte bewiesen, dass der Mensch eine Freiheit besaß, die er gegen Gott wenden konnte. Während Kants Freiheit den Menschen wesentlich zum Guten hin orientierte80, war Schellings und Puchtas Freiheit radikaler eine Freiheit zum Guten und zum Bösen81, für oder wider Gott. Dies war die freie oder geschichtliche Seite des Rechts82.

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Mit dieser Grundlage hatte sich Puchta zunächst von Stahls theokratischem Rechtsverständnis befreit. Dies hatte in seiner Rechtsquellenlehre unmittelbare Folgen: Wenn Rechtssätze nicht gerade gegen unverzichtbare göttliche Gebote, etwa den Dekalog83 verstießen, galten sie, auch wenn sie sonstigen religiösem Vorgaben widersprachen. Puchta musste nicht Trieben in der Wirklichkeit auf der Suche nach Gottes Willen nachspüren. Recht galt, in aller Regel, weil es kraft menschlicher Freiheit gesetzt war.

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Konkret bedeutete dies im gemeinen Privatrecht, welches ja im Deutschland der 1830er Jahre eines einheitlichen Gesetzgebers entbehrte, eine starke Stellung des römischen Rechts, weil Puchta auch Justinians Corpus Juris, soweit es rezipiert war, "unmittelbare Gesetzeskraft"84 zusprach. Der quellentreue Zug, den Puchtas Wissenschaft damit bekam, wurde durch eine bindungsorientierte Auslegungslehre flankiert. In der Arbeit mit den römischen Quellen ging es streng darum, Justinians Willen zu rekonstruieren, ganz wie es Puchta die zeitgenössische Hermeneutik85 lehrte: "Das oberste Princip der Interpretation ist: das Gesetz ist der ausgesprochene Wille des Gesetzgebers"86. Sollte ein von Justinian zum Gesetz erhobener Satz nicht mehr gelten, so musste ein derogierender späterer Satz Gesetzes- oder Gewohnheitsrechts nachgewiesen werden87. Der Wissenschaft war gesetzesabändernde Kraft abgesprochen, die Aufhebung eines Gewohnheits- oder Gesetzesrechts durch ein Recht der Wissenschaft könne "der Natur der Sache nach nicht vorkommen"88.

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Die Freiheit des rechtsetzenden Volksgeistes lenkte also den Blick auf "das Entstandene selbst, das Recht also, nachdem es aus der dunklen Werkstätte, in der es bereitet wurde, hervorgetreten und wirklich geworden ist"89. Rechtssätze galten in aller Regel, weil sie als solche zum Vorschein gekommen waren. Sie galten freilich nie völlig sicher, da die äußere Anerkennung eines Satzes nur Indiz war, der Volksgeist blieb dunkel. Dennoch hatte Puchtas Rechtslehre damit einen, wenn man so will, positivistischen Zug hin zum antiken römischen Recht. Diese Entscheidung Puchtas für eine starke Stellung des antiken Rechts folgte nicht zwingend aus Schellings Philosophie, sondern hatte andere Gegenbilder im Auge. Puchta Zeitgenossen neigten dazu, auf gefühlsmäßige Wertungen für die Frage zu verweisen, welcher Rechtssatz gelten sollte. Nicht nur Stahl suchte in den "Trieben" der Wirklichkeit nach dem Recht. Ähnlich forderte Beseler den "unbefangenen, verständigen Sinn, den ungetrübten natürlichen Blick, den Eifer für das Wirkliche und Wahre"90. Kierulff setzte dem positiven schlicht das "wirkliche Recht"91 entgegen. In diesen Versuchen witterte Puchta "reine Willkühr"92, ein Erheben "vergnüglich in das Blaue"93, die "vollkommene Unbestimmtheit und Unsicherheit"94.

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Puchtas Grundentscheidung für einen recht weitgehenden Fortbestand der im antiken Recht verbrieften Gerechtigkeitsgewähr blieb nicht ohne Nachteile. Puchtas System bekam im Vergleich zu Savigny ein eher konservatives Gepräge, es findet sich ein häufiges Festhalten an veralteten Rechtssätzen, was ihm zu Recht von Kennern seiner Werke wie Bruns95, Rudorff96 oder Jhering97 auch vorgeworfen wurde.

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6. "Entfaltung des Rechtsbegriffs in der Geschichte"

Puchtas Rechtsbegriff war damit mit Schelling über die Genesis abgesichert, und zugleich war das Privatrecht auch philosophisch von Gottes Herrschaft emanzipiert. In den §§ 8 und 9 seiner Enzyklopädie versuchte er nun die "Entfaltung des Rechtsbegriffs in der Geschichte" als Ausfluss der menschlichen Freiheit zu deuten. Untersucht wurde damit die geschichtliche Entwicklung des heutigen Rechts aus der menschlichen Freiheit. In Schellings Sinne betrieb Puchta damit positive Philosophie. Auch hier begründete Puchta nun sein Rechtssystem philosophisch, indem er die Eigenstruktur des Rechts, die er zuvor mit Savigny und Stahl pauschal als "organisch" bezeichnet hatte, einer Absicherung durch positive Philosophie im Sinne Schellings zuführte. Erneut war sein Blick dabei auf Schellings Mythologievorlesungen gerichtet. Schelling deutete in München die Entwicklung der Religion als Prozeß, der von der Mythologie zur Offenbarung und schließlich zum Ideal der philosophischen Religion als Rückkehr zu Gott hinauslief98. Die Mythologie, die Puchtas Blick auf sich zog, lief also auf Gott zu. Dennoch entstand sie im menschlichen Bewusstsein, zwar nicht durch die bewusste Entscheidung eines Individuums, aber doch durch freie Setzung des Volksganzen. In diesem Prozeß kämpften wie in der Natur gegenläufige Momente miteinander, er vollzog sich in Stufen, also Potenzen, und blieb bei allen Schleifen insgesamt auf Gott hin gerichtet99.

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Ganz ähnlich beschrieb nun Puchta die Entfaltung des Rechtsbegriffs. Um dem Rechtsorganismus Geschichte, also Dynamik und Entwicklung zu ermöglichen, musste Puchta der menschlichen Freiheit als "Keim des Rechts" Entscheidungsmöglichkeiten geben, deren Widerstreit miteinander im menschlichen Geist die Entwicklung vorantrieb. Puchta benannte nun das Gute und das Böse speziell für das Recht. Im menschlichen Geist lägen als Entscheidungsmöglichkeiten des Menschen eine natürliche, böse, und eine göttliche, gute Seite vor. Die natürliche Seite sei das Individuelle, Vereinzelte, der Egoismus der Menschen, Neid, Missgunst und Hass100. Die göttliche Seite, das Gute, sei auf das Recht bezogen der "Sinn des Rechts"101. Dieser fordere die Herrschaft der Gleichheit über das Ungleiche, Individuelle. Der Mensch und auch ganze Völker konnten nach Puchtas Konzeption im Einzelfall aus Freiheit gegen den Sinn des Rechts entscheiden. Letztlich, so die optimistische Prognose Schellings und Puchtas, lief der natürliche Prozess jedoch auf eine Durchsetzung des göttlichen Willens hinaus. Das Recht erlebte im Gang der Potenzen, durch "stufenweises Abstreifen der ihn deckenden und trübenden Hüllen"102 also eine Bildungsgeschichte103, es wurde gleicher. Der "Zug des Rechts nach einer Gleichheit"104 ließ Puchta von einem Recht schwärmen, welches "in der Succession der Völker ... zugleich der ganzen Menschheit" gehören sollte105.

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7. Bedeutung für Puchtas System der Rechte

Was bedeutete dies für Puchtas Rechtssystem? Die Aufgabe des Rechts, die Ungleichheit durch Gleichheit zu beherrschen, hatte einen, wenn man so will, materialen und einen formalen Flügel.

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Material gewendet, forderte der Sinn des Rechts die Anerkennung aller anderen Individuen als gleichermaßen frei und Willenssubjekt. Das Recht hatte damit die Aufgabe, die Individuen insofern als gleich zu behandeln, als sie alle das Recht haben sollten, sich Gegenstände auf rechtlichem Wege zu unterwerfen. Alle waren im Privatrecht gleichermaßen rechtsfähig und Person106. Die Gleichheit des freien Willens, der rechtlichen Eigenschaft als Person wurde durch Puchtas Beschreibung der Bildungsgeschichte des Rechts geschichtlich, im Sinne Schellings also positiv, abgesichert.

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Zur formalen Seite des Gleichheitsbegriffs.
Das Recht hatte die Aufgabe, die individuellen Ungleichheiten der Menschen dadurch zu beherrschen, dass gemeinsame, gleiche Merkmale betont wurden:
"Die Vielseitigkeit des menschlichen Wesens wird im Recht zu dem farblosen Begriff der Person verflüchtigt, es läßt den Reichthum der äußeren Natur zu dem gleichmachenden Begriff der Sache einschwinden, und für den gesammten, unendlich mannigfaltigen Verkehr der Menschen reichen ihm die Begriffe Forderung und Verbindlichkeit"107.

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Die einzelnen Rechtssätze sollten die "natürlichen Ungleichheiten der Menschen und Verhältnisse"108 beherrschen. Die Rechtssätze wurden ihrerseits anhand gleicher Merkmale in Gruppen zu Rechtsinstituten zusammengefasst. An diesen wiederum war gleich, dass sie alle die Unterwerfung von Gegenständen unter den menschlichen Willen thematisierten. Bis zu Puchtas Rechtsbegriff sollte das Recht somit durch Gleichheit beherrscht werden. Deutlicher hatte Puchta dies 1838 noch als "Abstraction" bezeichnet109. Damit bildeten sich aufsteigend Begriffshierarchien, also genau das, was für Stahl einem organischen Rechtssystem widersprach. Für Puchta war dagegen die Herrschaft der Gleichheit nunmehr gerade das Prinzip des Rechtsorganismus110. Da es dem gottgegebenen Sinn des Rechts entsprach und durch positive Philosophie begründet war, hatte auch die Arbeit des logischen Systematikers ein philosophisches Fundament erhalten.

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8. Puchtas System der Rechte als neu konzipiertes Zusammenspiel von Freiheit und Notwendigkeit (ab 1837)

Die einzelnen Rechtssätze entstanden somit frei, sie sollten aber durch die Herausstellung gleicher Merkmale beherrscht werden. Rechtswissenschaft leistete damit ihren Beitrag, um der Herrschaft der Gleichheit im Privatrecht zum Durchbruch zu helfen. Freilich behauptete Puchta auch jetzt nie, dass das Recht gleich sei, also systematisch gesprochen, sich in Begriffshierarchien erschöpfe. Das Bild von Larenz hat mit Puchtas Systemverständnis nichts zu tun. Das Recht war nicht gleich. Dies galt noch stärker als für das antike römische Recht für das gemeine Recht, welches Puchta in seinen Pandekten systematisierte. Dieses Recht war, so stellte er wiederholt heraus, voller Fehlentwicklungen, Irrtümer und Missverständnisse. Der Stoff blieb also ein Stück weit kontingent, der Volksgeist dunkle Werkstätte. Dennoch war es Aufgabe des Rechtswissenschaftlers, in der Wirklichkeit nach Vernünftigem zu suchen. Nochmals vollzog Puchta damit Überlegungen nach, die Schelling in München beschäftigt hatten. In philosophischer Perspektive stand Puchta vor dem identitätsphilosophischen Grundproblem. Gab es eine Einheit von Notwendigkeit und Freiheit im System? In München legte Schelling eine Lösung dieser Frage vor, die ihn 1809 in der Freiheitsschrift erstmals umgetrieben hatte, der Frage nämlich, ob "der Begriff der Freiheit mit dem System überhaupt unverträglich sei" 111. Nochmals tritt damit die antirationale Interpretation Schellings durch Stahl in den Blick. Stahl folgerte aus der Tatsache, dass Schelling der Vernunft einen apriorischen Zugang zur Wirklichkeit verwehrte, dass man den göttlichen Ordnungen ihre Triebe ablauschen müsse, um Zusammenhänge zu erkennen. Schellings selber trat dieser Interpretation 1837 in München vom Katheder scharf entgegen. Nach Stahls Darstellung seiner Lehre, sehe es so aus, als ob es nach Schelling "mit allem Vernunftsreiche ganz aus wäre." Einem "unwissenschaftlichen Glauben" huldige er in der Philosophie jedoch keineswegs.

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"Ich ehre allen wahren Glauben, aber wenn man Glauben will, braucht man nicht zu philosophieren; und es ist widersinnig, in die Philosophie den Glauben einzumischen; gerade darum philosophiert man, weil man mit dem bloßen Glauben sich nicht begnügen will". Philosophie könne wie Wissenschaft überhaupt also keineswegs "des Rationalismus entbehren", denn "was kann es höheres geben als Überzeugung" 112?

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Schellings in München vorgeführtes Verfahren propagierte kein irrational-einfühlendes Erkennen. Mythologie war lediglich der positive Gegenstand seiner Vorlesungen, er sprach keinem mystischen Erkenntnismodell das Wort113. Konkret rationalisierte Schelling in seinen Vorlesungen die Wirklichkeit. Durchweg suchte er nach rationalen Erklärungen der Erfahrung, die er gleichwohl als Produkt freier Entscheidung interpretierte. Er stellte bei dieser Rationalisierung den absoluten Vorrang des Seins, der frei gesetzten Tat, als Gegenstand der Erkenntnis nicht in Frage. Eine Veränderung der Wirklichkeit war nicht beabsichtigt. Während Hegel forderte "Vernunft soll sein", und damit die Wirklichkeit einem letztlich aufklärerischen Maßstab unterwarf, versuchte Schelling lediglich das unabänderbar Faktische als vernünftig zu begreifen. Jede Tat, als Ausdruck freier Entscheidung, setzte für Schelling zu entschlüsselnde Kausalverläufe in Gang, die so lange Bestand hatten, als nicht ein neu gesetztes Faktum den Kausalverlauf unterbrach.

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Puchta nahm auch diese Gedanken auf. In seinen Vorlesungen hob er hervor:
"Die Entstehung des Rechts durch den unmittelbaren Willen der Nation und den Gesetzgeber ist eine freie; was sie hervorbringen, unterliegt im Einzelnen keiner eine bestimmte Linie vorschreibenden Nothwendigkeit ... Im Ganzen [aber] besteht auch für sie eine gewisse Schranke in der vernünftigen Natur des Rechts; das Recht ist etwas Vernünftiges, in seiner Entwicklung einer logischen Nothwendigkeit unterliegendes. Wenn z. B. der Gesetzgeber das Eigenthum anerkennt, so anerkennt er damit nothwendig auch die verschiedenen Consequenzen aus dieser seiner Natur, wonach es z. B. in seiner Wirkung eine ganz andere Beschaffenheit hat, als die Obligatio"114.

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Puchta band das Recht somit an die von ihm selbst gesetzte Konsequenz. Die Wirklichkeit wurde mit der Vernunft in Einklang gebracht und damit kausal, "nothwendig" gedacht. Systematisches Rechtsdenken war dem Menschen also unvermeidlich aufgegeben, denn: "Der Geist, welcher sich der Vernunft entschlägt, ist Wahnsinn"115. Die Bindung der Rechtssätze an die von ihnen ausgehende Konsequenz lies jedoch die Freiheit der Rechtsentstehung unberührt116. Der Volksgeist blieb 'dunkle Werkstätte'. Die 'Gleichheit' suchte die 'Ungleichheit' des Individuellen zu beherrschen, ohne sie aufzuheben. Im Spannungsgefüge zwischen der geschichtlich-freien und der vernünftig-logischen Seite des Rechts baute Puchta ein Pandektensystem, welches diesen Prämissen zufolge immer in Bewegung zu sein hatte. Induktiv bildete er aus den Rechtssätzen Rechtsinstitute. Falls möglich faßte er diese unter einem Begriff zusammen. Die Wirkungszusammenhänge innerhalb der Rechtsinstitute und zwischen ihnen führte er auf Prinzipien zurück. Rechtsinstitut, Begriff und Prinzip waren beständig an dem geschichtlich-freien Recht zu überprüfen.

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Im Ergebnis hielt Puchta damit an der bereits 1829 erarbeiteten Grundstruktur seines Systems der Rechte fest. Das tragende Gerüst blieben fünf Gegenstände der Unterwerfung. Jeder dieser Begriffe musste sich an den gegebenen Rechtssätzen messen lassen. 1829 hatte Puchta zunächst vollmundig behauptet, dass "nur jene fünf Gegenstände existieren"117. Vorsichtiger hatte er freilich hinzugefügt: "Daß es nicht mehr giebt, wird niemand bestreiten; in jedem Fall kann ich es auf den Versuch ankommen lassen, wenn jemand Lust haben sollte, auf weitere Entdeckungen auszugehen"118.

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1846 stellte er noch deutlicher heraus, dass der "Gesetzgeber das Eigenthum als unmittelbare Herrschaft über eine Sache anerkannt"119 habe, und dass die Eigenschaft des Pfandrechts als ius in re vor allem auch daraus resultiere, dass es "keinen einzigen entschieden gültigen Rechtssatz [gebe], der unverträglich"120 damit sei.

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Puchtas Versuch, das frei-historische Recht auf feste Strukturmerkmale zurückzuführen und den Zusammenhang zwischen Prinzip und Prinzipiiertem herauszuarbeiten, blieb nicht ohne Spannungen. Um Rechtssätze zu verarbeiten, die sich diesen Ableitungszusammenhängen entzogen, nahm Puchta ab 1837 ganze Rechtssatzgruppen aus dem Systemzusammenhang als sog. Juristengewohnheitsrecht heraus121. Form- und Fristfragen oder auch ganze Rechtsinstitute wie das Testamentsrecht, so seine Beispiele122, konnten nicht "aus inneren Gründen deduciert werden" 123, waren also aus dem System heraus gar nicht zu begründen. Waren sie gesetzt, so wurden sie freilich ihrerseits erneut "Mutter von logischen Nothwendigkeiten"124. Schließlich betonte Puchta ab den dreißiger Jahren neben dem regelgeleiteten ius commune das traditionelle Ausnahmerecht, ius singulare125, als Zugeständnis an die "Unvollkommenheit menschlicher Dinge überhaupt, welche die vollständige Erreichung jener Idee des reinen Rechts, also die innere Vollendung des Rechts ausschließt"126.

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IV. Ergebnis

Zusammengefasst zeigt sich, dass Puchta in seinem Rechtssystem strenge Quellenarbeit und dennoch möglichst dichte systematische Verknüpfung des gefundenen Stoffs zu vereinbaren suchte. Im Ergebnis unterschied er sich doppelt von den meisten seiner Zeitgenossen, er war zugleich logischer und quellentreuer. Von den eingangs herausgestellten Thesen von Karl Larenz bleibt nicht viel. Erstens: Aus Puchtas oberstem Grundsatz folgte jedenfalls nach Puchtas methodischen Prämissen nichts, kein Rechtssatz durfte hierdurch verändert werden, wenn man so will: eher induktiver Positivist, als deduktiver Naturrechtler. Puchtas Rechtsbegriff hatte andere Aufgaben: Er grenzte das Privatrecht als autonomen Freiheitsraum vom Staat ab, Stichwort: Anerkennung der willensfreien Person. Und er diente einer Darstellung als System. Mehr nicht. Zweitens: Puchtas Freiheitsbegriff stammt von Schelling, nicht von Kant. Drittens: Auch in der Logik orientierte er sich an Schelling, nicht an Christian Wolff.

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Dass sich ein derartiges Zerrbild, welches schon oberflächlicher Überprüfung in Puchtas Werk kaum standhält, dennoch so lange und eindringlich in der Forschung festsetzen konnte, erklärt sich kaum aus Puchtas weitgehend klaren Äußerungen in der Systemfrage. Antworten hierauf muss man vielmehr in einem Bild suchen, unter dem Puchta, schon früh nicht mehr überprüft, begraben wurde, dem Bild der 'Begriffsjurisprudenz'. Puchta übernahm als 'Begriffsjurist' in wechselnden Debatten durchaus unterschiedliche argumentative Funktionen. Zugespitzt könnte man sagen: Lange Zeit war man froh, ihn als abschreckendes Gegenbild eigenen Konzeptionen nutzbar machen zu können, so dass eine streng historische Auseinandersetzung mit seinem Werk kaum versucht wurde. Bis heute blieb damit einer der vermeintlich bekanntesten Juristen des 19. Jahrhunderts ganz erstaunlich unbekannt.

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Fußnoten:

* Manuskript eines Vortrags, den ich in München, Bonn, Lüneburg und Zürich gehalten habe. Ich danke Peter Landau, MathiasSchmoeckel, JörgWolff und MarcelSenn für die Einladungen und den Diskutanten für viele wichtige Hinweise. Die Vortragsform wurde weitgehend beibehalten. Die Anmerkungen beschränken sich auf einige Hinweise. Im Übrigen verweise ich auf meine voraussichtlich Ende 2003 erscheinende Habilitationsschrift: Georg Friedrich Puchta und die 'Begriffsjurisprudenz'.

1Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Berlin 1960, S. 16 ff.; unverändert in der letzten von ihm besorgten 6. Ausgabe 1991, S. 19 ff.

2Puchta, Lehrbuch der Pandekten, Leipzig 1838, S. VII.

3Puchta, Betrachtungen über alte und neue Rechtssysteme, in: Rheinisches Museum 3, 1829, S. 115 ff.; abgedruckt in AdolphAugustFriedrichRudorff (Hg.), Georg Friedrich Puchta. Kleine zivilistische Schriften, Leipzig 1851, ND Aalen 1970, S. 221-238; ergänzend: Ders., Zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz? Beantwortet durch eine Classification der Rechte überhaupt, in: Rheinisches Museum 3, 1829, S. 289 ff., abgedruckt in: Kleine zivilistische Schriften, S. 239 ff.; zitiert werden jeweils die zivilistischen Schriften.

4 Zu den hier uninteressanten kleineren Abweichungen Haferkamp, Puchta, Teil 2 Kap. 5 II 4.

5Puchta, Zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz, 1829, S. 248.

6Puchta, a. a. O., ebda.

7Puchta, a. a. O., S. 252.

8GeorgArnoldHeise, Grundriss eines Systems des Gemeinen Civilrechts, Heidelberg 1807; hierzu AndreasBertalanSchwarz, Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, 1921, Wiederabdruck in: Ders., Rechtsgeschichte und Gegenwart. Gesammelte Schriften zur Neueren Privatrechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, Karlsruhe 1960, S. 1 ff.; LarsBjörne, Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, Ebelsbach 1984, S. 131 ff., 186 ff.; JoachimRückert, Heidelberg um 1804, oder: die erfolgreiche Modernisierung der Jurisprudenz durch Thibaut, Savigny, Heise, Martin, Zachariä u. a., in: FriedrichStrack, Heidelberg im säkularen Umbruch. Traditionsbewußtsein und Kulturpolitik um 1800, Stuttgart 1987, S. 83 ff.

9 Vgl. JohannBraun, Der Besitzrechtsstreit zwischen Friedrich Carl von Savigny und Eduard Gans, in: Quaderni Fiorentini 1980, S. 457 ff., Wiederabdruck in: Ders., Judentum, Jurisprudenz und Philosophie. Bilder aus dem Leben des Juristen Eduard Gans (1797-1839), Baden Baden 1997, S. 91 ff.; PaoloBecchi, Ein Fragment Hegels über Savigny. Zur Geschichte der Besitzlehre am Anfang des 19. Jahrhunderts, in: ZNR 13, 1991, S. 145 ff.

10FriedrichJuliusStahl, Philosophie des Rechts, Bd. II 1, Heidelberg 1833, S. 146 ff., 147.

11 Der Sammelbegriff ist unscharf und wird hier lediglich mit Blick auf die kantischen Anforderungen an ein wissenschaftliches System verwendet; zu den notwendigen Differenzierungen: JoachimRückert, Kant-Rezeption in juristischer und politischer Theorie (Naturrecht, Rechtsphilosophie, Staatslehre, Politik) des 19. Jahrhunderts, in: MartynP. Thompson, John Locke und Immanuel Kant. Historische Rezeption und gegenwärtige Relevanz, Berlin 1991, S. 144 ff., hier 198 f.

12 Vgl. die Nachweise bei JoachimRückert, August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie 1802-1880, Berlin 1974, S. 346 f.

13Puchta (anonym), Rez. C. F. Reinhardt, Die Lehre des römischen Rechts von der Verbindlichkeit im Allgemeinen und von der natürlichen Verbindlichkeit insbesondere, in: Erlanger Jahrbücher 7, 1828, S. 146 ff., 147.

14 Vor allem in Puchta, Rez. Eduard Gans: Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Teil 1, Berlin 1824, Teil 2, Berlin 1825, in: Erlanger Jahrbücher 1, 1826, S. 1 ff., zum äußeren Ablauf dieses Disputs JohannBraun, Gans und Puchta - Dokumente einer Feindschaft, in: JZ 1998, S. 763 ff.; zu den wissenschaftlichen Positionen Ders., Eduard Gans und die Wissenschaft von der Gesetzgebung, in: ZNR 1982, S. 156 ff., Wiederabdruck in: Ders., Judentum, Jurisprudenz und Philosophie. Bilder aus dem Leben des Juristen Eduard Gans (1797-1839) 1997, S. 124 ff.; JoachimRückert, Thibaut - Savigny - Gans: Der Streit zwischen "historischer" und "philosophischer" Rechtsschule, in: ReinhardBlänker, GerhardGöhler u. NorbertWaszek (Hgg.), Eduard Gans (1797-1839). Politischer Professor zwischen Restauration und Vormärz, Leipzig 2002, S. 247 ff.

15MoritzAugustv. Bethmann-Hollweg, Rez. Savigny, System, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1840, S. 1573 ff., 1578. Hollweg bejahte dies mit Verweis auf einen gegensatzaufhebenden obersten Grundsatz, so dass der letzte Satz bei ihm nicht in Frageform erscheint.

16Stahl, Philosophie des Rechts (Anm. 10), 1833, S. 147.

17Stahl, a. a. O., ebda.

18Stahl, a. a. O., S. 148.

19Stahl, a. a. O., S. 149 f.

20 Vgl. ChristianWiegand, Über Friedrich Julius Stahl (1801-1862), Paderborn 1981, S. 93 ff., 167 ff., 170.

21 Gemeint ist: Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Wissenschaft, Heidelberg 1814, zur Organologie Savignys JoachimRückert, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, Ebelsbach 1984, S. 331 ff. u. ö.

22 Brief an Savigny vom 4. 8. 1835, abgedruckt bei JoachimBohnert, Vierzehn Briefe Puchtas an Savigny, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. Philologisch-historische Klasse, Jahrgang 1979, Nr. 2, S. 24 ff., 28 f.

23Puchta, Betrachtungen (Anm. 3), 1829, S. 235.

24 Vgl. etwa Puchta, Rez. Savigny, System I und II, in: Kritische Jahrbücher für deutsche Rechtswissenschaft (=Richters Jahrbücher) 4, 1840, 674; Ders., Cursus der Institutionen, Bd. 1, Leipzig 1841, S. 465.

25 Brief an Savigny vom 26. 12. 1831, abgedruckt bei Bohnert, Vierzehn Briefe (Anm. 22), S. 21.

26 Auch rechtswissenschaftlich findet sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts 'System' und 'Princip' überall: vgl. die Analyse von Rückert, Heidelberg um 1804 (Anm. 8), S. 92 ff.

27Kant B 861, A 833.

28 Detaillierte Nachzeichnung dieses Diskussionsprozesses durch ManfredFrank, 'Unendliche Annäherung'. Die Anfänge der philosophischen Frühromantik, Frankfurt a. M. 1997.

29Puchta, Zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz (Anm. 3), 1829, S. 250; dies übersieht Björne, Deutsche Rechtssysteme (Anm. 8), 1984, S. 205, demzufolge Puchta behaupte, dass das innere System auch logisch einwandfrei sei.

30Puchta, a. a. O., S. 251.

31Puchta, a. a. O., ebda.

32Puchta an Savigny vom 26. 12. 1831, bei Bohnert, Vierzehn Briefe (Anm. 22), 1979, S. 20.

33Puchta, Von dem Verhältnis des Eigenthums zu den Servituten. Kritische Bemerkungen zu G. A. W. Duroi's Abhandlung über actio in rem und jus in re, in: RM 1, 1827, S. 286, S. 310; Ders., Betrachtungen (Anm. 3), 1829, S. 238.

34AugustWilhelmv. Schröter, Rezension Puchta, Pandekten, in: Kritische Jahrbücher für die gesamte Rechtswissenschaft, hg. von Aemilius Richter, 4 (1840), S. 289 ff., 294.

35Stahl, Philosophie des Rechts (Anm. 10), 1833, S. 151.

36Stahl, a. a. O., S. 146.

37Stahl, a. a. O., ebda.

38 Hierzu Wiegand, Stahl (Anm. 20), 1981, S. 93 ff., 167 ff., 170; auch darin sah Stahl sich Schellings Verfahren "intellektueller Anschauung" verpflichtet vgl. nur Stahl, Philosophie des Rechts, Bd. 1, Heidelberg 1830, S. 248 ff.

39v. Schröter, Rezension Puchta, Pandekten (Anm. 34), 1840, S. 294.

40 Also nicht erst, wie fast durchweg angenommen, 1828 in Band 1 des Gewohnheitsrechts, vgl. Puchta, Rez. Gans, Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Teil 1, Berlin 1824, Teil 2, Berlin 1825, in: Jahrbücher der gesamten deutschen juristischen Literatur, hg. von Schunck (= Erlanger Jahrbücher), Bd. 1, Erlangen 1826, S. 1 ff., 14 (Anhänger des Islam als ein Volksgeist, keine polemische Verwendung); dann Puchta, Rez. Zimmern, Geschichte des römischen Privatrechts bis Justinian, Bd. 1, in: Erlanger Jahrbücher 3, 1826, S. 295: "römischen Volksgeist"; dies hat, leider selten bemerkt, erstmals JoachimBohnert, Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975, S. 47 festgestellt; starke Differenzen zwischen Puchta und Savigny im Volksgeistbegriff sieht HorstHeinrichJakobs, Die Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft, Paderborn u. a. 1992, S. 120 ff., 160 ff., u. ö. Der Puchta von Jakobs unterstellte überpositive Gemeinschaftsvorrang findet sich an entscheidender Stelle, in dessen Rechtsquellenlehre, jedoch nicht. Sichtbar war nur 'das Entstandene selbst', der Volksgeist blieb 'dunkle Werkstätte' und - sieht man von einem 'ethischen Minimum' ab - frei von materialen Inhalten.

41 Vgl. Stahl, Vorrede zu Bd. 1 der Rechtsphilosophie (Anm. 38), 1830, S. VII ff. Er reagierte damit - wie Puchta - auf die Angriffe der Hegelianer gegen die "unphilosophischen" (Gans) Anhänger Savignys, vgl. hierzu bereits LeopoldAugustWarnkönig, Rechtsphilosophie als Naturlehre des Rechts, Freiburg i. Br. 1839, S. 161; ErnstLandsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft (= GDR), Bd. 3.2., München 1910, S. 355.

42Puchta, Encyclopaedie als Einleitung zu Institutionen - Vorlesungen, Leipzig und Berlin 1825, S. 18.

43Puchta, Lehrbuch der Pandekten (Anm. 2), 1838, S. VIII.

44Puchta, a. a. O., ebda.

45Puchta, a. a. O., S. VII f.

46Puchta hörte zwischen 1828 und 1829 bezeugt Schellings Philosophie der Mythologie und die (Urfassung der) Philosophie der Offenbarung; vgl. hierzu Puchtas Brief an Blume vom 10. 1. 1829, UB Bonn, S. 865; auch Schelling selbst bezeugte Puchtas Hörerschaft, vgl. Brief Schellings an Bunsen vom 12. 8. 1840, in: GustavLeopoldPlitt, Aus Schellings Leben. In Briefen, Bd. 3, Leipzig 1870, S. 157. Zur Reihenfolge der nicht immer mit dem Vorlesungsverzeichnis übereinstimmenden Vorlesungen Schellings in München vgl. die Zusammenstellung bei HansMichaelBaumgartner u. HaraldKorten, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, München 1996, S. 243 f.

47 Brief an Savigny vom 4. August 1835, bei Bohnert, Vierzehn Briefe (Anm. 22), S. 24 ff., 28 f.; Lesefehler "welchem" wurde nach Vergleichung des Originals berichtigt.

48 Vgl. WalterE. Ehrhardt, Zum Stand der Schelling-Forschung, in: HansJörgSandkühler, F. W. J. Schelling, Stuttgart 1998, S. 40 ff., 43 f.

49MartinHeidegger, Schellings Abhandlungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, in: Ders., Gesamtausgabe, Bd. 42, Frankfurt a. M. 1988.

50KarlJaspers, Schelling. Größe und Verhängnis, München 1955.

51 Starke Abhängigkeiten Puchtas gerade vom späten Schelling betonten etwa GeorgWilhelmWetzell, 2. Nachruf Puchta, in: Hubers Janus 1846, S. 337 ff., Wiederabdruck in: Kleine zivilistische Schriften (Anm.3), S. XIX ff., XLVII ("Schüler Schellings"); Pf. (Ludwig Karl Heinrich Frhr. von der Pfordten), Rez. Puchta, Gewohnheitsrecht, Bd. 1 und 2, in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung 1838, Ergänzungsblätter Juli Nr. 122, 123, S. 19 ff.; Anonymus, Rez. Cursus der Institutionen, Bd. 1, in: Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst 1842, S. 433-440.

52 Im Kampf mit dem 'mystischen' Schelling bereits Landsberg, GDR 3. 2., S. 446; ErichRothacker, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Tübingen 1919, S. 126 Anm. 1; GerhardMasur, Friedrich Julius Stahl. Geschichte seines Lebens, Bd. 1: 1802-1840, Berlin 1930, S. 63 f.; ChristophLink, Die Grundlagen der Kirchenverfassung im lutherischen Konfessionalismus des 19. Jahrhunderts insbesondere bei Theodosius Harnack, München 1966, S. 117.

53WalterSchönfeld, Puchta und Hegel, in: Festgabe für Julius Binder, Berlin 1930, S. 1 ff., 52; eine Annäherung an Hegel sieht auch StefanSmid, Freiheit als Keim des Rechts, in: HansMartinPawlowski, StefanSmid u. RainerSpecht, Die praktische Philosophie Schellings und die gegenwärtige Rechtsphilosophie, Stuttgart 1989, S. 287 ff., 299.

54Schelling, Sämtliche Werke, hg. von K. F. A. Schelling, Stuttgart/Augsburg 1856-1861.

55LudwigFeuerbach, Rez. Stahl, Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht, Bd. 1 u. 2, in: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1835 unter dem Titel: Kritik der christlichen Rechts- und Staatslehre, nun leicht greifbar in: WalterJaeschke, Der Streit um die Romantik (1820-1854), Hamburg 1999, Quellenteil, S. 118 ff.; Zitate S. 125, 124.

56HeinrichHeine, Herr Ludwig von Bayernland, in: Ders., Gedichte, Nachlese; vgl. auch seine einflußreichen in Frankreich erscheinenden Aufsätze "Die Romantische Schule" von 1833; hier besonders zweites Buch, 3.

57Walter E. Ehrhardt, Einleitung zur letzten Münchner Mythologie-Vorlesung, 1996, S. 19; vgl. auch Ders., Die Naturphilosophie und die Philosophie der Offenbarung. Zur Kritik materialistischer Schelling-Forschung, in: HansJörgSandkühler (Hg.), Natur und geschichtlicher Prozeß. Studien zur Naturphilosophie F. W. J. Schellings, Frankfurt a. M. 1984, S. 337 ff.

58 Knapper Überblick von MartinSchraven, Recht, Staat und Politik bei Schelling, in: Sandkühler, Schelling, 1998, S. 190 ff.; vertiefend noch immer zentral AlexanderHollerbach, Der Rechtsgedanke bei Schelling. Quellenstudien zu seiner Rechts- und Staatsphilosophie, Frankfurt a. M. 1957; daneben nun die Beiträge in Pawlowski, Smid u. Specht, Die praktische Philosophie Schellings (Anm. 53), 1989; MarkusHofmann, Über den Staat hinaus. Eine historisch-systematische Untersuchung zu F. W. J. Schellings Rechts- und Staatsphilosophie, Zürich 1999; ClausDierksmeier, Der absolute Grund des Rechts. Karl Christian Friedrich Krause in Auseinandersetzung mit Fichte und Schelling, Stuttgart 2003; interessanter Abgleich mit Krause auch bei WolfgangForster, Karl Christian Friedrich Krauses frühe Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, Ebelsbach 2000, S. 264 ff. mit Rez. Haferkamp in: SZ GA 2003, S. 772 ff.

59 Hinsichtlich des Privatrechts gelte: "Da in der gänzlichen Zurückziehung des allgemeinen und öffentlichen Geistes von dem einzelnen Leben dieses als die rein endliche Seite des Staats und völlig tot zurückgeblieben ist, so ist auf die Gesetzmäßigkeit, die in ihm herrscht, durchaus keine Anwendung von Ideen und höchstens die eines mechanischen Scharfsinnes möglich, um die empirischen Gründe derselben in einzelnen Fällen darzutun oder streitige Fälle nach jenen zu entscheiden", Schelling, Vorlesungen über die Methode (Lehrart) des akademischen Studiums, 3. (seit 1803 unveränderte) Ausgabe 1830, hg. von WalterE. Ehrhardt, Hamburg 1990, S. 107.

60Hollerbach, Der Rechtsgedanke bei Schelling (Anm. 58), 1957, S. 248 ff. sieht als bisher einziger die Zusammenhänge, ohne sie jedoch in seiner Analyse zu Puchta zu vertiefen.

61 Ediert liegen inzwischen mehrere Nachschriften vor: Schelling, Philosophie der Mythologie. Nachschrift der letzten Münchner Vorlesungen 1841, hg. von AndreasRosner u. HolgerSchulten, Stuttgart 1996; Philosophie der Mythologie in drei Vorlesungsnachschriften, hg. von KlausVieweg u. ChristianDanz, München 1996; zitiert mit Zusatz: 1837 oder 1842.

62 Brief an Blume vom 10. 1. 1829 (Anm. 46).

63 Vgl. WalterE. Ehrhardt (Hg.), F. W. J. Schelling, Einleitung in die Philosophie 1830, Stuttgart 1989, S. 61 ff., 62. Der Verfasser der Nachschrift ist unbekannt. Laut Ehrhardt, a. a. O., S. IX überprüfte und korrigierte Schelling das im Besitze Maximilians II. befindliche Heft.; vgl. auch die ansonsten herangezogene Geschichte der neueren Philosophie, 1833/34, Werke X, S. 152: "Daher ist ihm die Natur überhaupt nur noch die Agonie des Begriffs". Die Vorlesung entstammt nicht dem Jahr 1827, wie noch immer vielfach angenommen, hierzu: Siegbert Peetz, Einleitung in: Ders. (Hg.), System der Weltalter. Münchner Vorlesung 1827/28 in einer Nachschrift von Ernst von Lasaulx, Frankfurt a. M. 1990, S. XXIV, ebenso im Anschluss an einen älteren Hinweis Fuhrmanns bereits ManfredFrank in der von ihm besorgten Schelling Werkausgabe.

64Schelling, System der Weltalter (Anm. 63), 1827/28, S. 12.

65 Vgl. die genaue Analyse durch Siegbert Peetz, Die Freiheit im Wissen. Eine Untersuchung zu Schellings Konzept der Rationalität, Frankfurt a. M. 1995, S. 280 ff., 299 ff.

66Schelling, Einleitung in die Philosophie (Anm. 63), 1830, S. 9.

67Schelling, a. a. O., S. 24.

68 Brief an Savigny vom 31. 7. 1831, bei Bohnert, Vierzehn Briefe (Anm. 22), S. 17.

69 Brief an Savigny vom 4. 8. 1835, abgedruckt bei Bohnert, Vierzehn Briefe (Anm. 22), S. 24 ff., 28 f.

70Schelling, Philosophie der Mythologie (Anm. 61), 1837, S. 51; ähnlich Ders.: Philosophie der Mythologie (Anm. 61), 1841, S. 62 f.; für die in den Werken veröffentlichte Berliner Fassung hat bereits Hollerbach, Der Rechtsgedanke bei Schelling (Anm. 58), 1957, S. 248 ff. auf diese Zusammenhänge hingewiesen.

71 Vgl. SiegbertPeetz, Die Philosophie der Mythologie, in: HansJörgSandkühler (Hg.), F. W. J. Schelling, Stuttgart 1998, S. 150 ff., 154 ff.

72Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 23.

73Puchta, a. a. O., ebda.

74Schelling, Philosophie der Mythologie, 1837, S. 100.

75Puchta, a. a. O., ebda.

76Puchta, Vorlesungen über das heutige römische Recht, nach dem Nachlass hg. von AdolfAugustFriedrichRudorff, Stand 1846, Bd. 1, hier zitiert nach 6. Aufl. Leipzig 1873, S. 23.

77Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 6.

78Schelling, Einleitung in die Philosophie (Anm. 63), 1830, S. 13.

79Puchta, Cursus der Institutionen, (Anm. 24), 1841, S. 9; Schelling, Historisch-kritische Einleitung in die Philosophie der Mythologie, 1842, Werke II 1, S. 175; Ders., Einleitung in die Philosophie der Offenbarung, 1842/43, Werke II 4, S. 310.

80 Vgl. die Differenzierungen bei OtfriedHöffe, Ein Thema wiedergewinnen: Kant über das Böse, in: Ders. u. AnnemariePieper, F. W. J. Schelling, Über das Wesen der menschlichen Freiheit, S. 11 ff.

81Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), S. 9.

82Puchta, a. a. O., S. 100; Ders., Kritik von Georg Beseler's Volksrecht und Juristenrecht, Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1844, separat Berlin 1844, S. 19.

83 Vgl. Puchta, Gewohnheitsrecht, Bd. 2, Leipzig 1837, S. IX, 49 ff., 61; auch später beibehalten, vgl. Puchta, Vorlesungen (Anm. 76), 1846, § 13.

84Puchta, Pandekten, 3. Aufl. Leipzig 1845, S. 2.

85 Mit Blick auf das Zusammenspiel mit der Jurisprudenz nach 1800 vgl. die Beiträge in JanSchröder (Hg.), Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, Stuttgart 2001; gedrängter Überblick bereits von dems., Analogie in der juristischen Methodenlehre, in: ZRG GA 114, 1997, S. 39 ff.; Ders., Recht als Wissenschaft, München 2001, S. 210 ff.

86Puchta, Vorlesungen (Anm. 76), 1846, S. 39.

87Puchta, Pandekten (Anm. 84), 1845, § 17.

88Puchta, Vorlesungen (Anm. 76), 1846, S. 48. Die positiven Rechtssätze wurden damit gegenüber dem Juristenrecht bevorzugt. Der 'Vorrang des Seins', rechtspolitischer, die Angst vor 'Willkür' der Juristen, führte also zu einer Abstufung der Bedeutung der Wissenschaft in der Rechtsquellenlehre. Dies wird fast durchweg übersehen. Terminologisch ging Puchtas Juristenrecht zum Recht der Wissenschaft über. Öffentlich machte Puchta dies in seiner Einleitung zu Band 2 des Gewohnheitsrechts von 1837. Die Wissenschaftler waren nun nicht länger Repräsentanten des Volksgeists, wie etwa noch im ersten Band des Gewohnheitsrechts, 1828 S. 165 f. und damit vollwertige Rechtsquelle, sondern lediglich zur Lückenfüllung durch wissenschaftliche Herleitung berufen. Zu diesem Übergang im Einzelnen Haferkamp, Puchta und die 'Begriffsjurisprudenz', Teil 2, Kap. 5 I 4.

89Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 30.

90GeorgBeseler, Volksrecht und Juristenrecht, Leipzig 1843, S. 120 f.

91JohannFriedrichMartinKierulff, Theorie des Gemeinen Civilrechts, Altona 1839, S. 188 **).

92Puchta, Gewohnheitsrecht (Anm. 83), 1837, S. 51.

93Puchta, Rez. Savigny, System I und II (Anm. 24), S. 673. Puchta spielte hier auf Kierulffs Vorgabe an, genau dies nicht zu tun, vgl. Kierulff, Theorie des Gemeinen Civilrechts (Anm. 91), 1839, S. XXXI.

94Puchta, Rez., Beseler, Volksrecht und Juristenrecht (Anm. 82) 1844, S. 26.

95CarlGeorgBruns, Geschichte und Quellen des römischen Rechts, in: Encyclopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung, hg. von Franzv. Holtzendorff, Bd. 1, Leipzig 1870, S. 61 ff., 168, der "Glaubenssatz des römischen Rechts" semel heres semper heres, sei eine "leere Reliquie".

96AdolphAugustFriedrichRudorff, Vorrede zu Puchtas Pandekten, 11. Aufl. Leipzig 1870, mit Beispielen.

97RudolphJhering, Unsere Aufgabe, 1856, in: JherJb 1857, S. 31: "civilistischer Mumien-Cultus".

98 Vgl. Peetz, Die Philosophie der Mythologie (Anm. 71), 1998, S. 160 ff.

99Peetz, a. a. O., S. 163 ff.

100Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 17.

101Puchta, a. a. O., S. 18.

102Puchta, a. a. O., S. 22.

103Puchta, a. a. O., S. 21.

104Puchta, a. a. O., S. 18.

105Puchta, a. a. O., S. 22.

106 Der Sinn des Rechts sei die Gleichheit zu schützen bestimmt, indem es die "individuellen Ungleichheiten dem Allen gleichmäßig zukommenden: der Persönlichkeit, der Möglichkeit eines Willens, unterwirft", Puchta, a. a. O., S. 18 - mehr also nicht; vgl. auch Wetzell, 2. Nachruf Puchta, 1846, S. XLII: "Da der Mensch durch seine Natur zum Leben mit Andern bestimmt ist, so muß wegen dieser Naturnothwendigkeit der rechtlichen Freiheit, die an sich eine unbeschränkte, ausschließliche sein würde, das Princip der Gleichheit anhaften, welches dem Triebe der Menschen, Alles auf sich zu beziehen, Schranken setzt, und den Einzelnen nöthigt, alle Anderen auch als rechtlich frey anzuerkennen". Zu weitgehend PeterLandau, Puchta und Aristoteles, in: ZRG RA 109, 1992, S. 10, der materialer in Puchtas Gleichheitsbegriff eine Orientierung an den "den liberalen Grundwerten der allgemeinen Freiheit der Persönlichkeit und der Gleichheit der Eigentums" und das Ziel der "Überwindung der Statusungleichheit der Ständegesellschaft" findet; wie hier ReginaOgorek, Untersuchungen zur Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1975, S. 14 ff., 16 f.; DiethelmKlippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, Paderborn 1985, S. 57; Ders., Historische Wurzeln und Funktionen von Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechten im 19. Jahrhundert, in: ZNR 1982, S. 132 ff., 138; SibylleHofer, Freiheit ohne Grenzen? Tübingen 2001, S. 210 f.

107Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 18.

108Puchta, a.a.O., ebda.

109Puchta (anonym), Juristische Gegensätze des Tages, in: Hallische Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst 99 (1838), Sp. 785 ff., 786.

110Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 102.

111Schelling, Über das Wesen der menschlichen Freiheit, 1809, Werke VII, S. 336.

112Schelling, Einleitung in die Philosophie (Anm. 63), 1830, S. 10.

113 Vgl. Peetz, Die Philosophie der Mythologie (Anm. 71), 1998, S. 156 ff.

114Puchta, Vorlesungen (Anm. 76), 1846, S. 25.

115Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 6.

116 Auch die Rechtsfortbildung wurde also keineswegs an Ableitungslogik gebunden. Dem Versuch, das Recht im Sein an vernünftige Strukturen zu binden, entsprach keine Bindung des Volksgeist, also des Rechts im Werden, an diese Strukturen. Das Recht der Wissenschaft war daher auch nicht logische Deduktion, sondern 'Kunst', vgl. den Vergleich mit dem Künstler Puchtas in Rez. Beseler (Anm. 82), 1844, S. 19 f. "Der Künstler wird in dem Maße gelobt, in welchem eine dem darzustellenden Gedanken so angemessene Gestaltung gelingt, daß wir in ihr die ihm gleichsam angeborene und nothwendige Form zu erblicken glauben". Puchta ging also nicht von einem lückenlosen überpositiven Gesamtsystem im Gegensatz einem lückenhaften System des positiven Rechts aus, so aber Schröder, Recht als Wissenschaft (Anm. 85), 2001, S. 247. Lückenfüllung durch das Recht der Wissenschaft konnte nicht auf ein korrektives Gesamtsystem zurückgreifen, sondern musste Strukturmerkmale ausbauen, die im kausal interpretierten positiven Recht gefunden wurden. Der Wissenschaftler wurde auf diese Weise niemals Repräsentant des Volksgeistes. Angesichts der "dunklen Werkstätte" Volksgeist blieb ein wissenschaftlich gebildeter Rechtssatz in der Geltung unsicher, seine wissenschaftliche "Wahrheit ist die Bedingung seiner Gültigkeit", Pandekten (Anm. 84), 1845, S. 26. Für Details muss ich auch hier auf meine demnächst erscheinende Arbeit Puchta und die 'Begriffsjurisprudenz' verweisen.

117Puchta, Zu welcher Classe von Rechten gehört der Besitz? (Anm. 3), 1829, S. 255.

118Puchta, a. a. O., S. 249.

119Puchta, Vorlesungen (Anm. 76), 1846, S. 25.

120Puchta, a. a. O., S. 427 f.

121 Puchtas System blieb also auf das positive Recht fixiert.

122 Am deutlichsten in Puchta, Vorlesungen (Anm. 76), 1846, S. 44.

123 Erstmalig in Puchta, Gewohnheitsrecht (Anm. 83), 1837, S. 17.

124Puchta, Pandekten (Anm. 84) 1845, S. 65 Anm. a).

125Puchta, Cursus der Institutionen (Anm. 24), 1841, S. 92 ff.

126Puchta, a. a. O., S. 94.

Aufsatz vom 19. November 2003
© 2003 fhi
ISSN: 1860-5605
Erstveröffentlichung
19. November 2003