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Konjunkturen des Staatsschutzes. Die Justiz und der Schutz von Republik und Verfassung (1922 – 1972 – 2022)
28. Juni 2022
Ort: Justizakademie Wustrau am Ruppiner See, Fehrbellin
Zeit: 23.09.2022 - 25.09.2022
Deadline für Anmeldungen: 23.08.2022
Die 24. Jahrestagung des "Forum Justizgeschichte" möchte folgende Fragen
diskutieren: Aus welchen Erfahrungswerten und Denktraditionen speist
sich das Konzept der "wehrhaften Demokratie"? Gibt eine spezifische
Sicht aus dem Exil auf den Untergang der Weimarer Republik? Welche –
angeblichen – "Lehren" aus dem Scheitern von Weimar zogen die
Westalliierten und die bundesdeutsche Politik? Wie wurde dies speziell
von der Justiz verstanden und umgesetzt.
Am 21. Juli 1922 trat das Republikschutzgesetz („Gesetz zum Schutze der Republik“) in Kraft, einen Monat nach der Ermordung von Reichsaußenminister Walther Rathenau durch die völkische „Organisation Consul“. Das Gesetz enthielt eine Reihe neuer Strafbestimmungen, etwa die Herabwürdigung der „republikanischen Staatsform“, richtete einen speziellen „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ ein und ermöglichte Verbote republikfeindlicher Vereinigungen, die Beschlagnahme entsprechender Druckschriften oder Wiedereinreiseverbote für „Mitglieder vormals landesherrlicher Familien“. Auf der Grundlage des Republikschutzgesetzes wurden etwa die „Organisation Consul“ und der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ verboten, stark betroffen war aber auch die KPD. Seit 1925 galt ihre Politik der Rechtsprechung als Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Die Staatsfeindlichkeit der KPD verstand sich für die Justiz nach der Funktionärskörperlehre fast von selbst, während diejenige der NSDAP allenfalls im Einzelfall angenommen wurde. Grundsätzlich schützte die Weimarer Justiz den Staat an sich und verteidigte eher die Reichswehr oder die Ministerialbürokratie anstatt demokratische Institutionen und gesellschaftliche Partizipation.
Mitprägend für die Bundesrepublik und ihre Justiz wurde die (Fehl-)Interpretation, die nationalsozialistische Machtübernahme sei legal erfolgt und deutsche Juristen seien demgegenüber aufgrund ihres vermeintlichen Rechtspositivismus wehrlos gewesen. Der Anspruch, nunmehr eine „wehrhafte Demokratie“ zu sein, konkretisierte sich in den 1950er-Jahren juristisch im Schutz der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ („fdGO“). Angelegt im Grundgesetz (Artikel 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2) waren die Grundrechtsverwirkung sowie Verbote von Vereinigungen und Parteien. Verfahren am BVerfG führten zum Verbot von SRP (1952) und KPD (1956). Behördlich wie gerichtlich breit praktiziert wurden nach dem Radikalenbeschluss von 1972 „Berufsverbote“ im öffentlichen Dienst.
Was aus einer Perspektive unvermeidlich ist, also Demokratie und Freiheitsgrundrechte zu ihrem eigenen Schutz staatlich zu beschneiden, wird umgekehrt als paradoxe Stärkung der Exekutive inklusive der Inlandsgeheimdienste kritisiert. Aktuelle Fälle von rechtsradikalen Netzwerken in Sicherheitsbehörden oder rechten Richtern zeigen die anhaltende Brisanz des Themas ebenso wie die Debatte darum, für Justizpersonal die sogenannte „Regelanfrage“ wieder einzuführen. Bestanden und bestehen Anknüpfungspunkte an einen demokratischen und verfassungsstaatlichen „Republikschutz“, können beim Umgang mit „Verfassungsfeinden“ die illiberalen Muster des hergebrachten Staatsschutzes vermieden werden?
Tagungskosten
(zwei Übernachtungen, Vollpension):
€ 195,00 Nichtmitglieder
€ 175,00 Mitglieder
€ 90,00 Studierende, Referendar_innen und Teilnehmende ohne Einkommen
Es
besteht dank der Unterstützung durch ein Vereinsmitglied die
Möglichkeit, für die Tagung ein Stipendium zu erhalten. Die Bewerbung
auf ein Stipendium muss bis spätestens zum 23. August 2022 beim Forum
Justizgeschichte eingehen. Der Wunsch nach einem Stipendium ist kurz zu
begründen. Die Vergabe erfolgt entsprechend der zur Verfügung stehenden
Mittel. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Das Stipendium umfasst die
Reisekosten, die Teilnahmegebühren für zwei Übernachtungen und
Verpflegung in Wustrau.
info@forum-justizgeschichte.de
Tagungsort
Deutsche Richterakademie
Am Schloß 1
16818 Wustrau-Altfriesack
Tel.: 033925 897-0
Fax: 033925 897-202
E-Mail: wustrau@deutsche-richterakademie.de
Freitag, 23.9.2022
15.45 Uhr - Begrüßung durch Richterakademie und Vorstand
16.00 Uhr - Inhaltliche Einführung
16.15 Uhr - Christoph Gusy, Republikschutzgesetz - Ein Schritt zur wehrhaften Republik
17.15 Uhr - Kaffeepause
17.30 Uhr - Nathalie
Le Bouedec, Weimar als Argument: Das Republikschutzgesetz in den
Debatten um Staats- und Verfassungsschutz in der frühen Bundesrepublik
18.30 Uhr - Abendessen
19.30 Uhr - Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer
Samstag, 24.9.2022
09.00 Uhr - Christoph Schuch, Antisemitismusbekämpfung und Republikschutz
10.00 Uhr - Malte Feldmann, Sprung über Schmitts Stöckchen: Hans Kelsen und die wehrhafte Demokratie
10.45 Uhr - Kaffeepause
11.00 Uhr - Yvonne
Hilges/Mirjam Schnorr, Radikale Richter? Der „Extremistenbeschluss“ von
1972 und seine Anwendung auf den baden-württembergischen Justizdienst
12.00 Uhr - Mittagessen
13.30 Uhr - Friedrich Kießling, Die Bundesanwaltschaft und der lange Weg zum demokratischen Staatsschutz 1950 bis 1974
14.30 Uhr - Kaffeepause
14.45 Uhr - Inga Schuchmann, Der Stammheim-Prozess – Staatsschutz mit den Mitteln des Straf(prozess)rechts?
15.45 Uhr - Verleihung des Richard-Schmid-Preises 2022
16.45 Uhr - Mitgliederversammlung
18.30 Uhr - Abendessen
19.30 Uhr - Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer
Sonntag, 25.9.2022
09.00 Uhr - Tim
Wihl, Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung -
Zur Geschichte und Krise eines unbestimmten Rechtsbegriffs (1950-2022)
10.00 Uhr - Kaffeepause
10.15 Uhr - Marlene Grunert und Sarah Schulz: „Rechte Richter“, neue Regelanfrage? (Podiumsdiskussion, moderiert von John Philipp Thurn)
11.15 Uhr - Abschluss: fish bowl – Tagungsfazit und Ausblick
12.00 Uhr - Mittagessen
13.00 Uhr - Abreise
Kontakt
Forum Justizgeschichte e. V.
Fitzmauriceweg 18
48155 Münster
info@forum-justizgeschichte.de
Quelle: Konjunkturen des Staatsschutzes. Die Justiz und der Schutz von Republik und Verfassung (1922 – 1972 – 2022).
In: H-Soz-Kult, 26.06.2022, <www.hsozkult.de/event/id/event-128229>.