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Forum News

Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshöfe und deren Bedeutung, Praxis im europäischen Vergleich

5. Oktober 2022

Workshop über die historische Bedeutung und Verwendbarkeit der Rechtspraxis und ihrer Quellen bzw. über die Gerichtsbarkeit als historical agency mit Hinblick auf die heutigen rechtstheoretischen und rechtsdogmatischen Debatten

Veranstalter: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg - Hans-Kelsen-Forschungsstelle / Universität Wien - Institut für Österreichische Geschichtsforschung
Veranstaltungsort: Universität Wien, Österreich
Datum: 21. - 22. Oktober 2022

Im Workshop wird die rechtstheoretische Frage nach dem Beziehungsgeflecht von Politik und Recht aus der historischen Perspektive – mit besonderem Fokus auf Oberstgerichte und Schiedsgerichte – diskutiert.

Dieser historische Fokus soll es uns ermöglichen, die Übersetzungsleistungen zwischen Politik und Recht, die Gestaltungsmöglichkeiten sowie Steuerungsfunktion von Recht und die Einflussmöglichkeiten von Politik auf Recht in konkreten-historischen Situationen und mit Bezug auf das institutionelle Setting der Gerichtsbarkeit aus der Perspektive der Rechtsgeschichte zu diskutieren, zugleich die diesbezüglichen, gegenwärtigen rechtstheoretischen und rechtsdogmatischen Debatten in einem größeren historischen Kontext auch geschichtswissenschaftlich neu zu lesen.

Wir fragen dabei nach der gesellschaftlichen Reaktion auf die Rechtspraxis bzw. nach der gerichtlichen Wahrnehmung gesellschaftlicher Konflikte in der Rechtsgeschichte.

- Wie bearbeitete, beantwortete die Rechtspraxis gesellschaftliche Erwartungen?
- Wie wurden und werden die sozialen Erwartungen internalisiert und gerichtlich verrechtlicht?
- Wie wurden und werden politische Themen dabei institutionalisiert und kanalisiert?
- Welche Konflikte lösten gewisse Gerichtsurteile aus?
- Wie produzierte die Rechtspraxis Rechtswissen, welches das heutige Rechtsdenken – in den unterschiedlichen Rechtstraditionen unterschiedlich formuliert und institutionalisiert – prägt?

Im ersten Panel wird nach den rechtstheoretischen und historischen Bedingungen gefragt, die den Oberstgerichten eine unterschiedlich gestaltete Rolle als politische Akteure zuweisen. Diese Frage nach der politischen Rolle vom Recht wird weitergeführt im Blick auf Schiedsgerichte, die auf internationaler Ebene wirtschaftliche und politische Ansprüche in eigenen Verfahren aushandeln und Lösungen entwickeln, die innerhalb der internationalen wie auch der nationalen Gemeinschaft Zustimmung oder Ablehnung findet.

Im dritten und vierten Panel verlagert sich die Diskussion auf einzelne Politikfelder.

Die Diskussion im Panel 3 bezieht sich auf die staatliche Verwaltung (besonders im post-habsburgischen Raum). Die Normgeltung ist besonders in Zeiten politischen und normativen Wandels von hoher Bedeutung. Bezüglich des (post-)habsburgischen Rechtsraumes lässt sich diesbezüglich erfragen: Wie gingen die Nachfolgestaaten mit dem normativen Erbe der Monarchie um? Wie positionieren sie sich zum weitergeltenden österreichischen und/oder ungarischen Recht?

Das letzte (vierte) Panel nutzt die beiden Politik- und Rechtsfelder von Staatsbürgerschaft und Ehe, die an der Schnittstelle von öffentlichem Recht und Privatrecht liegen, als Ausgangspunkt für die Analyse der Übersetzungsleistungen zwischen Politik und Recht in spezifischen politischen und gesellschaftlichen Situationen.

Programm

21. Oktober 2022 (Freitag)

09:00–12:00 Uhr Panel 1: Obergerichte als politische Akteure

Filippo Contarini (Luzern / Paris): Schweiz und ihre gegenwärtige Grundnorm

Péter Techet (Freiburg/Br.): Verfassungsgerichtsbarkeit in der Ersten Republik: Übersetzungsarbeit zwischen Recht und Politik

Kommentar: Lena Foljanty (Wien)

13:00–16:00 Uhr Panel 2: Schiedsgerichte / Privatisierung des Rechts / Tribunalisierung der Politik

Peter Collin (Frankfurt/M): Eine Justizkonstellation ganz eigener Art: Schiedsgerichte und Reichsversicherungsamt in der frühen deutschen Sozialrechtsprechung

Bruno de Lima (Frankfurt/M): Using Administrative Law and Civil Law to Fight Slavery: Luiz Gama's Freedom Claims before Brazilian Police Departments and Judicial Courts, 1860–1888

Kommentar: Miloš Vec (Wien)

16:30–19:30 Uhr Panel 3: Verwaltung – Recht – Politik im posthabsburgischen Rechtsraum

Peter Becker (Wien): Politische Transformationen in der Habsburgermonarchie

Gábor Egry (Budapest): Bruch der Staatlichkeit, Kontinuität des Rechts im post-habsburgischen Siebenbürgen

Jana Osterkamp (München): Rechtspluralismus und Justiz in der Transformationsphase der Tschechoslowakei

Kommentar: Claudia Kraft (Wien)

22. Oktober 2022 (Samstag)

09:00–12:00 Uhr Panel 4: Staatsbürgerrecht und Eherecht(spraxis) als politische Macht- und gesellschaftliche Konfliktfrage

Mark Cornwall (Southampton): Traitors in the Habsburg Rechtsstaat

Benno Gammerl (Florenz): Entscheidungen über Zugehörigkeit im British Empire und in der Habsburgermonarchie

Dominique Kirchner Reill (Miami): Hungarian Marriage Law in Italian Fiume and Its Practice

Kommentar: Franz Fillafer (Wien)

12:00–13:00 Uhr
Abschließender Kommentar zu den Ergebnissen: Thomas Olechowski (Wien)

Enddiskussion

Kontakt

E-Mail: peter.techet@jura.uni-freiburg.de


Quelle: Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshöfe und deren Bedeutung, Praxis im europäischen Vergleich. In: H-Soz-Kult, 04.10.2022, <www.hsozkult.de/event/id/event-130082>.