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Geschichte strategischer Prozessführung in Deutschland
22. Juli 2025
Das Forum Justizgeschichte veranstaltet seine 27. Jahrestagung vom 26.09.2025 - 28.09.2025 an der Deutschen Richterakademie Wustrau.
Anmeldeschluss: 10.09.2025
„Strategische Prozessführung“ ist ein ebenso schillernder wie uneindeutiger Begriff. Beispiele für „strategische Prozessführungen“ aus der jüngsten Vergangenheit sind vielfältig. So verklagte ein peruanischer Landwirt einen Energiekonzern vor dem Oberlandesgericht Hamm auf teilweisen Ersatz seiner Kosten für lokale Schutzmaßnahmen gegen Folgen des Klimawandels. Pflegekräfte gingen in Karlsruhe strategisch gegen die Zustände in deutschen Pflegeheimen vor. Flüchtlinge aus Mali wehrten sich in Straßburg gegen Rückschiebungen an der spanischen EU-Außengrenze. Jemeniten verklagten die Bundesregierung wegen der Beteiligung an US-Drohneneinsätzen.
Von traditioneller unterscheidet sich strategische Prozessführung jedenfalls darin, dass sie jenseits des Prozesserfolgs im jeweiligen Einzelfall auch gesellschaftliche Veränderungen anstrebt. Mit Klagen in ausgewählten Fällen sollen Präzedenzentscheidungen mit Breitenwirkung erstritten werden, massenhafte Verfahren erzeugen (politischen) Druck und durch Selbstanzeigen oder Aktionen des zivilen Ungehorsams können ungerechte Straftatbestände skandalisiert werden.
Strategische Prozessführung nutzt für politischen Aktivismus mit juristischen Mitteln die Gerichte als Forum oder als Bühne. Das wirft interessante Fragen auf: Wie reagieren die Prozessordnungen und -kulturen auf Verfahren, in denen Beteiligte übergeordnete Ziele verfolgen? Wie gehen Richter:innen damit um und welche Seite der – vermeintlich so unpolitischen – Justiz zeigt sich dabei? Die gegenwärtige politische Entwicklung drängt schließlich zur Frage, welche rechtsstaatlichen und demokratischen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit strategische Prozessführung überhaupt Erfolge erzielen kann.
Die 27. Jahrestagung des Forums Justizgeschichte will die in Deutschland noch vergleichsweise junge Debatte über strategische Prozessführung um eine historische Perspektive bereichern und thematisieren, inwiefern Akteur:innen im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik auf verschiedenen Rechtsgebieten strategische Prozessführung betrieben haben.
Der Teilnahmebeitrag beträgt 200,- Euro für Nichtmitglieder, 185,- Euro für Mitglieder und 95 Euro für Studierende, Referendare und Erwerblose. Darin inbegriffen sind die beiden Übernachtungen samt Vollpension.
Dank der freundlichen Spende eines Mitglieds besteht die Möglichkeit Stipendien an Studierende und Referendare zu vergeben. Senden Sie hierfür bitte bis zum 31. August 2025 eine Bewerbung mit Motivation für den Besuch der Tagung und Lebenslauf an info@forum-justizgeschichte.de
Anmeldungen richten Sie bitte bis zum 10. September 2025 an info@forum-justizgeschichte.de.
Freitag, 26.09.2025
15.45 Uhr Begrüßung durch Richterakademie und Vorstand
16.00 Uhr Inhaltliche Einführung
16.15 Uhr Carolina Vestena: Zwischen Strategie und politischer Zielsetzung: Eine Rekonstruktion historischer und aktueller Debatten um strategische Prozessführung
17.15 Uhr Lisa Hahn: Jenseits des Einzelfalls: Deutungskämpfe und Handlungsspielräume für die strategische Nutzung von Recht im Spiegel der Zeit
18.30 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Kamingespräch mit Lothar Zechlin zum Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts (1973)
danach Ausklang/Nachbereitung im Märkischen Keller oder im Freien am Seeufer
Samstag, 27.09.2025
09.00 Uhr Inbal Steinitz: Der Kampf jüdischer Anwälte gegen den Antisemitismus. Die strafrechtliche Rechtsschutzarbeit des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (1893–1933)
10.00 Uhr Nicole Schraner: Visuelle Justizkritik: Die Gerichtsfotografie als strategisches Mittel der KPD in politischen Prozessen zwischen 1928 und 1933
10.45 Uhr Kaffeepause
11.00 Uhr Zoe Tappeiner: „Gott und dem Bundesverfassungsgericht sei Dank“ – Das Urteil zum väterlichen „Stichentscheid“ als strategische Prozessführung der Frauenverbände in den 1950er-Jahren
12.00 Uhr Mittagessen
13.30 Uhr Philipp Glahé: „Nürnberg ist eine Festung, die erst langsam sturmreif geschossen werden muss“ – „Politische Anwälte“ im Heidelberger Juristenkreis (1949-1955)
14.30 Uhr Kaffeepause
14.45 Uhr Katharina Rauschenberger: Ein Diplomat eigener Art. Der Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul als Repräsentant des „demokratischen Deutschland“ in westdeutschen NS-Prozessen
15.45 Uhr Louisa Hattendorf: Bilka-Frauen. Strategische Prozessführung für Gleichberechtigung zwischen nationalen und supranationalen Gerichten
17.00 Uhr Mitgliederversammlung des Forum Justizgeschichte e.V.
18.30 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer
Sonntag, 28.09.2025
09.00 Uhr Tim Wihl: Strategische Klagen gegen Racial Profiling in Deutschland
10.00 Uhr Kaffeepause
10.15 Uhr Podiumsgespräch zu Geschichte und Gegenwart strategischer Prozessführung
11.15 Uhr Abschlussrunde als fish bowl – Tagungsfazit und Ausblick
12.15 Uhr Mittagessen
13.00 Uhr Abreise
Kontakt
info@forum-justizgeschichte.de
Website
Quelle: Geschichte strategischer Prozessführung in Deutschland, in: H-Soz-Kult, 15.07.2025, https://www.hsozkult.de/event/id/event-156333.