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Netzwerke und Vernetzungen im Justizsystem der Vormoderne

18. November 2025

Veranstaltung: 07.10.2026 - 09.10.2026
Einsendeschluss: 20.12.2025
Veranstalter: Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e.V. Wetzlar

Veranstaltungsort: 35578 Wetzlar
Seminarraum der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e.V., Hofstatt 19

Ein Netzwerk bilden, sich (neu) vernetzen und es bleiben: das hat sich das Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit bei seiner Gründung im Jahr 1996 zur Aufgabe gemacht und tut dies bis heute durch regelmäßige Tagungen und Publikationen. In 30 Jahren sind zahlreiche Sammelbände und Monographien aus dem Netzwerk und dessen Umfeld entstanden, die jeweils aktuelle Konzepte und Diskurse im Justizsystem der Vormoderne aufgreifen. In diesem Sinne wollen wir auch im 30. Jahr des Netzwerks vernetzt bleiben, neue Verbindungen zwischen Forschungsfragen, Methoden und Disziplinen suchen, bestehende ausbauen oder ganz neu denken.

Der Netzwerkgedanke soll uns auch inhaltlich durch diese Tagung tragen. Wir blicken auf Netzwerke und Vernetzungen im Justizsystem der Vormoderne auf drei Ebenen:

1) Akteure
2) Institutionen
3) Wissen, Ideen- und Einflusssphären

Juristen unterhielten „Lebensabschnittsnetzwerke“ an den Universitäten, auf der Grand Tour, im Rechtspraktikum. Ihre Karrierenetzwerke erstreckten sich in der Frühen Neuzeit über ganz Europa, sie sind eng verflochten mit Mobilitätspraktiken und umso relevanter in Zeiten, in denen Positionen an den höchsten Gerichten noch Durchgangsposten statt Lebensstellung waren. An den Sitzen der höchsten Gerichte beobachten wir in der Vormoderne die Herausbildung eines spezifischen juristischen „oikos“: In ihren Funktionen als Vermieter, Gastgeber und Ausbilder etwa für Praktikanten pflegten sie offene Ess- und Schreibtische und banden nicht selten ihre Angehörigen als Vermittlungspersonen in ihre Tätigkeit bei Gericht ein. Interpersonale Netzwerke sind nicht nur im Inneren des Gerichtspersonals von Relevanz, sondern auch im Prozessgeschehen. Zu denken wäre hier an Fragen von Handlungsmacht von Untertanen oder auch neuere konzeptionelle Ansätze zu Justiznutzung oder Infrajustiz. Möglich wäre auch, an den vom Netzwerk geprägten Begriff des „Reichspersonals“ anzuknüpfen, der für eine Funktionselite des Reichs breit rezipiert wurde, nun aber der Erweiterung bedarf, da neue Forschungsansätze den Kreis der Akteure deutlich breiter fassen.

Gerichtsbarkeit ist im multinormativen Reich grundsätzlich vernetzt zu denken. In diesem föderalen System ohne Zentralgewalt haben wir es mit einer Vielfalt von Institutionen, Rechtstraditionen und Praktiken der Konfliktlösung zu tun, die sich überschneiden, ergänzen und Interdependenzen aufweisen. Für die Rechtsgeschichte der Vormoderne gilt es, eine differenziertere, ja: vernetzte Perspektive auf diese Vielfalt an Normen, Traditionen und Kodifizierungen einzunehmen.

Weiterhin möchten wir im Rahmen der Tagung die Netzwerke von Wissen sowie Einfluss- und Interessenssphären beleuchten. Letztere werden insbesondere im Zuge politisierter Konflikte aktiviert, die vor die höchsten Gerichte getragen werden. Wissen vernetzt sich auch im Spruchkollegium. Im 16. Jahrhundert bildeten sich in den ersten Richtergenerationen am Reichskammergericht neue Wissensnetzwerke unter den Autoren der Kameralliteratur heraus. In dieser Zeit begannen Juristen, systematisch Entscheidungen und Präzedenzfälle zu sammeln, um die Reichsgesetze umfassend zu kommentieren. Neben diesen juristischen Wissensbeständen kompilierten und katalogisierten sie darüber hinaus als private Sammler Kunst und (natur-)wissenschaftlicher Literatur.

Wir sind auf der Suche nach Beiträgen, die sich aus möglichst vielfältigen fachlichen Blickwinkeln heraus diesem Netzwerkgedanken nähern.

Darüber hinaus interessieren uns auch Netzwerke, die es nicht gab oder nicht geben durfte. Was geschieht, wenn Untertanen nicht über das nötige Netzwerk verfügen, um vor den Reichsgerichten Recht zu suchen? Woran scheiterten Karrieren? Wie umgehen mit Konflikten, für die das frühneuzeitliche Justizsystem weder Sprache noch Instrumente hatte? Bedeuten die Grenzen der Schriftlichkeit der Überlieferung ein Versanden von Netzwerken?

Wir freuen uns insbesondere auf Beiträge, die über die Grenzen des Alten Reichs und dessen höchste Gerichte als Untersuchungsraum sowie die Rechtsgeschichte als Disziplin hinaus denken und auch in methodischer Hinsicht neue Verknüpfungen suchen.

Außerordentlich erwünscht sind deshalb Vorträge, die auch die methodisch-konzeptionellen Knotenpunkte mit der soziologischen Netzwerkforschung und/oder neueren kulturwissenschaftlichen Begriffen und Diskussionen suchen.

Es war dem Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit immer ein besonderes Anliegen den Nachwuchs zu fördern, deshalb nehmen wir besonders gerne auch Vorschläge auf der Basis laufender Qualifikationsarbeiten entgegen.

Senden Sie Ihre Abstracts (2.000 Zeichen auf Deutsch oder Englisch) für eine Vortragszeit von 20 Minuten bis zum 20. Dezember 2025 an info@netzwerk-reichsgerichtsbarkeit.de oder forschungsstelle@reichskammergericht.de

Kontakt
info@netzwerk-reichsgerichtsbarkeit.de oder forschungsstelle@reichskammergericht.de


Quelle: Netzwerke und Vernetzungen im Justizsystem der Vormoderne, in: H-Soz-Kult, 12.11.2025, https://www.hsozkult.de/event/id/event-158693.